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Die Einpersonengesellschaft als Vehikel grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeit

von Andrea Götz (Autor:in)
©2019 Dissertation 416 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch bietet eine umfassende dogmatische Darstellung zur Einper-sonen-GmbH als Einsatzinstrument binnenmarktweiter unternehmerischer Tätigkeit. Hierbei werden in rechtshistorisch und rechtsvergleichender Methodik die Wurzeln der Einpersonengesellschaft dargestellt. Heute ist die Einpersonen-GmbH sowohl bei kleinen und mittleren Unternehmen als auch in Konzernstrukturen von erheblicher Relevanz. Die Autorin analysiert aus europäisch-einheitlichem Blickwinkel den Vorschlag zur einer ersten mate-riellen Harmonisierung des GmbH-Rechts – der Societas Unius Personae (SUP). Praktische Relevanz erlangt die Untersuchung insbesondere durch die Darstellung der möglichen Online-Gründung von Gesellschaften sowie der Bestrebungen zur Angleichung des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Einleitung
  • A. Die Einpersonengesellschaft als Rechtskleid für KMU
  • B. Ziel der Arbeit
  • C. Gang der Darstellung
  • D. Eingrenzung der juristischen Thematik
  • E. Stand der SUP-Verhandlungen
  • Kapitel 1: Wurzeln der Societas Unius Personae
  • A. Die Europäische Privatgesellschaft
  • I. Motive für Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft
  • II. Rechtspolitisches Scheitern der SPE
  • B. Bericht der Reflection Group
  • I. Allgemeines
  • II. Inhalt des Vorschlags
  • C. Verfahren in der Europäischen Kommission
  • D. Der Kommissionsentwurf COM (2014) 212 final
  • Kapitel 2: Der Status quo: Bisherige rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei grenzüberschreitender Tätigkeit
  • A. Gründung einer Auslandstochtergesellschaft
  • I. Bisherige Entwicklung
  • II. Eignung für grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU
  • B. Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft
  • I. Bisherige Entwicklung
  • II. Eignung für grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU
  • C. Errichtung einer Zweigniederlassung
  • I. Bisherige Entwicklung
  • II. Eignung für grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU
  • D. Verlegung des Satzungssitzes
  • I. Bisherige Entwicklung
  • II. Eignung für grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU
  • E. Grenzüberschreitende Verschmelzung
  • I. Bisherige Entwicklung
  • II. Eignung für die grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU
  • F. Gesamtwürdigung
  • Kapitel 3: Die Zwölfte Richtlinie zur Einpersonengesellschaft
  • A. Zulässigkeit von Einpersonen-Konstruktionen vor 1989
  • I. Originäre Einpersonengesellschaft
  • II. Nachträgliche Einpersonengesellschaft
  • 1. Länderbericht
  • a) Das Sanktionsmodell
  • b) Das Zulässigkeitsmodell
  • 2. Einsatz von Strohmännern
  • III. Das Einzelunternehmen mit beschränkter Haftung
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Einführung der Zwölften Richtlinie (89/667/EWG)
  • I. Anwendungsbereich der Richtlinie
  • 1. Nationale GmbH
  • a) Zulassung der Einpersonengesellschaft (Artikel 2 Abs. 1)
  • b) Einpersonen-Unternehmen mit beschränkter Haftung (Artikel 7)
  • 2. Tochter-SE
  • 3. Nationale Aktiengesellschaft
  • II. Informationsbereitstellungsregeln
  • 1. Publizität der nachträglichen Einpersonengesellschaft
  • 2. Rechtsformzusatz
  • 3. Dokumentation der Beschlussfassung und Insichgeschäften
  • C. Konzernrechtliche Unwägbarkeiten
  • I. Gesetzgeberische Entwicklung
  • II. Einschränkung durch die Mitgliedstaatenoptionen des Artikels 2 Abs. 2
  • 1. Die Beschränkungen im Einzelnen
  • 2. Reichweite der Beschränkungen
  • 3. Länderbericht: Ingebrauchnahme der Mitgliedstaatenoption
  • a) Frankreich
  • b) Belgien
  • c) Italien
  • d) Portugal
  • e) Polen
  • f) Griechenland
  • 4. Durchgriffshaftung
  • 5. Bewertung
  • D. Weitere Entwicklung
  • E. Gesamtwürdigung
  • I. Aus deutscher Perspektive
  • II. Aus europäischer Perspektive
  • Kapitel 4: Bedürfnis weiterer Harmonisierung
  • A. Gesellschaftsrechtliche Landschaft an Rechtsformen
  • I. Länderbericht
  • 1. Einführung einer neuen (Unter-)Rechtsform
  • a) Deutschland
  • b) Belgien
  • c) Italien
  • d) Spanien
  • e) Portugal
  • f) Dänemark
  • g) Griechenland
  • h) Ungarn
  • 2. Reform der regulären geschlossenen Kapitalgesellschaftsrechtsform
  • a) England
  • b) Frankreich
