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Die freie Anwaltswahl

Grundlagen im Verfahrensrecht und Reichweite im Rechtsschutzversicherungsrecht.

von Burkard Lensing (Autor:in)
©2019 Dissertation 476 Seiten

Zusammenfassung

Das Recht auf freie Anwaltswahl ist ein Verfahrensrecht. Inhaltlich ist es ein Stück Gerichtsverfassungsrecht. Es schützt die unabhängige Rechtspflege. Gesetzliche Regelungen des Rechtes finden sich jedoch nicht im GVG, sondern im anwaltlichen Berufsrecht (§ 3 Abs. 3 BRAO) und privaten Versicherungsrecht (§ 127 VVG). Der BGH versteht die freie Anwaltswahl nicht als Verfahrensrecht, sondern als Freiheitsrecht des Rechtsuchenden. Ein mittelbarer Eingriff in das Freiheitsrecht läge vor, wenn dem Rechtsuchenden die Ausübung des Wahlrechtes tatsächlich unmöglich gemacht wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Danksagung
  • Übersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Teil I: Aufriss und Grundfragen
  • A. Wirtschaftliche Ausgangslage
  • I. Der bundesdeutsche Markt
  • II. Der europäische Rechtsdienstleistungsmarkt
  • III. Gewandeltes Selbstverständnis: Vom Kostenerstatter zum Kümmerer
  • 1. Gescheitertes Bemühen um eine Rechtsdienstleistungsversicherung
  • 2. Abwartende Schadenabwicklung (passives Schadenmanagement)
  • 3. Gestaltende Schadenabwicklung (aktives Schadenmanagement)
  • a. Erwartung des Rechtsschutzsuchenden: Begleitung und Unterstützung
  • b. Leitbild: Gestaltende Schadenabwicklung in der Kraftfahrtversicherung
  • c. Gestaltende Schadenabwicklung in der Rechtsschutzversicherung
  • B. Die rechtliche Ausgangslage
  • I. Das Recht auf die freie Anwaltswahl und § 127 VVG: ein erster Blick
  • 1. § 127 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO
  • a. Halbzwingendes, zwingendes und nachgiebiges Recht
  • b. Rechtsbekundende oder rechtsbegründende Vorschrift
  • c. Anwaltswahl und Anwaltszwang
  • 2. § 127 VVG und § 125 VVG
  • 3. § 127 VVG und die RSV-RL
  • II. Forschungsstand
  • 1. Die freie Anwaltswahl im Spiegel von Rechtsprechung und Schrifttum
  • 2. Wandlung der Versicherer im Spiegel von Rechtsprechung und Schrifttum
  • a. Rechtsdienstleistungsversicherung
  • b. Abwartende Schadenabwicklung (passives Schadenmanagement)
  • c. Gestaltende Schadenabwicklung (aktives Schadenmanagement)
  • aa. Die Frage der Vorteilsgewährung
  • bb. Die Frage der Zwangsschlichtung
  • 3. Freie Anwaltswahl in der Rechtsprechung des EuGH
  • III. Fragen über Fragen
  • Teil II Grundlagen: Gestaltungsmacht des Versicherers und freie Anwaltswahl des Versicherungsnehmers
  • A. Nachteil für den Versicherungsnehmer (halbzwingendes Recht)
  • I. Gestaltungsfreiheit des Versicherers und freie Anwaltswahl
  • 1. Lehre vom Vorrang der Gestaltungsfreiheit
  • 2. Lehre vom zwingenden Vertragsinhalt
  • 3. Stellungnahme
  • II. Tatbestand
  • 1. Wortlaut
  • 2. Entstehungsgeschichte der freien Anwaltswahl
  • a. Vormoderne: Selbstbehauptungsrecht und Selbstbehauptungspflicht
  • b. Das Projekt der Moderne: Aufklärung, Revolution und subjektives Recht
  • aa. Abschaffung der Advokatur in Preußen: Assistenzräte und Justizkommissare
  • bb. Rechtsanwaltsordnung vom 1.07.1878 im Kaiserreich
  • cc. Reichsjustizgesetze und neu geordnetes Verfahrensrecht im Kaiserreich
  • dd. Freie Anwaltswahl als ein Stück Gerichtsverfassungsrecht
  • c. Nationalsozialismus
  • aa. Reichsrechtsanwaltsordnung (1936)
  • bb. Zulassungsbeschränkung
  • cc. RBerG (1935)
  • d. Nachkriegszeit und Europäische Union
  • aa. § 2 Abs. 2 RAO der britischen Zone (1949)
  • bb. Art. 103 Abs. 1 GG (1949)
  • cc. Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK (1953)
  • (1) Fair Hearing und due process
  • (2) Art. 6 EMRK
  • (3) Recht auf anwaltlichen Beistand
  • dd. Bundesrechtsanwaltsordnung (1959)
  • ee. Streit um das anwaltlich vermittelte Gehör (1959)
  • ff. § 13 Abs. 1 und 3 GVG/DDR 1974
  • gg. Art. 4 Abs. 1 a RSV-RL (1987)
  • hh. § 158 m VVG (1990)
  • ii. § 4 RDG – lex Rechtsschutzversicherung (2008)
  • jj. Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 47 GRCh (2009)423
  • 3. Bedeutungszusammenhang
  • a. § 3 Abs. 3 BRAO und § 127 VVG
  • b. Anwaltswahl und Anwaltszwang
  • c. Anwaltswahl als Verfahrensrecht
  • 4. Zweck: Schutz der unabhängigen Rechtspflege
  • 5. Verfassungsgerechte Auslegung
  • a. Recht auf ein faires Verfahren
  • b. Recht auf anwaltlich vermitteltes Gehör
  • c. Stellungnahme
  • aa. Waffengleichheit
  • bb. Notanwalt
  • cc. Wechselspiel zwischen Anwaltswahl und Anwaltszwang
  • dd. Anwaltszwang als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
  • ee. Unionsrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes
  • (1) Grundsatz der Unionsrechtsfreundlichkeit
  • (2) Anwendungsbereich der europäischen Grundrechte nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCH
  • (a) BVerfG: Lehre von der strengen Trennung der Grundrechtsschichten
  • (b) EuGH: Lehre von der Doppelgeltung der nationalen und unionalen Grundrechte
  • (c) Stellungnahme
  • (3) Freie Anwaltswahl nach Art. 47 GRCh
  • ff. Völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes
  • 6. Richtliniengerechte Auslegung
  • a. Europäischer Entstehungshintergrund des § 127 VVG
  • b. Einschränkende Auslegung
  • aa. Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren
  • bb. Widerstreit der Interessen
  • cc. Stellungnahme
  • III. Beeinträchtigung der Wahlfreiheit und Rechtfertigung
  • 1. Wahlfreiheit
  • a. Gegenstand der Wahl: ein Rechtsanwalt
  • b. Inhalt der Wahl: Freie Wahl
  • aa. Wortsinn
  • bb. Entstehungsgeschichte: GVG und RSV-RL
  • cc. Bedeutungszusammenhang
  • dd. Sinn und Zweck
  • ee. Unionsrechtsgerechte Auslegung
  • (1) Richtliniengerechte Auslegung
  • (a) Richtliniengerechte Auslegung der überschießenden Regelung des § 127 Abs. 1 S. 2 VVG
  • (2) Europäische Grundrechte
  • c. Beeinträchtigung
  • aa. Jedwede Beeinflussung
  • bb. Unmittelbare Verletzungshandlung
  • cc. Mittelbare Verletzung: tatsächliche Unmöglichkeit
  • (1) Tatsächliche Hemmnisse und Hindernisse
  • (a) Lenkungs- und Ablenkungsklauseln (Handlungszweck)
  • (b) Äußere und innere Entscheidungshemmnisse
  • (c) Vorenthaltenes Wissen (Entscheidungsgrundlage)
  • (d) Nachhaltige Lenkung (Schwere der Beeinflussung)
  • (e) Die Lehre von der Schwelle zur Abschreckung
  • (f) Das Aushöhlungsverbot des EuGH
  • (2) Rechtliches Hindernis: Rechtlich unerwünschte Willensbeeinflussung
  • (a) Die Lehre vom seelisch-geistig vermittelten Zwang (Nötigung) des BGH
  • (b) Die Lehre vom vorenthaltenen Wissen (Täuschung)
  • 2. Rechtfertigung
  • a. Rechtsgrundsatz und Rechtsregel
  • b. Belange der Rechtspflege
  • IV. Rechtsfolge
  • 1. Nachteilige Abweichung
  • a. Gesamtwürdigung
  • b. Einzelfallbetrachtung
  • c. Stellungnahme
  • 2. Zwingender Vertragsinhalt
  • a. Wahlrecht des Versicherungsnehmers
  • b. Unwirksamkeit, Nichtigkeit und Verbotsgesetz
  • aa. Unwirksamkeit wegen fehlender Verfügungsmacht
  • bb. Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung
  • cc. Nichtigkeit wegen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz
  • dd. Stellungnahme
  • (1) Verbotsrecht und zwingendes Recht
  • (2) An den Rechtsfolgen ausgerichtete Auslegung
  • (3) Vertragsgleichgewicht: Nachteilsprüfung und Angemessenheitsprüfung
  • V. Freie Anwaltswahl und freiwilliger Verzicht
  • 1. Verzicht
  • a. Verzicht und zwingendes Recht
  • b. Verzicht auf eine unabhängige Rechtspflege
