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Demokratische Kontrolle von Ausschussgremien in EU-Freihandelsabkommen

Eine Untersuchung am Beispiel des CETA aus Sicht der Prinzipal-Agent-Theorie

von Felix Stern (Autor:in)
©2024 Dissertation 528 Seiten

Zusammenfassung

Das zwischen der EU, ihren Mitgliedstaaten und Kanada als Freihandelsabkommen neuen Typs geschlossene CETA etabliert beschlussfassende Ausschussgremien mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen im Bereich der Handelspolitik. Obwohl das Abkommen eine supranationale Wirkung der Beschlüsse seiner Gremien ausschließt, kann ihre Einhaltung durch die EU-Mitgliedstaaten aufgrund anderer Verpflichtungen erforderlich sein. Um der Frage nachzugehen, wie eine ausreichende demokratische Rückbindung von Ausschusssystemen, wie nach dem CETA, gewährleistet werden kann, ohne die Flexibilisierung künftiger Zusammenarbeit der Vertragsparteien aufzuheben, eröffnet der Prinzipal-Agenten-Ansatz eine innovative Perspektive. So zeichnet die vorliegende Studie aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland die über die Landes-, Bundes-, und Unionsebene bis hin zu den nach dem CETA errichteten Vertragsgremien verlaufenden Delegationsketten nach und untersucht Mechanismen zu deren demokratischer Rückbindung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort und Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel I: Einleitung
  • A. Zum politischen Hintergrund: Gemeinsame Handelspolitik und neuer Bilateralismus
  • B. CETA als „Gemischtes Abkommen“
  • C. Fragestellung der Untersuchung
  • D. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Problemfelder
  • I. Rechtsnormen
  • II. Rechtsprechung
  • III. Literatur
  • E. Der Prinzipal-Agenten-Ansatz
  • I. Der Delegationsakt und die Prinzipal-Agenten-Beziehung
  • II. Die Delegationskette
  • III. Prinzipal und Agent als Nutzenmaximierer
  • IV. Risiken, Kosten und Verluste durch Delegation
  • V. Zwischenergebnis zu Abschnitt E.
  • F. Gang der Untersuchung
  • Kapitel II: Delegationsketten
  • A. Ein Prinzipal-Agenten-Modell für das Ausschusssystem des CETA
  • I. Institutionelle Ebene der Untersuchung
  • II. Die Suche nach dem höchstrangigen Prinzipal
  • 1. Der Deutsche Bundestag als Agent und als Prinzipal
  • 2. Stellung der deutschen Bundesländer und der Länderparlamente
  • 3. Die Unionsbürger und das Europäische Parlament
  • a. Schwierigkeiten bei der Einordnung des Europäischen Parlaments als Agent eines gesamteuropäischen Souveräns
  • b. Einordnung des Europäischen Parlaments als Agent der mitgliedstaatlichen Staatsorgane
  • c. Zwischenergebnis zu Punkt 3.
  • III. Zwischenergebnis zu Abschnitt A.
  • B. Delegationskette ab dem Wahlvolk der Bundesrepublik Deutschland
  • I. Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der EU und ihrer Mitgliedstaaten hinsichtlich des CETA
  • II. EU-Zuständigkeitsbereich
  • 1. Direkte Weiterdelegation vom Bundestag an die Bundesregierung
  • a. Die Integrationskompetenz der Bundesregierung
  • b. Die Einflussmöglichkeiten des Bundestages in EU-Angelegenheiten nach Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG
  • c. Zwischenergebnis zu Punkt 1.
  • 2. Indirekte Weiterdelegation an die Bundesregierung über das Europäische Parlament
  • a. Delegation von Legislativbefugnissen an das Europäische Parlament
  • b. Weiterdelegation der Mitwirkung in internationalen Vertragsgremien an den Rat
  • c. Indirekte Delegation der Ausschussarbeit an die Bundesregierung
  • 3. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt II.
  • III. Mitgliedstaatlicher Zuständigkeitsbereich
  • 1. Delegation von Legislativgewalt an die Bundesregierung
  • 2. Näheverhältnis des CETA zu den EU-Verträgen
  • 3. Behandlung der Ausschussarbeit nach dem CETA außerhalb von Art. 23 GG
  • a. Verfahren bei Beschlüssen der CETA-Ausschüsse nach Art. 24 Abs. 1 GG
  • b. Verfahren bei Beschlüssen der CETA-Ausschüsse nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG
  • c. Allgemeine Parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung
  • IV. Zwischenergebnis zu Abschnitt B.
  • C. Delegationskette ab dem Wahlvolk der deutschen Bundesländer
  • I. Rolle der Länderparlamente
  • 1. Parlamentarische Verantwortlichkeit und nachträgliche Kontrolle
  • 2. Ein „mitlaufendes Kontrollrecht“ der Länderparlamente
  • 3. Integrationsverantwortung der Landtage
  • a. Neubewertung aufgrund der Europäischen Integration
  • b. Verfassungsänderungen in Baden-Württemberg und Bayern
  • aa. Baden-Württemberg
  • bb. Freistaat Bayern
  • c. Unterschiedliche Modelle für die Einbindung der Länderparlamente in die Europäische Integration
  • aa. Auf die Subsidiaritätskontrolle beschränkte Einbindung in Hamburg und Sachsen
  • bb. Bindungswirkung in Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen
  • cc. In den meisten Bundesländern Berücksichtigung in unterschiedlichem Ausmaß
  • dd. Einseitige Stellungnamen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Niedersachsen
  • ee. Zusammenfassende Analyse
  • 4. Folgerungen für das Prinzipal-Agenten-Modell
  • II. Direktdemokratische Bindung der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat
  • III. Weiterdelegation durch die Landesregierungen über die Ländervertreter im Bundesrat
  • IV. Weiterdelegation ab dem Bundesrat
  • 1. EU-Zuständigkeitsbereich
  • 2. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
  • V. Zwischenergebnis zu Abschnitt C.
  • D. Weiterführung der Delegationsketten auf der EU-Ebene
  • I. Unterscheidung zwischen Beschlüssen, Empfehlungen und weiteren Entscheidungen der Ausschüsse
  • II. Vorbehalte für die Wirksamkeit von CETA-Ausschussbeschlüssen
  • III. Regelverfahren nach Art. 218 Abs. 1 bis Abs. 6 und Abs. 8 i.V.m. Art. 207 Abs. 3 bis Abs. 6 AEUV
  • 1. Einschlägigkeit des Regelverfahrens: Entscheidungen völkerrechtlicher Vertragsgremien als „Übereinkünfte“ i.S.v. Art. 218 Abs. 1 AEUV
  • 2. Verfahrensgang
  • IV. Vereinfachtes Verfahren nach Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • 1. „Rechtswirksame Akte“ i.S.v. Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • 2. Grenzen des Anwendungsbereichs des vereinfachten Verfahrens nach Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • a. Ausschluss von Änderungen des institutionellen Rahmens i.S.v. Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • b. Ausschluss wesentlicher Regelungsgegenstände eines Abkommens
  • aa. Auslegung des Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV in Anlehnung an Art. 290 AEUV
  • bb. Begriff der „Wesentlichkeit“
  • cc. Zwischenergebnis zu Unterpunkt b.
  • c. Zwischenergebnis zu Punkt 2.
  • 3. Verfahrensgang
  • V. Vereinfachtes Verfahren nach Art. 218 Abs. 7 AEUV
  • VI. Völkerrechtliche Vertretung durch die Europäische Kommission
  • VII. Zwischenergebnis zu Abschnitt D.
  • E. Die Vertragsgremien des CETA als Teil der Delegationskette
  • I. Völkerrechtliche Verbindlichkeit von CETA-Ausschussbeschlüssen
  • II. Ausschluss unmittelbarer Durchgriffswirkung durch Art. 30.6 Abs. 1 CETA
  • III. Durchsetzungsmechanismen des internationalen Investitionsschutzrechts
  • IV. Zwischenstaatliche Durchsetzungsmechanismen des Völkerrechts
  • V. Folgen des Art. 216 Abs. 2 AEUV
  • VI. Zwischenergebnis zu Abschnitt E.
  • F. Zwischenergebnis zu Kapitel II
  • Kapitel III: Funktionen der Delegation
  • A. Logik der Delegation
  • I. Reduzierung von Transaktionskosten
  • 1. Begriff der Transaktionskosten
  • 2. Anwendung des Transaktionskostenbegriffs auf Hoheitsrechtsübertragungen
  • II. Glaubhafte Zusicherungen
  • 1. Begriff der glaubhaften Zusicherung
  • 2. Abgrenzung zwischen Delegation und Treuhandverhältnis
  • III. Weitere Delegationsmotive
  • IV. Zwischenergebnis zu Abschnitt A.
  • B. Kompetenzen der Ausschüsse im CETA und Transaktionskosten
  • I. Zusammenarbeit bei unvollständiger Information
  • 1. Kooperationsprobleme
  • 2. Koordinationsprobleme
  • 3. Aufhebung von Informationsasymmetrien
  • 4. Anwendungsfälle im CETA
  • a. Implementationsüberwachung durch den Gemischten CETA-Ausschuss
  • aa. Art. 26.1 Abs. 4 lit. a CETA – Überwachung und Unterstützung der Vertragsimplementation
  • bb. Art. 25.1 Abs. 3 CETA – Überwachung bilateraler Dialoge
  • cc. Art. 28.5 Abs. 6 und Abs. 7 CETA – Konsultationen bei Kapitalverkehrsbeschränkungen
  • dd. Kapitel 29 CETA – Einbindung in die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien
  • ee. Art. 30.9 Abs. 1 CETA – Information über die Kündigung des Abkommens
  • ff. Zwischenergebnis zu Unterpunkt a.
  • b. Implementationsüberwachung durch den Ausschuss für Warenhandel
  • c. Implementationsüberwachung durch den Landwirtschaftsausschuss
  • d. Implementationsüberwachung durch den Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • e. Implementationsüberwachung durch den Gemischten Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (MRA-Ausschuss)
  • f. Implementationsüberwachung durch den Gemischten Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich (JCCC)
  • g. Implementationsüberwachung durch den Gemischten Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss)
  • h. Implementationsüberwachung durch den Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • i. Implementationsüberwachung durch den Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • j. Implementationsüberwachung durch den Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung
  • k. Implementationsüberwachung durch das Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • 5. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt I.
  • II. Unvollständige Verträge
  • 1. Begriff des unvollständigen Vertrages
  • 2. Stabilisierung der Regulierungszusammenarbeit
  • 3. Kategorisierung nach rechtlicher Reichweite
  • 4. Anwendungsfälle im CETA
  • a. Konkretisierung und Umsetzung des CETA durch Abkommenssekundärrecht
  • aa. Materielle Modifikationen
  • (1). Gemischter CETA-Ausschuss
  • (2) Ausschuss für Warenhandel
  • (3) Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • (4) Gemischter Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich (JCCC)
  • (5) Zwischenergebnis zu Unterpunkt aa.
  • bb. Institutionelle Modifikationen mit Außenwirkung
  • (1) Gemischter CETA-Ausschuss
  • (a) Regelung der Arbeitsweise der Rechtsbehelfsinstanz des Investitionsgerichts
  • (b) Entscheidung über die Einleitung, Auflösung und die Aufgaben bilateraler Dialoge
  • (c) Entscheidung zu Übergangsregelungen bei künftigen EU-Beitritten
  • (d) Zwischenergebnis zu Unterpunkt (1)
  • (2) Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • (3) Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • (a) Regelung institutioneller Fragen des Investitionsschutzkapitels durch den Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • (b) Vorschläge für eine Überarbeitung des Verfahrensrechts der Rechtsbehelfsinstanz für Investitionsschutzsachen
  • (c) Zwischenergebnis zu Unterpunkt (3)
  • (4) Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • (5) Zwischenergebnis zu Unterpunkt bb.
  • cc. Institutionelle Modifikationen ausschließlich innenrechtlicher Natur
  • (1) Gemischter CETA-Ausschuss
  • (2) Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • (3) Gemischter Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (MRA-Ausschuss)
  • (4) Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss)
  • (5) Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • (6) Zwischenergebnis zu Unterpunkt cc.
  • dd. Zwischenergebnis zu Unterpunkt a.
  • b. Fortentwicklung der Bestandteile des Abkommens
  • aa. Materielle Modifikationen
  • (1) Gemischter CETA-Ausschuss
