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Differenzierungspraktiken in der Erwachsenenbildung

Eine Situationsanalyse zu Diversity im Programmplanungshandeln

von Clara Kuhlen (Autor:in)
©2021 Dissertation 382 Seiten

Zusammenfassung

Programmplanende agieren in einem komplexen Gefüge, das bei der Zielgruppenorientierung und Angebotsentwicklung durch Selbst- und Fremdzuschreibungen von Differenzen geprägt ist. Durch die Untersuchung von Diversity im Programmplanungshandeln verdeutlicht die Studie die dahinterliegenden Differenzierungspraktiken in der Erwachsenenbildung. In einer Situationsanalyse rekonstruiert die Autorin Begründungsmuster für die Zuschreibung von Differenzkategorien und daraus resultierende Antizipationen zielgruppenspezifischer Bedarfe zur Partizipation im Bildungs- und Arbeitsmarkt. Die intendierte Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe als Ziel von Programmplanungshandeln und die Forderung zur eigenverantwortlichen Partizipation der Teilnehmenden werden im Diskurs um Gouvernementalität verortet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort der Reihenherausgeber
  • Danksagung
  • Abstract
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • Teil I: Theoretischer Rahmen
  • 2 Programmplanung in der Erwachsenenbildung
  • 2.1 Zentrale Begriffe der Programmplanung in der Erwachsenenbildung
  • 2.1.1 Programme und Angebote
  • 2.1.2 Bedarfe und Bedürfnisse
  • 2.1.3 Adressat*innen, Zielgruppen und Teilnehmende
  • 2.2 Strukturierende Elemente in der Erwachsenenbildung
  • 2.2.1 Subsidiarität als Ordnungsgrundsatz
  • 2.2.2 Pluralität als Strukturierungsprinzip
  • 2.2.3 Gouvernementalität als Analyseperspektive
  • 2.2.3.1 Subtile Zwänge lebenslangen Lernens in der Erwachsenenbildung
  • 2.2.3.2 Ökonomisierungstendenzen in der Erwachsenenbildung
  • 2.2.4 Das Rhizom als Modell
  • 2.3 Programmplanung als Makrodidaktik
  • 3 Analyseperspektiven auf Programmplanungshandeln
  • 3.1 Professionalität im Programmplanungshandeln als Analyseperspektive
  • 3.1.1 Professionelles Programmplanungshandeln
  • 3.1.1.1 Zum Personal in der Programmplanung
  • 3.1.1.2 Zum Handeln in der Programmplanung
  • 3.1.2 Programmplanungshandeln als Angleichen und Gestalten
  • 3.1.2.1 Programmplanungshandeln als Angleichungshandeln
  • 3.1.2.2 Programmplanungshandeln als Gestaltung professioneller Antinomien
  • 3.2 Programmplanungshandeln in Organisationen als Analyseperspektive
  • 3.2.1 Strukturierung von Programmplanungshandeln in Organisationen
  • 3.2.1.1 Programme in Organisationen
  • 3.2.1.2 Kulturen in Organisationen
  • 3.2.2 Anforderungen an Programmplanungshandelnde in Organisationen