  • c) Niederlande
  • d) Österreich
  • e) Polen
  • 3. Zusammenfassung
  • II. Ergebnis
  • B. Primärrechtliche Verankerung des Richtlinienvorschlags
  • I. Subsidiaritätsprinzip
  • II. Kompetenzgrundlage
  • 1. Zulässigkeit
  • 2. Rechtsetzungsverfahren
  • III. Verhältnismäßigkeitsprinzip
  • 1. Geeignetheit
  • 2. Erforderlichkeit
  • a) Einfluss der SPE auf nationales Recht
  • b) Einfluss der SUP auf nationales Recht
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Angemessenheit
  • a) Belastung nationalen Rechts
  • b) Europäischer Mehrwert
  • c) Abwägung
  • IV. Ergebnis
  • C. Gesamtwürdigung
  • Kapitel 5: Regelungsinhalte der Societas Unius Personae
  • A. Grundcharakteristika der Societas Unius Personae
  • I. Allgemeines
  • II. Einsatzmöglichkeiten
  • 1. Kleine und mittelständische Unternehmen
  • 2. Konzerne
  • a) Allgemeines
  • b) Eignung der SUP für Konzernstrukturen
  • 1) Fehlende Höchstgrenzen
  • 2) Juristische Personen als Gründer
  • 3) Juristische Personen als Geschäftsführer
  • 4) Beschlussfassung
  • 5) Weisungsrecht
  • (a) Grundsatz: Bindendes Weisungsrecht
  • (b) Begrenzung auf Vereinbarkeit mit nationalem Recht
  • (c) Beachtung von Fremdinteressen
  • (d) Streichung des Weisungsrechts
  • 6) Sitzaufspaltung
  • (a) Von der Soll-Vorschrift…
  • (1) Vereinbarkeit mit der EuGH-Judikatur
  • (2) Mitbestimmungsarbitrage
  • (3) Weitere Bedenken
  • (b) … zur Option der Anordnung der Sitzeinheit
  • (c) … zur Überlassung nationalen Rechts
  • 3. Resümee
  • III. Der einzige Geschäftsanteil
  • 1. Unteilbarkeit
  • 2. Miteigentum am Geschäftsanteil
  • IV. Rechtsformzusatz
  • 1. Vom rein europäischen Rechtsformzusatz…
  • 2. … über einen obligatorischen Länderzusatz
  • 3. … zur Mitgliedstaatenoption
  • B. Gründung
  • I. Gründungssubjekte
  • II. Gründungsvarianten
  • 1. Gründung ex nihilo
  • 2. Umwandlung
  • a) Allgemeine Vorschriften
  • b) Kommissionsvorschlag: Verfahrensregeln
  • 1) Beschluss
  • 2) Vereinbarkeit der Satzung mit nationalem Recht
  • 3) Ausschluss bei Unterbilanz
  • c) Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft
  • III. Gründungsverfahren
  • 1. Länderbericht
  • a) Gründung auf elektronischem Wege
  • 1) England
  • 2) Frankreich
  • 3) Griechenland
  • 4) Polen
  • 5) Portugal
  • 6) Dänemark
  • 7) Ungarn
  • b) Gründung mit notarieller Beurkundung
  • 1) Deutschland
  • 2) Österreich
  • 3) Italien
  • 4) Spanien
  • 5) Niederlande
  • 6) Belgien
  • c) Zusammenfassung
  • 2. Speziell: Gründung einer GmbH aus dem Ausland
  • a) Stellvertretung
  • b) Beurkundung der Gründung aus dem Ausland
  • 3. Ausgestaltungsmöglichkeiten für die SUP
  • a) Modell A: Ausschließliche Online-Registrierung
  • 1) Beschreibung
  • 2) Abschätzung der Europäischen Kommission
  • b) Modell B: Online-Registrierung und herkömmliche Registrierung
  • 1) Beschreibung
  • 2) Abschätzung der Europäischen Kommission
  • c) Modell C: Online-Registrierung mit obligatorischer Mustersatzung und herkömmliche Registrierung
  • 1) Beschreibung
  • 2) Abschätzung der Europäischen Kommission
  • d) Ergebnis der Europäischen Kommission
  • 4. Vorgaben der Richtlinienvorschläge
  • a) Systematischer Überblick
  • b) Registrierungsformular
  • 1) Harmonisierungsgrad
  • (a) Von der einheitlichen Registrierungsvorlage …
  • (b) … über die Zulassung geringerer Anforderungen
  • (c) … zur national auszugestaltenden Registrierungsvorlage
  • 2) Inhalt
  • (a) Kommissionsvorschlag
  • (b) Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft
  • (c) Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft
  • (d) Besonderheiten
  • 3) Durchführungs-, Form- und Beweisvorschriften
  • c) Online-Registrierung
  • 1) Elektronischer Eintragungsprozess
  • 2) Persönliche Anmeldung im Einzelfall
  • 3) Gegenseitige Vernetzung
  • 4) Beschränkung der Harmonisierung auf den Gründungsakt
  • 5) Materielle Kontrolle
  • (a) Kommissionsvorschlag
  • (b) Kritik aus der Politik und Praxis
  • (c) Klarstellung unter lettischer Ratspräsidentschaft
  • 6) Speziell: Die Identitätskontrolle
  • (a) Zuständige Kontrollstelle
  • (1) Örtliche Zuständigkeit
  • (2) Funktionelle Zuständigkeit
  • (b) Kontrolldichte
  • (1) Von der fakultativen Identitätskontrolle …
  • (2) … über die zwingende Identitätskontrolle
  • (3) … zur Überlassung nationalen Rechts
  • (c) Gegenseitige Anerkennung von Identifizierungssystemen
  • (1) Von der zwingenden Anerkennung…
