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STEFAN ZWEIG UND ELLEN KEY. EINE BIOGRAFISCHE MINIATUR

Briefwechsel zwischen einem jungen österreichischen Dichter und einer schwedischen Philosophin und Gesellschaftsreformerin

von Margrit Hansen (Autor:in)
©2020 Monographie 146 Seiten

Zusammenfassung

Im Jahre 1904 schreibt der junge Stefan Zweig zum ersten Mal an die von ihm verehrte Schwedin Ellen Key. Sie ist über 50, Zweig ist 23 Jahre alt. Es entwickelt sich ein fast 20 Jahre dauernder, vertrauensvoller Briefwechsel.
In diesen Briefen spiegelt sich zunächst die Entwicklung des jungen Dichters wider, später vor allem ungläubiges Entsetzen, als die kulturell verbundenen Menschen und Nationen Europas mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu Feinden werden.
Ab 1915 wird in der Korrespondenz zwischen Zweig und Key deutlich, dass Resignation an Raum gewinnt. Der Krieg als humanitäre Katastrophe und Verbrechen gegen die Menschlichkeit lässt den Glauben an die Kraft von Literatur und Kunst schwinden.
Beide kämpfen aber weiter mit der Schreibfeder für den Frieden und warnen in Wort und Schrift vor Radikalisierung. Sie hoffen weiter, dass ein menschliches Gewissen mittels Sprache nachhaltig angerührt werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titelseite
  • Impressum
  • About the author
  • About the book
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Muttersprache – Heimatland
  • Curriculum vitae der beiden Briefpartner
  • Schriftliche Kommunikation: Stefan Zweig an Ellen Key und Ellen Key an Stefan Zweig
  • Biografische Anmerkungen
  • Entwicklung der Kommunikation in ihrer Zeit
  • Die Briefe
  • Briefwechsel von 1904–1911
  • Briefwechsel von 1915–1921
  • Eine Wahlverwandtschaft
  • Kulturelle Begegnung
  • Am Anfang ist das Wort
  • Heimat und Entwurzelung
  • Abbildungen
  • Auswahlbibliographie
  • Quellen
  • In deutscher Spache erschienene Werke Keys
  • Zu Keys Lebzeiten in deutscher Sprache erschienene Werke Zweigs
  • Weitere Werke
  • Erwähnte Personen

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VORWORT

Stefan Zweig und Ellen Key sind sich nur einmal in ihrem Leben in Italien begegnet, im Herbst 1907, haben aber über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren miteinander Briefe1 gewechselt. Über diese Begegnung in Italien schreibt Stefan Zweig in seinem Lebensrückblick Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers:

„So kam eines Tages Ellen Key zu mir, diese wundervolle schwedische Frau, die mit einer Kühnheit ohnegleichen in jenen noch borniert widerstrebenden Zeiten für die Emanzipation der Frauen gekämpft und in ihrem Buch ‚Das Jahrhundert des Kindes‘2 lange vor Freud die seelische Verwundbarkeit der Jugend warnend gezeigt.“ Und er fügt hinzu: „…durch sie wurde ich in Italien bei Giovanni Cena3 eingeführt und gewann in dem Norweger Johan Bojer4 einen bedeutenden Freund.“

Und an anderer Stelle dieses Buches erwähnt er Key zusammen mit Walter Rathenau, Emile Verhaeren und Léon Bazalgette als eine von seinen vier wichtigsten Freunden.5

Der Briefwechsel zwischen Zweig und Key beginnt 1904. Zweig lebt in Wien und hat bereits den Gedichtband Silberne Saiten zwei Jahre zuvor veröffentlicht. Die Liebe der Erika Ewald (vier Novellen) erscheint 19046 in Berlin.

Ein Exemplar geht mit seinem ersten Brief an Key, vielleicht in der Hoffnung, dass sie ihn in der literarischen Welt Skandinaviens genauso bekannt machen ←7 | 8→wird wie zuvor Rainer Maria Rilke7. Die hier veröffentlichte Korrespondenz von 1904–1921 zwischen Stefan Zweig und Ellen Key stellt die beiden in den historischen Zusammenhang des ersten Teils der Welt von Gestern. Dieses Buch von Stefan Zweig wurde nach seinem Tod in Stockholm veröffentlicht. Es ist seine Lebensgeschichte, die in den Jahren von 1939 bis 1941 im Exil entstand.

Das Buch spiegelt gleichzeitig die Geschichte Europas und der Welt vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Mitte des Zweiten Weltkrieges (1942) wider, während die Korrespondenz zwischen Key und Zweig einen kürzeren Zeitraum von 1904 bis 1921 umfasst.

1904 hat Stefan Zweig seine Promotion8 bestanden und seinen Novellenband Die Liebe der Erika Ewald veröffentlicht. Trotz seines Erfolges ist er noch unsicher, in welche Richtung er sich entwickeln soll. Schon während der Schulzeit hat er begonnen, belgische und französische Dichter ins Deutsche zu übertragen. Dazu gehören Werke von Paul Verlaine9. und eine Novelle von Camille Lemonnier10. Später entdeckt er den belgischen Dichter Emile Verhaeren11 für sich, übersetzt einige Gedichte und bittet Verhaeren um Erlaubnis, sie veröffentlichen zu dürfen.