  • 2. Höchstpersönliches Recht
  • VI. Die freie Anwaltswahl als Rechtsgrundsatz
  • B. Unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (AGB-Recht)
  • I. Angemessenheitsprüfung neben Nachteilsprüfung
  • 1. Lehre vom Nebeneinander
  • 2. Lehre vom Vorrang halbzwingenden Rechts
  • 3. Vorläufige Stellungnahme
  • II. Auslegung von Versicherungsbedingungen
  • 1. Die Sicht des Rechtsanwenders
  • 2. Die Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers
  • III. Ziff. 4.1.3 ARB 2012 als mehrdeutige Bedingung
  • IV. Grundgedanke des gesetzlichen Leitbilds
  • 1. § 127 VVG als gesetzliches Leitbild
  • a. Halbzwingendes Recht als taugliches Leitbild
  • b. Halbzwingendes Recht als eigenständiger Prüfungsmaßstab
  • c. Vorläufige Stellungnahme
  • 2. § 3 Abs. 3 BRAO als gesetzliches Leitbild
  • a. Rechtsgrundsatz der freien Anwaltswahl
  • b. Öffentlich-rechtliches Leitbild
  • c. Stellungnahme
  • V. Antworten über Antworten
  • Teil III: Gestaltungsmacht des Versicherers in der gestaltenden Schadenabwicklung
  • A. Nachteil für den Versicherungsnehmer (halbzwingendes Recht)
  • I. Beeinträchtigende Bedingungen
  • 1. Empfehlung und Vermittlung
  • a. Empfehlung eines Vertragsanwaltes
  • b. Anwalt auf Verlangen
  • c. Notanwalt
  • 2. Telefonieklauseln
  • a. Einfache Telefonieklauseln
  • b. Strenge Telefonieklauseln
  • c. Erweiterte Telefonberatung
  • aa. Beeinträchtigung durch Beeinflussung
  • bb. Mittelbare Verletzung der freien Anwaltswahl
  • (1) Tatsächliches Hindernis: Abschreckung und Aushöhlung
  • (2) Rechtliches Hindernis: Rechtlich unerwünschte Willensbeeinflussung
  • 3. Streitschlichtungsklauseln
  • a. Einfache Streitschlichtungsklauseln
  • b. Strenge Streitschlichtungsklauseln
  • 4. Inkassoklauseln
  • 5. Obliegenheiten
  • a. Abstimmungsobliegenheit
  • b. Kostenminderungsobliegenheit
  • c. Strenge Streitschlichtungsklausel
  • aa. Verhüllte Obliegenheit
  • bb. Abweichung von §§ 28 Abs. 2 S. 2, 3 VVG
  • 6. Wagnisausschluss
  • a. Kreis der Rechtsanwälte
  • b. Ortsansässiger Rechtsanwalt
  • c. Anwaltswechsel
  • 7. Belohnungsklauseln
  • a. Wahltarife
  • b. Geldwerter Vorteil
  • aa. Verzicht auf den Selbstbehalt
  • (1) Beeinträchtigung durch Beeinflussung
  • (2) Mittelbare Verletzung der freien Anwaltswahl
  • (a) Tatsächliches Hindernis: Abschreckung und Aushöhlung
  • (b) Rechtliches Hindernis: Rechtlich unerwünschte Willensbeeinflussung
  • bb. Nachlass wegen Schadenfreiheit
  • (1) Beeinträchtigung durch Beeinflussung
  • (2) Mittelbare Verletzung der freien Anwaltswahl
  • (a) Tatsächliches Hindernis: Abschreckung und Aushöhlung
  • (b) Rechtliches Hindernis: Rechtlich unerwünschte Willensbeeinflussung
  • II. Rechtsfolge
  • 1. Nachteil
  • 2. Zwingender Vertragsinhalt
  • 3. Besonderheiten einzelner Bedingungen
  • a. Widerstreitende halbzwingende Vorschriften
  • aa. Die halbzwingende Schadensminderungspflicht nach §§ 82, 87 VVG
  • bb. Die halbzwingenden Obliegenheitsvorschriften nach §§ 28, 32 VVG
  • (1) Lehre von der Rechtsfolgenergänzung
  • (2) Lehre von der Unteilbarkeit einer Obliegenheit
  • (3) Stellungnahme
  • b. Der Strich mit dem Bleistift (blue pencil test)
  • c. Ergänzende Vertragsauslegung
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Besondere Grenzen der Gestaltungsmacht
  • I. Vertrag zulasten Dritter
  • II. Verbotsgrenzen des Berufsrechts
  • III. Verbotsgrenzen für die gestaltende Schadensabwicklung durch das RDG
  • 1. Empfehlung, Vermittlung und Beauftragung eines Vertragsanwaltes
  • 2. Telefonieklauseln
  • a. Einfache Telefonieklauseln
  • b. Strenge Telefonieklauseln
  • 3. Inkassoklauseln
  • 4. Streitschlichtungsklauseln
  • a. Mediation
  • b. Pendelmediation
  • IV. Verbotsgrenzen des MediationsG
  • V. Schriftform für Streitschlichtungsklauseln nach § 1031 ZPO
  • 1. Abgeschwächte Schriftform in unmittelbarer Anwendung des § 1031 Abs. 1 ZPO
  • 2. Abgeschwächte Schriftform in entsprechender Anwendung des § 1031 Abs. 1 ZPO
  • 3. Strenge Schriftform in Verbraucherverträgen nach § 1031 Abs. 5 ZPO
  • VI. Zwischenergebnis
  • C. Unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (§ 307 BGB)
  • I. Angemessenheitsprüfung neben Nachteilsprüfung
  • II. Prüfung der wirksamen Einbeziehung
  • 1. Ziff. 4.1.3 ARB 2012
  • 2. Strenge Telefonieklauseln
  • 3. Strenge Streitschlichtungsklauseln
  • 4. Strenge Inkassoklauseln
  • 5. Rechtsfolge: Einbeziehung und Nachteil
  • III. Reichweite der inhaltlichen Prüfung: abweichende oder ergänzende Regelung
  • 1. Erlaubnis zur Rechtsgestaltung als abweichende Regelung
  • 2. Gesetzeswiederholende Bedingung
  • 3. Preisbestimmung
  • a. Wahltarife
  • b. Verzicht auf den Selbstbehalt
  • c. Nachlass wegen Schadenfreiheit
  • 4. Rechtsfolge: Abweichung und Nachteil
  • IV. Inhaltliche Prüfung: Angemessenheit
  • 1. Prüfungsmaßstab halbzwingendes Recht
  • 2. Unangemessene Benachteiligung
  • a. Empfehlung und Vermittlung
  • aa. Empfehlung eines Vertragsanwaltes
  • bb. Anwalt auf Verlangen
  • cc. Notanwalt
  • b. Telefonieklauseln
  • aa. Einfache Telefonieklauseln
  • bb. Strenge Telefonieklauseln
  • cc. Erweiterte Telefonberatung
  • c. Streitschlichtungsklauseln
  • aa. Einfache Streitschlichtungsklauseln
  • (1) Gesetzliches Leitbild des § 127 VVG: freie Anwaltswahl
  • (2) Gesetzliches Leitbild des § 2 Abs. 1 MediationsG: freie Mediatorenwahl
  • (3) Gesetzliches Leitbild des § 1 Abs. 1 MediationsG: Unabhängigkeit
  • bb. Pendelmediation
  • cc. Strenge Streitschlichtungsklauseln
  • (1) Verhüllte Obliegenheit
  • (2) Klarheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
  • (a) Lehre von der Geringfügigkeit
  • (b) Lehre vom strengen Klarheitsgebot
  • (c) Stellungnahme
  • (3) Gesetzliches Leitbild der §§ 28 Abs. 2 S. 2 Abs. 3 VVG: Teilweise Leistungsfreiheit
  • (4) Gesetzliches Leitbild: Begriff der Obliegenheit
  • (5) Gesetzliches Leitbild des § 127 VVG: freie Anwaltswahl
  • (6) Gesetzliches Leitbild des § 2 Abs. 1 MediationsG: freie Mediatorenwahl
  • (7) Gesetzliches Leitbild des § 1 Abs. 1 MediationsG: Unabhängigkeit
  • (8) Gesetzliches Leitbild des § 1 Abs. 1 MediationsG: Freiwilligkeit
  • (9) Gesetzliches Leitbild des Anhangs 1 q der Klausel-RL: Erschwerter Zugang zum Recht
  • (10) Gesetzliches Leitbild des § 125 VVG: Wahrnehmung rechtlicher Interessen
  • (11) Vertragszweckgefährdung nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB
  • d. Inkassoklauseln
  • e. Obliegenheiten
  • aa. Abstimmung Kosten verursachender Maßnahmen Ziff. 4.1.1.3 ARB 2012
  • (1) Klarheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
  • (2) Gesetzliches Leitbild: Begriff der Obliegenheit
  • (3) Gesetzliches Leitbild des § 127 VVG: freie Anwaltswahl
  • bb. Kostenminderungsobliegenheit nach Ziff. 4.1.1.4 ARB 2012
  • (1) Klarheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
  • (2) Gesetzliches Leitbild: Begriff der Obliegenheit
  • (3) Gesetzliches Leitbild des § 127 VVG: freie Anwaltswahl
  • (4) Gesetzliches Leitbild des § 125 VVG: erforderliche Kosten
  • f. Wagnisausschluss
  • aa. Kreis der Rechtsanwälte
  • (1) Klarheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
  • (2) Gesetzliches Leitbild des § 127 VVG: freie Anwaltswahl
  • bb. Ortsansässiger Rechtsanwalt und Anwaltswechsel
  • g. Belohnungsklauseln
  • aa. Wahltarife
  • bb. Nachlass wegen Schadenfreiheit
  • cc. Verzicht auf den Selbstbehalt
  • 3. Rechtsfolgen der unwirksamen Versicherungsbedingungen