  • (2) … mit Öffnungsklausel
  • (3) … und Eintragungsverweigerungsrecht im Einzelfall
  • 7) Resümee
  • d) Mustersatzung
  • 1) Harmonisierungsgrad
  • (a) Von der einheitlichen Mustersatzung…
  • (b) … über die Zulassung nationaler Mustersatzungen
  • (c) … zum Regelungsauftrag
  • 2) Inhalt
  • 3) Keine Abkehr von der Gestaltungsfreiheit im GmbH-Recht
  • 4) Versteckte Harmonisierung des GmbH-Rechts?
  • 5) Durchführungs- und Formvorschriften
  • 6) Resümee
  • e) Eintragungsfrist
  • f) Abschluss der Eintragung
  • 1) Erwerb der Rechtsfähigkeit
  • 2) Eintragungsort
  • 3) Vorlage von Lizenzen und Genehmigungen
  • (a) Vom abschließenden Verbot…
  • (b) … zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
  • 4) Offenlegung
  • IV. Resümee
  • C. Gläubigerschutz durch haftendes Kapital
  • I. Länderbericht
  • 1. Mindestkapital
  • a) Faktische Abschaffung des Mindestkapitalerfordernisses
  • 1) Frankreich
  • 2) Niederlande
  • 3) Portugal
  • 4) Griechenland
  • b) Mindestkapital + 1-Euro-Subform
  • 1) Deutschland
  • 2) Belgien
  • 3) Italien
  • 4) Dänemark
  • 5) Spanien
  • 6) Polen
  • c) Erhöhung des Mindestkapitals
  • 1) Österreich
  • 2) Ungarn
  • d)   Zwischenergebnis
  • 2. Rücklagenbildung
  • 3. Höchstkapital
  • 4. Geschäftsbrieftransparenz
  • a) Keine Harmonisierung durch die Publizitätsrichtlinie
  • b) Zwingende Offenlegung der Kapitalziffer
  • c) Fakultative Offenlegung der Kapitalziffer
  • 5. Kapitalaufbringung
  • a) Art der Kapitalaufbringung
  • 1) Bar- und Sacheinlagen
  • 2) Bar- und Sacheinlagen sowie Dienstleistungen
  • (a) Italien
  • (b) Frankreich
  • (c) Griechenland
  • 3) Reine Bareinlagen
  • b) Höhe der Kapitalaufbringung
  • 1) Höhe der Kapitalaufbringung bei Sacheinlagen
  • 2) Höhe der Kapitalaufbringung bei Bareinlagen
  • (a) Teileinzahlungsgebot
  • (1) Deutschland
  • (2) Österreich
  • (3) Frankreich
  • (4) Belgien
  • (5) Italien
  • (6) Niederlande
  • (7) Ungarn
  • (8) Portugal
  • (b) Volleinzahlungsgebot
  • (1) Reguläre GmbHs
  • (2) GmbH-Subformen
  • 6. Kapitalerhaltung
  • a) Traditionelles Kapitalerhaltungssystem
  • 1) Deutschland
  • 2) England
  • 3) Frankreich
  • 4) Österreich
  • 5) Spanien
  • 6) Griechenland
  • 7) Portugal
  • 8) Belgien
  • 9) Ungarn
  • 10) Italien
  • b) Alternatives Kapitalerhaltungssystem
  • 1) Niederlande
  • 2) Polen
  • c) Zwischenergebnis
  • 7. Resümee
  • II. Ausgestaltungsmöglichkeiten für die SUP
  • 1. Modell A: Mindestkapitalerfordernis nach dem EU-Durchschnitt
  • a) Beschreibung
  • b) Folgenabschätzung der Europäischen Kommission
  • 2. Modell B: Mindestkapitalerfordernis von 1 Euro
  • a) Beschreibung
  • b) Folgenabschätzung der Europäischen Kommission
  • 3. Modell C: Mindestkapitalerfordernis von 1 Euro mit Bilanztest und Solvenzbescheinigung
  • a) Beschreibung
  • b) Folgenabschätzung der Europäischen Kommission
  • 4. Ergebnis der Kommission
  • III. Vorgaben der Richtlinienvorschläge
  • 1. Mindestkapital
  • a) 1-Euro-Gesellschaft
  • b) Ziel der Regelung
  • c) Fehlende Seriositätsschwelle
  • d) Europäischer Mehrwert
  • 2. Rücklagenbildung
  • a) Vom Verbot der Rücklagenbildung …
  • b) … über eine zu rechtfertigende Rücklagenbildungspflicht …
  • c) … zur freien Rücklagenbildungspflicht …
  • d) … mit Obergrenzen
  • 3. Kein Höchstkapital
  • 4. Geschäftsbrieftransparenz
  • 5. Kapitalaufbringung
  • a) Einlagehöhe
  • b) Einlageart
  • 1) Einlagen bei Online-Registrierung
  • 2) Einlagen bei anderer Registrierung
  • c) Abkehr im Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft
  • 6. Kapitalerhaltung
  • a) Gewinnausschüttungsbegriff
  • b) Formelle Anforderungen
  • c) Materielle Anforderungen
  • 1) Bilanztest
  • 2) Solvenztest
  • 3) Konkurrenzverhältnis von Bilanz- und Solvenztest
  • 4) Rechtsfolgen bei unzulässiger Gewinnausschüttung
  • (a) Schadensersatzanspruch
  • (1) Normzweck
  • (2) Objektive Voraussetzungen
  • (3) Subjektive Voraussetzungen
  • (b) Rückzahlungsanspruch
  • (1) Normzweck
  • (2) Objektive Voraussetzungen
  • (3) Subjektive Voraussetzungen
  • (c) Konkurrenzverhältnis
  • (1) Abgrenzung nach der gewünschten Ersatzposition
  • (2) Abgrenzung nach dem Anspruchsinhaber
  • (3) Abgrenzung nach der subjektiven Komponente
  • 7. Resümee
  • Kapitel 6: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
  • A. Allgemeines
  • B. Thesen
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

