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Zulässige Anordnungen zur Bauzeit

von Nils Markus Kahle (Autor:in)
©2021 Dissertation 280 Seiten

Zusammenfassung

Bauzeitliche Anordnungen werden seit langer Zeit streitig diskutiert. Kann der Besteller nach Vertragsschluss Änderungen des zeitlichen Ablaufs vorgeben oder bleibt es bei dem vereinbarten Vertragsinhalt? Wurden die Diskussionen um bauzeitliche Änderungsbegehren bisher meist im Zusammenhang mit den Anordnungsrechten der VOB/B geführt, stellt sich diese Frage nunmehr auch für § 650 b BGB. Auch ist das Verhältnis der eingeführten gesetzlichen Regelung zu den unveränderten Regelungen der VOB/B zu bewerten. Diese Abhandlung betrachtet die Frage der Zulässigkeit bauzeitlicher Anordnungen. Dabei werden die verschiedenen bauzeitlichen Anordnungen einzeln betrachtet und für die gesetzlichen Regelungen sowie für die Regelungen der VOB/B analysiert und bewertet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright Page
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Dedication
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Zulässige Anordnungen zur Bauzeit
  • A. Einleitung
  • B. Gesetzliches bauzeitliches Anordnungsrecht
  • I. Konstellationen bauzeitlicher Änderungen
  • 1. Zu betrachtende Parameter
  • a) Ausführungsbeginn
  • b) Fertigstellungstermin
  • c) Zwischenzeitliche Ausführungshindernisse
  • d) Änderung des Leistungsumfangs
  • e) Änderung des Leistungsinhalts
  • 2. Formen bauzeitlicher Auswirkungen
  • a) Vorverlegung der Bauzeit
  • b) Bauzeitverschiebung nach hinten
  • c) Bauzeitverkürzung
  • d) Verlängerung der Bauzeit
  • e) Mittelbare Bauzeitänderung
  • 3. Fazit
  • II. Rechtslage vor Einführung des Bauvertrags als eigenen Vertragstypus
  • 1. Leistungsbestimmungsrecht aus dem Wesen des Bauvertrags
  • 2. Ergänzende Vertragsauslegung
  • 3. Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB
  • 4. Treu und Glauben und Kooperationspflicht
  • a) Kooperationspflicht
  • b) Kein Recht zur Anordnung
  • c) Anspruch auf Verhandlung
  • d) Zwischenergebnis
  • 5. Ergebnis
  • III. Einführung eines Anordnungsrechts in das BGB
  • IV. Diskussionsstand nach Einführung des Bauvertrags in das BGB
  • 1. Kein bauzeitliches Anordnungsrecht im Rahmen von § 650 b Abs. 2 BGB
  • 2. Bauzeitliches Anordnungsrecht gemäß § 650 b Abs. 2 BGB
  • 3. Zwischenfazit
  • V. Bauzeitliche Anordnungen gemäß § 650 b Abs. 2 BGB
  • 1. Änderung des vereinbarten Werkerfolgs
  • a) Wortlaut
  • b) Systematische Betrachtung
  • aa) Werkerfolg (§ 631 Abs. 2 BGB)
  • (1) Werkvertraglicher Erfolg
  • (2) Synallagma
  • (3) § 631 Abs. 2 BGB
  • (4) Fazit
  • bb) Art und Umfang der Verweisung
  • cc) Ergebnis
  • c) Historische Auslegung
  • aa) Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht
  • bb) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
  • cc) Regierungsentwurf
  • dd) 3.-​5. Deutscher Baugerichtstag
  • ee) Mögliche Folgerungen
  • ff) Bewertung
  • d) Teleologische Betrachtung
  • aa) Intention der Einführung des Bauvertrags als eigenen Vertragstypus
  • (1) Grundlegende zivilrechtliche Wertungen
  • (2) Grundsätzliche Intention der Gesetzesänderungen
  • (3) Zwischenergebnis
  • bb) Intention der Einführung des Anordnungsrechts des § 650 b BGB
  • cc) Mittelbare Bauzeitanordnungen
  • (1) Zielrichtung der Anordnung
  • (2) Mittelbare Folgen
  • (a) Änderung des Leistungsumfangs
