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Strafverfolgung in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West)

Teil 1: Die Niederschriften der Tagungen der Generalstaatsanwälte von 1948-1963

von Werner Schubert (Autor:in)
©2021 Andere 666 Seiten
Reihe: Rechtshistorische Reihe, Band 494

Zusammenfassung

Die Generalstaatsanwälte der Westzonen und der späteren Bundesrepublik Deutschland (einschl. West-Berlins) hielten ab Mitte 1948 aus eigener Initiative Tagungen ab, in denen wichtige Themen der Strafverfolgung und Strafvollstreckung behandelt wurden. Die Niederschriften vermitteln einen detaillierten Einblick in die Strafverfolgungspraxis der frühen Bundesrepublik. Themen der Besprechungen waren: Stellung der Staatsanwaltschaft, Straßenverkehrsrecht (u.a. Blutproben), «unzüchtige» Schriften, Staatsschutzdelikte, Probleme der Untersuchungshaft und der Strafvollstreckung, Praxis der Zentralen Stelle Ludwigsburg und der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter, Ermittlungen gegen NS-Richter wegen exzessiver Todesurteile.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Biografische Hinweise
  • Niederschriften (Protokolle) der Tagungen der Generalstaatsanwälte von 1948 bis 1963
  • I. Besprechungen auf der Tagung der Generalstaatsanwälte der Westzonen vom 27.–28.7.1948
  • II. Protokoll über die Besprechungen der Generalstaatsanwälte der Westzonen am 1. und 2.2.1949
  • III. Protokoll über die Besprechungen auf der Tagung der Generalstaatsanwälte der Westzonen von 19.–20.9.1949
  • IV. Niederschrift über die Besprechung der Generalstaatsanwälte vom 8.–9.5.1950
  • V. Herbsttagung der Generalstaatsanwälte der Bonner Bundesrepublik und des Kammergerichts vom 17.–19.10.1950
  • VI. Protokoll über die Arbeitstagung der Generalstaatsanwälte vom 8.–9.11.1951
  • VII. Niederschrift über die Arbeitstagungen der Generalstaatsanwälte vom 19.–21.3.1952
  • VIII. Niederschrift über die Tagung der Generalstaatsanwälte vom 2./3.2.1954
  • IX. Niederschrift der Tagung der Generalstaatsanwälte vom 17.–19.3.1955
  • X. Niederschrift der Tagung der Generalstaatsanwälte vom 23.–26.5.1956
  • XI. Niederschrift über die Arbeitstagung der Generalstaatsanwälte vom 23.–25.5.1957
  • XII. Niederschrift über die Tagung der Generalstaatsanwälte vom 21.–23.5.1958
  • XIII. Niederschrift über die Tagung der Generalstaatsanwälte vom 21.–23.5.1959
  • XIV. Niederschrift über die Tagung der Generalstaatsanwälte vom 19.–21.5.1960
  • XV. Niederschrift über die Tagungen der Generalstaatsanwälte vom 15.–18.5.1961
  • XVI. Niederschrift über die Jahrestagung der Generalstaatsanwälte vom 22.–25.5.1962
  • XVII. Niederschrift über die Tagungen der Generalstaatsanwälte in Konstanz vom 15.–17.5.1963
  • Personenregister
  • Sachregister
  • Quellennachweis

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Einleitung

I. Bereits in der Weimarer Zeit hatten Zusammenkünfte der preußischen Generalstaatsanwälte und Oberlandesgerichtspräsidenten (z.T. zusammen, z.T. getrennt; hierzu in Teil 2 der Edition) stattgefunden. In der NS-Zeit nahm der Reichsjustizminister nach der Vereinheitlichung der Justiz die Tradition der Beratungen der höheren Justizbehörden auf, berief jedoch selbst die Tagungen der OLG-Präsidenten und Generalstaatsanwälte und bestimmte selbst die Tagungsordnung (Protokolle bei W. Schubert [Hrsg.]: Das Reichsjustizministerium und die höheren Justizbehörden in der NS-Zeit [1935–1944]. Protokolle und Mitschriften der Arbeitstagungen der Reichsjustizminister mit den Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Volksgerichtshofs, des Reichsgerichts sowie mit den Generalstaatsanwälten, Frankfurt/M. 2015). Nach Kriegsende fanden bereits ab Ende 1945 Zusammenkünfte der Generalstaatsanwälte der Britischen Zone statt (Nachweise bei Joachim Reinhold Wenzlau, Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1949, Königstein/Ts. 1979; Edith Raisch, Justiz zwischen Diktatur und Demokratie. Wiederaufbau und Ahndung von NS-Verbrechen in Westdeutschland 1945–1949, 2013). Seit Mitte 1948 fanden gemeinsame Tagungen der Generalstaatsanwälte der Westzonen (zunächst noch ohne die Gerichte der Französischen Zone), seit Herbst 1949 der Generalstaatsanwälte der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins) statt, und zwar grundsätzlich ohne Beteiligung der Justizminister und von Ministerialbeamten.

Auf Beschluss der Arbeitstagung vom 15.5.1952 sollte die nächste Tagung im Herbst 1953 stattfinden, die jedoch im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich eines KPD-Verbots auf den Mai 1953 verschoben wurde. Unter dem 11.3.1953 teilte der Justizminister von Nordrhein-Westfalen den Landesjustizverwaltungen mit, die Justizministerkonferenz habe am 15.5.1952 in Wiesbaden beschlossen: „Die Justizministerkonferenz hält die Abhaltung besonderer Konferenzen der Oberlandesgerichtspräsidenten und der Generalstaatsanwälte für unzweckmäßig“. Im Mai 1952 fasste die JMK den Beschluss, die OLG-Präsidenten und GStA sollten „nur auf Einladung durch die Landesjustizverwaltungen und unter dem Vorsitz eines Justizministers oder –senators stattfinden“. Unter dem 22.3.1953 schrieb der Bundesjustizminister an den Oberbundesanwalt: „Ich neige der Auffassung zu, dass es bedauerlich wäre, wenn die Arbeitstagungen der Generalstaatsanwälte eingestellt würden. Der durch die Tagungen hergestellte unmittelbare und persönliche Kontakt war m.E. sowohl für die Bundesjustiz als auch für die ←11 | 12→Landesjustiz wertvoll. Ich glaube nicht, dass die Justizministerkonferenzen oder ihre Vorkonferenzen die Arbeitstagungen der Generalstaatsanwälte entbehrlich machen können.“ (BA Koblenz, B 141/1891 Bl. 59 ff.)

