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Philosophie, Christentum und Gesellschaftskritik in der DDR

Herausgegeben von Thomas Brose und Holger Zaborowski

von Konrad Feiereis (Autor:in) Thomas Brose (Band-Herausgeber:in) Holger Zaborowski (Band-Herausgeber:in)
©2022 Monographie 112 Seiten

Zusammenfassung

Konrad Feiereis (1931–2012) hat mit Glaubenden wie Nichtglaubenden über Religion und Gesellschaft diskutiert.
Der Christliche Philosoph verfügte über die Gabe, selbst im kämpferischen Atheisten den suchenden Anderen, Nachbarn und Dialogpartner zu erkennen – dabei entwickelte er im Weltanschauungsstaat DDR herausragende hermeneutische Fähigkeiten.
Die Herausgeber möchten an diesen bedeutenden katholischen Intellektuellen erinnern und laden dazu ein, Feiereis in seinen Texten zu begegnen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Einleitung: Konrad Feiereis (1931–2012)Philosophie, Christentum und Gesellschaftskritik Thomas Brose
  • 1. Katholischer Intellektueller mit umfassendem Bildungsauftrag
  • 2. Dem Lebensthema auf der Spur: Von Gott reden in säkularer Gesellschaft
  • 3. Kirche in Gesellschaft: Zur Relevanz des Glaubens
  • 4. Katholischsein im Osten: Wertvoll für das Ganze
  • I. Brücken bauen zwischen Christen und Nichtchristen. Über ein Zusammenleben in säkularer Gesellschaft Konrad Feiereis im Gespräch mit Eckhard Pohl
  • II. Möglichkeiten und Grenzen des Dialogs zwischen Christen und Marxisten Aus der Sicht eines katholischen Theologen
  • 1. Über die Notwendigkeit des Dialogs
  • 2. Zu den Voraussetzungen eines Dialogs
  • 3. Über die Hindernisse des Dialogs
  • 4. Über die kritische Distanz zu einem Dialog seitens der Berliner Bischofskonferenz
  • 5. Der Dialogversuch der Paulusgesellschaft
  • 6. Der vom Päpstlichen Rat initiierte Dialog
  • 7. Dialogbereitschaft einzelner Philosophen
  • 8. Dialog an der Basis
  • 9. Ausblick
  • III. Weltanschauliche Strukturen in der DDR und die Folgen für die Existenz der katholischen Christen
  • Einführung
  • 1. Gegensatz der Systeme – Gegensatz der Weltanschauungen
  • 1.1. Die Hoffnungen des Neubeginns
  • 1.2. Die DDR – ein „Weltanschauungsstaat“
  • 1.3. Die Verweigerung weltanschaulicher Koexistenz
  • 1.4. Die bürgerliche Ideologie als philosophischer Idealismus
  • 1.5. Die Kritik der Kirche gegen die Ausgrenzung der Christen
  • 2. Religionskritik – militanter Atheismus
  • 2.1. Zur „Einheit“ des Marxismus-Leninismus
  • 2.2. Sozialismus mit „menschlichem Antlitz“?
  • 2.3. Die Diskussion über den Sozialismus
  • 2.4. „Religion muß sterben“
  • 2.5. „Das Christentum muß leben“
  • 3. Sozialistisches oder christliches Menschenbild
  • 3.1. Persönlichkeit statt Person
  • 3.2. Das kommunistische Menschenbild
  • 3.3. Vom Wert des Menschen und seinen Rechten
  • 4. Offene Fragen
  • 4.1. Zur katholischen Kirche
  • 4.2. Zur marxistischen Philosophie
  • 4.3. Zur Ökumene
  • Zusammenfassung
  • Literatur
  • IV. Im Konflikt um den AKH und das eigene Selbstverständnis: Brief vom 11.11.1987 Konrad Feiereis an Kardinal Joachim Meisner
  • V. Drei Nachrichten von Konrad Feiereis an Thomas Brose

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Vorwort

Mit dem Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt verfügte die katholische Kirche in Ostdeutschland über die Kapazität, ein reflektiertes Profil auszuprägen und sich offensiv gegen die Musealisierung des Christentums durch den „wissenschaftlichen Atheismus“ zur Wehr zu setzen. Mehr als 2000 Studenten und Studentinnen hörten dort Vorlesungen, über 900 Priester und Ordensleute wurden zwischen 1952 und 1989 auf ihren Dienst vorbereitet. In Gestalt von Konrad Feiereis (1931–2012) begegneten viele dort erstmals einem in der DDR ansonsten selten anzutreffenden Typus: dem des Priesters, Professors und katholischen Intellektuellen.