  • (aa) Mehrleistung
  • (bb) Minderleistung
  • (b) Verschiebung der Bauzeit
  • (c) Vorverlegung der Bauzeit
  • (d) Zwischenfazit
  • (3) Kompensation
  • (4) Ergebnis
  • dd) Isolierte Bauzeitanordnungen
  • (1) Bauzeitverschiebung
  • (a) Bedürfnis eines Anordnungsrechts zur Bauzeitverschiebung
  • (aa) Bedürfnis trotz Kooperationspflicht
  • (α) Kein Entfall der Kooperationspflicht
  • (β) Verhältnis der Kooperationspflicht zum Anordnungsrecht des § 650 b BGB
  • (γ) Änderungsbegehren zur Bauzeit
  • (bb) Bedürfnis trotz „Behinderungsregelungen“
  • (α) Behinderungskonstellationen
  • (αα) Zeitliche Komponente der Behinderung
  • (ββ) Kompensationsmechanismen in Behinderungsfällen
  • (γγ) Ergebnis
  • (β) Erfordernis einer Behinderung
  • (αα) Wortlaut § 642 BGB und § 6 Abs. 1 VOB/​B
  • (ββ) Recht auf Baustopp als Minus zur Kündigung
  • (γγ) Baustopp als rechtsmissbräuchliches Verhalten
  • (δδ) Befolgter Baustopp
  • (εε) Zwischenergebnis
  • (γ) Umfang der zeitlichen Verschiebung
  • (δ) Vermeidung behinderungsbedingter Rechtsfolgen
  • (ε) Fazit
  • (cc) Vergleich Generalunternehmervertrag mit der Einzelvergabe
  • (α) Einzelvergabe
  • (β) Generalunternehmervertrag
  • (γ) Zwischenergebnis
  • (dd) Ergebnis hinsichtlich des Bedürfnisses eines Anordnungsrechts zur Bauzeit
  • (b) Beeinträchtigung der betrieblichen und der Bauablaufplanung des Unternehmers
  • (c) Zwischenergebnis
  • (d) Wertende Betrachtung
  • (aa) Vergleich mit Behinderungskonstellationen
  • (α) Vergleich zeitliche Komponente
  • (β) Vergleich finanzielle Kompensation
  • (γ) Vergleich der Interessenlage
  • (αα) Anpassungsbedürfnis des Bestellers gegenüber dem Dispositionsinteresse des Unternehmers
  • (ββ) Quantität der Änderungen
  • (γγ) Umfang der bauzeitlichen Verschiebung
  • (δδ) §§ 650 b, c BGB statt §§ 642, 643 BGB
  • (εε) Ergebnis
  • (δ) Fazit des Vergleichs zu Behinderungskonstellationen
  • (bb) Vergleich mit mittelbaren Bauzeitänderungen
  • (α) Zeitliche Komponente
  • (β) Weitere Folgen der Anordnung
  • (γ) Vergleich der Interessenlagen
  • (δ) Fazit des Vergleichs zur mittelbaren Bauzeitanordnung
  • (cc) Gesamtbetrachtung
  • (α) Flexibilität zu Lasten einer möglichen Erhöhung der Anzahl bauzeitlicher Verschiebungen
  • (β) Finanzielle Kompensation über § 650 c BGB oder § 642 BGB
  • (γ) Ausschluss Kündigungsrecht gemäß § 643 BGB
  • (δ) Unterschiedliche Folgen im Generalunternehmervertrag gegenüber der Einzelgewerkvergabe
  • (ε) Wahlrecht des Bestellers
  • (ζ) Fazit zur Interessenlage
  • (dd) Fazit der wertenden Betrachtung
  • (e) Ergebnis
  • (2) Bauzeitverkürzung
  • (a) Bedürfnis für eine Bauzeitverkürzung
  • (b) Beeinträchtigung der Planbarkeit und Risikostruktur
  • (c) Zwischenergebnis
  • (d) Wertende Betrachtung hinsichtlich der Bauzeitverkürzung
  • (aa) Erfolgspflicht
  • (bb) Beschleunigung generell unzumutbar
  • (cc) Keine Drucksituation durch Ausschluss der Beschleunigungsmöglichkeit
  • (dd) Kein Primäranspruch
  • (ee) Beweislastverteilung
  • (α) Zumutbarkeit
  • (β) Umfang des Mehrvergütungsanspruchs
  • (γ) Fazit
  • (ff) Gesamtwürdigung und Ergebnis
  • (α) Beeinträchtigung des Unternehmerinteresses
  • (β) Verhandlungssituation aufgrund des Eingriffs in die Risikoverteilung
  • (γ) Beweislast
  • (δ) Zumutbarkeit aufgrund des Eingriffs in die Risikostruktur nicht ausreichend
  • (ζ) Ergebnis
  • (3) Vorverlegung des Ausführungszeitraums
