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Die Sprache in zentralen militärischen Dienstvorschriften der Bundeswehr

von Christian F. Arsan (Autor:in)
©2017 Dissertation 213 Seiten

Zusammenfassung

Auf der Basis von authentischem dienstlichem Textmaterial untersucht der Autor, wie in der Bundeswehr kommuniziert wird und ob es eine eigene «militärische» Sprache gibt. Anhand von zentralen militärischen Dienstvorschriften der Bundeswehr arbeitet er prototypische Phänomene dieser Textart heraus, um die Existenz einer fachbezogenen militärischen Sprache belegen zu können. Dabei ergeben sich überraschende sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auch den außermilitärischen Bereich betreffen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. „Lage, Auftrag, Durchführung“ – eine Einleitung
  • 2. Stand der Forschung und Methode
  • 3. Die schriftliche Militärsprache
  • 3.1 Das Militär – eine Institution?
  • 3.2 Der Textbegriff
  • 3.3 Militärische Texte der Bundeswehr – Einordnung, Überblick und grundlegende Merkmale
  • 3.4 Die ‚Vorschrift‘ im militärischen Kontext
  • 4. Dienstliche ‚Publikationen‘ der Bundeswehr: das Korpus
  • 4.1 Auswahlbegründung und Beschreibung
  • 4.2 Zentrale Regelungen: Zentrale Dienstvorschriften (ZDv) und Zentralrichtlinie
  • 4.3 Besondere Anweisung (BesAn): die ‚Druckschrift Einsatz‘ (DE)
  • 5. Analyse der militärischen Vorschriften
  • 5.1 Wissenschaftliche Grundlagen
  • 5.1.1 Kommunikationsmaximen
  • 5.1.2 Textlinguistik und Pragmatik
  • 5.1.3 Entfaltungsformen von Textthemen
  • 5.2 Vorgehen und Methode
  • 5.3 Die militärische Vorschrift – ein ‚militärischer Text‘?
  • 5.4 Pragmalinguistische Untersuchung der Regelungen
  • 5.4.1 Zentrale Dienstvorschriften und Zentralrichtlinie
  • 5.4.1.1 Primäre Textfunktion und allgemeiner Kontext
  • 5.4.1.2 Textkomposition und Textdesign
  • 5.4.1.3 Kommunikationsform und Handlungsbereich
  • 5.4.1.4 Entfaltung des Themas
  • 5.4.2 ‚Druckschriften Einsatz‘
  • 5.4.2.1 Primäre Textfunktion und allgemeiner Kontext
  • 5.4.2.2 Textkomposition und Textdesign
  • 5.4.2.3 Kommunikationsform und Handlungsbereich
  • 5.4.2.4 Entfaltung des Themas
  • 5.5 Sprachliche Besonderheiten
  • 5.5.1 Wortschatz und Wortbildung
  • 5.5.1.1 Grundlegende fachbezogene Terminologie
  • 5.5.1.2 Komposita
  • 5.5.1.3 Kurzwörter und Abkürzungen
  • 5.5.1.4 Fachbezogene Fremdwörter
  • 5.5.1.5 Wortschatz und Wortbildung – Gesamtbetrachtung
  • 5.5.2 Syntax
  • 5.5.2.1 Druckschriften Einsatz
  • 5.5.2.2 Zentrale Dienstvorschriften und Zentralrichtlinie
  • 6. ‚Die‘ militärische Vorschriftensprache: korpusbezogene Auswertung
  • 6.1 Direktiva in der militärischen Vorschriftensprache
  • 6.1.1 Realisierungsformen direktiver Sprechakte
  • 6.1.1.1 Modus Imperativ und Substantivierung des Verbs
  • 6.1.1.2 Modalisierte Deklarativsätze
  • 6.1.1.3 Einfache Deklarativsätze
  • 6.1.1.4 Besondere Verwendungsweise von Verben
  • 6.1.2 Frequenz konkreter Realisierungsformen direktiver Sprechakte in den militärischen Regelungen
  • 6.2 Gesamtbetrachtung direktiver Elemente
  • 7. Die Sprache in den militärischen Regelungen als fachbezogene Sprache
  • Abkürzungs- und Kurzwortverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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1.  „Lage, Auftrag, Durchführung“1 – eine Einleitung