A. Die Einpersonengesellschaft als Rechtskleid für KMU

Die haftungsbeschränkte Einpersonengesellschaft als Vehikel grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeit wurde in der bisherigen Forschung zahlreich unterschätzt. Die Zwölfte Richtlinie aus dem Jahr 1989 manifestiert zwar die unionsweite Anerkennung der unipersonalen, haftungsbeschränkten Rechtsform. Durch die bereits im Jahr 1980 erfolgte Legalisierung der Einpersonen-GmbH ergaben sich aus deutscher Perspektive hierbei jedoch kaum Änderungen.

In den Fokus gelangte die Einpersonen-GmbH erst wieder im April 2011, als der Bericht der von der Europäischen Kommission eingesetzen Reflection Group on the Future of European Company Law die single member limited liability company (kurz: Single Member Company – SMC) als Vehikel zur grenzüberschreitenden Tätigkeit für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Unternehmensgruppen andachte. Diese Einsatzmöglichkeiten deckten sich mit den Zielvorgaben zur supranationalen Europäischen Privatgesellschaft (Societas Unius Personae – SPE), welche damals aufgrund der harten Verhandlungen im Rat der Europäischen Union den einheitlich-europäischen Charakter zu verlieren drohte. Nach dem vorläufigen Scheitern der SPE im Mai 2011 wurde die Idee einer materiellen Harmonisierung der Einpersonen-GmbH in der Europäischen Kommission aufgegriffen: Die Societas Unius Personae soll als einfach strukturierte, leicht zu gründende Gesellschaft die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit fördern.

Die Einführung vereinfachter Rechtsformen für Kapitalgesellschaften wie die Société par actions simplifiée in Frankreich, die niederländische Flex-BV oder die spanische Blitz-GmbH belegen die Notwendigkeit, mit tradierten Rechtsvorstellungen zu brechen. Auf europäischer Ebene gilt es eine Lösung zu finden, um die grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU zu vereinfachen, denn der Erfolg dieser Unternehmen gilt als Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung in Europa.

B. Ziel der Arbeit

Die Arbeit beleuchtet die Einpersonengesellschaft aus einem europäisch- einheitlichen Blickwinkel. Dabei wird eine rechtsvergleichende, dogmatische sowie historische Methode angewandt.

←23 | 24→

Im Vordergrund stehen dabei zwei Ziele: Zum einen soll rechtsvergleichend der status quo der bisherigen Regelungslandschaft bei der nationalen Einpersonen-GmbH aufgezeigt werden. Für das Verständnis der Zwölften Richtlinie in ihrer Fassung von 1989 bedarf es dabei einer Auseinandersetzung mit der historischen Zulässigkeit von Einmann-Gesellschaften, deren Sanktionen und Beschränkungen. Für die Begründung eines erneuten Bestrebens auf Unionsebene ist zudem die Eignungsanalyse der bisherigen rechtlichen Gestaltungsinstrumente gewinnbringender Natur.

Zum anderen werden die Vorgaben des SUP-Entwurfs einer rechtsvergleichenden Analyse unterzogen. Die Harmonisierungsvorschläge gilt es, in ein Gesamtbild zu fassen. Einzugehen ist hierbei nicht nur auf die breite Regelungsvielfalt in den nationalen GmbH-Rechten, sondern auch auf die im Vorfeld durchgeführte Analyse auf Unionsebene. Es geht hierbei weniger um eine isolierte Betrachtung aus deutscher Sichtweise, sondern um eine konsensorientierte Annäherung aus gesamteuropäischer Perspektive.

C. Gang der Darstellung

Die Arbeit möchte zunächst die entstehungsgeschichtlichen Hintergründe der Societas Unius Personae dokumentieren. Kapitel 1 zeigt dabei die Parallelen zur Europäischen Privatgesellschaft auf, welche sich als Vorläuferprojekt zur Societas Unius Personae als supranationale geschlossene Kapitalgesellschaftsform der Förderung von KMU und Unternehmensgruppen verschrieben hat. Als Wiege der Societas Unius Personae gilt der Bericht der Reflection Group, der erstmals die Einpersonengesellschaft als Vehikel zur transnationalen Unternehmenstätigkeit ins Spiel brachte. Die Idee mündete schließlich in den Kommissionsvorschlag zur Einpersonengesellschaft vom April 2014.

Kapitel 2 soll das Bedürfnis einer gesetzgeberischen Tätigkeit für KMU auf Unionsebene beleuchten. Zwar gibt es bereits ein breites Spektrum an Richtlinien im Europäischen Gesellschaftsrecht sowie eine liberal-binnenmarktfreundliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Gleichwohl erscheinen diese in ihrer bisherigen Ausgestaltung nicht vollumfänglich geeignet, die Unternehmen zur grenzüberschreitenden Tätigkeit zu animieren.

Kapitel 3 widmet sich der Richtlinie zur Einpersonen-GmbH aus dem Jahr 1989 (Zwölfte Richtlinie). Dabei soll zunächst ein historischer Abriss über die Zulässigkeit von Einpersonen-Konstruktionen vor Verabschiedung der Richtlinie erfolgen. Auch auf die Konstruktion des Einzelunternehmers mit beschränkter Haftung, welche kürzlich in Frankreich und Spanien als neue Gesellschaftsform eingeführt wurde, ist hinzuweisen. Nach einer Darstellung ←24 | 25→des Anwendungsbereichs und der Informationsbereitstellungsregeln der Zwölften Richtlinie stehen die konzernrechtlichen Einschränkungen des Artikels 2 Abs. 2 der Richtlinie und deren Konsequenzen im Hinblick auf das verfolgte Ziel der Erleichterung der Niederlassungsfreiheit im Fokus.

Kapitel 4 verfolgt zwei Anliegen: Zum einen soll anhand eines Länderberichts ein Überblick über die zahlreichen mitgliedstaatlichen Reformen im GmbH-Recht erfolgen. Systematisch wird hier zwischen denjenigen Mitgliedstaaten, welche eine Subform der GmbH eingeführt haben und solchen, die eine vollumfängliche Reform des GmbH-Rechts vorgenommen haben, differenziert. Zum anderen soll die primärrechtliche Verankerung des Richtlinienvorschlags anhand seiner Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Zulässigkeit der Kompetenzgrundlage analysiert werden. Damit soll auch die Frage des Bedürfnisses, dem „ob“ einer Angleichung, welches auf rechtspolitischer Ebene teilweise stark angezweifelt wurde, beantwortet werden.