  • 3.2.2.1 Aushandlungen von Funktionslogiken in Organisationen
  • 3.2.2.2 Programmplanung und Bildungsmanagement in Organisationen
  • 3.3 Programmplanungshandeln und Gesellschaft
  • 3.3.1 Kontinuierliches Lernen als gesellschaftliche Anforderung
  • 3.3.2 Programmplanungshandeln als Aushandeln von Macht
  • 4 Analyseperspektiven auf Diversity im Programmplanungshandeln
  • 4.1 Zum Diversity-​Begriff
  • 4.1.1 Begriffsentwicklung
  • 4.1.2 Zur Konstruktion von Differenzkategorien durch Differenzierungspraktiken
  • 4.1.2.1 Zur Konstruktion von Differenz durch Othering
  • 4.1.2.2 Zur Kategorisierung von Differenzen
  • 4.1.3 Intersektionalität als Analyseperspektive
  • 4.2 Diversity in der Analyseperspektive der Professionalität im Programmplanungshandeln
  • 4.2.1 Angleichung von Bildungsinteressen unter Einbezug von Differenzen
  • 4.2.2 Reflexion von Diversity im Programmplanungshandeln
  • 4.3 Diversity in der Analyseperspektive von Programmplanungshandeln in Organisationen
  • 4.3.1 Zur Doppelreferenz von Diversity in Organisationen der Erwachsenenbildung
  • 4.3.2 Zur Bedeutung von Diversity Management für das Programmplanungshandeln in Organisationen
  • 4.4 Diversity in der Analyseperspektive von Programmplanungshandeln und Gesellschaft
  • 4.4.1 Diversity als politische und ökonomische Ressource
  • 4.4.2 Regulierende Einflussfaktoren für Diversity
  • 5 Zwischenfazit I: Heuristische Annahmen
  • Teil II: Forschungsdesign
  • 6 Methodologische Verortung
  • 6.1 Zum situierten Handeln und Interpretieren als Grundannahme
  • 6.2 Zum interaktionistischen Verständnis von Handeln
  • 6.3 Zur abduktiven Haltung im Forschungsprozess
  • 6.4 Zum Potenzial der Hinwendung zu Diskursen
  • 7 Methodisches Vorgehen
  • 7.1 Zum Einbezug theoretischen Vorwissens
  • 7.2 Zum dateninternen Sampling
  • 7.2.1 Feldzugang
  • 7.2.2 Zur Adaption der Sampling-​Strategie als dateninternes Sampling
  • 7.2.3 Ausgestaltung des Samples
  • 7.2.3.1 Überblick zum Sample nach Trägern, Organisationen und Regionen
  • 7.2.3.2 Überblick zum Sample nach soziodemographischen Daten
  • 7.3 Zur Datenerhebung durch problemzentrierte Interviews
  • 7.3.1 Grundpositionen problemzentrierter Interviews
  • 7.3.2 Kommunikationsstrategien
  • 7.3.3 Leitfadenentwicklung
  • 7.4 Zur Datenverarbeitung
  • 7.4.1 Audioaufnahmen
  • 7.4.2 Schriftliche Erfassung soziodemographischer Daten
  • 7.4.3 Transkription
  • 7.4.4 Anonymisierung und Pseudonymisierung
  • 7.4.5 Postskripte und Memos
  • 7.5 Zur Situationsanalyse als Auswertungsmethode
  • 7.5.1 Kodierverfahren als Auswertungsschritte