  • (4) Bauzeitverlängerung
  • (5) Zusammenfassung isolierte Bauzeitanordnungen
  • (a) Bedürfnis
  • (b) Interessenabwägung
  • (c) Fazit
  • ee) Ergebnis der teleologischen Betrachtung
  • (1) Kein einheitliches Ergebnis
  • (2) Kein Differenzierungskriterium
  • (3) Ergebnis zur Bauzeit insgesamt
  • e) Ergebnis der Auslegung
  • 2. Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist
  • 3. Ergebnis
  • VI. Bauzeitliche Anordnungen gemäß § 650 b Abs. 2 BGB im Wege der Rechtsfortbildung
  • 1. Erst-​Recht-​Schluss I: Bauzeitliche Anordnungen als generelles Minus gegenüber Werkerfolgsänderungen
  • 2. Erst-​Recht-​Schluss II: Bauzeitliche Anordnungen als Minus gegenüber Anordnungen zur Änderung des Werkerfolgs mit mittelbaren bauzeitlichen Folgen
  • a) Bauzeit nicht von jeder Inhaltsänderung betroffen
  • b) Verknüpfung
  • c) Mittelbare Bauzeitanordnung –​ durch die Inhaltsanordnung gerechtfertigter Eingriff
  • d) Vergleich hinsichtlich Quantität und Qualität der Risikoerhöhung
  • e) Ergebnis
  • 3. Analoge Anwendung des § 650 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB
  • a) Regelungslücke
  • b) Zweck der Norm
  • c) Vergleichbarkeit
  • aa) Mittelbare Bauzeitveränderungen
  • (1) Verknüpfung zwischen inhaltlicher Anordnung und zeitlicher Anpassungsmöglichkeit
  • (a) Verknüpfung innerhalb eines Vertragsverhältnisses
  • (b) Durch Werkerfolgsänderung in einem anderen Vertragsverhältnis verursachte Verschiebungen
  • (aa) Bauinhaltliche Gesamtwerkerfolgsänderung mit bauinhaltlicher und zeitlicher Anordnungsnotwendigkeit in mehreren Vertragsverhältnissen
  • (bb) Bauinhaltliche Änderung wirkt sich (nur) zeitlich auch in anderen Vertragsverhältnissen aus
  • (cc) Bauinhaltliche Gesamtwerkerfolgsänderung bei inhaltlicher Betroffenheit nur des funktionalen Werkerfolgs
  • (dd) Zwischenergebnis
  • (2) Kausalität hinsichtlich des Umfangs der zeitlichen Änderung
  • (a) Zeitliche Auswirkung der Inhaltsänderung
  • (b) Weitere Verschiebungen
  • (c) Nachweispflicht
  • (d) Zwischenergebnis
  • (3) Sonderfall: Einigungsphase
  • (a) Möglichkeit der Unterbrechung
  • (b) Dogmatische Ansätze
  • (c) Auslegung des Begehrens
  • (d) Entwicklung nach Stillstand in der Einigungsphase
  • (aa) Erfassung in der späteren Einigung
  • (bb) Keine explizite Erfassung in der Einigung
  • (cc) Keine Einigung
  • (dd) Fazit
  • (e) Würdigung und Ergebnis
  • (4) Sonderfall: Planungsänderungserfordernis
  • (5) Zwischenergebnis zu mittelbaren Bauzeitanordnungen
  • (6) Vergleich mit isolierten Bauzeitanordnungen
  • (a) Mittelbare Anordnung
  • (b) Einigungs-​ und Planungsphase
  • (c) Ergebnis
  • bb) Ähnlichkeit hinsichtlich der Zielsetzung
  • cc) Ergebnis zur Vergleichbarkeit
  • d) Planwidrigkeit der Lücke
  • aa) Pacta sunt servanda
  • bb) Dispositionsbefugnis des Unternehmers
  • cc) Umgehung von § 642 BGB
  • (1) Folgen der Ausschlussmöglichkeit
  • (a) Möglicher finanzieller Nachteil
  • (b) Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 642 BGB
  • (2) Rechtfertigung der Ausschlussmöglichkeit
  • (a) Interessenlage der Bauvertragsparteien
  • (b) Befolgte Anordnungen
  • (c) Systematik
  • (d) Ergebnis
  • dd) Ausschluss der Kündigungsfolge nach § 643 BGB
  • (1) Zielrichtung des § 643 BGB
  • (2) Verbleibender Bedeutungsgehalt
  • (3) Vergleich mit mittelbaren Bauzeitanordnungen
  • (4) Normative Betrachtung
  • (a) Klarheit statt Umgehungspotential
  • (b) Wirtschaftliche Betrachtung