  • (a) Änderung der Protokolle und Anhänge des CETA
  • (aa) Beschleunigung des Zollabbaus nach Art. 2.4 Abs. 4 CETA
  • (bb) Änderungen an der Liste geschützter geografischer Angaben in Anhang 20-A
  • (cc) Änderungen in Anhang 5-A zum Protokoll über Ursprungsregeln und Ursprungsbestimmungen
  • (dd) Erweiterung des Anwendungsbereichs des Protokolls über die gegenseitige Anerkennung der Ergebnisse von Konformitätsbewertungen
  • (ee) Änderungen der Anhänge des Protokolls über die gegenseitige Anerkennung des Programms für die Befolgung und Durchsetzung der Guten Herstellungspraxis für pharmazeutische Erzeugnisse
  • (b) Änderungen des CETA-Vertragstexts
  • (aa) Änderungen des Harmonisierten Systems
  • (bb) Änderungen an Kapitel 4 zu technischen Handelshemmnissen
  • (cc) Änderungen am 23. Kapitel (Handel und Arbeit)
  • (dd) Erweiterung des Begriffes „Rechte des geistigen Eigentums“ mit Bindungswirkung für das Investitionsgericht
  • (ee) Erweiterung der Verpflichtung der „Gerechten und billigen Behandlung“ ausländischer Investoren
  • (ff) Sonderfall: Für das Investitionsgericht verbindliche Vertragsauslegung
  • (gg) Sonderfall: Im Streitbeilegungsverfahren nach Kapitel 29 verbindliche Vertragsauslegung
  • (hh) Zwischenergebnis zu Unterpunkt (b)
  • (c) Zwischenergebnis zu Unterpunkt (1)
  • (2) Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss)
  • (3) Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • (4) Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • (5) Gemischter Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (MRA-Ausschuss)
  • (6) Gemischter Ausschuss nach Art. 27 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Kanada über den Handel mit Wein und Spirituosen
  • (7) Zwischenergebnis zu Unterpunkt aa.
  • bb. Institutionelle Modifikationen mit Außenwirkung
  • (1) Änderungen am Ausschusssystem des CETA
  • (2) Überführung des Investitionsstreitbeilegungsmechanismus in ein multilaterales Investitionsschutzabkommen
  • 5. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt II.
  • III. Agenda-Setting
  • 1. Agenda-Setting und Entscheidungsgewalt
  • 2. Formelles und informelles Agenda-Setting
  • 3. Abgrenzung: Agenda-Setting innerhalb des Ausschusssystems und Agenda-Setting gegenüber den Legislativorganen der EU und ihrer Mitgliedstaaten
  • 4. Steuerungsintensität formellen Agenda-Settings gegenüber unionalen und nationalen Legislativorganen
  • a. Allgemeine völkerrechtliche Haftung für die Umsetzung von Beschlüssen
  • b. Haftung durch das internationale Investitionsschutzrecht
  • c. Agenda-Setting im Zuständigkeitsbereich der EU
  • aa. Ausschussbeschlüsse als Teil des EU-Rechts nach Art. 216 Abs. 2 AEUV
  • bb. Betroffene Ausschusskompetenzen im CETA
  • d. Sonderfall: Art. 11.3 CETA
  • 5. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt III.
  • IV. Konfliktmanagement und Streitbeilegung
  • 1. Organisatorisches Konfliktmanagement
  • a. Einsetzung von Ad-hoc-Facharbeitsgruppen
  • b. Besetzung eines Schiedspanels
  • c. Überwachung des Verhaltens von Amtsträgern der im CETA vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismen
  • d. Amtsenthebung von Investitionsrichtern
  • e. Begleitung des zwischenstaatlichen Schiedsverfahrens nach Kapitel 29
  • f. Begleitung von Mediationsverfahren zwischen den Vertragsparteien
  • g. Begleitung der Streitbeilegung durch Sachverständigengruppen
  • h. Zwischenergebnis zu Punkt 1.
  • 2. Inhaltliche Streitbeilegung
  • a. Streitbeilegung zwischen den Vertragsparteien
  • aa. Ausschuss für Warenhandel
  • bb. Gemischter Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich (JCCC)
  • cc. Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung
  • dd. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • ee. Zwischenergebnis zu Unterpunkt a.
  • b. Investor-Staat-Streitbeilegung
  • c. Zwischenergebnis zu Punkt 2.
  • 3. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt IV.
  • V. Vorbereitung hochkomplexer Sachentscheidungen
  • 1. Gemischter CETA-Ausschuss
  • 2. Ausschuss für Warenhandel
  • 3. Landwirtschaftsausschuss
  • 4. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • 5. Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • 6. Gemischter Ausschuss für die Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (MRA-Ausschuss)
  • 7. Gemischter Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich (JCCC)
  • 8. Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss)
  • 9. Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • 10. Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • 11. Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung
  • 12. Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • 13. CETA-Ausschuss für geografische Angaben
  • 14. Zwischenergebnis zu Punkt V.
  • VI. Implementation
  • 1. Gemischter CETA-Ausschuss
  • 2. Ausschuss für Warenhandel
  • 3. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • 4. Gemischter Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen
  • 5. Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss)
  • 6. Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • 7. Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung
  • 8. Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • 9. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt VI.
  • VII. Weitere Ausschusskompetenzen
  • C. Zwischenergebnis zu Kapitel III
  • Kapitel IV: Risiken der Delegation und Kontrollmechanismen
  • A. Zielkonflikte bei der Delegation von Aufgaben
  • I. Funktionaler Nutzen und Risiken der Delegation
  • II. Agentenautonomie und Kontrollmechanismen
  • III. Zwischenergebnis zu Abschnitt A.
  • B. Entscheidungsfindungsverfahren und Kontrollmechanismen auf der Ebene der EU und der Bundesrepublik Deutschland
  • I. Entscheidungsfindung innerhalb der Europäischen Kommission unterhalb der Schwelle des Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • 1. Gemischter CETA-Ausschuss
  • 2. Gemischter Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen
  • 3. Gemischter Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich
  • 4. Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen
  • 5. Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung
  • 6. Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen
  • 7. Ausschuss für Warenhandel
  • 8. Landwirtschaftsausschuss
  • 9. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • 10. Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • 11. Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • 12. Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • 13. CETA-Ausschuss für geografische Angaben
  • 14. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt I.
  • II. Vereinfachtes Verfahren nach Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV
  • 1. Gemischter CETA-Ausschuss
  • 2. Ausschuss für Warenhandel
  • 3. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • 4. Gemischter Ausschuss für die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen
  • 5. Gemischter Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollbereich
  • 6. Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen
  • 7. Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • 8. Gemischter Ausschuss nach Art. 27 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Kanada über den Handel mit Wein und Spirituosen
  • 9. Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • 10. Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • 11. Zwischenergebnis zu Punkt II.
  • III. Regelverfahren nach Art. 218 Abs. 1 bis 6 AEUV
  • 1. Voraussetzungen für die Einbindung des Europäischen Parlaments nach Art. 218 Abs. 6 AEUV
  • 2. Ausschusskompetenzen mit Beteiligung des Europäischen Parlaments
  • a. Gemischter CETA-Ausschuss
  • b. Ausschuss für Warenhandel
  • c. Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen
  • d. Gemischte Sektorgruppe für Arzneimittel
  • e. Ausschuss für Dienstleistungen und Investitionen
  • f. Gemischter Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen
  • g. Ausschuss für Finanzdienstleistungen
  • 3. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt III.
  • IV. Vereinfachtes Verfahren nach Art. 218 Abs. 7 AEUV
  • V. Verfahren auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland
  • 1. Verfahren zur Einbindung des Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 und 3 GG
  • a. Einbindung des Bundestages vor den Entscheidungsfindungsverfahren auf EU-Ebene nach Art. 218 AEUV
  • b. Einbindung des Deutschen Bundestages bei Berührung von bei den EU-Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten
  • 2. Verfahren zur Einbindung des Bundesrates nach Art. 23 Abs. 2, 4 und 5 GG
  • 3. Verfahren nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 und nach Art. 24 Abs. 1 GG
  • 4. Allgemeine parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung
  • 5. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt V.
  • VI. Sonderfall des Art. 8.29 CETA
  • VII. Zwischenergebnis zu Abschnitt B.
  • C. Problemfelder der Ausschussarbeit nach dem CETA
  • I. Autonomie der Europäischen Kommission und Kontrolle durch das Europäische Parlament
  • 1. Unterschiedliche Verfahrensweisen für die unionale Willensbildung zur Arbeit der CETA-Ausschüsse
  • 2. Mögliche Einflussnahme Dritter auf die Europäische Kommission
  • 3. Kontrollmechanismen
  • 4. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt I.
  • II. Interessen der Bundesrepublik im Rat
  • 1. Mediatisierung der Bundesrepublik durch die EU
  • a. Rat als kollektiver Prinzipal gegenüber der EU-Kommission als dessen Agentin
  • b. Mehrheitserfordernisse im Rat als entscheidender Faktor für den Kontrolle der Ausschussarbeit durch die EU-Mitgliedstaaten
  • c. Problematik einer Ausweitung der Unionskompetenzen zu Lasten der EU-Mitgliedstaaten
  • d. Zwischenergebnis zu Punkt 1.
  • 2. Kontrollmechanismen auf der EU-Ebene
  • 3. Zwischenergebnis zu Unterabschnitt II.
  • III. Zwischenergebnis zu Abschnitt C.
  • D. Zwischenergebnis zu Kapitel IV
  • Kapitel V: Fazit
  • A. Das in Kapitel II konstruierte Prinzipal-Agenten Modell
  • B. Frage der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten in den CETA-Ausschüssen
  • C. Wirkungen und Funktionen der Ausschussarbeit nach dem CETA
  • I. Rechtliche Wirkungen der Arbeit der CETA-Ausschüsse
  • II. Politisch-praktische Funktionen der Arbeit der CETA-Ausschüsse
  • III. Entscheidungsfindungsverfahren auf Unionsebene
  • IV. Entscheidungsfindungsverfahren auf der Bundesebene
  • D. Mechanismen zur demokratischen Kontrolle der CETA-Ausschüsse
  • I. Kontrollmechanismen des Europäischen Parlaments gegenüber der EU-Kommission
  • II. Kontrollmechanismen des Rats gegenüber der EU-Kommission
  • Quellenverzeichnis
  • Kurzlebenslauf

Kapitel I: Einleitung

„Is Global Governance – the structure of international institutions – democratically legitimate, or does it suffer from a ‘democratic deficit’? This is emerging as one of the central questions – perhaps the central question – in contemporary world politics.“

Andrew Moravcsik, 20041

A. Zum politischen Hintergrund: Gemeinsame Handelspolitik und neuer Bilateralismus

Die politische und rechtliche Struktur des Welthandels kennt drei Dimensionen, zwischen denen sich ihre fortlaufende Entwicklung bewegt. Hierbei stehen die Tendenzen zum Multilateralismus und zum Bilateralismus im grundsätzlichen Gegensatz zu unilateralen, protektionistischen Strategien. Obwohl letztere in den letzten Jahren bisweilen eine Renaissance zu erleben schienen,2 verläuft die Entwicklung der Welthandelspolitik seit geraumer Zeit zwischen den grundsätzlichen Modellen einer multi- oder einer bilateralen Zusammenarbeit.