  • 7.5.1.1 Aufbrechen der Daten durch offenes Kodieren
  • 7.5.1.2 Strukturierung der Daten durch die Situationsmatrix
  • 7.5.2 Mapping-​Strategien zur prozesshaften Erschließung der Daten
  • 7.5.2.1 Relationale Analysen zentraler Elemente der Situations-​Maps
  • 7.5.2.2 Analyse von Aushandlungen durch Maps von sozialen Welten und Arenen
  • 7.5.2.3 Analyse von Positionierungen durch Positions-​Maps
  • 8 Zwischenfazit II: Reflexion des Forschungsprozesses
  • 8.1 Auswahlentscheidungen im Forschungsprozess
  • 8.2 Anwendung der Methoden im Forschungsprozess
  • 8.3 Position der Forscherin im Forschungsprozess
  • Teil III: Situationsanalyse
  • 9 Positionsanalyse von Diversity als Differenzkategorien
  • 9.1 Strukturierung der Positions-​Maps von Differenzkategorien
  • 9.2 Geschlecht als Differenzkategorie
  • 9.2.1 Geschlechterspezifische Sprache
  • 9.2.2 Geschlecht als Attribut für Individuen
  • 9.2.3 Geschlecht als Merkmal zur Gruppierung von Individuen
  • 9.2.4 Geschlecht als Merkmal geteilter Bedarfe
  • 9.2.5 Geschlechterspezifische Berufsrollen
  • 9.2.6 Geschlecht als Merkmal geschlechterspezifischer Rollen
  • 9.2.7 Positions-​Map von Geschlecht als Differenzkategorie
  • 9.3 Migrationserfahrung als Differenzkategorie
  • 9.3.1 Migrationserfahrung als Merkmal zur Gruppierung von Individuen
  • 9.3.2 Migrationserfahrung als Merkmal geteilter Bedarfe
  • 9.3.3 Migrationserfahrung als Merkmal bei Erwerbstätigkeit
  • 9.3.4 Positions-​Map von Migrationserfahrung als Differenzkategorie
  • 9.4 Alter als Differenzkategorie
  • 9.4.1 Alter als Merkmal zur Gruppierung von Individuen
  • 9.4.2 Alter als Merkmal geteilter Bedarfe
  • 9.4.3 Alter als Merkmal für Berufserfahrung
  • 9.4.4 Positions-​Map von Alter als Differenzkategorie
  • 9.5 Zur Intersektionalität der Differenzkategorien Geschlecht, Migrationserfahrung und Alter
  • 9.6 Bildungserfahrung und Nicht/​Behinderung als weitere Differenzkategorien
  • 9.6.1 Bildungserfahrung als individuelles Merkmal
  • 9.6.2 Nicht/​Behinderung als Merkmal für Partizipation
  • 9.6.3 Positions-​Map von Bildungserfahrung und Nicht/​Behinderung als weiteren Differenzkategorien
  • 9.7 Positions-​Map von Diversity als Differenzkategorien
  • 10 Relationale Analyse der Arena und sozialen Welten von Diversity im Programmplanungshandeln
  • 10.1 Aushandlungen in der Arena Diversity im Programmplanungshandeln
  • 10.1.1 Zum Programmplanungshandeln als erwachsenenbildnerisches Handeln
  • 10.1.1.1 Erwachsenenbildung als Referenzdisziplin
  • 10.1.1.2 Orientierung an erwachsenenbildnerischen Prämissen
  • 10.1.2 Zum Bildungs-​ und Arbeitsmarkt als Domäne der Märkte