  • a. Die Rechtsfolgenregelung des § 306 BGB
  • b. Vertragsinhalt nach § 306 Abs. 2 BGB
  • aa. Gesetzliche Vorschrift des § 127 VVG als Vertragsinhalt
  • bb. Gesetzliche Vorschriften des MediationsG
  • cc. Gesetzliche Vorschriften für Obliegenheiten
  • (1) Vertragliche Obliegenheit nach § 28 VVG
  • (2) Schadensabwendung und -minderung nach § 82 VVG
  • dd. Ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB
  • (1) §§ 133, 157 BGB als gesetzliche Vorschriften
  • (2) Verbot der Geltungserhaltung
  • (3) § 127 VVG als Lückenbüßer
  • c. Der Strich mit dem Bleistift (blue pencil test)
  • aa. Teilunwirksamkeit
  • bb. Gesamtunwirksamkeit
  • (1) Strenge Streitschlichtungsklausel
  • (2) Abstimmungs- und Kostenminderungsobliegenheit
  • (3) Verzicht auf Selbstbehalt
  • (4) Nachlass wegen Schadenfreiheit
  • cc. Stellungnahme
  • 4. Umgehungsgeschäfte § 306 a BGB
  • 5. Zwischenergebnis
  • a. Unangemessene Bedingungen
  • b. Geltungsvorrang halbzwingenden Rechts
  • Teil IV: Gestaltungsmacht des Versicherers in der abwartenden Schadenabwicklung
  • A. Bedingungswerk der abwartenden Schadenabwicklung
  • B. Rationalisierungsabkommen und anwaltliches Berufsrecht
  • I. Gebührenunterschreitung § 49 b Abs. 1 BRAO, § 21 BORA
  • 1. Gebührenunterschreitung im Dreiecksverhältnis (§ 21 BORA)
  • 2. Geringere Gebühren vereinbaren oder fordern
  • 3. Unterschreitung gesetzlicher Gebühren
  • a. Gerichtliche Vertretung § 3 RVG
  • aa. Wertgebühren im klassischen Rechtsschutz
  • bb. Betragsrahmengebühren
  • (1) Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechtsschutz Ziff. 2.2.9, 2.2.10 ARB 2012
  • (2) Sozialgerichtsrechtsschutz Ziff. 2.2.6 ARB 2012
  • (3) Verbot der Vorabbindung nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG
  • b. Außergerichtliche Beratung (§ 34 RVG) und Vertretung (Nr. 2300 VV RVG)
  • aa. Keine Gebühren – keine Gebührenunterschreitung
  • bb. Verbot der Vorabbindung § 4 Abs. 1 S. 2 RVG
  • (1) Angemessenheitskontrolle bei außergerichtlicher Vertretung
  • (2) Angemessenheitskontrolle bei außergerichtlicher Beratung
  • II. Verbot der Vorteilsgewährung für eine Mandatsvermittlung § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO, § 27 BORA
  • 1. Vermittlung von Aufträgen
  • 2. Abgabe oder Entgegennahme eines Teils der Gebühren § 49 b Abs. 3 S. 1 Fall 1 BRAO
  • 3. oder sonstiger Vorteile § 49 b Abs. 3 S. 1 Fall 2 BRAO
  • 4. Funktioneller Vergleich mit Werbeplattformen
  • 5. Rechtsfolgen des Verstoßes
  • a. Berufsrechtlich
  • b. Verfahrensrechtlich
  • c. Bürgerlich-rechtlich
  • aa. Nichtigkeit des Rationalisierungsabkommens nach § 134 BGB
  • bb. Nichtigkeit des vermittelten Anwaltsvertrages nach § 134 BGB
  • cc. Nichtigkeit des vermittelten Anwaltsvertrages nach § 138 BGB
  • dd. Treuwidrige Berufung auf das Rationalisierungsabkommen
  • III. Vertretung widerstreitender Interessen § 43 a Abs. 4 BRAO
  • IV. Anwaltliche Unabhängigkeit § 43 a Abs. 1 BRAO
  • 1. Unabhängigkeit vom Staat
  • 2. Wirtschaftliche Unabhängigkeit
  • a. § 43 a Abs. 1 BRAO als Leerformel ohne Anwendungsbereich
  • b. Pflicht, mandatsstörende Abhängigkeiten zu meiden
  • c. Anwendungsvorrang besonderer berufsrechtlicher Regeln zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit
  • d. Die 20%-Regel des § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB
  • e. § 43 a Abs. 1 BRAO als Auffangtatbestand
  • f. Stellungnahme
  • V. Zwischenergebnis
  • Teil V: Interessenwiderstreit und uneigennützige Besorgung fremder Geschäfte
  • A. Rechtsbesorgung des Anwalts
  • I. Vertretung widerstreitender Interessen § 43 a Abs. 4 BRAO
  • II. Pflicht zur uneigennützigen Rechtsbesorgung
  • 1. Offenbarungspflicht des Vertragsanwalts
  • a. Anwendungsbereich
  • aa. Vorrang der Arglistanfechtung nach § 123 BGB
  • bb. Vorrang der Kündigungsregeln nach §§ 627, 628 BGB
  • cc. Vorrang der Berufspflichten der BRAO
  • (1) Lehre von dem einheitlichen Pflichtenkreis
  • (2) Lehre von der Ausstrahlungswirkung des Berufsrechts
  • (3) Lehre von dem zweigleisigen Pflichtenkreis
  • (4) Stellungnahme
  • b. Tatbestand
  • aa. Vorvertragliches Schuldverhältnis
  • bb. Pflichtverletzung
  • (1) Aufklärungs- und Offenbarungspflicht
  • (a) Wissensvorsprung
  • (b) Grenze des Berufsrechts
  • (c) Sachwalter (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
  • (d) Fremdnützige Rechtsbesorgung
  • (2) Verschwiegenheit
  • (3) Anwaltliche Eigenverantwortung
  • cc. Verantwortung
  • dd. Schaden
  • c. Rechtsfolge
  • 2. Herausgabepflicht nach § 667 BGB
  • 3. Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB
  • B. Geschäftsbesorgung des Versicherers
  • I. Zahlungen hinter dem Rücken des Kunden
  • 1. Rückvergütungen im Bankenrecht
  • a. Offenbarung, Rechenschaft und Herausgabe
  • aa. Lehre vom Interessengegensatz
  • bb. Lehre von den versteckten Innenprovisionen
  • cc. Lehre vom Schutzgesetz
  • dd. Lehre von der Kostenklarheit
  • ee. Lehre von der Geschäftsbesorgung
  • ff. Stellungnahme
  • b. Zuwendungen und Gebührenabschläge
  • 2. Einkaufsvorteile im Franchiseverbund
  • a. Einsammeln von Einkaufsvorteilen
  • b. Gebührenabschläge für die Versichertengemeinschaft
  • 3. Schmiergelder
  • a. Im Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung
  • b. Geld stinkt nicht
  • II. Fremdnützige Geschäftsbesorgung des Versicherers
  • 1. Offenbarungspflicht des Versicherers
  • a. Anwendungsbereich
  • aa. Vorrang der Beratungspflicht nach §§ 6 Abs. 1 VVG
  • bb. Offenlegung der Vertriebskosten nach § 7 VVG
  • cc. Vorrang der Arglistanfechtung
  • b. Tatbestand
  • aa. Dienst- oder Werkvertrag
  • bb. Geschäftsbesorgung
  • cc. Für einen anderen
  • (1) Fremdes Geschäft
  • (a) Versicherung und Geschäftsbesorgung
  • (b) Gestaltende Schadenabwicklung und Geschäftsbesorgung
  • (c) Abwartende Schadenabwicklung und Geschäftsbesorgung
  • (2) Fremdgeschäftsführungswille
  • dd. Vorvertragliches Schuldverhältnis
  • ee. Pflichtverletzung
  • ff. Schaden
  • gg. Verantwortung
  • c. Rechtsfolge
  • 2. Herausgabepflicht nach § 667 BGB
  • 3. Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB
  • Teil VI: Wiederherstellung des Vertragsgleichgewichts
  • A. Schadenersatz bei Verwendung makelbehafteter Bedingungen
  • I. Keine Sperrwirkung des UKlaG
  • II. Schadenersatz wegen Verschulden bei Vertragsabschluss
  • 1. Tatbestand
  • a. Vorvertragliches Schuldverhältnis
  • b. Pflichtverletzung
  • c. Verantwortung
  • d. Schaden
  • 2. Rechtsfolge
  • B. Beseitigung des bösen Scheins für alle Versicherungsnehmer
  • I. Unterlassungsklage nach UKlaG
  • 1. Halbzwingendes Recht als taugliches Leitbild
  • 2. Halbzwingendes Recht als eigenständiger Prüfungsmaßstab
  • 3. Stellungnahme
  • II. Feststellungsklage des Versicherungsnehmers
  • 1. Keine Sperrwirkung des UKlaG
  • 2. Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
  • 3. Feststellungsinteresse
  • a. Kein Normenkontrollverfahren
  • b. Art. 6 und 7 der Klausel-RL
  • III. Zwischenfeststellungsklage
  • Teil VII: Ergebnis
  • Thesen
  • I. Die freie Anwaltswahl als Rechtsgrundsatz
  • II. Bedingungswerk und Schadenabwicklung der Rechtsschutzversicherer
  • 1. Abwartende Schadenabwicklung
  • 2. Gestaltende Schadenabwicklung
  • III. Interessenwiderstreit und uneigennützige Besorgung fremder Geschäfte
  • IV. Wiederherstellung des Vertragsgleichgewichts.
  • Anhang Vertrags- und Bedingungswerk
  • Schrifttumsverzeichnis