Am 31.3.1953 schrieb der Stuttgarter GStA Richard Schmid an seine Kollegen: „Der Herr Justizminister von Baden-Württemberg hat mir mitgeteilt, dass in einer Besprechung der Justizminister am 26. März 1953 eine Reihe weiterer Justizminister (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern) sich dem Standpunkt des Herrn Justizministers von Nordrhein-Westfalen angeschlossen haben, der die in Aussicht genommene Arbeitstagung der Generalstaatsanwälte nicht zu genehmigen für richtig gehalten hat. Dadurch ist die Abhaltung der Tagung leider unmöglich geworden. Die auf Juni anstehende Konferenz der Justizminister wird sich mit der Frage unserer Tagung noch einmal beschäftigen. Die Vertretung meines Landes wird sich dabei voraussichtlich auf den Standpunkt stellen, dass die Tagung der Generalstaatsanwälte eine sachgemäße Einrichtung ist, insbesondere für reine Strafverfolgungsfragen, die einer Koordinierung oder eines Erfahrungsaustausches innerhalb des Bundesgebietes bedürfen. Dazu gehört nach hiesiger Auffassung insbesondere der Gegenstand, der die leider abzusagende Konferenz in erster Linie zu beschäftigen gehabt hätte, nämlich der strafrechtliche Staatsschutz. Es lässt sich die Auffassung vertreten, dass die Konferenz der Justizminister für Fragen, die sich bei der Anwendung des ersten Strafrechtsänderungsgesetzes laufend ergeben, nicht das Gremium ist, das sich für die Behandlung der praktischen Einzelfragen der Verfolgung eignet. Das gilt auch für andere Rechtsgebiete.“ Auf die Intervention von Schmid wurde auf der Tagung der Justizminister am 6./7.7.1953 die Frage der Tagungen der GStA „schnell erledigt“: „Auf Vortrag des Vertreters von Baden-Württemberg, Generalstaatsanwalt (jetzt Staatssekretär) Schmid, wurde die dienstliche Bedeutung und Notwendigkeit dieser Konferenzen anerkannt. Sie sollen in der bisherigen Form fortgeführt werden.“

Seitdem fanden die Tagungen der GStA und des Generalbundesanwalts jährlich (erstmals wieder 1954) jeweils in der ersten Jahreshälfte statt. Über die Tagungen wurden „Niederschriften“ (z.T. auch „Protokoll“ genannt) angefertigt, die den Verlauf der Tagungen zusammen mit den Redebeiträgen der einzelnen GStA und des Generalbundesanwalts zusammenfassend wiedergeben. Wortprotokolle sind in den vom Hg. eingesehenen Akten nicht überliefert. Zu den einzelnen Tagesordnungspunkten hielt zumeist, jedoch nicht immer, ein GStA vorbereitete Referate, die seit 1958 den Tagungsniederschriften als Anlagen beigefügt sind (mit Ausnahme der Tagung von 1960, in deren Niederschrift die Referate zusammenfassend festgehalten sind).←12 | 13→

II. Die Stellung der Staatsanwaltschaft richtet sich nach den §§ 141 ff. GVG und der von der Justizministerkonferenz im Oktober 1959 verabschiedeten „Anordnung über die Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft“ (OrgStA) vom 1.6.1960 (wiedergegeben bei W. Schubert, Staatsanwaltschaftsrecht [1934–1982], Frankfurt/M. 2013, S. 70 ff.). Nach Ziff. 1 der OrgStA bestehen Staatsanwaltschaften „am Sitz der Oberlandesgerichte und der Landgerichte. Sie führen die Bezeichnung: der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht… (Ortsbezeichnung)…“ Leiter der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht ist der Generalstaatsanwalt. Nach § 114 GVG übt der Behördenleiter die Dienstaufsicht über alle Angehörigen seiner Behörde aus. Die Aufnahme einer Bestimmung über das Weisungsrecht und die Weisungsgebundenheit in die OrgStA erfolgte nicht.

Über Entstehung und Geschichte der Staatsanwaltschaft, deren Aufgaben und Funktion sowie über ihre rechtliche Stellung im Strafprozess unterrichtet u.a. Wolfgang Wohlers im SK-StPO, Bd. IX, 5. Aufl., Köln 2016, S. 512 ff. (Vorbem. zu den §§ 141 ff. GVG); S. 522 ff. zur Öffentlichkeitsarbeit der StA). Nach § 144 GVG ist die Staatsanwaltschaft eine monokratisch-hierarchische Behörde: „In ihrer Eigenschaft als Behördenleiter haben die Ersten Beamten die Dienstaufsicht über alle Angehörigen ihrer Behörde auszuüben, sie wirken auf die Einhaltung der Gesetze, Vorschriften und Anordnungen hin, sorgen für die sachgemäße und rasche Erledigung und, soweit erforderlich, die einheitliche Behandlung der Geschäfte. Sie haben sicherzustellen, über alle bedeutenden Angelegenheiten unterrichtet zu werden, führen Geschäftsprüfungen durch, stellen den Geschäftsverteilungsplan auf und bearbeiten die Justizverwaltungssachen, wobei sie jeweils auch Angehörige der Behörde heranziehen dürfen…. Zu den Aufgaben des Behördenleiters gehört es auch, den Sitzungsdienst der Staatsanwaltschaft zu organisieren“ (Wohlers, aaO., S. 563).