Nachdem die Doha-Verhandlungsrunde inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten stockt, hat eine deutliche Entwicklung weg vom multilateralen Ansatz der Welthandelsorganisation (WTO) hin zu einer Konzentration auf bilaterale Handelsabkommen eingesetzt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die zahlenmäßig verstärkte Aushandlung solcher Abkommen als auch auf deren inhaltliche Weiterentwicklung. Ein wichtiger Motor dieser Entwicklung ist die Europäische Union (EU), die seit der Mitteilung der Global Europe Strategie 20063 verstärkt den Abschluss sog. „Umfassenden Freihandelsabkommen neuen Typs“ oder „Freihandelsabkommen der vierten Generation“ anstrebt, um die Integration des gemeinsamen Außenhandels ihrer Mitgliedstaaten weiter voranzutreiben.4 Diese neuen Freihandelsabkommen bleiben nicht bei Vereinbarungen zur Liberalisierung des internationalen Handels stehen. Darüberhinausgehend werden bis weit in die nationale Souveränität eingreifende Mechanismen zur Regulierungskoordination eingeführt. Neben bis weit „hinter die Grenze“ reichenden inhaltlichen Vereinbarungen zu den von einem Freihandelsabkommen neuen Typs erfassten Politikfeldern,5 werden beschlussfassende Ausschussgremien errichtet. Diese auch als Governancestrukturen6 bezeichneten Ausschüsse reichen noch nicht an den Institutionalisierungsgrad einer internationalen Organisation heran. Vielmehr sind sie als Vertragsorgane einzuordnen, die sich von internationalen Organisationen durch ihre fehlende eigenständige Rechtspersönlichkeit unterscheiden. Auch fehlt den beteiligten Völkerrechtssubjekten hier der Wille zur Gründung einer internationalen Organisation. Auf der anderen Seite sind die hier untersuchten Vertragsgremien deutlich stärker institutionell verselbstständigt und verfestigt als internationale Konferenzen oder sonstige Zusammenkünfte von Vertretern unterschiedlicher Staaten.7 So werden im Rahmen des CETA dauerhafte Kontaktstellen errichtet (vgl. Art. 26.5 CETA), um die Ausschussarbeit zu organisieren. Die Ausschüsse selbst arbeiten im Rahmen wiederkehrender Sitzungen,8 nach verbindlichen Verfahrensregeln und im eigenen Namen unter feststehenden Bezeichnungen (Ausschuss, gemischte Sektorgruppe, Forum)9 welche sie als von den Vertragsparteien des CETA zu unterscheidende Zurechnungsobjekte ausweisen.10

Die Entscheidungsbefugnisse solcher Gremien erschöpfen sich nicht in den bisher bekannten Mechanismen zur Durchführung, Auslegung und ggf. Ergänzung internationaler Abkommen.11 Zum Teil sind die den eingerichteten Ausschüssen übertragenen Entscheidungsbefugnisse derartig unbestimmt formuliert, dass sich die Frage stellt, ob hierin eine (Weiter-)Übertragung von Hoheitsrechten liegt und ob der Abschluss entsprechender Abkommen einer Änderung des europäischen Primärrechts gleichkommt.12 Da die von der EU in diese Gremien entsandten Vertreter von der EU-Kommission benannt werden oder dieser angehören und da Vertreter der EU-Mitgliedstaaten regelmäßig deren Exekutiven bzw. deren Regierungen angehören, werden Bedenken hinsichtlich einer Gubernalisierungsdynamik geäußert, die Entscheidungen über die Eingehung völkerrechtlicher Verpflichtungen und die Verfolgung bestimmter Regulierungspolitiken der Legislativen der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu entziehen droht.13 Hierbei reicht die internationalisierte Rechtsetzung im Rahmen der neuen Abkommen vom Schutz ausländischer Investitionen, über den Gesundheits- und Pflanzenschutz, bis hin zu geschützten geografischen Herkunftsangaben, um zunächst nur einige Beispiele zu nennen. Das erste der neuen Freihandelsabkommen schlossen die EU und ihre Mitgliedstaaten mit Südkorea. Dieses Abkommen kam ab 2011 vorläufig zur Anwendung und wurde 2015 vollständig ratifiziert.14 Weitere Abkommen folgten mit Japan, Singapur, Vietnam und Kanada. Die Abkommen mit Japan, Singapur und Vietnam sind inzwischen ebenfalls in Kraft getreten.15 Das mit Kanada geschlossene Umfassende Wirtschafts- und Freihandelsabkommen („CETA“) wird seit dem 21. September 2017 vorläufig angewendet.16 Die Verhandlungen zu einem Abkommen mit Neu Seeland wurden im Sommer 2022 abgeschlossen.17 Im Verhandlungsprozess befinden sich zum Teil ähnliche Abkommen mit einer Reihe weiterer Staaten.18 Zu nennen ist weiter das mit Großbritannien nach dessen Austritt aus der EU (BREXIT) geschlossene Handelsabkommen.19

Die Geschichte des CETA – welches den Gegenstand der folgenden Untersuchung bilden wird – beginnt im Jahr 2007 mit einer gemeinsamen Studie der kanadischen Regierung und der EU-Kommission.20 Am 7. April 2009 richtete die Kommission eine Empfehlung zum Beschluss eines Verhandlungsmandates über ein Abkommen zur wirtschaftlichen Integration mit Kanada an den Rat. Der Rat beschloss dieses Mandat schließlich am 24. April 2009.21 Nach dem politischen Abschluss der Verhandlungen am 1. August 2014 wurde der Vertragstext am 26. September 2014 erstmalig offiziell veröffentlicht. Dieser vorläufige Text durchlief eine Rechtsförmlichkeitsprüfung, die am 29. Februar 2016 mit der Veröffentlichung einer geprüften Fassung ihren Abschluss fand.22 Am 30. Oktober 2016 wurde das Abkommen vom Rat, der Kommission und der kanadischen Regierung unterzeichnet.23 Am 15. Februar 2017 folgte die Zustimmung durch das Europäische Parlament.24 Seit dem 21. September 2017 werden die Teile des CETA vorläufig angewendet, von denen nach dem vom EuGH am 16. Mai 2017 erstatteten Gutachten zum Freihandelsabkommen mit Singapur25 davon auszugehen ist, dass sie in den Kompetenzbereich der EU fallen.26 Die Ratifizierung durch die EU-Mitgliedstaaten ist bei der Abgabe dieser Dissertationsschrift noch nicht abgeschlossen.27 In Deutschland wurden mehrere, gegen die Mitwirkung der Bundesregierung an der Beschlussfassung im Rat über die vorläufige Anwendung des CETA gerichtete, Verfassungsbeschwerden durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2022 zurückgewiesen.28 Antragsteller dieser Verfahren hatten 2016 versucht im Eilrechtsschutz die Mitwirkung der Bundesrepublik an den, auf die Unterzeichnung29 und die vorläufige Anwendung30 des Abkommens gerichteten, Beschlüssen des Rats der Europäischen Union zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht entschied hierüber mit seinem Urteil vom 13. Oktober 2016, indem es bereits die im einstweiligen Rechtsschutz gestellten Anträge ablehnte.31 Am 2. März 2021 wies das Bundesverfassungsgericht außerdem eine in demselben Zusammenhang erhobene Organklage aus verfahrensrechtlichen Gründen ab.32 In der Folge des Abschlusses der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde der Ratifizierungsprozess weiterverfolgt. Am 1. Dezember 2022 beschloss der Deutsche Bundestag schließlich mit 559 zu 110 Stimmen, ohne Enthaltung, das Zustimmungsgesetz zum CETA.33 Am 16. Dezember 2022 folgte die Zustimmung durch den Bundesrat.34 Nachdem das Zustimmungsgesetz am 16. Januar 2023 durch den Bundespräsidenten ausgefertigt worden war, trat es nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vom 19. Januar 2023, am 20. Januar 2023 in Kraft.35

B. CETA als „Gemischtes Abkommen“

Freihandelsabkommen neuen Typs können in sachlicher Hinsicht sowohl Politiken erfassen, deren Regelung von den EU-Mitgliedstaaten bereits auf die Union übertragen wurden, als auch solche, bei denen bisher keine Kompetenzübertragung stattgefunden hat. Bei den bereits auf die EU übertragenen Kompetenzen kann es sich außerdem um ausschließliche Unionskompetenzen (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 AEUV) oder um mit den Mitgliedstaaten geteilte Kompetenzen (Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 AEUV) handeln. Angesichts des entsprechend komplexen Kompetenzgefüges zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit der Union für einen völkerrechtlichen Vertragsschluss nach außen (Art. 216 Abs. 1 AEUV). In ihren Schlussanträgen in der Sache C-13/07, welche sich noch nach der Rechtslage vor dem Vertrag von Lissabon richteten, bemerkte Generalanwältin Kokott „So wie ein kleiner Tropfen Pastis ein Glas Wasser trüben kann, können auch einzelne, noch so untergeordnete Bestimmungen in einem auf Art. 133 Abs. 5 UAbs. 1 EG gestützten internationalen Vertragswerk den Zwang zum Abschluss eines gemischten Abkommens auslösen.“36 Diese bis heute als „Pastis-Formel“ bekannte Ansicht37 vermochte sich in der Rechtsprechung des EuGH jedoch nicht durchzusetzen. Stattdessen kommt der Gerichtshof insbesondere in seinem Gutachten 2/15 zum Freihandelsabkommen mit Singapur und seinem OTIF-Urteil in der Sache C-600/14 auf Grundlage des mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Art. 216 Abs. 1 AEUV zu dem Ergebnis, dass die Frage einer (alleinigen) Vertragsschlusskompetenz der EU nicht mit der internen Einordnung einer Unionskompetenz als ausschließlich oder geteilt zusammenhänge. Vielmehr entwickelte der EuGH aus Art. 216 Abs. 1 AEUV eine eigenständige Kasuistik für das Vorliegen einer (alleinigen) Vertragsschlusskompetenz der EU.38 Hierauf wird in Kapitel II Unterabschnitt B. I. genauer eingegangen werden.