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Teil I: Aufriss und Grundfragen

Wer die Auswahl des Rechtsanwalts übernimmt, nimmt Einfluss auf die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung. Das Ziel sowie die Art, und Weise der Rechtsdurchsetzung zu bestimmen, ist zunächst einmal die ureigene Sache des Rechtsuchenden. So sehen dies auch die Verfahrensordnungen. Rechtsschutzversicherer und Rechtsanwälte eint das Ziel, dem Rechtsuchenden den Zugang zu seinem Recht zu erleichtern. Anwälte stehen dem Rechtsuchenden mit Rat und Tat zur Seite (§ 3 BRAO). Rechtsschutzversicherer übernehmen die Kosten der Rechtsverfolgung. Übernimmt der Rechtsschutzversicherer nicht nur die Kosten der Rechtsverfolgung, sondern nimmt seinen Versicherungsnehmer an die Hand und weist ihm verbindlich den kostengünstigsten Weg durch seinen Rechtsschutzfall, fragt sich, ob die feinsinnig ausgedachte Rollenzuweisung der Verfahrensordnungen noch greift und was dem Versicherungsnehmer von seiner freien Anwaltswahl verbleibt.

In diesem ersten Teil soll die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage der Rechtsschutzversicherer ins Auge genommen werden. Es gilt, Rechtsprechung und Schrifttum zu sichten und die wesentlichen Grundfragen zur freien Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sollen diese Fragen dann – so weit wie möglich – durch Auslegung des § 127 VVG geklärt werden (Teil II). In einem dritten Schritt sollen Einzelfragen des Bedingungswerks der Rechtsschutzversicherer aus dem Rechtsalltag untersucht werden (Teil III u. IV). Teil V widmet sich der Frage, wem die Vorteile aus der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Rechtsschutzversicherern und ihren Vertragsanwälten gebühren. Teil VI erörtert die Rechtsschutzmöglichkeiten des einzelnen Versicherungsnehmers gegen unwirksame Versicherungsbedingungen.

A. Wirtschaftliche Ausgangslage

Die Kosten der Rechtsverfolgung zu senken, ist ein wirtschaftliches Ziel der Versicherer. Wer die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung bestimmt, bestimmt die Höhe der Rechtsverfolgungskosten. Auswahl und Lenkung des Rechtsanwalts sind von hohem wirtschaftlichem Interesse für den Rechtsschutzversicherer.

Der Kampf um die freie Anwaltswahl ist ein Kampf um Kosten und Kunden. Kostendruck, Kundenbindung und Erweiterung des Kundenstamms sind die Stichworte der Rechtsschutzversicherer in diesem Kampf. Die Versicherer ←37 | 38→betonen, dass der Gesetzgeber mit § 125 VVG die Entwicklung neuer Spielarten der Rechtsschutzversicherung ausdrücklich gutheißt und bereits mit dem RDG aus dem Jahre 20074 den Rechtsdienstleistungsmarkt gegenüber Mitbewerbern der Rechtsanwaltschaft öffnen wollte.5

Nachdem die Versicherer in den letzten dreißig Jahren mit zusätzlichen Dienstleistungsangeboten den Rechtsuchenden an sich binden und durch seinen Rechtsschutzfall lotsen wollen, sieht ein Teil der Anwaltschaft das bislang partnerschaftliche Verhältnis mit den Rechtsschutzversicherern als aufgelöst an.6 Erbittert ringen Versicherungswirtschaft und Anwaltschaft seit Jahren erbittert um Bedeutung, Reichweite und Verbindlichkeit des Grundsatzes der freien Anwaltswahl.7 Von einem „zerrütteten Verhältnis“8, einem „Beziehungsdrama ohne Happy End“9, einem „zurückschlagenden Imperium“10 und trojanischen Pferden11 ist die Rede.12 Verbraucherschützer fragen sich, welchen Wert die freie Anwaltswahl für den Verbraucher hat.13 Die Versicherungswirtschaft antwortet, gerade der Rechtsuchende erwarte von dem Rechtsschutzversicherer mehr als eine bloße Kostenerstattung.14 Erwartet würden Unterstützungs- und Beratungsleistungen. Die Rechtsschutzversicherer haben daher ihr Angebot um ←38 | 39→Dienstleistungen mit einem Mehrwert für den Kunden erweitert, die von einer telefonischen Erstorientierung15 über außergerichtliche Schlichtungsmodelle16 bis hin zu der Vermittlung eines passenden Anwaltes reichen. In der Erweiterung der Dienstleistungspalette liege gleichzeitig eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Versicherten und damit ein Mehr an Freiheit. Kritiker sehen in der Lenkung und Leitung des Versicherungsnehmers durch seinen Rechtsschutzversicherer die freie Anwaltswahl in Gefahr.17

Manch ein Richter sieht in der Auseinandersetzung zwischen Versicherungswirtschaft und Teilen der Anwaltschaft eine ideologisch verbrämte Auseinandersetzung zwischen verbohrten und verbitterten Streithähnen, die einer vernünftigen Auseinandersetzung nicht mehr zugänglich sind.18 Ideologische Standpunkte werden durch wirtschaftliche Interessen geleitet und verdecken rechtliche Begründungszusammenhänge. Es lohnt ein Blick auf die wirtschaftliche Ausgangslage.

I. Der bundesdeutsche Markt

Die wirtschaftliche Lage der Rechtsschutzversicherer ist durch einen Verdrängungswettbewerb und Kostendruck gekennzeichnet.19 Mit 20,6 Mio. Rechtsschutzversicherungsverträgen in Deutschland ist eine Marktsättigung erreicht.20 Durch die Einführung des RVG im Jahre 2004 hat sich das zu erstattende Gebührenaufkommen erhöht.21 Die Finanzkrise war und ist mit einem erhöhten Schadenaufwand verbunden. Eine Vielzahl der Rechtsschutzversicherer erwirtschaftet keinen Überschuss. Selbst bei einer geringen Marktsättigung von ca. 50 % der Haushalte22 herrscht ein Verdrängungswettbewerb unter den Rechtsschutzversicherern.23 Bei einem Beitragsaufkommen von derzeit rund 3,2 Mrd. ←39 | 40→€ lag die Schadenquote24 im Jahr 1976 bei 59,7 %, im Jahr 1995 bei 81,6 %, im Jahr 2000 bei 71,5 %, im Jahr 2009 bei 75,0 %, in den Jahren 2011 sowie 2012 bei 70,6 % und im Jahr 2013 bei 72,4 %.25

Im Jahre 2015 zahlten Rechtsschutzversicherer 2,6 Mrd. € an Rechtsverfolgungskosten. Diese verteilen sich im Wesentlichen auf folgende Rechtsgebiete:26

Arbeits-Rechtsschutz            44 %

Vertrags-Rechtsschutz            18 %

Verkehrs-Rechtsschutz           26 %

II. Der europäische Rechtsdienstleistungsmarkt

Gleichzeitig sehen sich die deutschen Versicherer auf dem europäischen Rechtsdienstleistungsmarkt in ihren Handlungsmöglichkeiten benachteiligt und beschränkt.27

Ein gerichtlicher Anwaltszwang und ein anwaltliches Vorrecht, außergerichtlich die Rechtsuchenden zu beraten und zu vertreten, sind auf dem europäischen Festland nicht flächendeckend verbreitet und vorgegeben.28 In Deutschland sind sie Gesetz (§ 3 RDG, §§ 78, 79 ZPO). Teilweise können Rechtsschutzversicherer in europäischen Nachbarländern demgegenüber Rechtsdienstleistungen durch eigene Mitarbeiter anbieten oder sich wirtschaftlich an Anwaltskanzleien beteiligen. Auf diese Weise können europäische Mitbewerber den Kostenaufwand für die versicherten Rechtsverfolgungskosten steuern. Diese Möglichkeiten haben deutsche Rechtsschutzversicherer nicht.