Nach § 145 GVG sind die Ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den OLG und den LG befugt, „bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen“. Während der Generalbundesanwalt als politischer Beamter jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann und dies auch für die GStA in den Ländern bis Ende des 20. Jahrhunderts galt, sind diese nunmehr keine politischen Beamten mehr (vgl. Wohlers, Rdn. 4 zu § 149 GVG, S. 595). Das externe Weisungsrecht war in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kaum bestritten; dessen vollständige Abschaffung wurde auch lange Zeit nicht gefordert (zu evtl. Beschränkungen vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Staatsanwaltschaft von 1976, § 147 Abs. 2; S. 245 f. ←13 | 14→bei Schubert, aaO.). Über das Arbeitsgebiet der Staatsanwaltschaft unterrichten u.a. Michael Heghmanns, Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts, 4. Aufl. Köln 2010 und H. Vordermaier/B. v. Heintschell-Heinegg, Handbuch für den Staatsanwalt, 5. Aufl., Köln 2016.

Über Geschichte der Praxis der Strafverfolgung durch die Generalstaatsanwaltschaften liegen bisher keine detaillierten Untersuchungen vor. Lediglich zur Verfolgungspraxis der Reichsanwaltschaft und der Bundesanwaltschaft (für die frühe Bundesrepublik) liegt die Untersuchung von Malte Wilke, Staatsanwälte als Anwälte des Staates? Die Strafverfolgungspraxis von Reichsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik, Göttingen 2016, vor mit einem Schwerpunkt bei den Staatsschutzdelikten. Diese spielen auch in den Tagungen der GStA eine wichtige Rolle. Insgesamt verschaffen die Niederschriften über die Tagungen der GStA einen differenzierten Überblick über die Probleme und die Praxis der Strafverfolgung, die in der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland die Staatsanwaltschaften beschäftigt haben. In diesem Zusammenhang sind auch die Biografien der GStA und deren Referate und Diskussionsbeiträge in den jeweiligen Beratungen von Interesse. Zu fragen ist insbesondere, inwieweit sich nach der NS-Zeit eine liberale Strafverfolgungspraxis durchgesetzt hat. Wichtig sind insoweit die Referate und Diskussionsbeiträge von Fritz Bauer (GStA von 1950–1968) und von Hanns Dünnebier (GStA in Bremen von 1956–1972).

III. Themen der Tagungen: Wiederholt beschäftigten sich die GStA mit der Stellung der Staatsanwaltschaft und mit der Staatsanwaltschaft im künftigen Richtergesetz, das 1961 in Kraft trat (hierzu W. Schubert, Quellen zum Deutschen Richtergesetz vom 8.9.1961, u.a. 600 ff., 622 ff., 734 ff., 740 ff.) sowie mit dem Nachwuchsmangel und dem Verhältnis der Staatsanwaltschaft zur Presse.

Aus dem strafrechtlichen Bereich wurden angesprochen 1948/49 die Euthanasie, die Denunziationsdelikte, die Schwangerschaftsunterbrechung sowie die lebenslängliche Haft von Mördern. Weitere Themen waren: Straßenverkehrsrecht (Verkehrsunfälle, Blutproben, Entzug des Führerscheins, Verkehrssünderkartei bzw. Verkehrszentralregister, evtl. Unwirksamkeit verkehrsrechtlicher Strafbestimmungen), „unzüchtige“ Schriften, Verletzung der Unterhaltspflicht (Gerichtsstand) sowie Anfechtung der Ehelichkeit durch die Staatsanwaltschaft nach § 1695 BGB: „Hat der Mann die Ehelichkeit eines Kindes nicht innerhalb eines Jahres seit der Geburt des Kindes angefochten oder ist er gestorben oder ist sein Aufenthalt unbekannt, so kann der Staatsanwalt die Ehelichkeit anfechten, wenn er dies im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes oder seiner Nachkommenschaft für geboten erachtet“. (Fassung von 1938/1943; zum 1.1.1962 aufgehoben.)←14 | 15→

Ein Dauerthema waren seit 1951 die Staatsschutzdelikte, über die von 1956 an wiederholt der Bundesanwalt Wagner berichtete, und die Flut der „ostzonalen Propagandaschriften“, aber auch das nationalsozialistische Schrifttum.

1962 brachte der Hamburger GStA Buchholz zur Sprache, dass Dreher in der 23. Aufl. (1961) des von Schwarz begründeten StGB-Kommentars die – „nachdrücklich“ abzulehnende – Auffassung vertrete (Anm. 9 A zu § 193), dass das Vorhandensein der Beleidigung in § 193 StGB nicht bedeute, dass der Ehrverletzer auch die „Absicht der Beleidigung“ haben müsse. In der Diskussion stimmten die GStA Mützelburg, Bauer und Ahmann Buchholz zu, während weitere GStA darauf hinwiesen, dass im Gesetzeswortlaut sich kein Anhalt dafür finde, dass für das Vorhandensein einer Beleidigung die Absicht verlangt werden müsse.

Ohne dass es erneut zu einer Diskussion kam, referierte Buchholz im folgenden Jahr nochmals über § 193 StGB: „Berücksichtigt man zusammenfassend, dass schon das geltende Recht den Begriff der Absicht im unterschiedlichen Sinne verwendet, die Systematik der Beleidigungstatbestände im Falle der Wahrnehmung berechtigter Interessen zwangsläufig ein Mehr zur subjektiven Tatseite erfordert, und die Meinungs- und Pressefreiheit ein integrierender Bestandteil demokratischer Grundordnung ist, und weiter, dass die Problematik der hier auftauchenden Fragen namentlich im politischen oder sonst öffentlichem Meinungsstreit akut wird, so meine ich, kann auf das Erfordernis einer selbständig festzustellenden Beleidigungsabsicht im Rahmen des § 193 StGB nach wie vor nicht verzichtet werden. Gegenteilige Bestrebungen gefährden nach meiner Überzeugung die freie Meinungsäußerung, die wir trotz aller Auswüchse im politischen Kampfe und in der Polemik der Presse in unserer Demokratie brauchen.“ (unten S. 640).