Um beim Abschluss des CETA der Problematik der Kompetenzabgrenzung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten beizukommen wird das Vertragswerk als „Gemischtes Abkommen“ zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada als Drittstaat andererseits geschlossen. Dies entspricht eher einer politisch-praktischen Lösung als einer von den beteiligten Unions- und Staatsorganen geteilten Rechtsüberzeugung.39 Allerdings sind in dem Abkommen keine hinreichenden Regelungen zu einer Vertretung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten in den errichteten Vertragsgremien ersichtlich.40 Vor dem Hintergrund des, wie dargelegt, sehr weiten Verständnisses des EuGH hinsichtlich der EU-Außenzuständigkeiten stellt sich die Frage, ob und wann die Bundesregierung die Bundesrepublik direkt und aktiv in den CETA-Ausschüssen vertreten wird41 und ob ohne weitere Vorkehrungen eine ausreichende demokratische Rückbindung an die Legislativorgane der EU-Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann.42

C. Fragestellung der Untersuchung

In einem Beitrag aus dem Jahr 2017 beschrieb Terhechte die EU treffend als „Innovationsverbund“, der im Laufe seiner Entwicklung zahlreiche neue rechtliche Konzepte und Gestaltungen auf sämtlichen betroffenen Ebenen hervorgebracht hat. Demnach ist die Union nicht nur eine neue Rechtsordnung auf der Ebene des Völkerrechts, sondern beeinflusst auch die Rechtsordnungen ihrer Mitgliedstaaten in privatrechtlicher, öffentlich-rechtlicher und sogar in strafrechtlicher Hinsicht.43 In diesem Sinne stellen das CETA und andere Freihandelsabkommen neuen Typs einen weiteren Integrationsschritt der Union dar, der zur Notwendigkeit neuer europarechtlicher und gegebenenfalls auch verfassungsrechtlicher Gestaltungen führt. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt sich bei derartigen Integrationsschritten stets die Frage nach der demokratischen Legitimation.44 Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, analytische Lösungsansätze für den entstehenden Konflikt zwischen demokratischer Legitimation und berechtigtem Integrationsinteresse zu entwickeln. Im Verlauf der Untersuchung soll die, sogleich in Unterabschnitt D. vorzustellende, rechtliche Diskussion um das CETA, als Freihandelsabkommen neuen Typs, durch die Entwicklung eines politikwissenschaftlichen Modells, analytisch begleitet werden. Hierzu fällt die Wahl auf das Instrumentarium der Prinzipal-Agenten-Theorie (bzw. Prinzipal-Agent-Theorie oder Principal-Agent Theory),45 welche hier zunächst in Unterabschnitt E. eingeführt wird.

Die vorliegende Untersuchung widmet sich also der Frage, wie bei der Errichtung von internationalen beschlussfassenden Vertragsgremien, im Kontext umfassender Freihandelsabkommen, ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau gewährleistet werden kann. Was unter demokratischer Legitimation zu verstehen ist und wann diese in hinreichendem Maße verwirklicht wird, bedarf der Klärung, bevor die Forschungsfrage formuliert und mit der eigentlichen Untersuchung fortgefahren wird.

Die Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland als demokratischem Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG), in dem alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG), beantwortet bereits die Frage nach der Legitimation im platonischen Sinne: „Wer soll herrschen?“.46 Nach der in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Volkssouveränität ist die Ausübung von Staatsgewalt nur als legitim anzusehen, wenn das Volk diese effektiv beeinflussen kann.47 Die Volkssouveränität ist nach Art. 28 Abs. 1 GG auch in den deutschen Bundesländern und nach Art. 23 Abs. 1 GG sowie dem EuZBBG, dem EuZBLG und dem IntVG im Rahmen der Mitwirkung der Bundesrepublik in der EU grundsätzlich ebenfalls zu verwirklichen.48 Auch bei der Mitwirkung an anderen zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Einrichtungen außerhalb der EU nach Art. 59 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 GG sind die Bundesorgane hieran gebunden.49

Wird das Problem der demokratischen Legitimation aus der Perspektive des Entscheidungsfindungsprozesses betrachtet, rückt die Frage nach der Teilhabe der Rechtssubjekte an der hoheitlichen Gewalt50 in den Mittelpunkt. Es geht mithin um die Gewährleistung einer personell möglichst ununterbrochenen demokratischen Legitimationskette51 sowie einer sachlich-inhaltlich möglichst authentischen „input-orientierten“ Legitimation.52 Treten bei der Weiterführung und Modifikation der im Grundgesetz vorgesehenen Delegationsbeziehungen „Einflussknicke“ auf, stellt sich die Frage nach deren Kompensation.53 Einer solchen Herangehensweise kann entgegengehalten werden, dass die Legitimationskette mit zunehmender Länge aufgrund der Entscheidungsspielräume zwischengeschalteter Instanzen und aufgrund der Zusammenarbeit mit Staaten, die unterschiedliche Anforderungen an ihre eigene demokratische Legitimation stellen, „brüchig“ oder diffus wird.54 Statt ausschließlich auf rechtsverbindlich vorherbestimmte Verfahren zur Entscheidungsfindung sowie auf deren Transparenz und die Partizipation der hierzu berufenen Mandatsträger abzustellen, kann die demokratische Legitimität einer verfolgten Politik auch anhand materieller Kriterien bestimmt werden („Output-Legitimität“).55 Derartige Ansätze sehen sich allerdings regelmäßig mit dem Problem der Bestimmung der anzuwendenden materiellen Kriterien konfrontiert, die auch ideologischen Einflüssen zugänglich ist.56 Aus der Perspektive einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung muss die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland und der EU an einem Vertragswerk wie dem CETA außerdem mit deren demokratisch verfassten Rechtsordnungen und deren Entscheidungsfindungsprozessen vereinbar sein. Dem Gesichtspunkt der „Output-Legitimität“ kann dabei ergänzendes argumentatives Gewicht zukommen. Gegebenenfalls kann das Argument einer im Ergebnis materiell sachgerechten Entscheidung sogar entscheidend sein, wenn im Rahmen der vorgegebenen Rechtsordnung zweifelhaft, aber auch nicht zu widerlegen ist, dass die Arbeit eines Vertragsgremiums den geltenden verfassungsrechtlichen oder den EU-primärrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Grenze der möglichen Tätigkeit von Ausschussgremien wie denjenigen des CETA ist jedoch der Rahmen des vorhersehbaren Integrationsprogramms des Abkommens, so dass von einer antizipierten Zustimmung durch die am Vertragsschluss zu beteiligenden Legislativorgane ausgegangen werden kann bzw. nicht gegen wesentliche Strukturentscheidungen des in der Vergangenheit von durch die Legislativorgane genehmigten Abkommens verstoßen wird.57 Den Rahmen für eine Betrachtung der demokratischen Legitimation der Arbeit völkerrechtlicher Vertragsgremien bildet somit die jeweilige Rechtsordnung der beteiligten Völkerrechtssubjekte.

Das aufgezeigte Verständnis demokratischer Legitimation findet sich im europäischen Primärrecht in Gestalt des Zwei-Säulen-Modells der EU nach Art. 10 Abs. 2 EUV wieder.58 Auch hier erfordert die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die Exekutive eine Rückbindung an das Europäische Parlament (vgl. Art. 289 Abs. 2 AEUV), um dem aggregierten Willen der durch die Europaabgeordneten vertretenen Unionsbürger Geltung zu verschaffen. Dementsprechend erfordert auch die Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen innerhalb der Unionsrechtsordnung nach Art. 290 AEUV einen Legislativakt als Grundlage.59

So ist mit dem Verfassungsrang der Volkssouveränität zunächst die Frage geklärt wer herrschen soll.60 Da die vom Volk ausgehende Staatsgewalt in deutlicher Parallelität zu einem Rousseau’schen Verständnis in Form zu erfüllender Aufgaben auf die Volksvertreter und von diesen weiter auf nachgeordnete Instanzen (Regierung, Verwaltung, etc.) übertragen wird,61 rückt nunmehr eine sinngemäß von Karl R. Popper entwickelte Fragestellung in den Mittelpunkt: Wie können die Volksvertretungen und die ihnen nachgeordneten Instanzen institutionell umgestaltet – nach Popper: „abgesetzt“ – werden, wenn sie den Willen des souveränen Volkes nicht oder nicht genügend umsetzen?62 Im Verlauf der Kapitel II bis IV wird somit der Frage nachgegangen, welche Anforderungen das Grundgesetz und das Primärrecht der EU an die demokratische Kontrolle völkervertraglicher Ausschussgremien stellen und inwieweit das mit dem CETA eingerichtete Ausschusssystem diesen Anforderungen entspricht. Dazu ist einerseits umfassend darzustellen und im Rahmen des zu entwickelnden Prinzipal-Agenten-Modells systematisch zu analysieren, in welchem Ausmaß und zu welchem Zweck mit dem CETA hoheitliche Aufgaben an das dort vorgesehene Ausschusssystem übertragen werden. Andererseits ist zu untersuchen, inwieweit die im Grundgesetz und im EU-Primärrecht vorgesehenen Mechanismen zur Mitwirkung in internationalen Ausschussgremien das CETA erfassen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Einbindung des Bundestages und des Europäischen Parlaments. Schließlich sind, ebenfalls im Rahmen des Prinzipal-Agenten-Modells, Vorschläge für eine Ergänzung oder auch Erweiterung eben dieser parlamentarischen Kontrolle zu erarbeiten.

D. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Problemfelder

Im Folgenden soll zunächst in den verfassungs- und europarechtlichen Diskurs zum CETA als einem weiteren Kapitel der, in Gestalt der EU vorangetriebenen, Integrationsentwicklung eingeführt werden. Dabei bildet das CETA den Untersuchungsgegenstand, wobei anzumerken ist, dass zahlreiche Problemfelder auch bei anderen Freihandelsabkommen neuen Typs wiederzufinden sind. In einem ersten Schritt werden in Unterabschnitt I. die für die weitere Untersuchung zentralen Rechtsnormen im CETA selbst, im europäischen Primärrecht und im Grundgesetz kurz zusammengetragen und vorgestellt. In Unterabschnitt II. werden die zentralen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kurz zusammengetragen. Unterabschnitt III. widmet sich den für die nachfolgende Untersuchung zentralen Beiträgen aus der verfassungs- und europarechtswissenschaftlichen Literatur, um den Stand der Debatte kurz zu skizzieren und den Ausgangspunkt des nachfolgend zu entwickelnden Ansatzes der Untersuchung aufzuzeigen.

I. Rechtsnormen

Im CETA ist zunächst insbesondere das Kapitel 26 von Interesse, welches die institutionellen Bestimmungen des Abkommens enthält. Dort finden sich zunächst Art. 26.1 und Art. 26.3 CETA die das wichtigste der im Abkommen vorgesehenen Gremien, den Gemischten CETA-Ausschuss, in institutioneller Hinsicht ausgestalten und in Art. 26.1 Abs. 4 und Abs. 5 CETA bereits weitreichende (jedoch nicht erschöpfende) Kompetenzkataloge enthalten. Hervorzuheben sind auch Art. 26.3 Abs. 2 CETA, der für alle rechtsverbindlichen Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses einen Vorbehalt „interner Anforderungen und Verfahren“ der Vertragsparteien enthält, sowie Art. 26.3 Abs. 3 CETA, der für Entscheidungen des Gremiums ein Einvernehmlichkeitsprinzip vorsieht. Die dem Gemischten CETA-Ausschuss nachgeordneten Sonderausschüsse werden in Art. 26.2 CETA grundlegend geregelt. Unter den Schlussbestimmungen des Abkommens ist zunächst Art. 30.6 Abs. 1 CETA hervorzuheben, der supranationale Durchgriffswirkungen auszuschließen scheint. Kompetenznormen, die dem Gemischten CETA-Ausschuss und den Sonderausschüssen ihre Befugnisse zum Treffen rechtsverbindlicher und rechtsunverbindlicher Entscheidungen verleihen, sind über das gesamte Abkommen verstreut. Hierauf wird in Kapitel III der vorliegenden Untersuchung ausführlich eingegangen.