  • (c) Korrektiv durch Zumutbarkeit
  • (d) Ergebnis
  • ee) Wahlrecht des Bestellers zwischen Behinderung und Anordnung
  • ff) Verfassungsrechtliche Bedenken
  • gg) Keine Analogie bei Ausnahmeregelungen
  • e) Ergebnis
  • VII. Verhältnis zur Kooperationspflicht
  • 1. Weitere Anwendung der Kooperationspflicht
  • 2. Rechtsfolgen
  • 3. Verfahrensangleichung
  • 4. Ergebnis
  • C. Vertragliche Anordnungsrechte
  • I. Bauzeitliches Anordnungsrecht im Rahmen der VOB/​B
  • 1. Änderung des Bauentwurfs, § 1 Abs. 3 VOB/​B
  • a) Anordnung
  • b) Bauentwurf
  • aa) Auslegungsansätze
  • (1) Weite Auslegung
  • (2) Enge Auslegung
  • (3) Differenziertes Anordnungsrecht
  • (4) Auslegung je nach Verwender
  • (5) Rechtsprechung
  • (6) Zwischenfazit
  • bb) Auslegungsgrundsätze
  • (1) Grundsätze Vertragsauslegung
  • (2) Auslegungsgrundsätze für Allgemeine Geschäftsbedingungen
  • (3) Gesetzliche Auslegungsgrundsätze aufgrund des Rechtsnormcharakters der VOB/​B
  • (4) Wertung und Konsequenz
  • cc) Wortlaut
  • (1) „Bauentwurf“ und Entwurfsplanung
  • (2) Umfassender Bedeutungsinhalt
  • (3) Differenzierter Umfang nach Art der bauzeitlichen Anordnung
  • (4) Bewertung und eigene Einordnung
  • (5) Ergebnis
  • dd) Früheres Verständnis der beteiligten Verkehrskreise
  • ee) Interessenlage
  • ff) Zwischenergebnis zur Auslegung des Begriffs „Bauentwurf“
  • gg) Weitere Argumentation gegen ein bauzeitliches Anordnungsrecht
  • (1) Transparenzgebot
  • (2) Inhaltskontrolle
  • (a) Verbrauchermaßstab
  • (b) Kein Verbraucher
  • (aa) VOB/​B ohne inhaltliche Abweichung insgesamt
  • (bb) Isolierte Inhaltskontrolle
  • (3) Ergebnis
  • hh) Argumente aus einer gesetzlichen Auslegungsmethodik
  • (1) Zulässigkeit
  • (2) Materielle Tragweite
  • (a) Systematik
  • (aa) § 2 Abs. 5 VOB/​B
  • (bb) Generalklausel zur Änderung spezieller bauzeitlicher Regelungen
  • (cc) Fazit
  • (b) Historische Entwicklung
  • (aa) Änderung der VOB/​B 2006
  • (bb) Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht
  • (cc) Einführung des § 650 b BGB
  • (dd) Fazit
  • (c) Sinn und Zweck
  • (aa) VOB/​B als umfassendes Regelwerk oder Ergänzung der bestehenden gesetzlichen Regelungen
  • (bb) Folgerung für die bauzeitlichen Anordnungen
  • (3) Ergebnis
  • ii) Weitere Argumente der Befürworter eines differenzierten Anordnungsrechts
  • (1) Kein Ansatz für eine Differenzierung nach Art der bauzeitlichen Anordnung
  • (2) Keine Differenzierung je nach Verwender der VOB/​B
  • (3) Ergebnis zur differenzierten Anordnungsmöglichkeit
  • c) Ergebnis zu den Anordnungsmöglichkeiten aus § 1 Abs. 3 VOB/​B
  • 2. Verlangen zusätzlicher Leistungen, § 1 Abs. 4 VOB/​B
  • 3. Andere Anordnungen, § 2 Abs. 5 VOB/​B
  • 4. Anordnungen, die zur vertragsgemäßen Ausführung der Leistung notwendig sind, § 4 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 VOB/​B
  • 5. Ergebnis
  • II. Vertragliche Vereinbarung eines bauzeitlichen Anordnungsrechts
  • 1. Individualvertragliche Vereinbarung
  • 2. Bauzeitliches Anordnungsrecht in AGB
  • a) Einbeziehung der Verkürzung und Vorverlegung
  • b) Abbedingung des Einigungsverfahrens
  • c) Abbedingung der 30-​Tage-​Frist
  • d) Abbedingung der Textform
  • D. Gesamtergebnis und Regelungsvorschlag
  • I. Ergebnis der Analyse der Gesetzeslage und der Regelungen der VOB/​B
  • II. Regelungsvorschlag
  • E. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