Vielfältig waren auch Fragen der Strafverfolgung und des Strafvollzugs: Bearbeitung von Revisionssachen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, (geheime) Anklage- und Urteilsabschriften, bedingte Entlassung, Benachrichtigung von Angehörigen eines inhaftierten Angeschuldigten (Art. 104 GG, § 114 StPO), Einsicht in die Strafakten durch außenstehende Dritte, Probleme der Untersuchungshaft, Strafvollzug bei (politischen) Überzeugungstätern und bei Landesverratssachen, Dienstaufsicht der Staatsanwaltschaft über den Strafvollzug, Einstellung von Verfahren nach § 153 StPO.

1952 befassten sich die GStA mit der Wiederaufnahme bei Strafsachen wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit (vgl. VO Nr. 47 der brit. Militärregierung) und 1958 und 1959 mit der Frage der Rechtskraftwirkung besatzungsrechtlicher Urteile für die Zeit ab 5.5.1955 (Inkrafttreten des sog. Überleitungsvertrags, BGBl. II, S. 213, 405). Für Urteile, die nach dem KG Nr. 10 wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder wegen sonstiger Kriegsverbrechen ergangen ←15 | 16→waren, galt Art. 3 (3 b) des Überleitungsvertrags: „Vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. (1) dürfen deutsche Gerichte die ihnen nach deutschen Recht zustehende Gerichtsbarkeit ausüben b) in Strafsachen gegen natürliche Personen, es sei denn, dass die Untersuchung wegen der angeblichen Straftat von den Strafverfolgungsbehörden der betreffenden Macht oder Mächte endgültig abgeschlossen war oder diese Straftat in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsbehörden begangen wurde“. (vgl. unten S. 428f. den Beschluss des LG Flensburg in Sachen Dr. Schlegelberger). Bei sonstigen Urteilen der drei Mächte oder einer dieser Mächte war die Strafklage verbraucht: Art. 7 (1) des Überleitungsvertrags: „Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln.“ (vgl. Schwarz/Kleinknecht, StPO, 25. Aufl. Einl. 8 i).

Über die Arbeiten der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg (1958 von den Landesjustizministern begründet) unterrichtete deren Leiter, OStA Schüle, die GStA in den Tagungen von 1959, 1961 und 1962. Die Zuständigkeit der Zentralen Stelle erstreckte sich zunächst auf solche Verbrechen, für die im Bundesgebiet ein Gerichtsstand des Tatorts nicht gegeben war, und zwar auf die Verbrechen, die im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gegenüber Personen außerhalb der eigentlichen Kriegshandlung, „a) insbesondere bei der Tätigkeit der sog. Einsatzkommandos, b) außerhalb des Bundesgebiets in Konzentrationslagern und ähnlichen Lagern begangen worden sind“. 1964 wurde die Zuständigkeit der ZSt. erweitert auch auf „Vorermittlungen wegen solcher Verbrechen, die im Bundesgebiet während der nationalsozialistischen Herrschaft von den Gewalthabern des Dritten Reiches oder in deren Auftrag außerhalb der eigentlichen Kriegshandlungen begangen worden sind“. Über die Ermittlungen des Tatkomplexes „Reichssicherheitshauptamt“ war weiterhin die GStA beim KG/LG Berlin zuständig. Weitere ausführliche Berichte folgen in Bd. 2 der Edition für die Zeit ab 1964.

Der Braunschweiger GStA Mützelburg berichtete 1962 und 1963 über die Arbeiten der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter, die die Aufgabe hatte, „die im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen der letzten Monate, insbesondere seit dem 13.8.1961 in Ost-Berlin und in der SBZ begangenen Gewaltakte, für deren Verfolgung keine örtliche Zuständigkeit in der Bundesrepublik und in West-Berlin besteht, zu erfassen, das darüber vorhandene Material zu sammeln und die zugänglichen Beweise – soweit ←16 | 17→erforderlich – zu sichern“. Über diese Zentrale Erfassungsstelle gibt es bislang keine auf dem umfangreichen Quellenmaterial beruhende Monografie. Es existiert lediglich die Überblicksdarstellung von Heiner Sauer/Hans-Otto Plumeyer, Der Salzgitterreport. Die Zentrale Erfassungsstelle berichtet über Verbrechen im SED-Staat, Esslingen, München 1991.

Gegenstand der Beratungen von 1959–1961 waren auch die im Ergebnis erfolglosen Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte aus der Zeit zwischen 1939 und 1945, die an exzessiven Todesurteilen beteiligt und nach 1945 wieder in der Justiz tätig waren. Diese Justizangehörigen konnten sich nach § 116 des Deutschen Richtergesetzes bis zum 30.6.1962 vorzeitig pensionieren lassen (zur Entstehung und Praxis des § 116 und zur Entwicklung bis 1965 die Quellen bei W. Schubert, Quellen zum Deutschen Richtergesetz, II. Teil, Berlin 2020; hier auch bereits die Auszüge aus den Niederschriften der Tagungen der Generalstaatsanwälte).

Hingewiesen sei noch auf die wiederholte Behandlung des Rechtsverkehrs mit der DDR, der damals sog. SBZ (u.a. Vollstreckung von Strafen der DDR-Gerichte). Immer wieder kamen auch Probleme der Rechtshilfe entsprechend dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe vom 2.5.1953 (BGBl. I 1953, S. 161 ff.) zur Sprache, insbesondere die Nichtigkeit des § 15 dieses sog. Rechtshilfegesetzes entsprechend einem Urteil des BVerfG vom 24.1.1961. Hingewiesen sei auf § 8 des Gesetzes: Entscheidung des Gerichts. (1) Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit der Rechts- oder Amtshilfe durch Beschluss. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Eine schriftliche Begründung erfolgt nicht; jedoch sind die Gründe der Entscheidung aktenkundig zu machen…. und § 15: „Ist außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch ein deutsches Gericht auf eine Strafe erkannt worden, deren Vollstreckung nach § 2 ganz oder teilweise unzulässig wäre, so kann der Verurteilte ohne Rücksicht darauf, ob die Strafe bereits vollstreckt ist oder ein Vollstreckungsersuchen gestellt wird, beantragen, die Zulässigkeit der Vollstreckung festzustellen…“ (1960 für verfassungswidrig erklärt, wenn Entscheidungen nach § 15 die Vollstreckung einer Strafe für zulässig erklären, die ein sowjetzonales Gericht ausgesprochen hat aufgrund bestimmter ostdeutscher Gesetze). Die Bibliothek des BGH hat 1987 „Materialien zum Rechts- und Amtshilfegesetz in Strafsachen“ zusammengestellt; vgl. auch Karin Stötter, Die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zur sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, Bonn 1960.