Obwohl der EuGH die rechtswirksame Mitwirkung der Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane in internationalen Gremien63 und auch deren Einrichtung64 schon seit langem als notwendige Folge der auf die EU übertragenen Kompetenzen ansieht, enthält das europäische Primärrecht auch in seiner heutigen Fassung im Vertrag über die Europäische Union (EUV) sowie dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kaum ausdrückliche Regelungen zur Beteiligung der EU an der Arbeit völkerrechtlicher Vertragsgremien. Impliziert werden solche Gremien in Art. 217 AEUV. Art. 218 Abs. 6 lit. a Ziff. iii AEUV sieht ihre Einrichtung in internationalen Abkommen vor. Direkte Erwähnung finden sie außerdem in Art. 218 Abs. 7 und Abs. 9 Alt. 2 AEUV.65 Vor allem die letztere der beiden Normen wird für die gesamte Untersuchung von zentraler Bedeutung sein. Dort wird angeordnet, dass der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der Europäischen Kommission über Standpunkte entscheidet, die in einem internationalen Vertragsgremium, in dem die Union ein Mitglied ist, vertreten werden sollen. Abs. 7 sieht ein weiteres Verfahren zur Vertretung der EU in völkerrechtlichen Vertragsgremien vor. Auf beide Verfahren, wie auch auf Art. 218 AEUV im Übrigen, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung mehrfach zurückzukommen sein, da es sich bei diesen Regelungen um die Schnittstellen zwischen dem EU-Primärrecht und den im CETA vorgesehenen Ausschüssen handelt. So wird in Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung eine Zuordnung der einzelnen im CETA enthaltenen Kompetenznormen zu den in Art. 218 AEUV vorgesehenen Entscheidungsfindungsverfahren auf der EU-Ebene stattfinden. Zentral wird auch Art. 216 Abs. 2 AEUV sein, der von der EU geschlossene völkerrechtliche Verträge und nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH auch das hierauf beruhende Sekundärvertragsrecht zum Bestandteil des Unionsrechts erklärt.66 Die für die Untersuchung wichtigsten Normen aus dem EUV sind Art. 5 Abs. 1 bis 3 EUV (Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips).

Im Grundgesetz wird Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG sowie die in Art. 23 Abs. 2 bis 5 GG geregelten Verfahren zur Einbindung des Bundestages und des Bundesrates in EU-Angelegenheiten für die vorliegende Untersuchung zentral sein. Da aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland eine EU-Angelegenheit vorliegt, wenn die EU an der Arbeit der im CETA vorgesehenen Ausschüsse mitwirkt, richtet sich die Einbindung des Bundestages und des Bundesrates durch die Bundesregierung nach den in Art. 23 GG vorgesehenen und im EUZBBG sowie im EUZBLG weiter konkretisierten Verfahren. Welche der Absätze des Art. 23 GG bei welchen Tätigkeiten der CETA-Ausschüsse anwendbar sein werden, wird in Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung näher erläutert. Einzugehen ist auch auf die Verfahren nach Art. 24 Abs. 1 GG, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG, da nicht abschließend geklärt ist, ob diese neben oder anstatt der Regelungen in Art. 23 GG Anwendung finden können, wenn durch Entscheidungen internationaler Vertragsgremien Kompetenzen berührt werden, die in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten verblieben sind. Speziell zur Beteiligung der deutschen Bundesländer über den Bundesrat sind außerdem Art. 51 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 GG zu beachten.

II. Rechtsprechung

Die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der vorläufigen Anwendung des CETA war Gegenstand mehrerer Verfassungsbeschwerden und eines Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Im einstweiligen Rechtsschutz fällte das Bundesverfassungsgericht hierzu am 13. Oktober 2016 ein erstes Urteil, welches im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen wird. Die hier in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfe wenden sich gegen die Zustimmung der Bundesregierung im Rat der Europäischen Union zur vorläufigen Anwendung des CETA.67 Am 7. Dezember 2016 erging, ebenfalls im einstweiligen Rechtsschutz, ein weiterer Beschluss zu diesem Streitgegenstand.68 Am 2. März 2021 folgte ein Urteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht eine parallel erhobene Organklage, wegen des Unterbleibens einer Bundestagsabstimmung zur vorläufigen Anwendung des CETA, aus prozessualen Gründen abgewiesen hat.69 Am 9. Februar 2022 wies das Bundesverfassungsgericht schließlich auch die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache zurück.70

Insbesondere hinsichtlich der Rolle des Europäischen Parlaments im Institutionengefüge der Union, bleibt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon vom 30. Juni 2009 grundlegend.71 Hinzu kommt eine Reihe weiterer seither ergangener Entscheidungen des Gerichts zu unterschiedlichen Problemfeldern der europäischen Integration. Ebenfalls zur Rolle des Europäischen Parlaments sind die Urteile zu den Sperrklauseln bei der Europawahl vom 9. November 201172 und vom 26. Februar 201473 zu nennen. Falls im Rahmen der nach dem CETA stattfindenden Ausschussarbeit Sachfragen zu entscheiden sind, die in die Kompetenz der Bundesrepublik Deutschland fallen, stellt sich auf der Bundesebene auch die Frage, ob dennoch die Regelungen des Art. 23 GG anwendbar sind. Wie in Kapitel II Unterabschnitt B. III. Punkt 2. der vorliegenden Untersuchung auszuführen sein wird, hängt die Fragestellung davon ab, ob das CETA in einem besonderen Nähe- und Ergänzungsverhältnis zum EU-Primärrecht steht. Mit dieser Problematik hatte sich das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang in seinen Entscheidungen zum ESM und zum Euro-Plus-Pakt vom 19. Juni 201274 sowie in seinem Beschluss vom 13. Februar 2020 zum Einheitlichen Patentgericht75 auseinanderzusetzen. Hinzu kommt speziell zur Rolle der Bundesländer das Volksbefragungsurteil vom 30. Juli 195876 und das Urteil vom 18. Februar 2002 zum Zuwanderungsgesetz77. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Seitens des EuGH ist zunächst das Gutachten 2/15 zum mit Singapur geschlossenen EUSFTA zu erwähnen, dessen Aussagen zur Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten beim Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens großenteils auf das CETA übertragbar sind.78 Speziell zu durch internationale Abkommen errichteten Ausschussgremien fällte der EuGH ebenfalls zahlreiche Urteile. Grundlegend für die Integration der Beschlüsse völkerrechtlicher Vertragsgremien in das EU-Recht nach dem heutigen Art. 216 Abs. 2 AEUV sind zunächst die Urteile vom 14. November 198979 und vom 20. September 199080 zum Assoziierungsabkommen mit der Türkei. Nachdem jedoch zunächst unklar blieb, inwieweit völkerrechtliche Verpflichtungen der Union gegenüber deren Mitgliedstaaten im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH justiziabel sind, führte das Urteil vom 5. Oktober 2020, welches im Zusammenhang mit WTO-Rechtsverstößen Ungarns ergangen ist, zu einer entscheidenden und in Kapitel II Unterabschnitt E. V. der vorliegenden Untersuchung näher behandelten Klärung.81 Zu nennen ist weiter das Urteil vom 7. Oktober 2014 zur Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV),82 in dem der Gerichtshof insbesondere wichtige Feststellungen zum Anwendungsbereich des Art. 218 Abs. 9 Alt. 2 AEUV getroffen hat. Zentral für das Verständnis, das der EuGH zu den Außenkompetenzen der Union entwickelt hat, ist das Urteil vom 5. Dezember 2017 zur Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF).83 Wie in Kapitel II Unterabschnitt B. I. der vorliegenden Untersuchung näher dargelegt wird, ist diese Rechtsprechung für die Abgrenzung der Kompetenzsphären zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten im Rahmen der Mitwirkung in den CETA-Ausschüssen richtungsweisend. Bedeutsam für die, im Rahmen von Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung aufgeworfene, Frage nach der Begrenzung der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an die EU-Kommission, im Zusammenhang mit internationalen Vertragsgremien, sind schließlich die Urteile in Sachen Meroni aus dem Jahr 1958.84

III. Literatur

Die durch internationale Abkommen errichteten Ausschussgremien, die nicht zu einer internationalen Organisation verselbstständigt sind, wurden lange in der Literatur nicht in einem Ausmaß untersucht, das ihrer Bedeutung gerecht würde. Besonders hervorzugeben ist jedoch die von Nicole Appel stammende Untersuchung „Das internationale Kooperationsrecht der Europäischen Union – Eine statistische und dogmatische Vermessung einer weithin unbekannten Welt“.85 Die Autorin widmet sich mittels eines empirischen Ansatzes der Systematik von Ausschussgremien, die in durch die EU mitabgeschlossenen Abkommen vorgesehen sind.86 Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Kooperationsrat im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei.87 Ebenfalls aufzugreifen ist das von Matthias Frenzel stammende Werk „Sekundärrechtsetzungsakte internationaler Organisationen“,88 welches sich den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Übertragung von Hoheitsrechten an internationale Organisationen widmet.

Im Hinblick auf den oben beschriebenen, neuartigen Typus von Freihandelsabkommen und speziell zu den vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zum CETA ist eine ganze Reihe von Beiträgen unterschiedlicher Autoren erschienen, die zum Teil als Verfahrensbevollmächtigte in den genannten Verfahren involviert waren. Die Rede ist hierbei insbesondere von Bernhard Kempen, Wolfgang Weiß, Markus Krajewski, Franz C. Mayer und Bernd Grzeszick.89 Zentral ist hier außerdem die Studie „Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Zustimmung zu CETA“90 von Martin Nettesheim.