←28 | 29→

A. Einleitung

Der Bauherr sagt zu dem Trockenbauer:

„Mach schneller, der Bau hat schon drei Monate Verzug, die Schule muss zum Schuljahresbeginn fertig sein.“

Dieser antwortet:

„Alle meine Mitarbeiter sind auf der Baustelle, mehr Personal habe ich nicht. Außerdem sollte ich für dich im April arbeiten, für Juli hatte ich bereits einen anderen Auftrag angenommen. Was kann ich dafür, dass du die Vorarbeiten erst jetzt beendet hast.“

Dieses Gespräch stellt beispielhaft eine Situation dar, wie sie im Rahmen eines Bauvertrags häufig vorkommt, nahezu typisch ist.

Einem Bauvertrag ist es immanent, dass er nicht nur auf einen punktuellen Leistungsaustausch gerichtet ist, sondern sich die Bauphase über einen längeren Zeitraum erstreckt. Während dieser Bauphase können verschiedene Störungen Einfluss auf den Bauablauf nehmen (z.B. verzögerte Erteilung der Baugenehmigung, Kampfmittelfunde, verspätete Leistung des Vorunternehmers, noch nicht getroffene Auswahlentscheidung etc.). Dies kann dazu führen, dass die vertragliche Bauleistungsverpflichtung eines ausführenden Gewerkes nicht zu dem Zeitpunkt ausgeführt werden kann, der vertraglich vorgesehen ist. Auch können sich Umstände ergeben, die dazu führen, dass die Leistungen des Unternehmers in einem kürzeren Zeitfenster ausgeführt werden sollen, um Nachteile für den Besteller zu vermeiden. Beispielsweise kann der Besteller ein großes Interesse daran haben, dass das Bauvorhaben trotz der oben beispielhaften dargestellten Störungen des Bauablaufs zum ursprünglich vorgesehenen Ausführungstermin fertig gestellt wird.

Selbstverständlich steht es den Bauvertragsparteien jederzeit frei, insoweit eine vertragsändernde Vereinbarung zu treffen, wenn derartiger Änderungsbedarf erkannt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die Parteien eine Vertragsänderung anstreben und sich über die zu regelnden Punkte einigen.