V. Hinweise auf Literatur und Materialien zu einzelnen Themen der Beratungen.

1.Zur jeweiligen Fassung der einzelnen Bestimmungen des StGB sei hingewiesen auf Thomas Vormbaum/Jürgen Welp (Hrsg.), Das Strafgesetzbuch. ←17 | 18→Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen Bd. 1 und 2, Baden-Baden 1999, und auf Thomas Fuchs, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Historisch-synoptische Edition 1871–2009, 1. verb. Aufl., Mannheim 2010. Hilfreich sind auch die zahlreichen Auflagen des StGB-Kommentars von Otto Schwarz zum StGB (u.a. 17. Aufl. von 1954 [Mitwirkung von Günther Schwarz], 24. Aufl. fortgeführt von Eduard Dreher 1962) und zur StPO (3. Aufl. 1950, 18. Aufl. [unter Mitwirkung von Günther Schwarz], 1955, und 23. Aufl. fortgeführt von Theodor Kleinknecht, 1965).

Der Kommentar zum StGB von Schwarz enthält auch die jeweilige Fassung der Strafbestimmungen des Handels- und Gewerbe-, des Wettbewerbs-, des Gesundheits-, des Wehrstraf-, des Steuer- sowie des Verkehrsrechts (StVG, StVO und StVZO), ferner die Strafbestimmungen des Truppenvertrags von 1955 (BGBl. II, S. 301, 373). Die Sonderteile des Kommentars bis 1955 bringen auch Bestimmungen des Besatzungsrechts der Militärregierungen, das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und der Gesetze der Alliierten Hohen Kommission. Das Werk zur StPO enthält u.a. die Texte zum JGG (1943; 1953) und die Richtlinien für das Strafverfahren vom 1.8.1953 (davor Richtlinien vom 13.4.1935; Neufassung 1949 für die brit. Zone [bei Schwarz, StPO, 13. Aufl. 1950, S. 703]). Ferner wurden von den GStA die Kommentare zur StPO von Löwe/Rosenberg, 19., 20. Aufl. 1956/58 und 21. Aufl. ab 1963 sowie der StPO-Kommentar von Kleinknecht/Müller/Reitberger, 1.–4. Aufl., 1950/1958), herangezogen.

2.BGH-Entscheidungen in Strafsachen. Eine vollständige Datenbank der Entscheidungen des BGH in Strafsachen, welche die Entscheidungen ab 1950 enthält, ist bisher nicht vorhanden (am ausführlichsten die Datenbank „Jurion“). Die NJW-Fundhefte weisen, geordnet nach den jeweiligen Strafbestimmungen, die veröffentlichten BGH-Entscheidungen nach (vgl. auch die Inhaltsverzeichnisse in der NJW, in dem die BGH-Entscheidungen nach Datum und Aktenzeichen angegeben sind); hingewiesen sei auch auf die in den späteren StGB- und StPO-Kommentaren von Schwarz enthaltene „Gegenüberstellung der Fundstellen der in den Erläuterungen zitierten Entscheidungen des BGH in der amtlichen Sammlung und in der NJW. Da die Niederschriften (einschl. der Referate) auch auf unveröffentlichte Entscheidungen Bezug nehmen, ist insoweit auf die Urteilssammlung in der Bibliothek des BGH zurückzugreifen.

3.Staatsschutzrecht (Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.8. 1951, BGBl. I, S. 739; §§ 80–106 b, 129 StGB; StRÄndG vom 11.6.1957, BGBl. I, S. 597, §§ 109–109 i; § 91 Abs. 1; grundlegend geändert durch das 8. StRÄndG vom ←18 | 19→25.6.1968, BGBl. I, S. 741). Zum Staatsschutzrecht vgl. Ulf Gutfleisch, Staatsschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland 1951–1968, Berlin 2014; Josef Foschepoth, Überwachtes Deutschland, Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen 2012; ders., Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg, Göttingen 2017; Malte Wilke, Staatsanwälte als Anwälte des Staates? Die Verfolgungspraxis von Reichsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik, Göttingen 2015, bes. 211 ff., 272 ff.; Walter Wagner, Die Rechtsprechung des BGH in Staatsschutzsachen in den Jahren 1959 und 1960, DRiZ 1961, S. 168 ff. (weitere Abhandlungen von Wagner sind nachgewiesen bei Wilke, S. 160 ff.). Wagner gab ferner heraus: Hochverrat und Staatsgefährdung. Bd. I u. II, Karlsruhe 1957, 1958.

4.Strafvollzugsrecht: Strafvollzugsordnung vom 15.2.1956 (bei Schwarz, StPO-Kommentar und die Kommentierung der §§ 459 ff. StPO); vgl. ferner Hans Pohlmann/Karl G. Hansen, Strafvollzugsordnung, 2. Aufl. 1956. Für die Zeit ab 1935 galt die Strafvollstreckungsordnung vom 7.12.1935 (DJ 1800; separate Ausgabe) und vom 20.2.1942 (DJ, S. 151). Vgl. ferner die Textausgabe: Strafvollstreckung, Strafregister, Gnadenwesen unter Berücksichtigung der Ländergesetzgebung, 2. Aufl. München 1954. Zur Geschichte der Strafvollstreckung Thomas Krause: Geschichte der Strafvollstreckung. Von den Kerkern des Altertums bis zur Gegenwart, Darmstadt 1999, bes. S. 85 ff.; 91 ff. Quellen bei W. Schubert (Hrsg.), Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, I. Abt. Weimarer Republik (1918–1932), Bd. 5: Entwürfe zu einem Strafvollzugsgesetz (1927–1932), zu einem Einführungsgesetz zum Allgemeinen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz (1929–1930), Berlin 1999, und ders., Akademie für Deutsches Recht, Protokolle der Ausschüsse, Bd. VIII: Ausschüsse für Strafrecht, Strafvollstreckungsrecht…, Frankfurt a.M. 1999. – Die Untersuchungshaftvollzugsordnung vom 12.2.1953 ist in jeweils separaten Länderausgaben erschienen.