Der Schwerpunkt der Arbeit findet sich in Kapitel 5, welche sich der materiellen Ausgestaltung des Kommissionsvorschlags zur SUP sowie der Kompromissvorschläge im Rat widmet. Zunächst werden dabei die Grundcharakteristika der SUP dargestellt, insbesondere wird aufgezeigt, inwieweit die Vorschriften des Entwurfs Einsatzfelder für KMU und Konzerne bieten. Der Fokus liegt sodann auf den Vorschriften zur Gründung und zum Gläubigerschutz durch Kapital. Die hierbei aufgeführten Länderberichte und die im Vorfeld angestellten Überlegungen der Kommission sollen die Hintergründe für das im Kommissionsvorschlag ausgewählte Modell widerspiegeln. Für Spannungen sorgen insbesondere das elektronische Gründungsverfahren unter Heranziehung einer Mustersatzung sowie das Mindestkapital von 1 Euro mit einem kombinierten Bilanz- und Solvenztest im Falle von Ausschüttungen. Die ausgewählte Analyse soll insbesondere den Gang der Verhandlungen auf Unionsebene sowie den Sinn und Zweck der Regelungen beleuchten.

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesenform.

D. Eingrenzung der juristischen Thematik

Die Arbeit untersucht die Einpersonengesellschaft in Europa und deren mögliche Funktion als Vehikel grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit anhand einer rechtsvergleichenden, historischen und dogmatischen Analyse.

Im Fokus steht hierbei ausschließlich die geschlossene Kapitalgesellschaftsform nationalen Rechts mit einem einzigen Gesellschafter (GmbH-Recht). Die ←25 | 26→Aktiengesellschaft mit einem einzigen Gesellschafter bleibt dabei ebenso außer Betracht wie Personengesellschaften. Berücksichtigung am Rande findet lediglich der Einzelunternehmer mit beschränkter Haftung, der als Sonderfall der Einpersonen-GmbH in der Zwölften Richtlinie verankert ist.

Die dargestellten Länderberichte hinsichtlich der Reformen im GmbH-Recht, dem Gründungsverfahren und den Kapitalvorschriften sollen das weite Spektrum nationaler Regelungen abbilden. Hierbei wurde weitestgehend auf die Primärquellen (Gesetzestext, Gesetzesbegründung) zurückgegriffen. Aufgeführte Sekundärquellen sind allein sprachlichen Barrieren geschuldet. Aufgrund letzterem musste auf eine vollumfängliche rechtsvergleichende Darstellung verzichtet werden. Stellvertretend für die neueren Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollen hier Polen und Ungarn stehen.

Die behandelten Aspekte der Arbeit wurden anhand des vordergründigen Ziels des SUP-Vorschlags, eine kostengünstige, schnelle und unbürokratische Gesellschaftsgründung im Ausland zu schaffen, ausgewählt. Im Fokus der Arbeit stehen daher insbesondere die Vorschriften zur Gründung der SUP und zum Gläubigerschutz durch Kapital. Es wird dabei weder eine Bewertung aus rein deutscher Perspektive noch eine Kommentierung sämtlicher Vorschriften vorgenommen. Die Arbeit verfolgt vielmehr einen europäisch-ganzheitlichen Ansatz, anhand dessen bewertet werden soll, ob die Vorschläge der Kommission und des Rates aus rechtsvergleichender Perspektive konsensfähig sind und inwieweit den Vorschriften ein europäischer Mehrwert beizumessen ist.

Der Länderbericht zum Gründungsverfahren legt den Fokus auf die Möglichkeit einer elektronischen Gründung sowie den Einsatz einer Mustersatzung. Ausführungen zu Fragestellungen wie der Mantel- und Vorratsgesellschaft als wirtschaftliche Neugründung, Vertretung und Haftung im Vorgründungsstadium sind kein Gegenstand dieser Abhandlung.

Im Rahmen der Vorschriften zur Kapitalaufbringung beschränkt sich die rechtsvergleichende Darstellung auf die Art und Höhe der Kapitalaufbringung in den mitgliedstaatlichen GmbHs. Es erfolgt keine Darstellung zum Recht der verdeckten Sacheinlage oder Cash-Pooling. Diese Bereiche sind kein Teil der Harmonisierungsbestrebungen auf Unionsebene und können daher in dieser Arbeit ohne Berücksichtigung bleiben.

Einer ähnlichen Einschränkung bedarf es im Rahmen der Kapitalerhaltung. Hier sollen ausschließlich die mitgliedstaatlichen Ausschüttungssysteme dargestellt werden. Der von der Kapitalerhaltung im weiteren Sinn erfasste Problemkreis der eigenkapitalersetzenden Darlehen bleibt als eine dem Insolvenzrecht zuzuordnende Materie außer Betracht.

←26 |
 27→

Organisationsverfassungsrechtliche Regelungen sollen ebenfalls nur am Rande Berücksichtigung finden. Diese behandeln die Modalitäten der laufenden Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Die Harmonisierungsbestrebungen beziehen sich jedoch primär auf die Angleichung des Gründungsverfahrens.

E. Stand der SUP-Verhandlungen

Die Arbeit berücksichtigt in erster Linie den Kommissionsvorschlag zur Societas Unius Personae von April 2014 (im Folgenden: SUP-KOM)1.