Wie in dem Dialog dargestellt, können sich dabei unterschiedliche Interessen der Vertragsparteien gegenüberstehen. Der Bauherr möchte, dass sein Bauwerk zeitnah errichtet wird bzw. dass das konkrete Gewerk zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt wird. Neben rein finanziellen Interessen, z.B. Mietausfall für den Fall der Vermietung des Objekts oder drohenden Ansprüchen Dritter ihm gegenüber, kann auch einfach die zeitnahe Nutzung beispielsweise zu Wohnzwecken oder wie in dem Beispiel der beabsichtigen ←29 | 30→Nutzung zu einem bestimmten Zweck, in diesem Fall „Schulbetrieb“, sein Interesse sein. Es stellt sich daher die Frage, ob dem Besteller ein gesetzliches Recht zusteht, durch einseitige Anordnung den Unternehmer dazu zu verpflichten, seine Ausführungszeit entsprechend den Vorgaben des Bestellers anzupassen. Sofern kein vollumfassendes gesetzliches Anordnungsrecht bestehen sollte, stellt sich weiter die Frage, ob ein solches Recht aus dem für den Baubereich entwickelten standardisierten Regelwerk der VOB/B folgt und ob ein solches Recht in einem standardisierten Regelwerk überhaupt wirksam Vertragsinhalt werden kann.

Dem Interesse des Bestellers an einer flexiblen Anpassung an seine Bedürfnisse stehen auf der anderen Seite die Interessen des Unternehmers gegenüber, der einen Betrieb zu führen hat, für den er eine Vielzahl von Belangen beachten muss. Neben den reinen Mehrkosten, die ihm aus der Verschiebung oder Unterbrechung seines vorgesehenen Ausführungszeitraums entstehen können, muss er den Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, insbesondere seine Mitarbeiter und Arbeitsgeräte, koordinieren. Aus seiner Sicht ist es am einfachsten, er kann weit vorausschauend sowohl den Personal- und Materialeinsatz als auch die daraus resultierenden Einnahmen planen. Jede zeitliche Verschiebung stellt einen Eingriff in seine Planung dar, der sich auch auf andere Aufträge, die er angenommen hat, auswirken kann. Sein Interesse ist es daher regelmäßig, dass die einmal im Vertrag – in welcher Form auch immer – festgelegte Ausführungszeit weiter bestand hat und nicht einseitig durch den Besteller geändert werden kann.

Vor dem Hintergrund der widerstreitenden Interessen der Bauvertragsparteien wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob der Besteller die Möglichkeit hat, ohne Vereinbarung mit dem Unternehmer eine Veränderung der Bauzeit vorzunehmen.

Unter Bauzeit wird hierbei der vertraglich vereinbarte Ausführungszeitraum verstanden, innerhalb dessen der Unternehmer seine Leistungspflicht erfüllen soll. Dieser Zeitraum kann durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung geändert werden und es können auch gesetzliche oder vertragliche Regelungen zum Tragen kommen, die zu einer Veränderung dieser Bauzeit führen. Davon zu unterscheiden ist der tatsächliche Ausführungszeitraum. Dieser kann deckungsgleich mit der vertraglichen Bauzeit sein, kann sich aber auch davon unterscheiden (z.B. beim Verzug des Unternehmers).

Die Frage, ob in einem Bauvertrag dem Besteller bzw. Auftraggeber1 ein Recht zusteht bzw. zustehen sollte, die Bauzeit einseitig und für den ←30 | 31→Unternehmer bzw. Auftragnehmer2 verpflichtend ändern zu können, wird seit langer Zeit streitig diskutiert. Bereits vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen zum Bauvertrag gemäß §§ 650 a ff. BGB zum 1.1.2018 bestanden Bestrebungen, entsprechende Rechte aus dem BGB und insbesondere der VOB/B herzuleiten. Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen zum Bauvertrag als eigenen Vertragstypus des BGB stellt sich diese Frage – wenn auch unter anderen Vorzeichen – bezogen auf das gesetzliche Anordnungsrecht des § 650 b Abs. 2 BGB erneut.