Diskutiert wird zunächst, nach welchen Maßstäben die Einrichtung und die Arbeit der CETA-Vertragsgremien auf der Ebene des Grundgesetzes zu beurteilen ist. Dabei kommen der für die Mitwirkung an der EU geltende Art. 23 Abs. 1 GG, der in anderen Fällen der Übertragung von Hoheitsrechten an überstaatliche Einrichtungen heranzuziehende Art. 24 Abs. 1 GG und der sonst für den Abschluss internationaler Übereinkünfte einschlägige Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in Betracht.91 Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Regelungen des Grundgesetzes stellt sich zunächst die Frage, wann durch die Errichtung der beschriebenen Gremien eine Übertragung von Hoheitsrechten im Sinne der Art. 23 Abs. 1 GG oder Art. 24 Abs. 1 GG stattfindet. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Hoheitsrechtsübertragungen und weite Teile der Literatur, konzentrieren sich in dieser Hinsicht deutlich auf den Aspekt der „inneren Souveränität“ der Bundesrepublik.92 Hierbei wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass jedenfalls die Teile entsprechender Abkommen, die in den Kompetenzbereich der EU fallen, ein konkretisierendes Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 GG erfordern, sofern in den darin festgelegten Ausschusszuständigkeiten eine weitere Hoheitsübertragung aufgrund unbestimmt gehaltener Zuständigkeitsbeschreibungen liegt.93 Andere Teile der Literatur bestreiten von vornherein die Anwendbarkeit des Art. 23 Abs. 1 GG, da dieser tatbestandlich eine Übertragung von Hoheitsrechten voraussetze. Zu einer solchen Hoheitsrechtsübertragung gehöre wiederum die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsakten mit direkter Durchgriffswirkung in die Rechtsordnungen der beteiligten Staaten. Bei CETA sei eine solche Durchgriffswirkung bereits nach Art. 30.6 Abs. 1 CETA ausgeschlossen.94 Dem wird entgegengehalten, dass Art. 216 Abs. 2 AEUV trotz Art. 30.6 Abs. 1 CETA zumindest zu einer unionalen Internalisierung von Beschlüssen der im CETA errichteten Gremien führen könne.95 Ferner werde die spätere innerstaatliche Rechtssetzung auch ohne Durchgriffswirkung durch derartige Ausschussbeschlüsse determiniert und die völkerrechtliche Vertragsschlussfreiheit der Bundesrepublik beschränkt. Eine derartige Ausübung der äußeren Souveränität Deutschlands könne eine Steuerungsintensität erreichen die, auch ohne eine Rechtsetzung mit Durchgriffswirkung, eine Begrenzung nach Art. 23 Abs. 1 GG erfordere.96 Gegenstand von Diskussionen ist nicht nur, ob mit der Einrichtung des im CETA vorgesehenen Ausschusswesens eine Hoheitsrechtsübertragung stattfindet. Fraglich ist bereits ob eine derartige supranationale Durchgriffswirkung überhaupt eine notwendige Bedingung für den Tatbestand einer Hoheitsrechtsübertragung nach Art. 23 Abs. 1 GG und ggf. Art 24 Abs. 1 GG darstellt und wann auch Kompetenzübertragungen, die die „äußere Souveränität“ der Bundesrepublik berühren, zur Anwendbarkeit dieser Norm führen.97 So wird argumentiert, beim Abschluss gemischter Abkommen wie dem CETA handle es sich um „Angelegenheiten der Europäischen Union“, wie sie Art. 23 Abs. 2 GG voraussetzt. Würden völkerrechtliche Vertragsgremien errichtet, die unter Beteiligung von EU-Organen Beschlüsse mit Wirkung für und gegen die EU-Mitgliedstaaten fassen, stelle dies nicht bloß eine in der Kompetenzverteilung ohnehin angelegte Kooperation und Koordination dar, so dass die etablierten Mechanismen der Beteiligung des Bundestages und des Bundesrates bereits hinreichend seien,98 jedenfalls in den Fällen umfangreicher, weitreichender und wenig konkretisierter Befugnisübertragungen. Vielmehr komme der Abschluss eines derartigen Abkommens einer Modifikation des Primärrechts wegen Veränderung des Integrationsprogramms gleich und rücke das CETA in ein besonderes Näheverhältnis zu diesem.99

Ein zentraler Punkt der verfassungsrechtlichen Diskussion, um das Ausschusswesen nach dem CETA, sind die Voraussetzungen für die (völker-)rechtliche Wirksamkeit von Beschlüssen solcher Ausschüsse: Bedürfen Beschlüsse der CETA-Ausschüsse einer (nachträglichen) Annahme durch die Vertragsparteien, um rechtliche Verbindlichkeit zu entfalten? Da eine supranationale Durchgriffswirkung der Beschlüsse nicht anzunehmen ist, stellt sich das Problem der Bedingungen für rechtliche Verbindlichkeit immer noch auf der Ebene des Völkerrechts und im Rahmen der Diskussion um die Folgen des Art. 216 Abs. 2 AEUV auf der Ebene des EU-Primärrechts. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass das Inkrafttreten von Ausschussbeschlüssen nach dem CETA eine (nachträgliche) Annahme, Ratifikation oder ähnliches durch die EU und ihre Mitgliedstaaten erfordere.100 Nach anderen Stimmen besteht jedenfalls eine erhebliche Unsicherheit an diesem zentralen Punkt.101 Unter Hinweis auf die Praxis der EU bei anderen Abkommen und auf Verlautbarungen der EU-Kommission102 wird auch angenommen, dass der im CETA in unterschiedlichen Variationen zu findende Vorbehalt etwaiger interner Anforderungen und Verfahren eine bloße Verweisung auf die im Abkommen vorgesehenen Zustimmungserfordernisse darstelle und ansonsten auf die jeweiligen innenrechtlichen Regelungen der Vertragsparteien zur Umsetzung gefasster Beschlüsse verweise.103 Vor diesem Hintergrund wird die vorliegende Untersuchung sich schwerpunktmäßig auf die auf den Ebenen der EU und der Bundesrepublik Deutschland104 angesiedelten Entscheidungsfindungsverfahren konzentrieren, mittels derer die auf der Ebene des CETA stattfindende Ausschussarbeit vorzubereiten und zu steuern ist. Zentral ist dabei insbesondere die Rollenverteilung zwischen den Unionsorganen, vor allem zwischen dem Europäischen Parlament einerseits und der Kommission sowie dem Rat andererseits. Hierbei ist die Untersuchung „Demokratische Gesetzgebung in der Europäischen Union“105 von Jelena von Achenbach aufzugreifen, da diese wesentliche Beträge zur rechtswissenschaftlichen Analyse der Rolle des Europäischen Parlaments im unionalen Institutionengefüge enthält.

Die Mitwirkung an den Entscheidungen internationaler Ausschussgremien, an denen die EU beteiligt ist, richtet sich großenteils nach Art. 218 Abs. 9 (u. ggf. Abs. 7) AEUV. Diese vereinfachten Verfahren zeichnen sich im Vergleich zum völkerrechtlichen Vertragsschlussverfahren nach Art. 218 Abs. 1 bis Abs. 6 AEUV durch deutliche prozessuale Vereinfachungen zulasten des Europäischen Parlamentes aus. Dies verstärkt sich noch dadurch, dass die nach Art. 295 AEUV zwischen den beteiligten Unionsorganen rechtsverbindliche Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Parlament und der Kommission, zwar eine erweiterte Parlamentsbeteiligung im Verfahren nach Art. 218 Abs. 1 bis Abs. 6 AEUV und bei der Vertretung der EU in multilateralen völkerrechtlichen Gremien oder Konferenzen vorsieht, aber nicht für die Verfahren nach Art. 218 Abs. 9 und Abs. 7 AEUV oder hinsichtlich Gremien die auf bilateralen Verträgen beruhen.106 Diese Rechtslage führt zu einer einseitigen Legitimation von Ausschussbeschlüssen (nur) über den Rat. Die Einrichtung von Ausschüssen wie denjenigen nach dem CETA steht in Anbetracht dieser Entscheidungsfindungsprozesse in scharfem Kontrast zu der im Vertrag von Lissabon weitgehend umgesetzten Konstruktion des politischen Systems der EU auf zwei legitimatorischen „Säulen“ (dem Rat als Gremium der mitgliedstaatlichen Exekutiven und dem Parlament als gesamteuropäischem Legislativorgan).107 Gefordert wird deshalb eine Stärkung der Beteiligung des Europäischen Parlaments insbesondere im Verfahren nach Art. 218 Abs. 9 AEUV.108 Diskutiert wird weiter, ob aus dem europäischen Primärrecht zusätzliche Anforderungen an die (Weiter)Übertragung von Befugnissen im Rahmen des Verfahrens nach Art. 218 Abs. 7 und 9 AEUV zu folgern sind. So wird etwa vorgeschlagen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mitwirkung der EU-Institutionen an der Arbeit der CETA-Ausschüsse unter Berücksichtigung der Meroni-Rechtsprechung des EuGH nach den für Exekutivrechtsetzungen durch die Kommission geltenden Art. 290 und Art. 291 AEUV zu bestimmen.109 Die durch den EuGH im Fall „Meroni“ begründete und seither wiederholt aufgegriffene110 Doktrin des „Gleichgewichts der Gewalten“ sieht eine Beschränkung von Kompetenzübertragungen auf nicht-wesentliche „genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse“ vor.111 Diese sind unter strenger Beachtung objektiver Tatbestandsmerkmale auszuführen, was der Beaufsichtigung durch das übertragene Organ unterliegt. Auch wenn dieser Maßstab nicht im Hinblick auf internationale Vertragsgremien entwickelt ist, kann zumindest auf seine Grundgedanken zurückgegriffen werden.112

E. Der Prinzipal-Agenten-Ansatz

Die europaverfassungsrechtliche Problematik des im CETA vorgesehenen Ausschusssystems stellt sich vor dem Hintergrund komplexer politischer Prozesse. Warum werden mit Freihandelsabkommen wie dem CETA internationale Vertragsgremien eingesetzt? Welche Funktion haben diese Gremien vor dem Hintergrund der Legitimationsanforderungen des Grundgesetzes und des Vertrages von Lissabon? Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll die verfassungs- und europarechtswissenschaftliche Diskussion zur demokratischen Rückbindung internationaler beschlussfassender Vertragsgremien mittels einer methodisch in den Politikwissenschaften anzusiedelnden analytischen Perspektive ergänzt werden. Vor dem Hintergrund der politisch-praktischen Funktionen der mit dem CETA erfolgenden Übertragungen hoheitlicher Aufgaben ist aufzuzeigen, wie diese dem integrationspolitischen Anliegen einer effektiven und flexiblen Regelsetzung auf Grundlage des Abkommens sowie einer erleichterten Behebung von Regelungslücken dienen. Andererseits ist zu ermitteln, mittels welcher institutionellen Sicherungen ein ausreichender Grad an demokratischer Legitimation gewährleistet werden kann. Die herauszuarbeitenden rechtswissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorschläge zur demokratischen Rückbindung des im CETA vorgesehenen Ausschusssystems werden dazu in den theoretischen Rahmen eines Prinzipal-Agenten-Modells eingeordnet, um sie aus dessen analytischer Perspektive auf ihre Tauglichkeit zu untersuchen. Die Principal-Agent-Theory, beziehungsweise Prinzipal-Agenten-Theorie, stammt ursprünglich aus den Wirtschaftswissenschaften und wurde, nachdem sie Eingang in die Politikwissenschaft gefunden hatte, vielfach auf verfassungspolitische Fragen, insbesondere zu den USA, später auch sehr umfangreich zur EU angewandt und dabei weiterentwickelt. Eine frühe ausdrückliche Beschreibung113 der Prinzipal-Agent-Problematik findet sich in einem wirtschaftswissenschaftlichen Beitrag von Stephen A. Ross aus dem Jahr 1973:

„[…] an agency relationship has arisen between two (or more) parties when one, designated as the agent, acts for, on behalf of, or as representative for the other, designated the principal, in a particular domain of decision problems.“114

Bereits im selben Beitrag wies Ross auf die Anwendbarkeit der Problematik auf praktisch alle Organisationsstrukturen und Kooperationsbemühungen hin.115 Im Folgenden sollen die im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung verwendete Literatur zur Prinzipal-Agenten-Theorie, sowie deren Grundannahmen vorgestellt werden, um den Ansatz für die nachfolgenden Kapitel operationalisieren zu können.