  • 10.1.2.1 Zur Bedeutung des Bildungsmarktes für Organisationen
  • 10.1.2.2 Zur Bedeutung des Arbeitsmarktes bei der Angebotsentwicklung
  • 10.2 Soziale Welten im Programmplanungshandeln
  • 10.2.1 Zur sozialen Welt der Programmplanungshandelnden
  • 10.2.1.1 Reflexion professionellen Handelns als geteilte Perspektive
  • 10.2.1.2 Unterstützung als Verpflichtung in der sozialen Welt
  • 10.2.1.3 Aushandlung der Differenzkategorie Migrationserfahrung
  • 10.2.2 Zur sozialen Welt der Organisationen
  • 10.2.2.1 Bildung und Ertrag als geteilte Perspektive
  • 10.2.2.2 Externe Anforderungen als Verpflichtungen
  • 10.2.2.3 Aushandlung der Darstellung der Außenwirkung von Organisationen
  • 10.2.3 Zur sozialen Welt der Teilnehmenden
  • 10.2.3.1 Bedürfnisse und Bedarfe als geteilte Perspektive
  • 10.2.3.2 Verpflichtung zur Teilnahme an Prozessen lebenslangen Lernens
  • 10.2.3.3 Aushandlung der Teilnahmemotivation
  • 10.2.4 Zur sozialen Welt der Dozierenden
  • 10.2.4.1 Ausgeprägte Bildungserfahrungen als geteilte Perspektive
  • 10.2.4.2 Qualifizierung als Verpflichtung
  • 10.2.4.3 Aushandlungen von Ungewissheit
  • 10.3 Programme und Angebote als Grenzobjekte
  • 10.4 Weitere Elemente in der Arena Diversity im Programmplanungshandeln
  • 10.4.1 Menschliche Elemente
  • 10.4.2 Nichtmenschliche Elemente
  • 10.4.3 Räumliche, zeitliche, stumme und politische Elemente
  • 10.5 Projekt-​Map der sozialen Welten, Arena und Domäne
  • 10.5.1 Zur Ausgestaltung der Arena und Domäne
  • 10.5.2 Zur Positionierung der sozialen Welten
  • 10.5.3 Grenzobjekte Programme und Angebote
  • 10.5.4 Weitere Elemente
  • 11 Zwischenfazit III: Situationsanalyse von Diversity im Programmplanungshandeln
  • Teil IV: Diskussion Der Ergebnisse
  • 12 Differenzkategorien als Argumentationsgrundlage für gesellschaftliche Teilhabe
  • 12.1 Diversity als Kategorisierung von Differenzen
  • 12.1.1 Zum Einbezug machtkritischer Aspekte durch Diversity
  • 12.1.2 Zur Orientierung an Zielgruppen
  • 12.2 Erwachsenenbildung als handlungsleitender Rahmen
  • 12.2.1 Erwachsenenbildnerische Prämissen für professionelles Handeln
  • 12.2.2 Organisationen der Erwachsenenbildung im Bildungs-​ und Arbeitsmarkt
  • 12.3 Gesellschaftliche Teilhabe als Ziel von Programmplanungshandeln
  • 12.3.1 Partizipationsfähigkeit als Differenzkategorie für Teilnehmende
  • 12.3.2 Förderung von Partizipationsfähigkeit als Aufgabe von Programmplanungshandelnden
  • 12.4 Modell von Differenzierungspraktiken im professionellen Programmplanungshandeln
  • 13 Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis
  • Anhangsverzeichnis