Nach den ersten Verhandlungen im Rat der Europäischen Union erfolgte im November 2014 ein erster Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft von November (SUP-IT-NOV)2. Aufgrund der generellen Zurückhaltung sämtlicher Delegationen erfolgte im Dezember 2014 ein zweiter Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft (SUP-IT-DEZ)3. Neben einigen Änderungen von Einzelvorschriften wurden hierbei insbesondere Modifikationen beim Gründungsverfahren vorgenommen.

Ein weiterer Kompromissvorschlag erfolgte im März 2015 unter lettischer Ratspräsidentschaft (SUP-LV-MAR)4. Dieser basiert auf den Verhandlungen der Ratsarbeitsgruppe Gesellschaftsrecht sowie auf schriftlichen Stellungnahmen der Delegationen. Wenige Wochen später, im April 2015, erfolgte ein erneuter Kompromissvorschlag (SUP-LV-APR)5. In Letzterem wurden jedoch nur geringfügige Änderungen vorgenommen.

Im Mai 2015 erfolgte sodann eine Einigung im Rat. Dem lag zunächst eine Textfassung zugrunde, die sich aus insgesamt 14 beratenden Verhandlungen der Ratsarbeitsgruppe speiste (SUP-LV-MAI)6. Bei der Verhandlung im Rat am 28. Mai 2015 erfolgten noch einige Änderungen, die in den abschließenden ←27 | 28→Ratsentwurf mündeten (SUP-LV-RAT)7. Dieser dient als Grundlage für die Verhandlungen im Parlament seit Herbst 2015. Das zuletzt veröffentlichte Dokumente bildet das Zweite Arbeitsdokument des Rechtsausschusses8.

←28 | 29→

1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, v. 9.4.2014, COM (2014) 212 final.

2 Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft, v. 14.11.2014, Dok. 14648/14.

3 Kompromissvorschlag unter italienischer Ratspräsidentschaft v. 1.12.2014, Dok. 16010/14 (nicht veröffentlicht).

4 Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft v. 13.3.2015, Dok. 7012/1514 (nicht veröffentlicht).

5 Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft v. 7.4.2015, Dok. 7626/15 14 (nicht veröffentlicht).

6 Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft v. 21.5.2015, Dok. 8811/15.

7 Kompromissvorschlag unter lettischer Ratspräsidentschaft v. 29.5.2015, Dok. 9050/15.

8 Zweites Arbeitsdokuments des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments v. 5.1.2016, Dok. PE575.031v01-00.

Kapitel 1: Wurzeln der Societas Unius Personae

A. Die Europäische Privatgesellschaft

I. Motive für Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft

Eines der Hauptziele in der Union ist die Errichtung eines Binnenmarktes, der als Raum ohne Binnengrenzen den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr gewährleistet.9 Dieser Binnenmarkt soll für die grenzüberschreitende Aktivität sowohl von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) als auch für Unternehmensgruppen gestärkt werden und für Wachstum und Innovation in der Union sorgen.10 Trotz der bisherigen Anstrengungen sind die Investitionsquoten im Ausland marginal: Lediglich 2 % der KMU wagen den Sprung über die Grenze. Obwohl der Anteil der KMU 99 % aller europäischen Unternehmen umfasst, bleibt der Großteil seinem einheimischen, bekannten Markt treu: Die Meisten fürchten zu hohe Hemmnisse in rechtlicher, wirtschaftlicher und psychologischer Hinsicht. Die notarielle Beteiligung bei der Gründung, die Registrierung im ausländischen Unternehmensregister sowie die Veröffentlichung des Jahresabschlusses führen zu einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand.11

←29 | 30→

Bereits frühzeitig entstand die Idee einer Europäischen Privatgesellschaft, welche als supranationale Rechtsform speziell auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse von KMU bei transnationaler Tätigkeit zugeschnitten sein sollte.12 Die Europäische Privatgesellschaft ist das Pendant zur Europäischen Aktiengesellschaft und würde als geschlossene Kapitalgesellschaftsform eine Lücke in der bisher existierenden Landschaft an europäischen und nationalen Rechtsformen schließen.13

Als „kleine Schwester“14 der SE wurde im Jahre 2008 ein Vorschlag über eine Verordnung zur Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europae SPE) vorgelegt.15 Das SPE-Statut war dabei liberal-progressiv ausgestaltet.16 Über zwingende Regelungen und einen Katalog fakultativer Regelungsaufträge sollten alle wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen erfasst werden, ohne dass es dabei so umfassender Verweise in das nationale Recht bedarf wie dies bei der europäischen Aktiengesellschaft der Fall war.17

←30 | 31→

Kollisionsrechtliche Fragestellungen, die Gefahr der Mehrfachbesteuerung, Sprachbarrieren, der Kostenaufwand, die mangelnde Harmonisierung im Arbeits- und Sozialrecht und weitere Hürden, denen Gesellschaften bei der Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland begegnen, könnten durch die supranationale Rechtsform der Societas Privata Europaea (SPE) dezimiert werden.18 Neben diesem „Wert an sich“19 und dem „Symbol auf dem Weg zur europäischen Integration“20, den eine supranationale Rechtsform bietet, könnte die SPE als „Europäische Duftnote“21 für Effizienzgewinn und Kosteneinsparungen sorgen.