Gerne hätten die Rechtsschutzversicherer die Überarbeitung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) genutzt, um ihren Versicherten künftig ihr gebündeltes Fachwissen und ihre gesammelte Erfahrung durch eigene Rechtsdienstleistungen ←40 | 41→und durch eigene Mitarbeiter anzubieten.29 Auf dem europäischen Rechtsdienstleistungsmarkt sehen sie sich gegenüber europäischen Mitbewerbern im Nachteil.

In Schweden30, Finnland31 und Estland32 ist der Rechtsdienstleistungsmarkt vollständig freigegeben. Demgegenüber steht in Italien und Griechenland die Missachtung des anwaltlichen Beratungsvorrechts unter Strafe.33 Die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung ist im Übrigen in den europäischen Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Gewichtungen gesetzlich geregelt und beschränkt.34 Ein fehlendes flächendeckendes Vorrecht der europäischen Rechtsanwälte, auf dem außergerichtlichen Rechtsdienstleistungsmarkt ausschließlich tätig zu sein, zwingt nicht zu dem Schluss, dass es Rechtsschutzversicherern erlaubt sein muss, Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Umgekehrt erlaubt das Bestehen eines Rechtsberatungsvorrechts ebenso wenig den Schluss, es sei den Rechtsschutzversicherern grundsätzlich verwehrt, Rechtsdienstleistungen anzubieten.35

Übersicht über das Rechtsberatungs- und -vertretungsvorrecht der Rechtsanwälte in Nachbarstaaten
außergerichtliche Rechtsdienstleistungen gerichtliche Vertretung
Belgien36
Luxemburg37 Luxemburg38
←41 | 42→ Dänemark39
Niederlande40
Norwegen41 Norwegen42
Finnland (-)43 Finnland (-)44
Schweden (-)45 Schweden (-)46
Frankreich47 Frankreich48
Großbritannien49 Großbritannien50
Griechenland51
Italien52
Portugal53
Spanien54 Spanien55
←42 | 43→
Österreich56 Österreich57
Ungarn58 Ungarn59
Polen60

So werden gerade in Schweden, also auf vollständig deregulierten Rechtsdienstleistungsmärkten, die klassischen Rechtsschutzversicherungen als Schadenversicherung mit reiner Kostenerstattung angeboten.61 Frankreich wiederum, das die außergerichtliche Beratung und Vertretung der Anwaltschaft zuweist, gestattet es den Rechtsschutzversicherern, Rechtsdienstleistungen für die Versicherten durch eigene, juristisch geschulte Mitarbeiter zu erbringen.62

Ähnlich verhält es sich in Österreich. § 8 Abs. 2 der österreichischen RAO erkennt ebenso wie § 3 Abs. 1 BRAO den Rechtsanwalt als berufenen Vertreter in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten an.63 Trotzdem ist den österreichischen Rechtsschutzversicherern – ebenso wie in Holland64 – die außergerichtliche Eigenregulierung von Rechtsschutzfällen erlaubt.65 Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die wiederholt Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung durch den EuGH waren, lauten wie folgt:

←43 | 44→

„§ 158 k ÖstVersVG

(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person frei zu wählen. Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer zur sonstigen Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen einen Rechtsanwalt frei wählen, wenn beim Versicherer eine Interessenkollision entstanden ist.

(2) Im Versicherungsvertrag kann vereinbart werden, dass der Versicherungsnehmer zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren nur solche zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen wählen darf, die ihren Kanzleisitz am Ort der Gerichts- oder Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Für den Fall, dass an diesem Ort nicht mindestens vier solcher Personen ihren Kanzleisitz haben, muss sich das Wahlrecht auf Personen im Sprengel desjenigen Gerichtshofs erster Instanz erstrecken, in dem sich die genannte Behörde befindet.

(3) Auf das dem Versicherungsnehmer nach Abs. 1 erster Satz zustehende Recht ist hinzuweisen, wenn der Versicherungsnehmer die Beistellung eines Rechtsvertreters für ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren verlangt; auf das nach Abs. 1 zweiter Satz zustehende Recht ist bei Eintritt einer Interessenkollision hinzuweisen. Hat der Versicherer mit der Schadenregulierung ein anderes Unternehmen betraut …, so treffen die Hinweispflichten dieses Unternehmen.“

Die Niederlande haben in Art. 4:67 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzaufsicht (Wet op het financieel toezicht) eine aufsichtsrechtliche Lösung gewählt, die da lautet:

„Der Rechtsschutzversicherer trägt dafür Sorge, dass in dem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist, dass dem Versicherten die Wahl eines Rechtsanwalts oder einer anderen rechtlich befugten sachkundigen Person freisteht, wenn

a) ein Rechtsanwalt oder eine andere rechtlich befugte sachkundige Person in Anspruch genommen wird, um in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren den Versicherten zu verteidigen, zu vertreten oder seine Interessen wahrzunehmen, oder

b) eine Interessenkollision entsteht.“

In Belgien und Luxemburg beschränkt sich die Rechtsdienstleistungsbefugnis der Rechtsschutzversicherer auf einen Regulierungsvorschlag bzw. einen außergerichtlichen Einigungsversuch.66

←44 | 45→
Übersicht über Rechtsdienstleistungsversicherungen und klassische Rechtsschutzversicherung in Nachbarstaaten
Rechtsdienstleistungsversicherung klassische Rechtsschutzversicherung
(reine Kostenerstattung)
Dänemark67 Finnland
Belgien68 Schweden69
Luxemburg70 Deutschland
Niederlande71
Großbritannien72
Frankreich73
Griechenland74
Italien75
Portugal76
Spanien77
Österreich78
←45 |
 46→

III. Gewandeltes Selbstverständnis: Vom Kostenerstatter zum Kümmerer

Entsprechend dem Wettbewerbsdruck haben sich die Rechtsschutzunternehmen den Marktgegebenheiten anzupassen versucht. Der Wettbewerbsdruck zwingt die Versicherer, nach Möglichkeiten der Kostendämpfung zu suchen und diese zu nutzen. Das gewandelte Nachfrageverhalten der Versicherten verlangt von den Versicherern, – so weit möglich – (Rechts-)Dienstleistungen anzubieten, die über eine reine Kostenerstattung hinausgehen.79

1. Gescheitertes Bemühen um eine Rechtsdienstleistungsversicherung

Bessere Möglichkeiten, die Kosten zu steuern und zu senken, hätten die Rechtsschutzversicherer, wenn sie – wie einige europäische Mitbewerber – die Möglichkeit hätten, mit eigenen Mitarbeitern Rechtsdienstleistungen anzubieten. ←46 | 47→Wer die Rechtsdurchsetzung steuert, hat die Höhe der Rechtsverfolgungskosten in der Hand.

Anlässlich der Überarbeitung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG)80 haben sich die Rechtsschutzversicherer daher darum bemüht, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Rechtsdienstleistungsversicherung81 zu fördern und durchzusetzen.82 Wenn die Versicherer mit eigenen Mitarbeitern Rechtsdienstleistungen anbieten dürften, hätten sie es allein in der Hand, die Kosten zu steuern und zu lenken. Als Rechtsdienstleistungsversicherer böte der Versicherer nicht nur Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung an, sondern als Hauptleistung.83

In vielen Nachbarländern – wie etwa England84, Irland85, Polen86, Schweiz87, Belgien88 und Holland89 – besitzen Rechtsanwälte kein Vorrecht, Rechtsuchende außergerichtlich zu beraten und zu vertreten. Dies hat zur Folge, dass es den Rechtsschutzversicherern in diesen Ländern möglich ist, zumindest im außergerichtlichen Bereich die Rechtsberatung und -vertretung durch eigene Mitarbeiter, die nicht notwendigerweise Rechtsanwälte oder Volljuristen sein müssen, zu übernehmen.

In seiner Stellungnahme zur Öffnung des deutschen Rechtsberatungsmarktes vom 15.08.2003 forderte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft ←47 | 48→(GDV) daher anlässlich der anstehenden Novellierung des RBerG, „das deutsche Recht im Zuge einer europäischen Harmonisierung anzugleichen“ und die „Eigenregulierung der Rechtsschutzversicherer im außergerichtlichen Bereich“ zuzulassen. Die Rechtsschutzversicherungswirtschaft sieht sich im Vergleich zum europäischen Ausland im Wettbewerb benachteiligt.90

Dem Wunsch der Versicherer nach einer eigenen Rechtsdienstleistungsversicherung91 ist der Gesetzgeber jedoch mit dem Verbotstatbestand des § 4 RDG mit Nachdruck entgegengetreten. Nach dieser „lex Rechtsschutzversicherung“92 darf der Rechtsschutzversicherer selbst keine Rechtsberatung oder -vertretung erbringen, weil durch die gegenläufigen Interessen des Versicherers und des Versicherten die unabhängige Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird.93 Das Interesse des Versicherers ist auf eine wirtschaftlich möglichst günstige Streitbeilegung gerichtet, das Interesse des Versicherungsnehmers auf eine unabhängige Rechtsvertretung. Die Interessen des Versicherers und des Versicherten können, müssen aber nicht gleichgerichtet sein. Die Besorgung fremder Rechte und das wirtschaftliche Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits sind schwer in Einklang zu bringen. Der Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsfindung94 begegnet der Gesetzgeber mit einem Verbot für die Rechtsschutzversicherer, eigene Rechtsdienstleistungen zu erbringen.

