Der Geist der Freude
Studien zu den Vorlagen, zur Textgestaltung und zu den Konzeptionen der Jugendwerke des «anderen» Goethe
Jochen Bertheau
XVI. Stella
Extract
A. Bedeutung Als Stella 1776 erschien, erwartete die Leserschaft in diesem Drama einen weiteren Geniestreich Goethes, nach Götz, Clavigo und Werther. Aber kirchliche Kreise protestierten scharf gegen das Ende des Dramas, das gegen das Sakrament der Ehe verstoße - Zeichen einer gespaltenen Moral der Theologen, die nämlich bei regierenden Potentaten ähnliche Lösungen durchaus rechtfertigten oder zumindest schweigend duldeten. Einen ganz ähnlichen Protest aus sittlich-moralischen Grundsätzen fand man später bei Goethe-Forschern, welche dann ihre Kritik auf die künstlerischen Strukturen des Dramas ausweiteten. So wird häufig das Drama wegen des lebhaften und empfindsamen Dialogs als allzu unklassisch in einer Weimarer Lebensperiode Goethes angesehen, die man gerne als frühklassisch-gemäßigt ansehen möchte. Anderen wiederum war dieses Drama schon allzu klassisch, zu künstlich. Die „Gleichische Historie“ sei „eines von seinen großen marktschreyerischen Stücken, aus Ironie gegen sich selber“, hieß es.464 Da Goethe später den Schluss (und nicht nur diesen) ganz umgestaltete, ist man sich ohnehin nicht einig, welche Fassung vorzuziehen sei. Eben das soll hier untersucht werden. Dabei zeigen sich die Korrekturen zur Zweitfassung als im humanen Sinn erst recht barbarisch. Die Erstfassung hat in ihrer Aktualität sogar noch gewonnen, was sich auch daran zeigt, dass dieses angebliche Nebenwerk ohne Vernunft und Moral seit 1945 viel häufiger aufgeführt wird als in der Zeit davor. Erst jetzt wird klar, was typisch männliches Verhalten für Folgen zeitigen kann, und das Problem des Mannes zwischen zwei Frauen ist...
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