Nicht zu unterschätzen sind auch die rechtspsychologischen Wirkungen, die mit einem supranationalen Rechtskleid als neutrale Organisationsform geschaffen werden: Zum einem könnte durch die Einführung einer europäischen Marke das Misstrauen lokaler Behörden und Geschäftspartner abgebaut werden.22 Zum anderen wäre die SPE im Falle von grenzüberschreitenden Verschmelzungen oder Kooperationen als einheitlicher, neutraler Rechtsrahmen zur Verständigung besser geeignet als rein nationale Rechtsformen.23

Hinzu kommen makrojuristische Vorteile24: Durch die Erprobung rechtlicher Neuerungen kann sich das rechtliche Regime verbessern. Der grenzüberschreitende wissenschaftliche Diskurs würde eine Plattform erhalten, auf der sich Juristen austauschen können. Durch einen grenzüberschreitenden Dialog könnten im unmittelbaren Austausch von Argumenten Lösungen gefunden werden und so der unbewusste Rückgriff auf das nationale Recht, welches oft mit tradierten Rechts- und Wertvorstellungen verbunden ist, vermieden werden.25

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Für die Etablierung der SPE spielen auch Netzwerkeffekte eine maßgebliche Rolle.26 Bei steigender Nutzungszahl der Rechtsform gewinnt diese an Reputation, die Informationskosten im Bereich der Rechts- und Wirtschaftsberatung sinken, die professionelle Infrastruktur wird somit stärker ausgebaut. Der Unternehmer müsste sich mit seinen Problemen folglich nicht mehr an den spezialisierten Anwalt der Großkanzlei wenden; auch mittelständische Rechtsberatungsstellen könnten die erforderliche Beratung anbieten. Durch die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für ein und dieselbe Gesellschaftsform könnte der rechtliche Beratungsbedarf erheblich reduziert werden.27 Ein solcher Netzwerkeffekt erhöht die Attraktivität der Rechtsform erheblich.

Auch wenn bei den Einsatzmöglichkeiten insbesondere die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen zur Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland im Fokus stand,28 bietet sich die SPE auch als Konzernbaustein an, sei es als Tochtergesellschaft oder als dessen Obergesellschaft.29 Darüber hinaus könnte die SPE als eigenständiger, unabhängiger Unternehmensträger im international arbeitsteiligen Konzern für einzelne Unternehmensfunktionen30 sowie für grenzüberschreitende Joint Ventures zur Verfügung stehen.31 Als supranationale Gesellschaftsform bietet die SPE den Mehrwert der Schaffung einer ←32 | 33→einheitlichen konzernweiten Corporate Governance europäischen Charakters.32 Vorurteile bei Mitarbeitern, Kunden und Behörden könnten abgebaut werden und die Identifizierung mit der Gesellschaft verstärkt werden (corporate identity).33 Insgesamt könnte die SPE damit sowohl KMU als auch Unternehmensgruppen als supranationale Rechtsform für transnationale Geschäftstätigkeiten zur Verfügung stehen.

II. Rechtspolitisches Scheitern der SPE

Im Laufe der Verhandlungen wurden insbesondere die Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung, zum Mindestkapital und zum Sitz kontrovers diskutiert;34 ein Kompromissvorschlag der schwedischen Ratspräsidentschaft35 wurde im November 2009 abgelehnt. Ein erneuter Kompromissvorschlag unter ungarischer Ratspräsidentschaft von Mai 201136, der zunächst auch sehr erfolgversprechend erschien,37 wurde aufgrund der ablehnenden Haltung aus Deutschland und Schweden nicht verabschiedet.38

Die Verhandlungen zur SPE liegen nun seit 2011 auf Eis und wurden nicht wiederaufgenommen. Zwar haben sich die Regierungsfraktionen der Befürwortung der SPE im Koalitionsvertrag 2013–2017 verschrieben39, die Europäische ←33 | 34→Kommission hat jedoch im Rahmen des REFIT-Programms zur Kostenreduzierung und Rechtsvereinfachung die Rücknahme des SPE-Vorschlags unter gleichzeitiger Erwägung der Unterbreitung eines neuen Vorschlags in diesem Bereich angekündigt.40 Gleichwohl reißt der Strom der Befürworter der SPE nicht ab.41

Die SPE ist legislativ weit fortgeschritten und würde als Verordnung die gewünschte Flexibilität und Entlastung bieten. Politisch sind die Fronten jedoch verhärtet. Bei einem erneuten Kompromissentwurf bestünde überdies erheblicher Druck, einen Kompromiss zu finden.42 Eine politische Einigung zur SPE ist in den nächsten Jahren kaum zu erwarten. Angesichts der über 40-jährige Entstehungsgeschichte der SE43 ist es an der Zeit, sich für einen Folgevorschlag zu öffnen: Die Single Member Company oder – aus Gründen der europäischen Sprachenvielfalt – die lateinische Bezeichnung Societas Unius Personae (SUP).

B. Bericht der Reflection Group

I. Allgemeines

Geboren wurde die Idee einer vereinfachten, geschlossenen Einpersonengesellschaft in Alleinbesitz im April 2011, als die Reflection Group on the Future of ←34 | 35→European Company Law einen Bericht vorlegte, in dem sie diese als Vehikel für Unternehmensneugründer ebenso wie für die Schaffung grenzüberschreitender Konzernstrukturen vorschlug.44 Entsprungen ist dieser Gedanke eher aus der Not heraus, dass die Verhandlungen über das Statut zur Europäischen Privatgesellschaft (SPE) angesichts der verschiedenen Meinungsströme zur Mitbestimmung, Sitzverlegung, zum Mindestkapital sowie zum Erfordernis eines grenzüberschreitenden Elements dem Stillstand erliegen könnten.

Im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts der Reflexionsgruppe im April 2011 stand jedoch noch nicht fest, dass das SPE-Statut in der Sitzung des Ministerrates im Mai 2011 mangels Einstimmigkeit nicht verabschiedet werden würde. Zu betonen ist, dass die Reflection Group in ihrem Bericht auch der SPE positiv gegenüberstand.45 Die Single Member Company wurde vielmehr als „zweitbeste Lösung“46 im Vergleich zum flexiblen SPE-Modell angesehen.