2. Abwartende Schadenabwicklung (passives Schadenmanagement)

Seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bemühten sich die Rechtsschutzversicherer vermehrt darum, Rechtsanwälte über den Abschluss eines Rationalisierungsabkommens an sich zu binden.95

←48 | 49→

Rationalisierungsabkommen sind ein Mittel zur Kostendämpfung. Sie zielen darauf ab, die versicherten Rechtsverfolgungskosten zu senken. Mit dem Rationalisierungsabkommen verpflichtet sich der Vertragsanwalt, die gesetzlichen Gebühren gegenüber seinem Auftraggeber zu bestimmten – für den Versicherer günstigen – Pauschalen und Gebührensätzen abzurechnen.96 Die Gebührenabschläge bewegen sich je nach Versicherer in einem Rahmen zwischen 20 % und 40 %.97 Das Kostenerstattungsaufkommen des Rechtsschutzversicherers sinkt. Im Gegenzug stellt der Versicherer bei diesem klassischen Modell des reinen Rationalisierungsabkommens dem Vertragsanwalt die sog. „freien“ Mandate zur Verfügung. Bei den sog. „freien“ Mandaten handelt es sich um diejenigen Versicherungsnehmer, die ihren Versicherer ausdrücklich um die Benennung eines Anwaltes ersuchen oder bei denen der Versicherer wegen Zeitablaufs gehalten ist, für den Versicherten einen Anwalt zu beauftragen (Ziff. 4.1.3 ARB 2012)98. Der Vertragsanwalt hofft, über ein erhöhtes Auftragsaufkommen die gewährten Gebührenabschläge wirtschaftlich aufzufangen und den Kanzleigewinn zu erhöhen. Die Versicherer verringern über die Gebührenabschläge das Schadenaufkommen um rund 20 %99 und verbessern die Schadenquote und den Unternehmensgewinn.

Der Versicherer verbleibt bei diesem klassischen Modell des Rationalisierungsabkommen in einer abwartenden Rolle (abwartende Schadenabwicklung bzw. passives Schadenmanagement). Er bleibt als typischer Schadenversicherer reiner Kostenerstatter. Eigene Rechtsdienstleistungen bietet er nicht an. In die Schadenabwicklung greift er weder lenkend noch gestaltend ein. Insbesondere überlässt er es seinen Versicherungsnehmern, nach einer Anwaltsempfehlung oder Anwaltsvermittlung selbst nachzufragen. Die gezielte Vermittlung von Vertragsanwälten ist in diesem Modell der abwartenden Schadensteuerung nicht vorgesehen. Die Möglichkeiten der Kostendämpfung durch den reinen Abschluss von Rationalisierungsabkommen sind dementsprechend begrenzt.

←49 | 50→
3. Gestaltende Schadenabwicklung (aktives Schadenmanagement)

Als Schadenversicherer muss der Rechtsschutzversicherer weiterhin seine Dienstleistung weitestgehend auf eine Erstattung der Rechtsverfolgungskosten begrenzen. Der Sprung von einem Schadenversicherer zu einem Rechtsdienstleister ist den Rechtsschutzversicherern nicht geglückt.

Allerdings haben die Rechtsschutzversicherer es anlässlich der Erneuerung des VVG im Jahre 2008 durch die Neufassung des § 125 VVG vermocht, sich einen weiten rechtlichen Rahmen für Dienstleistungen zu schaffen, die über eine reine Kostenerstattung hinausgehen. Nach § 125 VVG ist der Rechtsschutzversicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherten erforderlichen Leistungen zu erbringen. Der Gesetzgeber hat von einer engen Begriffsbestimmung der Rechtsschutzversicherung und einer genauen Festlegung der Hauptleistungspflichten abgesehen. Mit § 125 VVG gibt er lediglich Ziel und Zweck der Rechtsschutzversicherung vor.100 Alles Weitere soll der Gestaltungsfreiheit des Versicherers überlassen bleiben.101 Neue Rechtsschutzangebote will der Gesetzgeber nicht verhindern.102 Dementsprechend weit hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Bestimmung zum Leistungsumfang der Rechtsschutzversicherer in Ziff. 2.3. ARB 2012 gefasst. Danach erbringen und vermitteln die Rechtsschutzversicherer diejenigen Dienstleistungen, die erforderlich sind, damit die Versicherten ihre Interessen wahrnehmen können. Die Versicherer rücken damit anstelle ihrer klassischen Erstattungspflicht für die Rechtsverfolgungskosten ihre Dienstleistungen in den Vordergrund.103 Sie tragen damit ihrem gewandelten Selbstverständnis Rechnung und suchen die zwischen reiner Schadenversicherung und Rechtsdienstleistungsversicherung verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten. Sie sind auf dem Weg vom Kostenerstatter (Schadenversicherer) zum Kümmerer (Dienstleister).

←50 | 51→
a. Erwartung des Rechtsschutzsuchenden: Begleitung und Unterstützung

Damit versuchen die Rechtsschutzversicherer den Kundenwünschen Rechnung zu tragen. Die Erwartungen der Versicherten an den Rechtsschutzversicherer haben sich verändert. Der Versicherte erwartet nicht bloß eine reine Kostenerstattung, sondern einen „Mehrwert“ an Dienstleistungen. Der Versicherer soll ihn durch seinen Rechtsschutzfall navigieren und lotsen. Beratung und Empfehlung sind gefragt. Der Kunde will an die Hand genommen werden104 – ein verständliches Bedürfnis, da sich der Rechtsdienstleistungsmarkt durch ein Ungleichgewicht des Wissens (Informationsasymmetrie105) zwischen Rechtsanwalt und Mandant auszeichnet.106 Der Mandant vermag weder Güte noch Notwendigkeit und Aufwand der anwaltlichen Dienstleistung einzuschätzen und zu beurteilen. Viele Verbraucher hoffen auf den Erfahrungsschatz der Rechtsschutzversicherer und verlangen nach Beratung und Führung. Nach einer im Auftrag des GDV in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage erwarten 81 % der Befragten vonseiten des Versicherers eine Beratung zum weiteren Vorgehen, 67 % die Empfehlung eines Rechtsanwaltes,107 65 % Angebote für außergerichtliche Einigungsversuche (z. B. Mediation)108 und 55 % eine erste rechtliche Einschätzung am Telefon.109 34 % vertrauen der Anwaltsempfehlung eines Rechtsschutzversicherers.110 Bereits in einer älteren Forsa-Umfrage aus dem Jahre 2004 wünschten sich 73 % der ←51 | 52→Befragten eine Rechtsberatung durch den Rechtsschutzversicherer; 72 % hätten es begrüßt, wenn angestellte Versicherungsjuristen Rechtsrat erteilen dürften.111

Die Rechtsschutzversicherer betreiben seit Anfang 2000, sowohl um Kosten zu sparen als auch um den Kundenwünschen gerecht zu werden, eine gestaltende Schadenabwicklung (aktives Schadenmanagement).112

b. Leitbild: Gestaltende Schadenabwicklung in der Kraftfahrtversicherung

Pate stand hierbei die gestaltende Schadenabwicklung in der Kraftfahrtversicherung.113 Auch die Kraftfahrtversicherer standen vor dem Problem, dass Kunden und Geschädigte von ihnen Unterstützungsleistungen erwarten, die über eine reine Kostenerstattung hinausgehen. Gleichzeitig standen die Kraftfahrtversicherer ebenso unter erheblichem Wettbewerbs- und Kostendruck wie die Rechtsschutzversicherer heute.

Der Kostendruck folgte nicht nur aus einem zu geringen Beitragsaufkommen bzw. einer zu hohen Schadenquote, sondern aus dem Abrechnungsverhalten der beteiligten Hersteller und Dienstleister (Werkstätten, Autovermieter, Autohersteller, Sachverständige etc.), das – so die Versicherungswirtschaft – zulasten der Versicherer ging.114 Bezeichnend sind etwa die sog. Unfallersatztarife, die Autovermieter Unfallgeschädigten anstelle ihrer Normaltarife andienen. Die Unfallersatztarife liegen dabei bis zu 30 % über den Normaltarifen.115

Die Versicherungswirtschaft unternahm zunächst den Versuch, die Schadenabwicklung zumindest z. T. in Eigenverantwortung zu übernehmen. Vorbild war die Direktregulierung durch die Haftpflichtversicherer in anderen Mitgliedstaaten der ←52 | 53→Europäischen Union – wie etwa Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland und Italien.116 Nachdem 1994 eine Abrechnungsvereinbarung für Mietwagenkosten kartellrechtlich gescheitert war, gründeten mehrere Haftpflichtversicherer ein Mietwagenunternehmen (Carpartner), das günstige Mietwagentarife sowie zusätzliche Abrechnungsdienstleistungen anbot. Der BGH117 erklärte das Gemeinschaftsunternehmen der Haftpflichtversicherer, welches kostendämpfend auf die Preisbildung für das Mietwagengeschäft einwirken wollte, für kartellrechtswidrig (§ 1 GWB).