Verhaerens Gedichte entsprechen Zweigs Lebensgefühl mit ihrer Zukunftsbejahung im neuen europäischen Geist.

Im dritten Universitätsjahr deutet sich das Ziel an, sich ganz dem Schriftstellerberuf zuzuwenden. Zweig ist in einer Entwicklungsphase, die er in der Welt von Gestern für sich so charakterisiert: „Gerade dadurch, dass jede fremde Sprache in ihren persönlichsten Wendungen zunächst Widerstände für die Nachdichtung schafft, fordert sie Kräfte des Ausdrucks heraus, die ungesucht sonst nicht zum Einsatz gelangen, und dieser Kampf, der fremden Sprache zäh das Eigenste abzuzwingen und der eigenen Sprache ebenso plastisch einzuzwingen, hat für mich immer eine besondere künstlerische Lust bedeutet.“12

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Verhaerens Lyrik genießt Ellen Keys höchste Anerkennung und so interessiert sich Key auch für den jungen Schriftsteller Zweig, der die Werke des Belgiers ins Deutsche übertragen hat.

Stefan Zweig begeistert sich außerordentlich für Verhaeren: „Verhaeren hatte als erster von allen französischen Dichtern versucht, Europa das zu geben, was Walt Whitman Amerika: das Bekenntnis zur Zeit, das Bekenntnis zur Zukunft.“13

Auf Walt Whitman14 hat sich auch Key in ihrem bekanntesten Werk Das Jahrhundert des Kindes bezogen. Dort heißt es im letzten Satz ihres Buches: „Aber diese Hoffnung setzt voraus, dass die Jugend (…) die Worte Walt Whitmans zu den ihren macht: Ich frage nicht, ob mein verwundeter Bruder leidet. Ich werde selbst dieser Verwundete.“


1 Briefe von Stefan Zweig (1881–1942) an Ellen Key (1849–1926): erhaltene Briefe aus den Jahren 1904–1921 sind in der Kungl. Biblioteket Stockholm (KB) und in der Jewish National and University Library, Department of Manuscripts and Archives ,verwahrt.

2 Key, Ellen: Das Jahrhundert des Kindes. Übertragung von Francis Maro. Deutsche Erstausgabe, Berlin 1902.

3 Cena, Giovanni (1870–1917), ital. Schriftsteller und Redakteur; lebte zu dieser Zeit zusammen mit der Schriftstellerin Rina Faccio (alias Sibilla Alaramo). Ihr Werk Una donna (1906) ist für die italienische Frauenbewegung von großer Wichtigkeit. Ellen Key macht Zweig im Oktober 1907 in Rom mit „den Cenas“ bekannt.

4 Bojer, Johan (1872–1959), norwegischer Romancier und Dramatiker.

5 Zweig, Stefan: Die Welt von Gestern (1944). Frankfurt a. M. 1999, S. 149 u. S. 211.

6 Zweig, Stefan: Silberne Saiten, Gedichte. Schuster und Loeffler (Vorläufer des Insel-Verlags) Leipzig 1901. Die Liebe der Erika Ewald (vier Novellen) erscheint 1904 bei Egon Fleischel in Berlin.

7 Rilke, Rainer Maria (1875–1926), österreichischer Lyriker. Rilke rezensiert Ellen Keys Neuerscheinung in Deutschland Das Jahrhundert des Kindes im Bremer Tageblatt 1902: „Und dieses Buch, in seiner stillen, eindringlichen Art, ist ein Ereignis, ein Dokument, über das man nicht wird hinweggehen können. Man wird im Verlaufe dieses Jahrhunderts immer wieder darauf zurückkommen, man wird es zitieren und widerlegen, sich darauf stützen und sich dagegen wehren, aber man wird auf alle Fälle damit rechnen müssen.“

8 Zweig, Stefan: Die Philosophie des Hippolyte Taine. Dissertation, 1904.

9 Verlaine, Paul (1844–1896), franz. Dichter; in: Die Welt von Gestern. 1999, S. 145.

10 Lemonnier, Camille (1844–1913), belgischer Novellist und Kunstkritiker.

Details

Seiten
146
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631819821
ISBN (ePUB)
9783631819838
ISBN (MOBI)
9783631819845
ISBN (Hardcover)
9783631819180
DOI
10.3726/b16854
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
Ausdrucksmittel Sprache Schriftliche Kommunikation Literalität Kulturelle Identität Persönlichkeitsentwicklung Kooperationsprozesse Dialogisches Prinzip Einfühlungsvermögen Empathie Pazifismus Menschlichkeit Humanität
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 146 S., 2 farb. Abb., 8 s/w Abb.

Biographische Angaben

Margrit Hansen (Autor:in)

Margrit Hansen war nach einem Lehramtstudiengang an Schulen und als Lehrbeauftragte an der Universität in Flensburg tätig. Nach einem Diplomstudium im Fach Erziehungswissenschaften und der Promotion schloss sich eine mehrjährige Tätigkeit als Studienleiterin für Pädagogik am Institut für Lehrerbildung SH sowie als Dozentin der Europa-Universität Flensburg an. Sie arbeitete redaktionell bei verschiedenen erziehungswissenschaftlichen Zeitschriften mit, gab Diskursbeiträge zur Wirkungsgeschichte Ellen Keys heraus und übersetzte klassische schwedische Bilderbücher ins Niederdeutsche.

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