„Unzüchtige“ Schriften: Hinweis in den Niederschriften mehrmals auf „Polunbi“: Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung Unzüchtiger Bilder, Schriften und Inserate bei dem preuß. Polizeipräsidium in Berlin, die den sog. Polunbikatalog herausgab: „Verzeichnis der auf Grund der §§ 184 Ziff. 1, 41 des Reichsstrafgesetzbuches rechtskräftig unbrauchbar zu machenden unzüchtigen Schriften“, als Ms. gedruckt, ab 1920, später 1926, Nachträge 1936. – Lit.: Gotthold Leistner: Polunbi: „Zentralstelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften in Berlin“ – eine polizeihistorische Studie, Chemnitz 2006.←19 | 20→

Zentrale Stelle Ludwigsburg: Hierzu die Monografien von Annette Weinke, Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich selbst. Die Geschichte der Zentralen Stelle Ludwigsburg 1958–2008, Darmstadt 2008; Kerstin Hofmann, „Ein Versuch nur, immerhin ein Versuch“. Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg unter der Leitung von Erwin Schüle und Adalbert Rückerl (1958–1984), Berlin 2018; ferner Hans H. Pöschko (Hrsg.), Die Ermittler von Ludwigsburg. Deutschland und die Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, hrsg. im Auftrage des Fördervereins Zentrale Stelle e.V., Berlin 2008. Trotz mehrerer Aufsätze und der Monografien von Weinke und Hofmann fehlt weiterhin eine detailliertere Geschichte der Tätigkeit der Zentralen Stelle, welche die umfangreiche Aktenüberlieferung noch detaillierter auswerten müsste, als dies bisher geschehen ist. Hinzu kommen auch noch die umfangreichen Beiträge auf den Tagungen der Zentralen Stelle von 1964, 1965, 1966, 1968 und 1970.

V. Zur Edition: Wiedergegeben werden die Niederschriften der Tagungen der Generalstaatsanwälte in vollem Wortlaut mit Anmerkungen des Herausgebers. Ab 1958 (Ausnahme für 1960) sind die vorbereiteten Referate nicht unmittelbarer Teil der Niederschriften. Sie wurden in der Edition in diese integriert (evtl. Fußnoten in Klammern). Nur wenige Referate wurden aus Platzgründen weggelassen oder gekürzt. Das Inhaltsverzeichnis führt der Übersicht halber nur die wichtigsten Beratungsgegenstände auf; im Sachregister werden sie vollständig erschlossen.

Der folgende Teil geht nur auf die Biografie der Generalbundesanwälte und der Generalstaatsanwälte sowie auf den Bundesanwalt Wagner und den OStA Schüle ein, nicht auf sonstige Sitzungsteilnehmer (u.a. nicht auf Vertreter von nicht erschienenen Generalstaatsanwälten). Eine detailliertere Erschließung der Biografien der Generalstaatsanwälte für die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik unter Heranziehung der Personalakten nach dem Muster der Untersuchungen von Moritz v. Köckritz, Die deutschen Oberlandesgerichtspräsidenten im Nationalsozialismus (1933–1945), Frankfurt/M. 2011, wäre erwünscht.

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Biografische Hinweise1

Adams, Leopold, Dr. iur. (1902–1997). 1929 Staatsanwalt, 1934 AG-Rat in Sulzbach, 1936 LG-Rat in Saarbrücken, 1939 in Landau (Pfalz). Nach 1945 Leitung der Staatsanwaltschaft am LG Saarbrücken, anschließend Generalstaatsanwalt am saarländischen OLG.

Ahmann, Richard (geb. 1899). 1930 Staatsanwalt in Stendal, 1934 in Dortmund. 1958–1964 Generalstaatsanwalt in Hamm.

Bader, Bernhard, Dr. iur. (geb. 1909). 1937 Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft Augsburg, 1939 Staatsanwalt am LG München II, 1953 Erster Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft München II, 1966 Generalstaatsanwalt (OLG München).

Bader, Karl Siegfried (1905–1998). 1946–51 Generalstaatsanwalt in Freiburg; 1953 Prof. in Mainz, anschließend in Zürich. Lit: Klaus-Dieter Schott, ZSGA, 2002, 1 ff.

Bauer, Fritz (1903–1968). 1930 Amtsrichter in Stuttgart, 1933 entlassen, acht Monate Haft im KZ Heuberg. 1936 Emigration nach Dänemark, 1943 nach Schweden. 1949 Rückkehr nach Deutschland, 1950 Generalstaatsanwalt in Braunschweig, 1956 in Frankfurt/M. – Lit: Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903–1968, Eine Biografie, München 2009; Ronen Steinke, Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, München 2013.

Biermann, Rudolf (geb. 1905). 1938 Staatsanwalt in Verden. 1950 Generalstaatsanwalt in Celle.

Bollinger, Heino (1893–1977). Mitglied der DDP. Ab April 1933 als Syndikus der Gewerbekammer Bremen beurlaubt. 1936 Scheidung der Ehe mit Zerline Bollinger (jüd. Abstammung) 1937. Juni 1947 Oberstaatsanwalt, seit Juni 1948–1950 gleichzeitig Generalstaatsanwalt in Bremen. – Lit.: Ursula Büttner, ←21 | 22→Neuanfang in Trümmern, Die Tagebücher des Bremer Bürgermeisters Thomas Spitta 1945–1947, München 1992, S. 133.