←18 | 19→

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2: Programme und Angebote

Abb. 3: Machtanalytische Analyseperspektiven von Gouvernementalität

Abb. 4: Rhizom

Abb. 5: Didaktische Handlungsebenen in der Programmplanung

Abb. 6: Analyseperspektiven auf Programmplanungshandeln

Abb. 7: Verknüpfung von Wissensinseln im Programmplanungsfeld

Abb. 8: Programmplanungshandeln als Ausgestaltung von Antinomien

Abb. 9: Abzustimmende professionelle Aufgaben

Abb. 10: Analyseperspektiven auf Diversity im Programmplanungshandeln

Abb. 11: Historischer Referenzpunkte von Diversity

Abb. 12: Professionalität als Analyseperspektive für Diversity im Programmplanungshandeln

Abb. 13: Organisation als Analyseperspektive für Diversity im Programmplanungshandeln

Abb. 14: Gesellschaft als Analyseperspektive für Diversity im Programmplanungshandeln

Abb. 15: Heuristische Annahmen

Abb. 16: Erkenntnistheoretische Fokusse der Situationsanalyse in diskursiver Auslegung

Abb. 17: Sample nach Trägern, Organisationen und Regionen

Abb. 18: Sample nach soziodemographischen Merkmalen

Abb. 19: Situationsmatrix der Handlungssituation

Abb. 20: Relationale Analyse von Programmplanungshandelnden aus Atlas.ti

Abb. 21: Abstrakte Map von sozialen Welten und Arenen

Abb. 22: Abstrakte Positions-Map

Abb. 23: Positions-Map von Differenzkategorien

Abb. 24: Positions-Map von Geschlecht als Differenzkategorie

Abb. 25: Positions-Map von Migrationserfahrung als Differenzkategorie

Abb. 26: Positions-Map von Geschlecht als Differenzkategorie

Abb. 27: Positions-Map von weiteren Differenzkategorien

Abb. 28: Positions-Map von Begründungsmerkmalen für Differenzkategorien

Abb. 29: Map der Arenen und Domäne

Abb. 30: Soziale Welten

←19 | 20→

Abb. 31: Grenzobjekte

Abb. 32: Projekt-Map

Abb. 33: Differenzierungspraktiken im professionellen Programmplanungshandeln

←22 | 23→

Abkürzungsverzeichnis

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

EU Europäische Union

HPM Hauptamtliche Pädagogische Mitarbeitende

Wiss. MA Wissenschaftliche Mitarbeitende

←24 | 25→

1 Einleitung

Gesellschaftliche Veränderungen beeinflussen die Ausrichtung von Organisationen (Wrana, 2016), deren Programme (Gieseke, 2018a) und schließlich auch die Handlungsspielräume von planerisch tätigen Erwachsenenbildner*innen (Gieseke, 2018c), den Programmplanungshandelnden. Programmplanungshandeln in der Erwachsenenbildung1 wird darüber hinaus unter Anbetracht einer zunehmenden Individualisierung auf gesellschaftlicher Ebene diskutiert. Diese geht mit Differenzierungsprozessen und gesellschaftlich verankerten Machtstrukturen einher (Robak/Sievers/Hauenschild, 2013; Höhne/Karcher, 2015; Wrana, 2016; Bremer, 2018). In dieser Arbeit wird das Handeln der Programmplanenden unter Einbezug dieser Einflussfaktoren untersucht. Das Programmplanungshandeln ist an einer Schnittstelle zwischen gesellschaftlichen Anforderungen, organisationalen Strukturen, Bildungsbedarfen und Ansprüchen an die Professionalität des Handelns verortet. Der Tätigkeitsbereich gestaltet sich entsprechend komplex (Gieseke/von Hippel, 2018).

Um die komplexe Struktur des Programmplanungshandelns und die dabei wirksamen Machtstrukturen zu problematisieren, ist der aktive Einbezug einer machtkritischen Perspektive notwendig. „Politische und pädagogische Versuche, Ungleichheiten entgegenzuwirken und zur Gewährleistung von Chancengleichheit beizutragen, sind auf empirische Studien und theoretische Analysen der Soziologie und Erziehungswissenschaft angewiesen, die Einblicke in die gesellschaftlichen Verursachungszusammenhänge und Bedingungen ermöglichen […].“ (Hormel/Scherr, 2013, S. 263) Diese gesellschaftlichen Verursachungszusammenhänge können sich sowohl in Form von strukturellen oder systematischen Differenzierungspraktiken ausdrücken als auch in individuellen Handlungen von Erwachsenenbildner*innen in Erscheinung treten (ebd.). Hieran kann Programmplanungsforschung ansetzen, denn diese ist „sehr sensibel für Faktoren wie Macht, Interessen und gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Faktoren“ (Fleige/Gieseke/von Hippel/Käpplinger/Robak, 2018, S. 13). Die Notwendigkeit einer Analyse aus Perspektive der Handelnden, wie sie in dieser Arbeit durchgeführt wird, ergibt sich folglich daraus, dass ←25 | 26→Programmplanung trotz ihrer zentralen Rolle in der Erwachsenenbildung bislang randständig unter Einbezug der Sichtweise der Programmplanungshandelnden selbst beforscht wurde.