Neben der Einführung eines bauvertraglichen Anordnungsrechts ist auch eine systematische Änderung dahingehend eingetreten, dass mit der Einführung des Bauvertrags als Vertragstypus eine gesetzliche Regelung geschaffen bzw. konkretisiert wurde, die einen gesetzlichen Grundgedanken darstellen könnte, an dem sich insbesondere standardisierte vertragliche Regelungen wie die VOB/B messen lassen müssen.

Vor diesem Hintergrund erfolgt im Rahmen dieser Betrachtung zunächst eine Analyse der gesetzlichen bauvertraglichen Anordnungsrechte des § 650 b Abs. 2 BGB (B.). Hierzu werden zunächst die verschiedenen Konstellationen bauzeitlicher Anordnungen (B., I.) und die Rechtslage vor Einführung des Bauvertragsrechts betrachtet (B., II.). Sodann wird die gesetzliche Neuerung dargestellt (B., III.). Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung des aktuellen Diskussionsstandes zu der Frage, ob § 650 b Abs. 2 BGB ein bauzeitliches Anordnungsrecht beinhaltet (B., IV.). Anschließend werden die Anordnungsmöglichkeit zum Werkerfolg, § 650 b Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 650 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB, und die Möglichkeit zur Anordnung von Änderungen, die zur Erreichung des Werkerfolgs nötig sind, § 650 b Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 650 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB, eingehend analysiert (B., V.). Nachfolgend wird untersucht, ob bauzeitliche Anordnungsmöglichkeiten im Wege der Rechtsfortbildung aus § 650 b Abs. 2 BGB in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB hergleitet werden können (B., VI.) und ob die Einführung von § 650 b BGB Auswirkungen auf die Kooperationspflicht im Zusammenhang mit Änderungsbegehren zum Bauvertrag hat (B., VII.).

←31 | 32→

Anschließend erfolgt eine Betrachtung der Möglichkeit, durch standardisierte Vertragsbedingungen ein umfassendes bauzeitliches Anordnungsrecht in den Bauvertrag einbeziehen zu können (C.).

Abschließend wird aus dem ermittelten Gesamtergebnis (D., I.) ein Vorschlag zur Anpassung der gesetzlichen Regelung abgeleitet (D., II.).

1 Im Folgenden erfolgt eine synonyme Verwendung des im BGB verwendeten Begriffs des „Bestellers“ und des in VOB/B gleichbedeutend verwendeten Begriffs des „Auftraggebers“.

2 Im Folgenden erfolgt eine synonyme Verwendung des im BGB verwendeten Begriffs des „Unternehmers“ und des in VOB/B gleichbedeutend verwendeten Begriffs des „Auftragnehmers“.

←32 | 33→

B. Gesetzliches bauzeitliches Anordnungsrecht

Zum 1. Januar 2018 sind umfangreiche Änderungen des BGB in Kraft getreten. Neben verschiedenen Änderungen im bisherigen Werkvertragsrecht ist als weiterer Vertragstyp der „Bauvertrag“ in das BGB eingeführt worden. Systematisch handelt es sich um einen besonders geregelten Typus des Werkvertrags, für den die Regelungen des nunmehr als allgemeinen Teil bezeichneten Werkvertrags weiter gelten, sofern sich nicht aus der Einführung der §§ 650 a ff. BGB Besonderheiten ergeben. Es soll in der Folge untersucht werden, ob durch die neu geschaffenen Regelungen zum Bauvertrag auch ein Recht des Bestellers zur Erteilung bauzeitlicher Anordnung vorgesehen wurde.

I. Konstellationen bauzeitlicher Änderungen

Um bei der Prüfung der Anordnungsmöglichkeit zur Bauzeit das gesamte Spektrum der bauzeitlichen Änderungen im Blick zu behalten, wird vorab untersucht, in welchen unterschiedlichen Konstellationen und Formen eine Veränderung der Bauzeit in Betracht kommen kann.

1. Zu betrachtende Parameter

Für den Bauvertrag ist als zeitbezogener Parameter der zeitliche Rahmen zu betrachten, innerhalb dessen die Leistung zu erfolgen hat. Dieser Rahmen wird durch den Zeitpunkt des Baubeginns und den Fertigstellungstermin definiert. Es können auch Zwischentermine vereinbart werden, bei denen es sich dann in der Regel um Fertigstellungstermine für Teilleistungen handelt.