Die Haftpflichtversicherer wollten indes nicht mehr überhöhte Reparaturkosten auf dem Rechtswege abwehren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Vielmehr wollten sie gestaltend und aktiv in die Schadenabwicklung eingreifen, um die Kosten zu dämpfen. Sie schlossen Rahmenvereinbarungen mit Vertragswerkstätten, Autovermietern, Sachverständigen und Rechtsanwälten. Diese Rahmenvereinbarungen sehen regelmäßig Pauschalen für rationalisierte Betriebsaufläufe vor.118

Voraussetzung dafür, dass die Versicherer die Schadenregulierung steuern und lenken können, ist der Erstkontakt (first point of call) mit dem Kunden bzw. dem Geschädigten.119 Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat zu diesem Zweck im Jahr 1999 das Notrufsäulensystem an den Autobahnen übernommen und betreibt es seitdem über eine Tochtergesellschaft – die GDV Dienstleistungs-GmbH & Co KG.120 Mit den Geschädigten setzt sich der Versicherer möglichst umgehend in Verbindung, um diese zu Vertragspartnern innerhalb des eigenen Partnernetzwerkes zu lenken. Über die Rahmenvereinbarungen mit den Vertragspartnern werden Kosteneinsparungen erzielt. Kasko- und Teilkaskokunden werden Bindungen an das Partnernetzwerk über Sondertarife schmackhaft gemacht.121

Zum Teil ist die gestaltende Schadenabwicklung der Kraftfahrtversicherer in Schrifttum und Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. Dem Geschädigten als Herrn des Restitutionsgeschehens muss wegen § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ←53 | 54→die unbeeinflusste Wahlentscheidung verbleiben, wie der Schaden behoben wird.122 Die Grenze zwischen gestaltender Schadenabwicklung und unerlaubter Rechtsdienstleistung (§§ 3, 4 RDG) ist fließend.123 Gleiches gilt für die Grenze zwischen unverbindlichen Empfehlungen von Vertragspartnern und wettbewerbswidrigem Verhalten.124 Die unverbindliche Empfehlung eines Vertragspartners125, die sich des Hinweises auf eine verbindliche Kostendeckelung und des ausdrücklichen Wegempfehlens einer anderen Firma enthält, soll freilich unbedenklich sein.126 Die Rechtsprechung erkennt ein berechtigtes Interesse der Versicherer an einem modernen Schadenmanagement und das Kundeninteresse an einer schnellen und reibungslosen Schadenabwicklung ausdrücklich an.127

c. Gestaltende Schadenabwicklung in der Rechtsschutzversicherung

Die Rechtsschutzversicherer wollten es den Kraftfahrtversicherern nachtun.

←54 | 55→

Gestaltende Schadenabwicklung verfolgt hier wie dort die Ziele der Kostensenkung, der Verbesserung der Verfahrenssteuerung und der Steigerung der Kundenzufriedenheit.128

Bislang hatten die Rechtsschutzversicherer sich zwecks Kostendämpfung darauf beschränkt, Rechtsanwälte über Rationalisierungsabkommen an sich zu binden. Mit dem Rationalisierungsabkommen verpflichtet sich der Vertragsanwalt, die gesetzlichen Gebühren gegenüber seinem Auftraggeber zu bestimmten – für den Versicherer günstigen – Pauschalen und Gebührensätzen abzurechnen. Das Kostenerstattungsaufkommen des Rechtsschutzversicherers sinkt. Im Gegenzug stellt der Versicherer bei diesem klassischen Modell des reinen Rationalisierungsabkommens dem Vertragsanwalt in Aussicht, die sog. „freien“ Mandate zuzuführen. Bei den sog. „freien“ Mandaten handelt es sich um diejenigen Kunden, die ihren Versicherer ausdrücklich um die Benennung eines Anwaltes ersuchen oder bei denen der Versicherer wegen Zeitablaufs dazu gehalten ist, für den Versicherten einen Anwalt zu beauftragen (Ziff. 4.1.3 ARB 2012)129.

Die Möglichkeiten, das Kostenerstattungsaufkommen zu verringern, erhöhen sich für den Rechtsschutzversicherer, wenn er seine Versicherten bewusst und gezielt zu seinen Vertragsanwälten lenkt und auf deren Beauftragung hinwirkt.

Entscheidend für diese gestaltende Schadenabwicklung der Rechtsschutzversicherer ist ebenso wie in der Kraftfahrtversicherung der Erstkontakt (first point of call).130 Nur wenn der Versicherer von Anfang an von dem Schadenfall durch seinen Kunden erfährt, hat er es in der Hand, die Schadenabwicklung in seinem Sinne – ob nun mit eigenem Personal131 oder mit Hilfe von Anwälten in eigener Kanzlei – zu steuern. Zu diesem Zweck haben eine Vielzahl von Versicherern telefonische Beratungshotlines eingerichtet. Die Beratungshotline fängt den Kundenwunsch, an die Hand genommen zu werden und eine erste ←55 | 56→Falleinschätzung zu erhalten, auf. Gleichzeitig erlaubt sie es dem Versicherer, ihre Kunden zu ihren Vertragsanwälten zu lenken.132 Auch die Rechtsschutzversicherer haben ein Partnernetzwerk aufgebaut.133 Sie schließen mit bestimmten Kanzleien sog. Rationalisierungsabkommen ab, in denen insbesondere an der Stelle von gesetzlichen Rahmengebühren nach dem RVG Pauschalentgelte vereinbart werden.134 Über die Rationalisierungsabkommen werden Kostenersparnisse verwirklicht. Die Lenkungsmaßnahmen gegenüber den Versicherten reichen dabei von der bloßen Empfehlung eines Vertragsanwaltes bis zu dem Versprechen von wirtschaftlichen Vorteilen für den Fall, dass der Versicherte den empfohlenen und an das Rationalisierungsabkommen gebundenen Anwalt beauftragt. Wirtschaftliche Vorteile können in einem Verzicht auf den Selbstbehalt oder etwa in der Höherstufung in einem nach Vorbild der Kaskoversicherung ausgestalteten Schadenfreiheitsrabattsystem liegen.135 Das Bedürfnis der Versicherten nach außergerichtlichen Streitvermeidungsmöglichkeiten wird durch Mediationsangebote (Ziff. 2.3.1.1 ARB 2012) abgebildet.136 Die für Verbraucherrechtsstreitigkeiten – insbesondere im Onlinehandel – eingeführten Streitschlichtungsstellen137 geben den Rechtsschutzversicherern Raum für eine weitere Klauselgestaltung.

Dem neu gewonnenen Selbstverständnis als Kümmerer, als Lotse138 des Rechtsuchenden durch dessen Rechts- und Versicherungsfall, tragen die Versicherer über die neu gefassten ARB 2012 und einen dementsprechenden Außenauftritt Rechnung. In Ziff. 3 der ARB 2012 heißt es zum Leistungsumfang der Rechtsschutzversicherer: „Wir erbringen und vermitteln Dienstleistungen, damit Sie Ihre Interessen im nachfolgend erläuterten Umfang wahrnehmen ←56 | 57→können.“139 Mitarbeiter der Rechtsschutzversicherer werden als „Kundenanwalt“140 bezeichnet; die Rechtsschutztochter einer Gewerkschaft hält sich für die „größte deutsche Fachkanzlei“141.

Die Rechtsschutzversicherer suchen ihr wirtschaftliches Heil in einem gewandelten Selbstverständnis als Dienstleister, dessen Angebote und Hilfestellungen über die die reine Kostenerstattung eines klassischen Schadenversicherers hinausgehen. Sie versuchen ihre Marktstellung durch Unterstützungsleistungen im Spannungsfeld zwischen klassischem Schadenversicherer (Kostenerstatter) und Rechtsdienstleister (Kümmerer) zu wahren und auszubauen.

B. Die rechtliche Ausgangslage

Dieser Drahtseilakt der Versicherer im Spannungsfeld zwischen klassischem Schadenversicherer (Kostenerstatter) und Rechtsdienstleister (Kümmerer) muss sich rechtlich an den Vorgaben der freien Anwaltswahl messen lassen.

Versicherungsrecht ist Vertragsrecht. Vertragliche Grundlage für die freie Anwaltswahl ist Ziff. 4.1.3 ARB 2012. Danach kann der Versicherungsnehmer den Rechtsanwalt frei wählen, sofern er nichts anderes vom Versicherer verlangt oder er keinen Anwalt benennt und dem Versicherer eine umgehende Beauftragung notwendig erscheint. Rechtlicher Prüfungsmaßstab für das Vertragsrecht bleibt das Gesetzesrecht.