„Wer klare Begriffe hat, kann befehlen.“
Johann Wolfgang von Goethe2

Gerade in militärischen Kontexten wird eine eindeutige und direktive Kommunikation als essenzieller Bestandteil von erfolgreicher Führung gesehen. Nicht zuletzt deswegen wird schon bei der Ausbildung von militärischem Führungspersonal auf die Aneignung und Förderung kommunikativer Kompetenz besonderes Augenmerk gelegt3. Dieser Anspruch sollte sich jedoch nicht nur in offensichtlichen, verbalen Kommunikationsakten zeigen, sondern muss sich auch in militärischen Texten finden – sind diese doch die Grundlage und Referenz für kommunikatives Handeln im militärischen Kontext.

Die Basis allen Handelns in und von staatlichen Institutionen, gerade der Exekutivorgane, sind in der Regel juristische beziehungsweise institutionelle Leitlinien. Ob Gesetze, Vorschriften, Weisungen, Befehle oder Erlasse – keine staatliche Administration kann ohne die schriftliche Fixierung von Normen und Regelungen und deren Aufrechterhaltung dauerhaft bestehen. Da die Exekutivorgane eine zentrale Funktion im Machtgefüge einnehmen, werden ihnen für bestimmte dienstliche Belange eigene und grundlegende Verfahrens- und Verhaltensrichtlinien4 zugestanden – beziehungsweise auferlegt. Neben Gesetzen, die allgemeine Normierungen darstellen, werden bei den deutschen Sicherheitsbehörden Richtlinien, die den täglichen Dienstablauf regeln, in zentralen ← 11 | 12 → dienstlichen Vorschriften und Reglements gesammelt. Sie dienen einerseits als Orientierungshilfen, sind andererseits aber auch für die Angehörigen der entsprechenden Organe verbindliche Regelungen.

In der Bundeswehr werden Reglements dieser Art beispielsweise als ‚Zentrale Dienstvorschriften‘ oder ‚Druckschriften Einsatz‘ bezeichnet. In ihnen werden die grundlegenden Verhaltensnormen für Soldatinnen und Soldaten festgehalten. Als eine Art Sammlung von Handlungsanweisungen decken sie Bereiche wie das militärische Auftreten, das Zusammenleben, die soldatischen Normen und Tugenden oder das Verhalten im Einsatz ab. Ergänzt werden diese Vorschriftenarten von weiteren sprachlichen und nicht-sprachlichen Direktiva, die sich jeweils auf besondere Kontexte beziehen. Das Spektrum reicht hier von mündlichen Kommandos über schriftliche Anweisungen bis hin zu Flaggensignalen5.

Bedingt durch den Transformationsprozess, ein Restrukturierungsvorgang in der Bundeswehr, wird zurzeit das Vorschriftenkorpus der Bundeswehr überarbeitet, modifiziert und modernisiert. Im Rahmen dieser Revision werden einige Texte nicht mehr als ‚Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“6 klassifiziert. Dies erleichtert den Zugang und ermöglicht eine wissenschaftliche Betrachtung.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, anhand ausgewählter Texte aus dem Gebiet der militärischen Regelungen sprachliche Merkmale und Besonderheiten auszumachen und darzustellen, die für den Bereich des schriftsprachlichen Handelns in der Vorschriftensprache der Bundeswehr als für diese Textart charakteristisch gelten dürfen. Das Hauptinteresse liegt dabei auf der Realisierung von direktiven Sprechakten.

Mangels angemessener linguistischer Untersuchungen mit wissenschaftlichem Fundament auf dem Gebiet des kommunikativen Handelns in militärischen Kontexten7 wird die vorliegende Arbeit eine Art Grundlagenforschung ← 12 | 13 → für den Bereich des schriftlichen militärsprachlichen Handelns leisten müssen. Dabei müssen auch Methoden gefunden werden, die für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit militärischen Texten geeignet sind.