Der Einbezug von Diversity in die komplexen erwachsenenbildnerischen Handlungszusammenhänge des Programmplanungshandelns legt eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung der benannten Komplexität der Handlungssituation nahe. Durch die Betrachtung von Differenzkategorien und Differenzierungsprozessen ist eine Analyse von Diversity im Programmplanungshandeln möglich. Als Beitrag zur qualitativen Erwachsenenbildungsforschung reiht sich diese Arbeit in die Analyse gesellschaftlicher Gefüge und Transformationen von Erwachsenenbildung ein, „unter denen Erwachsenen ihre Selbstbeziehung neu ausrichten und in denen Institutionen der Erwachsenenbildung sich auf neu Weise formieren“ (Wrana, 2016). Bei der Untersuchung von Diversity in der Erwachsenenbildung im deutschsprachigen Raum in der letzten Dekade werden Unterschiede, die sich in Differenzierungspraktiken konstituieren und Individuen oder Gruppen zugeschrieben werden, zumeist als Ressource verstanden. Sie zielen auf eine wertschätzende Anerkennung und legen zugleich nahe, aus der Zuschreibung von Differenzen hervorgehende Diskriminierung kritisch zu hinterfragen (Dollhausen/Muders, 2016). Vielfach erfolgt eine Analyse von Diversity unter Fokussierung und Vertiefung einzelner Differenzkategorien (vgl. Öztürk/Reiter, 2017; Schreiber-Barsch, 2017; Kröner, 2020). Die Untersuchung von Diversity bezieht sich in vielen Arbeiten außerdem explizit auf Analysen der mikro- oder mesodidaktischen Ebene (Reich-Claassen/von Hippel, 2018). Die Bedeutung, die Diversity im Programmplanungshandeln, das auf Ebene der Makrodidaktik verortet ist, einnimmt, und die Perspektive auf Diversity, die aus Sichtweise von Programmplanungshandelnden zugeschrieben wird, ist bislang nicht beforscht. Ferner fokussieren in der Erwachsenenbildung verortete Untersuchungen von Diversität, Pluralität, Heterogenität oder Vielfalt (Robak, 2013, 2016a; Dollhausen/Muders, 2016) eine bestimmte Perspektive, wie etwa Individuen, Organisationen oder Gesellschaft; so finden sich beispielsweise Studien über interkulturelle Kompetenzen für Dozierende. Der Umgang mit Heterogenität und Diversity Management in Organisationen wird auf Ebene der Mesodidaktik analysiert. Darüber hinaus beeinflussen politisch ausgehandelte und verabschiedete Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrichtlinien das Verständnis von Diversity in der Erwachsenenbildung, was ebenfalls in die Forschungsarbeit aufgenommen wird (Allemann-Ghionda, 2013; Göhlich/Schröer, 2013; Robak, 2013). Ein Zusammendenken der Ebenen ist für die Untersuchung von Programmplanungshandeln aufgrund seiner Schnittstellenfunktion jedoch von besonderer Bedeutung.

←26 |
 27→

Wie wird Diversity im Programmplanungshandeln aufgegriffen?

1) Wie wird Diversity von Programmplanungshandelnden konstruiert?

2) In welchen Zusammenhängen von Programmplanungshandeln wird Diversity ausgehandelt?

Bei der Untersuchung von Diversity im Programmplanungshandeln stehen in dieser Arbeit somit die Betrachtung der makrodidaktischen Ebene und der Einbezug der Positionierung von Programmplanungshandeln an einer Schnittstelle im Vordergrund. Für die Analyse wird auf eine empirische Vorgehensweise zurückgegriffen, die es ermöglicht, die Sichtweise der Programmplanungshandelnden selbst als Grundlage einzubeziehen. Die Datenerhebung erfolgt durch ein qualitatives Vorgehen, das 14 Interviews mit Programmplanungshandelnden, ausgestaltet in Anlehnung an problemzentrierte Interviews (Witzel, 2000), umfasst. Die Auswertung der Interviews durch eine Situationsanalyse (Clarke, 2012) als Weiterentwicklung der Grounded-Theory-Methodologie ermöglicht es, die komplexen Zusammenhänge von Programmplanungshandeln sichtbar zu machen und deren Schnittstellenfunktion durch kartographische Analysen zu veranschaulichen. Anhand dreier Forschungsfragen wird in dieser Studie die Diversity im Programmplanungshandeln in der Erwachsenenbildung untersucht.