Gesetzlich ist der Grundsatz der freien Anwaltswahl in der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 127 VVG einerseits und der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 3 Abs. 3 BRAO andererseits verankert. § 127 VVG ist eine Sondervorschrift für den Bereich der Rechtsschutzversicherung.

I. Das Recht auf die freie Anwaltswahl und § 127 VVG: ein erster Blick

Ein erster Blick auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 127 VVG, 3 Abs. 3 BRAO soll aufzeigen, welche Rechtsfragen die Neuerungen der Rechtsschutzversicherer in der Schadenabwicklung aufwerfen. Nach § 127 Abs. 1 S. 1 VVG ist ←57 | 58→der Versicherungsnehmer berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt nach § 127 Abs. 1 S. 2 VVG auch für die außergerichtliche anwaltliche Vertretung und Beratung. § 127 VVG ist eine Sondervorschrift für den Bereich der Rechtsschutzversicherung. Es begründet kein allgemeines Recht des Rechtsuchenden auf eine freie Anwaltswahl.

1. § 127 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO

Ein solches allgemeines Recht findet sich in § 3 Abs. 3 BRAO. Bei § 3 Abs. 3 BRAO handelt es sich zwar um öffentliches Aufsichtsrecht für Anwälte. Niemand zieht indes ernsthaft in Zweifel, dass § 3 Abs. 3 BRAO dem Rechtsuchenden zu dienen bestimmt ist und ein Recht des Rechtsuchenden darstellt.142 Nach § 3 Abs. 3 BRAO hat jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen.

a. Halbzwingendes, zwingendes und nachgiebiges Recht

§ 127 VVG ist als halbzwingendes Recht ausgestaltet. Nach § 129 VVG kann von dem Grundsatz der freien Anwaltswahl (§ 127 VVG) nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

§ 3 Abs. 3 BRAO lässt sich nicht ohne Weiteres entnehmen, ob es sich um zwingendes oder abdingbares Recht handelt. Eine der § 129 VVG ähnelnde Vorschrift hält die BRAO nicht vor.

Zwingendes Recht (ius cogens) und halbzwingendes Recht nimmt den Vertragsparteien die Verfügungs- und Gestaltungsmacht, einen bestimmten Vertragsinhalt zu vereinbaren. Das VVG bezeichnet zwingendes und halbzwingendes Recht in § 210 Abs. 1 VVG als „Beschränkungen der Vertragsfreiheit“.143 Es wirkt in zweifacher Hinsicht. Zum einen zieht es der Gestaltungsmacht der Vertragspartner Grenzen. Zum anderen trifft es für den Fall der Grenzüberschreitung eine Inhaltsbestimmung für den Vertrag.144 An die Stelle der Vereinbarung tritt zwingendes Recht.145

←58 | 59→

Nach dem VVG 1908 konnte sich der Versicherer bei einem Verstoß gegen halbzwingendes Recht auf eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung „nicht berufen“.146 Aus dieser Wendung wurde z.T. geschlossen, dass ein Verstoß gegen halbzwingendes Recht nicht zu einer Unwirksamkeit der Bedingung führte, sondern es lediglich dem Versicherer verwehrte, sich auf den Rechtsverstoß zu berufen.147 Das VVG 2008 stellt demgegenüber klar, dass halbzwingendes Recht dem Versicherer bereits die Verfügungs- und Gestaltungsmacht nimmt, eine gegenläufige Bedingung zu vereinbaren (§ 210 Abs. 1 VVG). Dies drückt der Gesetzgeber auch mit der Wendung des „Nicht-Abweichen-Könnens“ aus, die er nunmehr anstelle der Wendung des „Nicht-berufen-Könnens“ benutzt.148

Nachgiebiges Recht (ius dispositivum) lässt grundsätzlich abweichende Regelungen zu. Dies ist nur in zwei Fällen anders: Die Parteien sehen gar keine Regelung vor (1) oder eine Partei sucht die andere Vertragsseite durch die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die von dem gesetzlichen Leitbild abweichen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zu übervorteilen (2). Treffen nachlässige oder unbedachte Parteien keine vertraglichen Regelungen, so gestaltet das nachgiebige Recht den Vertragsinhalt. Der fürsorgliche Gesetzgeber hält gleichsam Musterverträge für die Marktteilnehmer vor. Nachgiebiges Recht zwingt die Parteien nicht zu einem bestimmten Vertragsinhalt. Nachgiebiges Recht füllt vertragliche Lücken aus, die den Parteien bei Vertragsabschluss nicht bewusst waren. Den Vertragsinhalt bestimmt nachgiebiges Recht nur in dem Fall, in dem eine Partei zum Nachteil der anderen Vertragsseite von dem gesetzlichen Leitbild abweicht (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). An die Stelle der unwirksamen Vertragsbestimmung tritt dann nach § 306 Abs. 2 BGB das nachgiebige Recht.149 Auf diese Weise verwandelt sich nachgiebiges Recht in zwingendes Recht.150

§§ 127, 129 VVG zwingen den Parteien eines Rechtsschutzversicherungsvertrages den Grundsatz der freien Anwaltswahl als Vertragsinhalt auf. Wenn schon ←59 | 60→die besonderen Vorschriften der §§ 127, 129 VGG die Vertrags- und Gestaltungsmacht begrenzen, so könnte dies erst recht für die allgemeine Vorschrift des § 3 Abs. 3 BRAO gelten. Beide Vorschriften räumen dem Rechtsuchenden ein Wahlrecht ein.

Einige betrachten § 3 Abs. 3 BRAO unter diesem Gesichtspunkt daher als zwingendes Recht.151 Wenn der Gesetzgeber den Grundsatz der freien Anwaltswahl als so wichtig erachten haben sollte, dass er ihn als zwingendes Recht ausgestaltet hat, wirft dies die Frage auf, ob der Rechtsuchende auf das Wahlrecht verzichten kann oder ob es sich gar um ein höchstpersönliches, unverzichtbares Recht handelt. Sollte es sich hingegen bei § 3 Abs. 3 BRAO um nachgiebiges Recht handeln, so ließe dies den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Versicherungsnehmer für besonders schutzbedürftig gegenüber dem Rechtsschutzversicherer hält. Ob § 3 Abs. 3 BRAO nachgiebig oder zwingend ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Wie sich dies auf den Zusammenhang mit § 127 VVG auswirkt ebenfalls. Z.T. wird nämlich auch vertreten, dass § 127 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO beziehungslos nebeneinander bestehen.152 Beides soll in einem zweiten Schritt untersucht werden. Hier geht es zunächst darum, die rechtlichen Fragen zu sammeln, die der Rechtsrahmen der Schadenabwicklung in der Rechtsschutzversicherung aufwirft.

b. Rechtsbekundende oder rechtsbegründende Vorschrift

Das allgemeine Wahlrecht des § 3 Abs. 3 BRAO gilt nur „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“. Es scheint unter einem Gesetzesvorbehalt zu stehen.

Teilweise wird § 3 Abs. 3 BRAO deshalb für eine allein rechtsbekundende, keineswegs aber für eine rechtsbegründende Vorschrift gehalten.

Ohne weitere Begründung wird diese Meinung verschiedentlich auch auf die Vorschrift des § 127 VVG übertragen.153 Wäre diese überwiegend nicht geteilte Auffassung zutreffend, wäre § 127 VVG kein geeigneter Prüfungsmaßstab für die Schadenabwicklung in der Rechtsschutzversicherung. Vielmehr wären als Prüfungsmaßstab die Rechtsvorschriften hinzuziehen, die § 127 VVG bekundet. Auch dies gilt es im Rahmen der Auslegung in einem zweiten Schritt zu klären.

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c. Anwaltswahl und Anwaltszwang

Der „Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“, auf den § 3 Abs. 3 BRAO Bezug nimmt, wirft noch die weitere Frage nach dem Zusammenhang zwischen Anwaltswahl und Anwaltszwang auf. Die gesetzlichen Vorschriften in § 3 Abs. 3 BRAO meinen die gesetzlichen Vorschriften nach §§ 78, 79 ZPO sowie §§ 3, 4 RDG, die die Befugnis des Rechtsuchenden beschränken, sich selbst zu vertreten oder durch Dritte vertreten zu lassen. Die Frage nach dem Verhältnis von Anwaltswahl und Anwaltszwang wird ebenfalls zu klären sein.

Details

Seiten
476
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631801666
ISBN (ePUB)
9783631801673
ISBN (MOBI)
9783631801680
ISBN (Hardcover)
9783631789933
DOI
10.3726/b16112
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Rechtsschutzversicherung Anwaltliches Berufsrecht Verfahrensrecht Halbzwingendes Recht AGB-Recht Verbraucherrecht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 476 S.

Biographische Angaben

Burkard Lensing (Autor:in)

Burkard Lensing lebt und arbeitet in Köln. Er studierte Rechtswissenschaften und Philosophie in Münster und Berlin. Seit 1999 ist er Rechtsanwalt; seit 2007 Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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Titel: Die freie Anwaltswahl
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