Da sich die Bundeswehr in der Gemengelage zwischen Verwaltung und Jurisprudenz, Technik und Militär befindet, wird im Rahmen dieser Untersuchung zunächst geklärt werden, wo genau die schriftliche Militärsprache verortet werden kann. Hierbei erfolgt zunächst die Auseinandersetzung mit dem institutionellen Begriff ‚Militär‘ sowie mit dem Textbegriff; eine Übersicht über militärische Texte und die nähere Betrachtung der ‚Vorschrift‘ im militärischen Umfeld komplettiert diese erste Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand.

Anhand eines repräsentativen Korpus, das authentisches dienstliches Textmaterial aus den vergangenen 32 Jahren beinhaltet, erfolgt eine umfassende pragmalinguistische Untersuchung ausgewählter Regelungen. Analysiert werden sogenannte ‚Zentrale Dienstvorschriften‘ sowie eine ‚Zentralrichtlinie‘. Dadurch wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen älteren und aktuellen Vorschriften herrschen. Diese Auswahl ergänzen die ‚Druckschriften Einsatz‘; diese – auch ‚Taschenkarten‘ genannten Texte – sind gedruckte Heftchen, die für den militärischen Ernstfall verfasst wurden und in denen detaillierte Informationen und Handlungsanweisungen für besondere Situationen zu finden sind. Sie gehören nicht zu den ‚Zentralen Dienstvorschriften‘, beinhalten aber essentielle Verhaltensnormen, die speziell für den Einsatz ausgelegt sind. Alle Reglements sind für den täglichen Dienst in den Streitkräften von grundlegender Bedeutung.

Auf der Grundlage dieser analytischen Darstellung erfolgt die Auswertung des sprachlichen Handelns in militärischen Vorschriften der Bundeswehr. Hierbei sollen erstmals die besonderen sprachlichen Merkmale in den dienstlichen Regelungen der deutschen Streitkräfte herausgearbeitet und dargestellt werden. Einer der zentralen Untersuchungsgegenstände werden die Realisierungsformen sein, mit denen direktive Sprechakte ausgedrückt werden. Abschließend ist zu klären, ob die militärischen Dienstvorschriften vor dem Hintergrund der Untersuchung eine ‚besondere‘ Textart darstellen und ob die Sprache in Vorschriften dieser Art womöglich Merkmale einer eigenständigen fachgebundenen Sprache aufweist, die als solche in der linguistischen Forschung noch nicht erfasst ist. ← 13 | 14 →


1 Diese Formulierung entstammt der Informationsabfolge eines Befehls: Lage – Auftrag – Durchführung – Logistik/Versorgung und Personal – Führung und Fernmeldewesen; vgl. u. a. Zentralrichtlinie A2-221/0-0-1291 (Gefechtsdienst aller Truppen), 7.7, 6 (S. 370–372).

2 Goethe, Johann Wolfgang von: Maximen und Reflexionen. Aphorismen und Aufzeichnungen. Nach den Handschriften des Goethe- und Schiller-Archivs, hrsg. von Hecker, Max. Aus dem Nachlass. Über Literatur und Leben. XI, 733.

3 Im Ausbildungscurriculum für Unteroffiziere, Feldwebel und Offiziere finden sich Unterrichtseinheiten, die das Thema ‚Kommunikation‘ (teilweise sehr detailliert) beleuchten. Gerade in der Offizierausbildung sind hier zahlreiche Stunden angesetzt. Vgl. hierzu die Ausbildungskonzeptionen und Lehrgangscurricula der Bundeswehr zum Thema ‚Rhetorik und Kommunikation‘, ‚Menschenführung‘ oder ‚Interkulturelle Kommunikation‘.

4 Zudem sind sie häufig auch Sanktionierungsgrundlage bei Nichteinhaltung derselben.

5 Diese sprech-sprachlichen Äußerungen werden im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht näher betrachtet.

6 VS – NfD“ ist die niedrigste Sicherheitsstufe für sicherheitsrelevante Dokumente. Daneben gibt es die höheren Einstufungen (vgl. Kap. 3.3). Damit soll einem Missbrauch der Informationen durch Dritte vorgebeugt werden. Ziel ist immer der Geheimschutz und damit die Aufrechterhaltung der Handlungs- und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr (vgl. u. a. ZDv 2/30).

7 Bisher erschienen zu diesem Gegenstand lediglich kleinere Aufsätze (vgl. dazu Hanssen/Klein/Sauer 1981, Vigener 2000 und Michel 2009) sowie eine – leider wenig systematische und oberflächliche – Monografie zur Sprachpraxis der Bundeswehr (vgl. Slater 2015).