Die Frage danach, wie Diversity von den Programmplanungshandelnden in deren Programmplanungshandeln aufgegriffen wird, verweist durch den Begriff des Aufgreifens auf einen aktiven Einbezug von Diversity in die Programmplanung durch das Handeln der Programmplanungshandelnden. Der Forschungsfrage sind zwei Teilfragen untergeordnet, die zur Konstitution der ersten Frage beitragen. Zum einen wird danach gefragt, wie Diversity von Programmplanungshandelnden überhaupt konstruiert wird. Da empirische Untersuchungen zur Bedeutung von Diversity im Programmplanungshandeln noch ausstehen, ermöglicht es die Bearbeitung der Teilfrage mittels einer Positionsanalyse, das Verständnis der Programmplanungshandelnden von Diversity aus den Interviewdaten zu rekonstruieren. Zum anderen ergänzt die zweite Teilfrage diese Perspektive, indem sie die Zusammenhänge fokussiert, innerhalb derer Diversity ausgehandelt wird. Damit werden durch relationale Analysen von Programmplanungshandeln Erkenntnisse darüber hervorgebracht, in welchen Aufgabenbereichen von Programmplanungshandeln Diversity ausgehandelt wird. Zugleich verweist diese zweite Teilfrage auf Aushandlungen von Diversity durch unterschiedliche soziale Welten im Programmplanungshandeln, was ebenfalls als Zusammenhänge von Programmplanungshandeln verstanden wird. In der ←27 | 28→Zusammenstellung als Projekt-Map werden die Ergebnisse der Analysen mit der übergeordneten Frage nach einem Aufgreifen von Diversity im Programmplanungshandeln zur Rekonstruktion verknüpft. Sie geben Aufschluss darüber, wie Diversity konstruiert, ausgehandelt und schließlich im Programmplanungshandeln aufgegriffen wird. Zur systematischen Erarbeitung des Forschungsgegenstandes anhand der Forschungsfragen gliedert sich die Arbeit in vier Teile (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

Durch die Verortung von Programmplanung in der Erwachsenenbildung als Referenzdisziplin (Kapitel 2) sowie drei daran anknüpfend entwickelte Analyseperspektiven auf Programmplanungshandeln (Kapitel 3) und deren ←28 | 29→Verschränkung mit Diversity (Kapitel 4) wird in Teil I ein theoretischer Rahmen gegeben, der den heuristischen Annahmen (Kapitel 5) dieser Arbeit zugrunde liegt. Darin herangezogene Grundlagentheorien des Pragmatismus und symbolischen Interaktionismus sind richtungsgebend für die Betrachtung des Forschungsgegenstandes (Dörner/Schäffer, 2012), indem sie bestimmte Aspekte sozialer Wirklichkeit fokussieren (Kreitz/Miethe/Tervooren, 2016). Durch die Analyseperspektiven Professionalität, Organisation und Gesellschaft wird das Verständnis von Programmplanungshandeln ausdifferenziert. Einen Bezug zu Diversity erhalten diese Analyseperspektiven aufbauend auf einer Bestimmung von Diversity und Differenzierungspraktiken unter Einbezug historischer Komponenten.

Details

Seiten
382
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631850329
ISBN (ePUB)
9783631850336
ISBN (MOBI)
9783631850343
ISBN (Hardcover)
9783631850312
DOI
10.3726/b18183
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (September)
Schlagworte
Differenzkategorien Othering Gouvernementaltität Bildungs- und Arbeitsmarkt Partizipation Differenzierungspraktiken Situationsanalyse Teilhabe Programmplanung Diversity
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 382 S., 1 farb. Abb., 32 s/w Abb., 5 Tabs.

Biographische Angaben

Clara Kuhlen (Autor:in)

Clara Kuhlen war von 2015 bis 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, im Bereich der internationalen Erwachsenenbildung tätig. Sie hat Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung studiert.

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Titel: Differenzierungspraktiken in der Erwachsenenbildung
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