Dass der junge Erfurter Philosophiedozent (ab 1968) und spätere Lehrstuhlinhaber (1974–1997) – als Nachfolger von Erich Kleineidam – sich neben seinen obligatorischen Vorlesungen immer wieder auf den Weg machte, um mit jungen Leuten, Glaubenden wie Nichtglaubenden, über Philosophie und Gesellschaftskritik zu diskutieren, blieb den Mächtigen der DDR keineswegs verborgen. Deshalb wurde er argwöhnisch von der Staatssicherheit beobachtet und als führender Wissenschaftler der Gegenseite betrachtet. Wenn der Analytiker und Marxismus-Experte in Studentengemeinden und Bildungshäusern Vorträge hielt und zur Diskussion einlud, entstand eine knisternde Atmosphäre: Wo beginnt die Lüge? Was bedeutet Wahrhaftigkeit? Wie ist Friede möglich? Und in welcher Gesellschaft möchten wir leben?

„Am 1. September 1953 überschritt ich zum ersten Mal die Grenze, die beide deutsche Staaten voneinander trennte“, erinnerte sich Feiereis, um fortzufahren: „Ich fand mich am Ende meiner Bahnfahrt unter dem Ortsschild ‚Stalinstadt‘, früher Fürstenberg, wieder, plötzlich hineingeworfen in eine völlig ←11 | 12→andere Welt.“ Diese existentielle Erfahrung ließ den Intellektuellen mit den Jahren zum Zeitdiagnostiker reifen, dem, ähnlich wie Romano Guardini, Melancholie und Schwermut keineswegs fremd waren.

Herausragend war die Rolle, die Feiereis als Konsultor des vatikanischen Sekretariats bei den Dialogbemühungen anlässlich des „Internationalen Wissenschaftlichen Kolloquiums“ 1986 in Budapest spielte: „Es war“, so der Religionsphilosoph, „das größte und bedeutendste Dialogtreffen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und des Kommunismus.“ Mit seinem Vortrag über „Zusammenleben und Kooperation von Christen und Marxisten in der Gesellschaft“ sorgte Feiereis danach für Furore.

Unter seiner Federführung konnte sich im Lauf der Zeit eine regelrechte „Erfurter Schule“ mit religionsphilosophisch-ideologiekritischem Schwerpunkt entwickeln. Von Studierenden verlangte er dabei, stets auch die „Andern“, die Nichtchristen und Atheisten, aber auch Künstlerinnen und Schriftsteller im Blick zu behalten und ihre Standpunkte ernst zu nehmen.

Mit den hier versammelten Texten wollen die Herausgeber aus Anlass seines 10. Todestages an diesen herausragenden katholischen Intellektuellen im Osten Deutschlands erinnern. Thomas Brose stand mit Konrad Feiereis über viele Jahre im Austausch. Bereits 1996 konnte er in dem von ihm in Leipzig herausgegebenen Band Deutsches Neuland. Beiträge aus Religion und Gesellschaft den Aufsatz „Schwieriger Übergang. Kirchliche Verkündigung unterwegs zum Menschen“ publizieren. Bei persönlichen Begegnungen und im schriftlichen Gespräch ging es beiden darum, dem christlichen Glauben in Ostdeutschland eine unverwechselbare Stimme zu geben. Der Erfurter Hochschullehrer räumte seinem früheren „Spezialstudenten“ die Möglichkeit ein, seine Texte zu publizieren. Dieser schmale Band wird durch drei E-Mails von Feiereis an Brose beschlossen.

←12 | 13→Die in Philosophie, Christentum und Gesellschaftskritik in der DDR enthaltenen Texte werden in der von Konrad Feiereis niedergelegten Fassung wiedergegeben. Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern. Diese danken Herrn Dr. Hermann Ühlein vom Verlag Peter Lang für seine Unterstützung und Eckhard Pohl für seine freundliche Genehmigung, sein Gespräch mit Konrad Feiereis in diesen Band aufzunehmen.

Mit der Veröffentlichung dieses Bandes ist die Einladung verbunden, Konrad Feiereis erneut zu lesen, ihn zu studieren und weiterzudenken.

Details

Seiten
112
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631881910
ISBN (ePUB)
9783631881927
ISBN (Paperback)
9783631881903
DOI
10.3726/b19858
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (September)
Schlagworte
Gottesrede in säkularer Gesellschaft Christliche Philosophie in der DDR Kritik an Atheismus und Fundamentalismus Katholisch in Ostdeutschland nach 1945 Kultur und Literatur als Zugang zur Transzendenz
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 112 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Konrad Feiereis (Autor:in) Thomas Brose (Band-Herausgeber:in) Holger Zaborowski (Band-Herausgeber:in)

Thomas Brose ist Philosophieprofessor in Berlin. Er war aktiv in der Friedlichen Revolution 1989 und ist im Religionsdialog der Hauptstadt engagiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Fundamentaltheologie, Religionsphilosophie, Anthropologie und Aufklärungsforschung. Holger Zaborowski ist Philosophieprofessor in Erfurt und Nach-Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Konrad Feiereis. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Religionsphilosophie, der politischen Philosophie, der Phänomenologie und der Hermeneutik.

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Titel: Philosophie, Christentum und Gesellschaftskritik in der DDR