Den weiteren Parameter stellt die Leistungspflicht des Unternehmers dar, die innerhalb des Zeitrahmens erbracht werden soll. Wird diese hinsichtlich ihres Leistungsumfangs oder ihres Inhalts geändert, kann das Auswirkungen auf den Zeitrahmen haben. Letztlich lassen sich auch verschiedene Änderungen kombinieren.

a) Ausführungsbeginn

Wird der Bauablauf chronologisch betrachtet, ist als Erstes eine mögliche Veränderung des Ausführungsbeginns zu betrachten. Dabei sind zwei Konstellationen denkbar: Zum einen die Vorverlegung des Ausführungsbeginns und zum ←33 | 34→anderen die Verschiebung des Ausführungsbeginns nach hinten. In beiden Fällen kann weiter unterschieden werden, ob der Fertigstellungstermin beibehalten oder auch entsprechend zeitlich angepasst werden soll.

Bei Beibehaltung des Ausführungszeitraums würde eine Vorverlegung auch zu einer Vorverlegung des Fertigstellungstermins und somit der gesamten Bauzeit führen (B., I., 2., a)).

Es kann weiter unterschieden werden, ob ein vertraglicher Ausführungsbeginn definiert wurde oder nicht.

Ist ein vertraglicher Ausführungsbeginn vereinbart, würde jedes Verlangen eines früheren Beginns eine Vorverlegung darstellen.

Ist kein vertraglicher Ausführungsbeginn vereinbart, besteht gemäß § 271 Abs. 1 BGB im reinen BGB-Vertrag grundsätzlich sofortige Fälligkeit, soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Da eine sofortige Leistung bei einem zu errichtenden Bauwerk nicht möglich ist, ergibt sich „aus den Umständen“ i. S. d. § 271 Abs. 1 BGB, dass dem Unternehmer eine angemessene Bauzeit zur Verfügung stehen muss.3 Die versprochene Leistung wird fällig zu dem Zeitpunkt, der sich aus einer zügigen Bearbeitung ergibt.4 Es wird gefolgert, dass der Unternehmer „alsbald“ mit den Arbeiten zu beginnen hat und sie in „angemessener Zeit“ zu Ende führen muss.5

Eine Vorverlegung des Beginns ist in diesem Fall nicht möglich, da bereits mit Vertragsschluss die Ausführung zu beginnen ist.

Handelt es sich um einen Vertrag, in den die VOB/B einbezogen wurde, hat der Auftragnehmer gemäß § 5 Abs. 2 VOB/B zwölf Werktage nach Aufforderung durch den Auftraggeber zu beginnen. Denkbar ist in diesem Fall somit auch eine Vorverlegung dahingehend, dass der Zeitraum verkürzt wird, nach Aufforderung mit den Arbeiten zu beginnen. Diese Konstellation ist dann vergleichbar mit der Vorverlegung eines vertraglich vereinbarten Termins für den Ausführungsbeginn.

Bei einer Vorverlegung des Ausführungsbeginns bei Beibehaltung des bisherigen Fertigstellungstermins tritt eine Verlängerung des Ausführungszeitraums ein (B., I., 2., d)).

Details

Seiten
280
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631863428
ISBN (ePUB)
9783631863435
ISBN (MOBI)
9783631863442
ISBN (Paperback)
9783631861394
DOI
10.3726/b18780
DOI
10.3726/b18930
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (September)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 280 S.

Biographische Angaben

Nils Markus Kahle (Autor:in)

Nils Markus Kahle, geboren 1976 in Leer (Ostfriesland), studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Valencia (Spanien). Sein Referendariat absolvierte der Autor in Braunschweig und Toronto (Kanada). Nach seinem Zweiten Juristischen Staatsexamen war er mehrere Jahre als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht tätig. Seit 2009 ist er Beamter der Freien und Hansestadt Hamburg.

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Titel: Zulässige Anordnungen zur Bauzeit
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