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Deutsche und kamerunische Jugendsprache im Kontrast

Untersuchungen zur lexikalisch-semantischen und pragmatischen Kreativität mit didaktischem Bezug zum DaF-Unterricht

von Eugeune Colinet Tatchouala (Autor:in)
©2016 Dissertation 394 Seiten

Zusammenfassung

Jugendsprache ist heutzutage ein internationales Thema von besonderer Brisanz für die Forschung, Öffentlichkeit und Bildung. Der Beitrag zur sprachlichen Kreativität deutscher und kamerunischer Jugendlicher mit didaktischem Bezug zum Deutschunterricht zeigt deutlich aufschlussreiche Unterschiede wie aber auch überraschende Ähnlichkeiten zwischen zwei sprachlich und kulturell weit auseinanderliegenden Varietäten: der deutschen und kamerunischen Jugendsprache. Durch die vergleichende linguistische Analyse werden auch Möglichkeiten und Grenzen kontrastiver Betrachtungsweisen aufgezeigt. Anhand konkreter Beispiele aus dem Unterricht und auf Basis von Ergebnissen aus der Motivationsforschung, Mehrsprachigkeitsdidaktik und germanistischen Variationslinguistik stärkt die Studie zudem den Stellenwert der Jugendsprache als bedeutende Stütze im Sprachunterricht Deutsch. Somit verschafft diese empirische Arbeit durch ihren praktischen Bezug, ihre kontrastive Perspektive und ihre didaktische Ausrichtung einen tiefen Einblick in die Thematik Jugendsprache.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 0 Einleitung
  • 0.1 Gegenstandsfeld, Motivation und Zielsetzung
  • 0.2 Forschungsgegenstand und Problematik
  • 0.3 Methodische Hinweise
  • 0.4 Aufbau der Arbeit
  • 1 Vorausblick
  • 1.1 Jugend und Jugendsprache
  • 1.2 Jugendsprache und Kreativität
  • 1.3 Einflüsse auf Jugendsprachen
  • 1.3.1 Jugendsprache und Medien
  • 1.3.2 Jugendsprache und Mehrsprachigkeit
  • 1.4 Ergebnisse der Jugendforschung in Deutschland und Kamerun
  • 1.4.1 Die deutsche Jugend von heute
  • 1.4.2 Die kamerunische Jugend von heute
  • 1.4.3 Fazit
  • 2 Sprachsituation in Deutschland und Kamerun: Anregungen zur kontrastiven Betrachtung deutsche Jugendsprache – Camfranglais
  • 2.1 Mehrsprachigkeit in Deutschland als Folge der Migration
  • 2.1.1 Mehrsprachigkeit und Sprachvariation
  • 2.1.2 Massenzuzüge nach Deutschland und weitere Faktoren der Mehrsprachigkeit…
  • 2.1.3 Konsequenzen auf der sprachlichen Ebene
  • 2.2 Mehrsprachigkeit in Kamerun als Folge der Kolonisation
  • 2.2.1 Kamerun vor der Kolonialherrschaft
  • 2.2.2 Kamerun unter der Kolonialherrschaft
  • 2.2.3 Kamerun nach der Kolonialherrschaft: multidimensionale Mehrsprachigkeit als Ergebnis des ‚linguistic melting pot‘
  • 2.3 Sprachlandschaft Kameruns und Deutschland im Vergleich
  • 3 Theoretische Grundlagen
  • 3.1 Jugendsprache als Untersuchungsgegenstand in der Linguistik: ein Forschungsüberblick
  • 3.1.1 Jugendsprache als internationales soziolinguistisches Phänomen
  • 3.1.2 Jugendsprache in Deutschland
  • 3.1.3 Jugendsprachforschung in Kamerun
  • 3.2 Fazit und Ausblick
  • 4 Methodologische Überlegungen
  • 4.1 Vorbemerkung
  • 4.2 Kontrastiv-interkultureller Ansatz als neue Forschungsperspektive
  • 4.2.1 Sinn kontrastiver Betrachtungen
  • 4.2.2 Sprachvergleich und kontrastive Jugendsprachanalyse
  • 4.3 Ausgewählte Methoden zur Datengewinnung und Datenanalyse
  • 4.3.1 Befragung und teilnehmende Beobachtung
  • 4.3.2 Quantitative und qualitative Auswertungen
  • 4.3.3 Semasiologisches Analyseverfahren mit Berücksichtigung von außersprachlichen Kontexten
  • 4.3.4 Reflexion der Methoden und Hinweise auf weitere Betrachtungsmöglichkeiten
  • 5 Empirische Erhebung und Datenanalyse
  • 5.1 Vorstudien zur Datensammlung in Kamerun
  • 5.1.1 Interviews mit Schülern aus Lycée Général Leclerc und Collège Adventiste
  • 5.1.2 Befragung von Bankimer Gymnasiasten zum Camfranglais
  • 5.1.3 Beobachtung einiger Unterhaltungen camfranglaissprechender Jugendlicher in Bankim
  • 5.2 Hauptstudie: Befragung deutscher und kamerunischer Jugendlicher und Datenanalyse
  • 5.2.1 Vorbemerkungen
  • 5.2.2 Daten deutscher SchülerInnen und StudentInnen
  • 5.2.3 Daten kamerunischer SchülerInnen und StudentInnen
  • 5.2.4 Fazit: Rückblick und Ausblick
  • 5.3 Einige Vergleichspunkte in kontrastiver Sicht: Deutsche Jugendsprache – Camfranglais
  • 5.3.1 Identifizierte Internationalismen
  • 5.3.2 Vergleichspaare und -raster auf der pragmatischen und lexikalisch-semantischen Ebene
  • 5.3.3 Sprachmischungen deutscher und kamerunischer Jugendlicher im Spannungsverhältnis von Universalität und Kulturspezifik
  • 5.4 Fazit
  • 6 Jugendsprache im Kameruner DaF-Unterricht: eine didaktische Alternative
  • 6.1 Deutsch als Schul- und Studienfach in Kamerun: Geschichte, Institutionalisierungsformen, Ziele und Probleme
  • 6.2 Ergebnisse eines Unterrichtsversuchs an der Sekundarschule als Anstoß für curriculare Innovationen
  • 6.3 Camfranglais im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik für den Kameruner DaF-Unterricht an der Sekundarschule
  • 6.3.1 Vorbemerkung
  • 6.3.2 Über Spracherfahrungen kamerunischer Deutschlernender und Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht
  • 6.3.3 Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Einsatz des Camfranglais
  • 6.3.4 Camfranglais in der DaF-Lehrpraxis
  • 6.4 Deutsche Jugendsprache im Kontext der Sprachvariation im Hochschulunterricht
  • 6.4.1 Vom Nutzen der Sprachvariation im DaF
  • 6.4.2 Deutsche Jugendsprache als eine Varietät des heutigen Deutschen
  • 6.4.3 Deutsche Jugendsprache als Lerngegenstand im universitären DaF-Unterricht für Fortgeschrittene
  • 6.4.3.1 Erwerb von Sprachwissen und Kompetenztraining durch die Jugendsprache
  • 6.4.3.2 Jugendsprache, Jugendkultur und interkulturelles Lernen durch das kontrastive Verfahren im Unterricht
  • 6.4.3.3 Reflexion über Sprache als gesellschaftliches Phänomen und Potenzial im ständigen Wandel
  • 6.5 Fazit
  • 7 Schluss: Rückblick und Ausblick
  • Literatur
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Anhang
  • Anhang 1: Vorstudien zum Camfranglais: Fragebögen, Interviewfragen und Leitfaden der teilnehmenden Beobachtung
  • Anhang 2: Hauptstudie: Fragebögen für die kontrastive Analyse
  • Anhang 3: Deutschstunde mit dem Camfranglais
  • Anhang 4: Verwendungsräume des Camfranglais in Kamerun