Brühl, Georg (geb. 1889). 1921 Assessor, 1926 Untersuchungsrichter am LG Berlin (u.a. in den Ermittlungen gegen Stinnes jun. und gegen Ali Hohler; auch befasst mit der „rätselhaften“ Auslieferung Leo Schlageters). 1935 aufgrund der Nürnberger Gesetze entlassen. Nach 1945 bei der Staatsanwaltschaft Berlin, 1952–1954 Generalstaatsanwalt am LG Berlin, 1954–1960 am Kammergericht. – Lit.: Scholz, S. 274.

Buchholz, Ernst (1905–1967). 1933 2. Staatsprüfung. Mitglied der NSDAP. 1937 Staatsanwalt, später Oberstaatsanwalt. 1958 Generalstaatsanwalt in Hamburg. – Lit.: Hamburgische Biografien, Bd. 6, Göttingen 2012, S. 50 f.

Burchardi, Karl (geb. 1887). Dr. iur. 1920 Staatsanwalt in Berlin, 1928 LG-Dir. in Magdeburg, 1930 OStA in Berlin. 1948–1954 GStA in Köln. Verfasser des Werkes: Der Staatsanwalt und sein Arbeitsgebiet, München 1956.

Doller, Ernst (1891–1968), Dr. iur. 1933 AG-Rat in Oberglogau. Nach 1945 GStA in Neustadt a.d.W., 1949 LG-Präs. in Mainz.

Dünnebier, Hanns (geb. 1907 in Freiberg/Sachsen; gest. 1985). 1935 bei der Verwaltung der Amtsmannschaft Döbeln. 1929 Abitur, anschließend Studium der Rechtswissenschaft (1934 erste, 1938 zweite Staatsprüfung). 1939 Rat am AG Stuhm (Westpreußen); ab 1942 Kriegsdienst; amerikanische Gefangenschaft. 1947 bei der Staatsanwaltschaft Bremen, 1948 bei der GenStA, 1951 OStA, 1956–1972 GStA. Mitglied der Großen Strafrechtskommission und der Länderstrafrechtskommission. – Publikationen: Festschrift für H. Dünnebier, Berlin 1982, Veröffentl. S. 748 ff.; u.a.: Die Verkehrsunfallflucht (GA 1957, S. 487 ff.); Grenzen der Dienstaufsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft, JZ 1958, S. 417 ff.; Die Bindung des Staatsanwalts ans Gesetz, JZ 1961, S. 312 ff. – Über Dünnebier E. Dreher, in der Festschrift, S. 7 ff.

Feyen, Otto (1890–1980). 1925 Staatsanwalt in Hamburg. Mitglied der SPD. Als „Vierteljude“ in der NS-Zeit nicht befördert. 1945 OStA, 1947–1955 GStA in Hamburg. – Lit.: Heiko Morisse, Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen 2013, S. 111.

Fick, Georg (geb. 1897). Dr. iur. 1925 II. StA in Bayreuth, 1926 in Landshut. 1928 AG-Rat in Nürnberg, 1932 I. StA in München. 1934 LG-Rat in Bayreuth. 1955–1962 GStA in Bamberg.

Fränkel, Wolfgang (1905–2010). 1932 zweites Staatsexamen. 1.5.1933 Eintritt in die NSDAP. 1934 Staatsanwalt in Kassel. 1936 „Hilfsarbeiter“ bei der Reichsanwaltschaft (Bearbeitung von Nichtigkeitsbeschwerden) bis 1943 (1941 Ernennung zum LG-Dir.), 1943 Militärdienst, 1947 AG-Rat in Rendsburg. 1951 ←22 | 23→Bundesanwalt, 1962 Generalbundesanwalt (im selben Jahr in den einstweiligen Ruhestand versetzt). – Lit.: Wilke, S. 235 ff.

Geropp, Philipp (geb. 1898). 1927 II. Staatsanwalt in Landau, 1930 AG-Rat ebd., 1933 I. StA in Frankenthal, 1934 Oberamtsrichter in Winnweiler, 1937 OStA in Zweibrücken. 1951 GStA in Neustadt a.d.H.

Görcke, Hans-Helmuth (geb. 1902). 1929 StA am LG Berlin II, 1936 Erster StA am KG. Kriegsgerichtsrat in Frankreich. 1956–1960 GStA am LG Berlin. – Lit.: Scholz, S. 164 ff., 279.

Güde, Max (1902–1984). 1929 StA in Mosbach, 1932 Amtsrichter in Bruchsal, 1933 in Wolfach. 1940 Eintritt in die NSDAP. 1943–45 Kriegsdienst. 1947 Ltd. StA in Konstanz. 1950 Bundesanwalt (ab 1953 Leitung der Abt. für politisches Strafrecht). 1955 Senatspräsident am BGH (4. Strafsenat, zuständig für Verkehrsrecht), 1956 Oberbundesanwalt, 1957–1961 Generalbundesanwalt. 1961–1969 MdB (CDU). Güde trat ein für eine Einschränkung der politischen Strafjustiz und die Aufarbeitung des NS-Justizunrechts. – Lit.: Justiz im Schatten von gestern, Hamburg 1959; Nachweis von weiteren Publikationen bei Wilke, S. 328; über Güde Volker Tausch, Max Güde, 1902–1984. Generalbundesanwalt und Rechtspolitiker, Baden-Baden 2002; Wilke, S. 323 ff.

Günther, Hans (1910–1978). 1933 aus dem jur. Vorbereitungsdienst wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ entlassen. 1955 Stadtgerichtsrat in Berlin, 1952 zweite Staatsprüfung, anschließend Richter in Moabit sowie „Hilfsrichtertätigkeit“ am KG; 1956 KG-Rat. 1961–1975 GStA am KG. – Lit.: Scholz, S. 275 f.

Haas, Walter (geb. 1903). 1937 StA in Dortmund. 1947 OStA in Bielefeld. 1955–1966 GStA in Köln.

Hechtel, Hans (geb. 1897), Dr. iur. 1926 StA in München, 1928 AG-Rat ebd., anschließend I. StA in München, 1934 LG-Rat ebd. Nach 1945 SenPr. am OLG München, anschließend GStA am OLG München.