II. Inhalt des Vorschlags

Die Reflection Group erwägt zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Tätigkeit einen grundlegend anderen Ansatz als das SPE-Statut. Die Grundlage des neuen Vorschlags ist die Erkenntnis, dass trotz der vielfältigen Rechtsformen in Europa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung die am häufigsten genutzte Rechtsform ist.47 Aus diesen Gründen sollten die hierzu bestehenden Regeln so weit wie möglich angeglichen werden. Dabei soll insbesondere eine Verschlankung der Gründungsformalitäten erfolgen.

Im Bewusstsein der Schwierigkeiten einer materiellen Angleichung des GmbH-Rechts auf Unionsebene beschränkt sich die Reflection Group auf die ←35 | 36→Regelungen zur Einpersonengesellschaft. Diese soll durch bestimmte, materiell harmonisierte Regelungen einen ersten Ansatz zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität von KMU sowie von Unternehmensgruppen bieten. Diese Einsatzmöglichkeiten könnten zwar bereits durch die SPE erfüllt werden.48 Der Charme der vereinfachten Einpersonengesellschaft liege jedoch darin, dass das Ziel der Förderung grenzüberschreitender Tätigkeit auf europäischer Ebene auf diesem Wege relativ einfach realisiert werden könne: Dieser Weg sei eine Richtlinie, welche die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, eine Mustersatzung für Einpersonen-GmbHs zur Verfügung zu stellen, welche die Kernbereiche der Gründung und Organisationsverfassung regelt. Obwohl die Wesenszüge der Einpersonengesellschaft auf europäischer Ebene harmonisiert werden würden, bliebe die ursprüngliche Struktur, wie sie im jeweiligen Mitgliedstaat angelegt ist, erhalten.49

Hinsichtlich der Organisationsverfassung ergäben sich wesentliche Erleichterungen: Mangels formell einzuberufender Gesellschafterversammlungen genüge ein schriftlicher Beschluss des Alleingesellschafters. Die Einrichtung eines Geschäftsführungsorgans wie ein „Board of directors“ wäre überflüssiger Formalismus, denn der Alleingesellschafter bestimme das Geschehen in der Single Member Company allein. Es bedürfe jedoch einer tiefergehenden Analyse, welche Regelungen für die Einpersonengesellschaft entbehrlich seien beziehungsweise optional von den Mitgliedstaaten verlangt werden dürfen.50 Regeln zum Minderheitenschutz, internen Interessenkonflikten und zur GmbH in der Krise (z.B. Squeeze-outs, Austrittsrechte) seien aufgrund der Stellung als Alleingesellschafter allerdings naturgemäß nicht zu treffen.51

Die rechtsinstrumentale Umsetzung könnte entweder durch eine Ergänzung der Zwölften Richtlinie zur Einpersonengesellschaft erfolgen oder durch die Einführung einer separaten Richtlinie, mit welcher die Mitgliedstaaten zur Schaffung einer solchen Single Member Company verpflichtet werden.52

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C. Verfahren in der Europäischen Kommission

Dieser Idee eines vereinfachten Regimes zur Einpersonengesellschaft wurde zunächst jedoch kaum Beachtung geschenkt.53 Dass der Vorschlag der Reflection Group ernst genommen wurde, zeigt sich erst in einer breit angelegten, öffentlichen Konsultation zur Zukunft des Europäischen Gesellschaftsrechts, in der sich die Europäische Kommission von den Interessenkreisen – darunter Behörden, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Investoren, Wissenschaftler und interessierte Bürger – Stellungnahmen zu verschiedenen Bereichen des Europäischen Gesellschaftsrechts einholte, um den aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Europäischen Binnenmarkt gerecht zu werden.54 Für den Fall der SPE beziehungsweise bei der Suche nach einer Alternative zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von KMU waren die Lager gespalten: Während die eine Seite sich für die Fortführung der Arbeiten an der SPE stark machte55, suchte die Gegenseite nach Alternativen zur SPE – nach etwas Neuem, das in dieser Phase noch nicht direkt benannt wurde, jedoch vermuten lässt, dass die Idee der Reflection Group aufgegriffen werden sollte.56 Im Ergebnis brachte die Konsultation gleichwohl keine stichhaltige Aussage.57

Im Dezember 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission sodann den Aktionsplan 2012 für Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, in dem 16 Initiativen in Form von Richtlinien beziehungsweise Richtlinienänderungen, Leitlinien oder Analysen zu gesellschaftsrechtlichen Fragen ←37 | 38→und Corporate Governance Regeln vorgestellt wurden.58 Insbesondere sollte die Transparenz und die Einbeziehung der Aktionäre, etwa zur Überwachung der Vergütungspolitik und Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen (related party transactions) verbessert sowie das Wachstum von Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit durch grenzüberschreitende Geschäfte europäischer Unternehmen gefördert werden.59

Im Hinblick auf die Schaffung von flexiblen Rechtsformen für kleine und mittelständische Unternehmen setzt sich die Kommission zum Ziel, weiterhin am Follow-up zum SPE-Vorschlag zu arbeiten, und den Mitgliedstaaten „einfache, flexible und in Europa gut bekannte Regeln an die Hand zu geben und ihre Kosten zu senken“60.

Details

Seiten
416
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631773666
ISBN (ePUB)
9783631773673
ISBN (MOBI)
9783631773680
ISBN (Hardcover)
9783631773468
DOI
10.3726/b14889
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 414 S.

Biographische Angaben

Andrea Götz (Autor:in)

Andrea Götz, geb. Fröhlich, studierte Rechtswissenschaften sowie Europä-isches Recht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sie war von 2013 bis 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Gesellschaftsrecht bei Prof. Dr. Christoph Teichmann tätig, von wo aus auch die Promotion erfolgte

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