Der Geist der Freude
Studien zu den Vorlagen, zur Textgestaltung und zu den Konzeptionen der Jugendwerke des «anderen» Goethe
Jochen Bertheau
VII. Die Mitschuldigen
Extract
A. Bedeutung Goethe hat dieses Lustspiel zeitlebens hoch geschätzt. Das Manuskript verfiel nicht den großen Autodafés in Leipzig und Frankfurt. Als der Erfurter Schönborn 1779 von der privaten Uraufführung der Iphigenie auf Tauris hörte und für seinen Bruder, den Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters, um eine Abschrift für eine Aufführung bat, erhielt er stattdessen von Goethe eine Abschrift der Mitschuldigen als Ersatzvorschlag zur Aufführung. Goethe ließ das Lustspiel in Weimar aufführten, er spielte selbst den Alcest, er bearbeitete es (unnötigerweise) und ließ es 1806 im 4. Band seiner Werkausgabe A veröffentlichen.181 Man könnte dieses Drama durchaus zu den seltenen klassischen deutschen Lustspielen zählen, aber einerseits hat der hier virtuos gebrauchte Alexandriner keine Anhänger in Deutschland, andererseits ist auch die Fassung in drei Akten nicht abendfüllend. Außerdem ist die Spielsucht als Charakterfehler ein auch heute sehr aktuelles Dramenmotiv, nicht aber die Neuigkeiten-Sucht des Wirts im Zeitalter von Radio, Fernsehen und Internet. Schon im 19.Jahrhundert galt es eher für einen Charakterfehler, wenn man sich nicht für neueste politische Ereignisse im In- und Ausland interessierte. So hat dies ganz im französischen Geschmack komponierte Lustspiel in Deutschland kein Glück, stammte es von einem Franzosen, gehörte es in Frankreich zum klassischen Repertoire unter dem übersetzten Titel Les coupables. Dort würde ein Zuschauer, der an Molières Komödien gewöhnt ist, auch nicht wie ein Deutscher Anstoß nehmen an der angeblich befremdlichen...
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