Heitzer, Arnold (geb. 1889). 1919–1929 Mitglied der SPD. Ab 1920 RA in Aachen. 1933 „für wenige Wochen Schutzhaft“. Juli 1945 OStA in Aachen. August 1948-Juli 1950 GStA in Schleswig, 1953 GStA in Bremen. – Lit.: Godau-Schüttke, S. 56 ff.

Heymann, Georg Jakob (1885–1964). 1926 LG- und AG-Rat in Frankfurt/M. 1933 nach § 3 BBG wegen „seiner jüdischen Wurzeln“ abgesetzt. Nach Quabbe GStA in Frankfurt/M.

Hühnerschulte, Ludger (geb. 1909). Nach 1945: LG-Dir. Dortmund (1952). 1963–1974 GStA in Düsseldorf. 1966 Vortrag auf dem Anwaltstag des Deutschen Anwaltsvereins e.V.: „Die Staatsanwaltschaft als Symbol des Gerechtigkeitswillens des Staates“ (Deutscher Anwaltsverein, 1966).

←23 | 24→Jansen, Wilhelm, Dr.; GStA in Düsseldorf 1958–1961 (vorher StA in Bochum / Köln);

Junker, Max (1885–1959). 1911 Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft der Landgerichte Berlin, 1914 StA in Altona (1930 Erster StA). 1931 LG-Dir. in Münster, 1932 OStA ebd. 1933 Zurückstufung zum LG-Dir. 1945–1952 GStA in Düsseldorf.

Kesseböhmer, Wilhelm (geb. 1892). 1923 StA in Essen, 1934 Erster StA in Hamm. 1945–1957 GStA ebd.

Kleinknecht, Theodor (1910–1995), Dr. iur. 1937 Eintritt in den bayr. Justizdienst. 1939–1945 Kriegsdienst. 1947 bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. 1948–1954 bei der StA beim OLG Nürnberg (1949 Erster StA). 1954–1963 im BMJ (1955 MinRat; zuständig für das Strafrecht). 1963–1975 GStA in Nürnberg. Ab 1968 Honorarprof. a.d. Univ. Erlangen. – 1962 von der 23. Aufl. an Fortführung des StPO-Kommentars von Schwarz bis 1981: Festschrift für Kleinknecht (hrsg. von K. H. Gössel u. H. Kauffmann), Strafverfahren im Rechtsstreit, München 1985, hier Biografie im Geleitwort und Schriftenverzeichnis; Dreher, in: Juristen im Porträt, München 1988, S. 477–487; Nachruf von L. Meyer-Goßner, NJW 1995, 2402 f.

Krapp, Otto (1903–1996); Dr. iur. 1931 nach der zweiten Staatsprüfung Rechtsanwalt (ab 1945 auch Notar). 1947–1953 MdL; 1950–1953 Nds. Justizminister. 1953–1968 GStA in Oldenburg. – Lit.: Barbara Simon, Abgeordnete in Niedersachsen. Biografisches Handbuch, Hannover 1996, S. 214.

Loerbroks, Hermann (1883–1954). 1915 StA in Posen. 1919 im Landespolizeidienst; 1921 im preuß. Innenministerium. 1922 EStA in Berlin, 1925 EStA am KG; 1926 LG-Dir. in Wiesbaden, 1928–1933 OStA in Hannover. 1933–1945 LG-Rat in Berlin (OStA). 1952–1953 GStA beim KG. – Lit.: Scholz, Berlin und seine Justiz.

Mannzen, Karl (1903–1980), Dr. iur. 1926–1933 Mitglied der SPD. 1933 als Assessorexamen. 1933 Eintritt in die SA; NSDAP-Mitglied 1940. 1935 „Hilfsrichter“ beim Amtsgericht in Kiel; auf Fürsprache Freislers 1937 AG-Rat in Ludwigshafen, anschließend in Bruck a.d. Mur (Österreich). 1947 Amtsrichter in Bredstedt, 1949 OLG-Rat (tätig im Justizministerium in Kiel), 1950–1954 GStA in Schleswig. 1954–1961 Bundesrichter (Staatsschutzsenat). 1961–1969 Staatssekretär im nds. Justizministerium. – Lit.: Godau/Schüttke, S. 59 ff.; Ulf Gutfleisch, Das Staatsschutzrecht, Berlin 2014, S. 341 f.

Martin, Ludwig (1909–2010). 1937 Große Staatsprüfung. Kein Mitglied der NSDAP. 1937 Eintritt in den bayr. Justizdienst. April-Okt. 1939 Abordnung an die Reichsanwaltschaft. 1939/40 Staatsanwalt in Nürnberg-Fürth, anschließend in Leipzig; kein Antritt dieser Stellen, da im Kriegsdienst. 1946 Amtsrichter in Sonthofen. 1950 im BMJ, 1951 Bundesanwalt, 1953 Bundesrichter (1., 4. Strafsenat), 1963–1974 Generalbundesanwalt. – Lit: Wilke, S. 240 ff.

←24 | 25→Meyer-Abich, Friedrich Karl Andreas (1895–1972), Dr. iur. 1924 Rechtsanwalt und Notar in Emden. 1933 Verlust der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. 1945 GStA in Oldenburg. 1953–1960 Staatssekretär des niedersächs. Justizministeriums.

Details

Seiten
666
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631847831
ISBN (ePUB)
9783631847848
ISBN (MOBI)
9783631847855
ISBN (Hardcover)
9783631846483
DOI
10.3726/b18062
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
Fritz Bauer Hanns Dünnebier Max Güde Erwin Schüle Strafermittlung Staatsanwaltschaft Staatsschutzrecht Zentrale Stelle Ludwigsburg NS-Richter Straßenverkehrsrecht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 666 S.

Biographische Angaben

Werner Schubert (Autor:in)

Werner Schubert war bis 2001 Inhaber eines Lehrstuhls für Römisches Recht, Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Rechtsgeschichte der Neuzeit an der Universität zu Kiel.

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Titel: Strafverfolgung in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West)
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