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2.  Stand der Forschung und Methode

Die Fachsprachenlinguistik hat sich in den letzten Jahrzehnten ausführlich der Entdeckung, Erkundung und Erforschung fachlicher Kommunikation gewidmet8.

Arbeitsteilige Gemeinschaften basieren auf der Ab- und Eingrenzung von Handlungs- bzw. Tätigkeitsfeldern. Das bedeutet, dass man in der Begrenzung von ‚Arbeitsräumen‘ auch tätigkeitsorientierte „Kommunikationsräume“ (Kalverkämper 1998a: 6)9 schafft, in denen ein Austausch und eine Weitergabe von Erfahrungen das Tun bzw. die Tätigkeit betreffend stattfinden kann. Dies geschieht bestenfalls nach Prinzipien, die gewährleisten, dass das Wissen möglichst exakt weitergegeben wird und dem Rezipienten wesentliche Kenntnisse verständlich und auf eine explizite Art und Weise vermittelt werden. Zudem sollte die Ökonomie im Sinne eines ‚So viel wie nötig und so wenig wie möglich‘ auf der sprachlichen Ebene angemessen berücksichtigt werden (vgl. Kap. 5.5.2); denn „Sprache [ist] als soziale Erscheinung in erster Linie Verständigungsmittel“ (Oksaar 1998: 397)10. Gerade im Hinblick auf die Fachlichkeit soll und muss die Kommunikation über kontextuelle Inhalte effizient, ökonomisch und vor allem ein-eindeutig sein11.

Das Arbeitsumfeld wird dadurch zunehmend zum „Handlungsumfeld des Fachmanns (Experten, Spezialisten, Sachverständigen)“ (Kalverkämper 1998a: 6). Diesem Feld können Eigenschaften zugeordnet werden, die sich wiederum auf die sprachlichen Dispositionen übertragen – wie Zielgerichtetheit/Resultatbestimmtheit, methodische Ordnung, Orientierung auf Erkenntnisgewinn und Effizienz (Gesichtspunkt der Ökonomie), theoretische Fundierung und Praxisorientierung (vgl. ebd.). Je spezialisierter das Handeln in arbeitsteiligen Sozietäten wird, desto eher ‚spezialisiert‘ sich kommunikatives Handeln12. Damit erlebt Fachlichkeit „eine kommunikative Qualität“ (Kalverkämper 1998b: 32)13. ← 15 | 16 →

Das ‚Fach‘ wird also zur Grundlage für ‚Fachsprache‘. Allerdings sollte bedacht werden, dass der Begriff ‚Fach‘ nicht eindeutig im Sinne einer Abgrenzung gegen andere Fächer verstanden werden kann; durch die Einbettung der Tätigkeit-Objekt-Relation in ein Fachgebiet muss er „vielmehr prozessual, dynamisch, funktional“14 begriffen werden. Schließlich gibt es zahlreiche Überschneidungssituationen bei Begrifflichkeiten, die in unterschiedlichen ‚Fach‘-Gebieten dasselbe meinen, in weiteren aber Wörter für die Beschreibung gänzlich anderer Objekte oder Abläufe sind15.

Tatsächlich wird mit einem dynamischen Verständnis von Fach auch das Wesen der ‚Fachsprache‘ an sich pragmatisch-funktional.

Details

Seiten
213
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631719961
ISBN (ePUB)
9783631719978
ISBN (MOBI)
9783631719985
ISBN (Hardcover)
9783631719848
DOI
10.3726/b10959
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Schlagworte
Militärsprache Vorschriften Militär Direktiv Kurzwort Kompositum
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 213 S., 20 farb. Abb., 9 s/w Tab.

Biographische Angaben

Christian F. Arsan (Autor:in)

Christian F. Arsan studierte Germanistik, Geschichte, Erziehungswissenschaften und Deutsch als Fremdsprachenphilologie. Er lehrt an der Universität Regensburg sowie an der Ostbayerischen Technischen Hochschule und ist Lehrstabsoffizier im Bereich der Führungskräfteausbildung der Bundeswehr.

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