I. Der Delegationsakt und die Prinzipal-Agenten-Beziehung

Ein Prinzipal-Agenten-Modell ist von dem Versuch gekennzeichnet, komplexe soziale oder politische Systeme in binäre hierarchische Beziehungen zurückzuführen. Diese Beziehungen bestehen zwischen jeweils einem Prinzipal auf der einen und einem Agenten auf der anderen Seite. Der Agent übernimmt eine Aufgabe für den Prinzipal, die dieser aufgrund seiner Stellung im System ansonsten selbst ausführen müsste. Die hierarchische Beziehung zwischen dem Prinzipal und dem Agenten kommt durch einen Delegationsakt zu Stande. Dieser etabliert eine auf Gegenseitigkeit beruhende, binäre und hierarchische Beziehung, die den einen Akteur zum Prinzipal und den anderen zum Agenten macht. In diesem Rahmen wird dem Agenten die Befugnis übertragen, anstelle des Delegierenden zu handeln.116 Diese Befugnisübertragung kann, bzw. wird regelmäßig unter Bedingungen stehen, in zeitlicher sowie sachlicher Hinsicht beschränkt sein und ist prinzipiell widerruflich.117 Der Prinzipal muss einerseits eine Befugnis soweit an den Agenten übertragen, dass ihre Ausübung nunmehr bei Letzterem liegt. Beim Prinzipal verbleibt also nur das Recht, die Ausübung der Befugnis zu überwachen und diese wieder an sich zu ziehen.118 Hier ergibt sich bereits eine erste Parallele zur Beurteilung interinstitutioneller Befugnisübertragungen im Europarecht. So ging der Europäische Gerichtshof in seinen Meroni-Urteilen davon aus, eine Befugnis sei übertragen, wenn sich die übertragende Stelle die späteren Entscheidungen nicht „zu eigen“ mache.119

In manchen Fällen kann die Ausübung der beim Prinzipal verbleibenden Rechte auch sehr engen oder schwer zu schaffenden Voraussetzungen bis hin zu hierfür notwendigen Verfassungsänderungen unterliegen, wie etwa, wenn es sich bei einem Agenten um eine Zentralbank (z.B. die EZB), ein Gericht (z.B. den EuGH) oder ein anderes mit einer vergleichbar starken Rechtstellung ausgestattetes Organ (z.B. die EU-Kommission) handelt.120 Unerheblich ist, ob der Delegationsakt in irgendeiner Form formalisiert ist oder ob es sich um eine ausdrückliche Vereinbarung handelt.121 Der Agent muss als Entität nicht bereits vor der Entstehung des Delegationsaktes existieren, er kann auch erst durch diesen geschaffen werden. Ungenügend für die Annahme einer Prinzipal-Agentenbeziehung ist jedoch der bloße Anspruch oder auch die Fähigkeit eines Akteurs, einen anderen Akteur zu kontrollieren oder zu sanktionieren.122 Auch die bloße Befugnis, über die personelle Besetzung eines Amtes, Gremiums oder anderer Instanz zu entscheiden, reicht nach diesem Verständnis für eine Prinzipal-Agenten-Beziehung nicht aus, wenn eine solche Personalentscheidung durch den institutionellen Rahmen bereits soweit vorgeprägt ist, dass sich aus ihr keinerlei inhaltlicher Auftrag mehr ergibt.123 Hinsichtlich dieser theoretischen Grundlagen und insbesondere deren Anwendung auf die EU orientiert sich die vorliegende Untersuchung insbesondere an Beiträgen von Tom Delreux, Johan Adriaensen, Hussein Kassim, Anand Menon, Mark Thatcher und Alec Stone Sweet sowie dem Werk Delegation and Agency in International Organizations von Darren G. Hawkins, David A. Lake, Daniel L. Nielson und Michael J. Tierney.124

II. Die Delegationskette

Bei der Analyse komplexer politischer Systeme wie etwa der EU oder dem Verhältnis internationaler Institutionen zu ihren Mitgliedstaaten ist es unumgänglich, mehrere binäre Prinzipal-Agenten-Beziehungen hintereinander als Delegationskette (chain of delegation) zu betrachten. Hierbei erfüllen die einzelnen innerhalb der Kette liegenden Kettenglieder grundsätzlich in der einen Richtung die Funktion eines Agenten und in der anderen Richtung die eines Prinzipals.125 Die Möglichkeit mehrere Delegationen hintereinander als Delegationskette zu betrachten, verleiht der Theorie die Tauglichkeit zur Untersuchung komplexerer sozialer Systeme,126 ohne die prinzipielle Rückführbarkeit auf binäre hierarchische Beziehungen zu beeinträchtigen.127 Der entstehenden Delegationskette entgegengesetzt verläuft die politische Verantwortlichkeit der mit der Ausübung der Staatsgewalt betrauten Instanzen und der Volksvertreter gegenüber den Wählern.128 Dementsprechend werden in Kapitel II der vorliegenden Untersuchung die im Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland als EU-Mitgliedstaat und im institutionellen Aufbau der EU verlaufenden und bei den im CETA vorgesehenen Ausschüssen endenden Delegationsketten modelliert um eine theoretische Grundlage für die nachfolgenden Kapitel zu schaffen. Hintergrund dieses Vorgehens ist die Frage, wie der im politischen System der Bundesrepublik Deutschland gebildete und aggregierte Wille des Volkes auf der Ebene nunmehr einzurichtender internationaler Vertragsgremien wirksam betätigt werden kann.129 An Literatur zur Thematik der Delegationsketten sind über die oben bei Unterabschnitt D. I. genannten Grundlagenwerke hinaus insbesondere die Beiträge Delegation to International Organizations: Agency Theory and World Bank Environmental Reform von Daniel L. Nielson und Michael J. Tierney130 und The Principal-Agent Model, Accountability and Democratic Legitimacy von Gijs Jan Brandsma und Johan Adriaensen131 zu nennen.

III. Prinzipal und Agent als Nutzenmaximierer

Doch warum sollte der Prinzipal Aufgaben an einen Agenten übertragen? In einem Prinzipal-Agenten-Modell wird vorausgesetzt, dass sich alle relevanten Akteure streng nutzenmaximierend verhalten,132 was die Theorie als Teil des Rational-Choice-Institutionalismus ausweist.133 Der (spätere) Prinzipal steht vor dem Problem, mit limitierten Ressourcen alle Aufgaben erledigen zu müssen, die zur Maximierung seines Nutzens notwendig sind. Gelingt es ihm einzelne oder gebündelte Aufgaben an einen Agenten zu delegieren, kann er mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen einen höheren Nutzen erzielen.134 Jede Aufgabenübertragung hat somit eine für den Prinzipal nützliche Funktion. In dieser Hinsicht wurde ursprünglich v.a. die Reduzierung von Transaktionskosten untersucht. Hinzugekommen sind jedoch auch Untersuchungen zur Herbeiführung glaubhafter Zusicherungen („credible commitments“) des Prinzipals gegenüber anderen Akteuren135 oder zur Delegierung politisch unbeliebter Entscheidungen.136 Zur Verbildlichung sehr treffend ist insoweit ein von D. Epstein und S. O’Halloran stammender Vergleich zwischen der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen durch den US-Kongress mit der unternehmerischen Entscheidung, ob ein benötigtes Gut selbst erzeugt oder am Markt zugekauft werden soll („make-or-buy decision“).137 Damit die Delegation für den Prinzipal nützlich ist, muss dem Agenten ein Ermessen bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse eingeräumt sein. Würde der Prinzipal jede Entscheidung des Agenten vorgeben, bräuchte er die Delegation nicht und könnte die mit ihr verbundene Aufgabe selbst wahrnehmen.138 Je nachdem, welcher Zweck mit der Delegation verfolgt wird, kommt dem Grad des eingeräumten Ermessens unterschiedliche Bedeutung zu. Gerade wenn ein Agent installiert wird, um glaubhafte Zusicherungen seines Prinzipals zu ermöglichen, wird es wesentlich sein, ihm ein sehr weitgehendes, eventuell sogar zur sachpolitischen Unabhängigkeit führendes, Ermessen einzuräumen. Als praktisches Beispiel für einen solchen Agenten kann etwa eine Notenbank dienen.139

Betreffend den hiesigen Untersuchungsgegenstand der im CETA vorgesehenen Ausschüsse zeigt sich bereits an dieser Stelle die Relevanz der Prinzipal-Agenten-Theorie. In den folgenden drei Kapiteln wird zu untersuchen sein, aus welchen funktionalen bzw. politischen Gründen die EU und ihre Mitgliedstaaten internationale Vertragsgremien einrichten und diese mit Kompetenzen ausstatten. Anknüpfend an dem gerade dargelegten Verständnis der relevanten Beteiligten als Nutzenmaximierer, werden die im CETA vorgesehenen Ausschusskompetenzen anhand ihrer politisch-praktischen Funktionen eingeordnet, um Aussagen über ihr Problemlösungspotential zu treffen. Grundlegend zur Übertragung der Transaktionskostenproblematik auf die politische Aufgabendelegation ist hierbei das Werk Delegating Powers von David Epstein und Sharyn O’Halloran.140 Richtungsweisend für eine derartig funktionale Betrachtungsweise der EU-Institutionen ist insbesondere das Werk The Engines of European Integration: Delegation, Agency and Agenda Setting in the EU von Mark A. Pollack sowie mehrere kürzere Beiträge desselben Autors.141 Aus der Perspektive glaubhafter Zusicherungen befassen sich hiermit auch mehrere Beiträge von Giandomenico Majone in dem von diesem herausgegebenen Sammelwerk Regulating Europe142 und der Beitrag Two Logics of Delegation: Agency and Fiduciary Relations in EU Governance143, welcher im Jahrgang 2001 in der Zeitschrift European Union Politics erschienen ist. Weitere berücksichtigte Beiträge zu diesem Aspekt stammen insbesondere von Gary J. Miller, Martino Maggetti, Yannis Papadopoulos.144 Speziell mit den Motiven für eine Delegation unterschiedlicher politischer Befugnisse auf internationale Vertragsgremien befasst sich der 2008 in der Zeitschrift Law and Contemporary Problems erschienene Beitrag The Concept of International Delegation von Curtis A. Bradley und Judith G. Kelley.145 Die dort entwickelte Terminologie wurde in einem 2018 im European Constitutional Law Review veröffentlichten Beitrag von Wolfgang Weiß aufgegriffen und auf das CETA angewandt.146 An den genannten Werken anknüpfend wird in Kapitel III der vorliegenden Untersuchung eine eigenständige Kategorisierung der im CETA vorgesehenen Ausschusskompetenzen nach ihren politisch-praktischen Funktionen hergeleitet. Bezugnehmend hierauf wird in Kapitel IV schließlich erörtert welche verfassungs- und europarechtlichen Anforderungen an unterschiedliche funktional voneinander unterscheidbare Typen von Aufgabendelegationen zu stellen sind.

IV. Risiken, Kosten und Verluste durch Delegation

Der aus der Aufgabendelegation gezogene Nutzen steht immer den mit der Aufgabendelegation verbundenen Problemen und Risiken gegenüber.147 So wird in Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung schließlich die Klassifizierung der im CETA vorgesehenen Ausschusskompetenzen anhand ihres Problemlösungspotentials mit einer rechtlich-dogmatischen Untersuchung von Legitimationsanforderungen zusammengeführt. Wie in Kapitel IV Unterabschnitt A. genauer ausgeführt wird, können Prinzipale versuchen den mit einer Aufgabendelegation an ihre Agenten verbundenen Problemen und Risiken durch Kontrollmechanismen zu begegnen.148 Wie oben beschrieben, behalten sie auch immer das Recht, die übertragene Aufgabe wieder an sich zu ziehen.149 Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Prinzipale weitere Rechte vorbehalten, durch die sie ihre Agenten zu einem gewissen Grad kontrollieren können. Nur durch solche Kontrollmechanismen behalten sie die Kontrolle über die Tätigkeit ihrer Agenten.150 Die als Kontrollmechanismen bezeichneten Strategien, haben einerseits das Problemlösungspotential (also den Nutzen) der Aufgabendelegation zu erhalten und andererseits die hiermit verbundenen Problemlagen beherrschbar zu machen.151 Diesem Dilemma stehen sämtliche verfassungs- und europarechtlichen Vorschläge zur Wahrung eines ausreichenden Legitimationsniveaus bei der Errichtung und Kontrolle beschlussfassender internationaler Vertragsgremien wie denjenigen nach dem CETA gegenüber: Wie kann eine ausreichende demokratische Rückbindung von Ausschussbeschlüssen gewährleistet werden, ohne die politische Tauglichkeit des in einem Abkommen vorgesehenen Ausschusssystems zu konterkarieren? Wie kann eine ausreichende Demokratische Kontrolle solcher Gremien auf Unionsebene gewährleistet werden? Wie weit können auf Art. 23 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 oder Art. 59 Abs. 2 GG beruhende Zustimmungsgesetze geeignete Kontrollmechanismen formulieren?

Dieser Thematik geht das Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung nach in dem es die oben in den Abschnitten B. und C. aufgezeigten rechtswissenschaftlichen Diskurse in das in den vorangegangenen Kapiteln der vorliegenden Untersuchung entwickelte Prinzipal-Agenten-Modell einordnet. Über die bereits genannte politikwissenschaftliche Literatur von Mark A. Pollack, Mark Thatcher, Alec Stone Sweet, Daniel L. Nielson und Michael J. Tierney152 hinaus sind hierbei insbesondere das Werk von Jonas Tallberg, European Governance and Supranational Institutions: Making States Comply153 sowie ein kürzerer Beitrag desselben Autors154 von Bedeutung. Weiter sind für diesen Teil der Untersuchung Beiträge der Autorinnen und Autoren Bart Kerremans, Robert Thomson, Mathew D. McCubbins, Thomas Schwartz, Andreas Dür, Markus Gastinger, José Antonio Cheibub, Shane Martin, Bjorn Erik Rasch und Eugénia da Conceição-Heldt zu nennen, welche sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem in Kapitel IV der vorliegenden Untersuchung behandelten Dilemma zwischen dem Nutzen durch einen möglichst eigenständig handlungsfähigen Agenten und dem Sicherheitsgewinn durch gezielte Kontrollmechanismen befassen.155 So wird schließlich die am Ende von Abschnitt C. dieses Einleitungskapitels entwickelte Forschungsfrage behandelt: Sind die demokratisch legitimierten Instanzen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, insbesondere das Europäische Parlament und der Deutsche Bundestag praktisch in der Lage das mit dem CETA errichtete Ausschusssystem sowie zwischengeschaltete Organe wie die EU-Kommission zu überwachen? Können sie hierbei Fehlentwicklungen unterbinden oder korrigieren?

V. Zwischenergebnis zu Abschnitt E.

Nach den vorangegangenen Ausführungen handelt es sich bei einem Prinzipal um eine Entität, die durch einen Delegationsakt eine oder mehrere Aufgaben an eine andere Entität (den Agenten) überträgt. Der Prinzipal behält die Befugnis, die Aufgabe wieder an sich zu ziehen, was jedoch mit tiefgreifenden Eingriffen in das System verbunden sein kann, in dem die Delegation stattfindet. Zwischen dem Prinzipal und dem Agenten entsteht eine hierarchische Beziehung auf Gegenseitigkeit was bedeutet, dass der Agent für den Prinzipal nach eigenem Ermessen handeln darf, der Prinzipal jedoch berechtigt ist, den Agenten bei der Ausübung seines Ermessens zu überwachen. Da hierzu errichtete Kontrollmechanismen selbst Ressourcen in Anspruch nehmen wird dadurch der Nutzen der Delegation verringert, so dass bei der Delegation von Entscheidungsbefugnissen, wie sie durch das CETA stattfindet ein Kompromiss zwischen einer hinreichenden demokratischen Kontrolle der unterschiedlichen Agenten und einer Erhaltung der mit der Delegation verfolgten politisch-praktischen Ziele gefunden werden muss.

F. Gang der Untersuchung

Das zentrale Anliegen der vorliegenden Untersuchung betrifft das Ausmaß an verfassungs- und europarechtlich determiniertem Legitimationsbedarf, den funktional voneinander unterscheidbare Delegationen von Aufgaben an internationale Vertragsgremien nach sich ziehen. Gesucht wird nach verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Lösungsansätzen, die einerseits den integrationspolitischen Anliegen einer effektiven und flexiblen Regelsetzung auf Grundlage des Abkommens sowie einer erleichterten Behebung von Regelungslücken dienlich sind. Andererseits müssen sie eine demokratische Legitimation im ausreichenden Maß gewährleisten.

Im nun folgenden Kapitel II wird ein Prinzipal-Agenten-Modell für die weitere Untersuchung entwickelt. In diesem sollen sämtliche Delegationsbeziehungen, die vom souveränen (Wahl-)Volk der Bundesrepublik Deutschland und derer Bundesländer aus in Richtung der im CETA berufenen internationalen Ausschussgremien verlaufen, dargestellt werden.

Im Kapitel III werden die im CETA vorgesehenen Ausschusszuständigkeiten anhand ihrer politischen Funktionen eingeordnet. Dabei wird sich die Untersuchung nicht von vornherein auf Ausschusskompetenzen beschränken, die in verfassungs- oder europarechtlicher Hinsicht Probleme aufwerfen. Würden Bestimmungen des CETA, gegen die aus Sicht des Grundgesetzes und des Europäischen Primärrechts keine Bedenken bestehen, aus den Überlegungen herausdefiniert, würde deren Erkenntniswert geschmälert. Eine Behandlung der Frage, ob bestimmte funktional unterscheidbare Klassen von Delegationen von Grund auf problemträchtiger sind als andere, wäre nicht möglich. Deshalb wird der Aspekt, welche Ausschusskompetenzen aus rechtswissenschaftlicher Sicht zu Problemen führen und welche nicht, erst im weiteren Verlauf der Untersuchung behandelt.

Im Kapitel IV werden die mit den jeweiligen Befugnisübertragungen verbundenen Risiken („agency losses“) untersucht. Hierbei werden die juristisch beschreibbaren Legitimationsprobleme den unterschiedlichen Befugnisübertragungen zugeordnet, um zu ermitteln, welche funktionalen Typen von Delegationen zu welchem verfassungsrechtlich und europarechtlich determinierten Legitimationsbedarf führt. Des Weiteren werden die möglichen Vorkehrungen thematisiert, mit denen ein Prinzipal den mit der Delegation verbundenen Risiken begegnet, die er sich als Nutzenmaximierer aber nur vorbehalten wird, wenn der mit ihnen verbundene Aufwand den Nutzen der Delegation nicht aufhebt (Gesichtspunkt der „agency costs“). In diesem Schritt werden schließlich auch in der juristischen Debatte diskutierte Lösungsvorschläge aufgegriffen, die einen ausreichenden Grad an demokratischer Legitimation gewährleisten sollen, ohne die mit der Einrichtung der untersuchten Ausschüsse verfolgten Ziele zu konterkarieren.156


1 Moravcsik, Government and Opposition 2004, 336, 336.

2 Vgl. insb. zum Einsatz von Schutzzöllen als außenpolitisches Werkzeug der Regierung der USA unter dem vom 20. Januar 2017 bis zum 20. Januar 2021 amtierenden 45. Präsidenten Donald J. Trump und den Reaktionen zahlreicher anderer Staaten hierauf: Urmersbach, Statistiken zum Handelskrieg der USA.

3 KOM(2006) 567 endg., insb. S. 10-12 u. S. 15, aber auch: S. 13 (öffentliche Aufträge) u. S. 12 unten (geistiges Eigentum).

4 Weiß, Kann Freihandel Demokratie und Rechtsstaat gefährden?, S. 25; Nettesheim, Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz, S. 87f.

5 Nettesheim, Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz, S. 17 (allgemein); ebd., S. 19f. (zum CETA).

6 Vgl. die Verwendung des Begriffs bei: Weiß, Demokratische Legitimation und völkerrechtliche Governancestrukturen, S. 151ff. und bei: Nettesheim, Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz, S. 21f.

7 Appel, Das internationale Kooperationsrecht der EU, S. 312-326, insb. S. 324-326.

8 Vgl. Appel, Das internationale Kooperationsrecht der EU, S. 319-322.

9 Vgl. Art. 26.1 Abs. 4 lit. d und Art. 26.2 Abs. 4 CETA; Gemischter CETA-Ausschuss, Decision 001/2018, 26.09.2018.

10 Vgl. hierzu: Appel, Das internationale Kooperationsrecht der EU, S. 316f.

11 Nettesheim, Die Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden, S. 6; Weiß, Parlamentarische Herausforderungen im Völkerrecht der Globalisierung angesichts internationalisierter Regelsetzung, S. 23-26.

12 Nettesheim, Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz, S. 104; Weiß, Verfassungsprobleme des Abschlusses und der vorläufigen Anwendung des CETA Freihandelsabkommens mit Kanada, S. 33; ebd., S. 35f.

13 Vgl. insb. Nettesheim, Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz, S. 84-86; Weiß, EuConst 2018, 532, 533.

14 EU-Kommission, Pressemitteilung vom 30.06.2011; Weiß, EuZW 2016, 286, 286; Beschluss des Rates (EU) 2011/265 vom 16.09.2010, Abl. EU vom 14.05.2011, L 127/1; BGBl. II 2012, S. 1482; BGBl. II 2016, S. 40.

15 Beschluss des Rates (EU) 2018/1907 vom 20.12.2018, Abl. EU, 27.12.2018, L 330/1; Beschluss des Rates (EU) 2019/1875 vom 08.11.2019, Abl. EU 14.11.2019, L 294/1; Beschluss des Rates (EU) 2020/753 vom 30.03.2020, ABl. EU 12.06.2020, L 186/1.

Bei dem Abkommen mit Singapur wurde zuvor der nicht vollständig in den Zuständigkeitsbereich der EU fallende Teil zum Investitionsschutz abgetrennt und zum künftigen Abschluss zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten in ein gemischtes Abkommen ausgelagert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.2019, 2 BvR 882/19, Rn. 5). Bei dem mit Vietnam abgeschlossenen Abkommen wurde ebenso verfahren (vgl. Rat der EU, Pressemitteilung vom 25.06.2019).

16 EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.09.2017; Beschluss des Rates (EU) 2017/38 vom 28.10.2016, ABl. EU vom 14.01.2017, L 11/1080.

Details

Seiten
528
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631912799
ISBN (ePUB)
9783631912805
ISBN (Paperback)
9783631912744
DOI
10.3726/b21452
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Februar)
Schlagworte
CETA Principal-Agent Agency Theory Gemeinsame Handelspolitik Investitionsschutz Europäisches Parlament Handelsabkommen Freihandelsabkommen neuen Typs Auswärtiges Handeln der Europäischen Union Beschlussfassende Vertragsgremien
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2024. 528 S.

Biographische Angaben

Felix Stern (Autor:in)

Felix Ludwig August Stern promovierte nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften, sowie anschließendem Rechtsreferendariat in München an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Seit 2021 arbeitet er für ein internationales Beratungsunternehmen.

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Titel: Demokratische Kontrolle von Ausschussgremien in EU-Freihandelsabkommen