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Abkürzungsverzeichnis

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0 Einleitung

0.1 Gegenstandsfeld, Motivation und Zielsetzung

Die Teilnahmslosigkeit der italienischen Gesellschaft der 60er Jahre an der Debatte zur Sprachfrage in Italien hat den Sprach- und Kulturkritiker Pier Paolo Pasolini (21977, 33) zu folgender Kritik1 veranlasst: Sein Volk achtete mehr auf das Wetter, anstatt sich mit der akuten Sprachproblematik in der Italienischen Republik der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen.2 Mit dieser Beobachtung einer Nation, für die die Frage Che tempo fa? wichtiger als die Frage Che lingua fa? war,3 hat Pasolini (21977, 33) die italienische Gesellschaft auf die Wichtigkeit der Sprachfrage im Besonderen und der Sprache im Allgemeinen aufmerksam gemacht.

Mit dem obigen Bezug will ich die Relevanz des Gegenstandsfelds Sprache hervorheben. Am wichtigsten im vorliegenden Kontext ist nicht die heftige Debatte der 60er Jahre in Italien, sondern die Tatsache, dass der Autor der Sprache besondere Beachtung schenkt und seine Gemeinschaft auf deren Bedeutung aufmerksam macht. Diese Betrachtung der Sprache als achtenswertes Thema freut den Linguisten, der die Sprache beschreibt, und bereichert die Linguistik, die von der Sprachbeschreibung lebt.

Die Sprache bleibt nach wie vor das Verständigungsmittel der Menschen, das wichtigste Medium, um mit anderen Personen in Kontakt zu kommen, Gedanken und Gefühle auszudrücken, Wünsche zu äußern, Erlebnisse zu verarbeiten, Handlungen zu planen, Zusammenhänge zu verstehen und Erfahrungen auszutauschen (Richter et al. 2001, 11). Aufgrund dieser Polyfunktionalität sollte Sprache als bedeutendes Kulturelement in der Tat jederzeit in der Forschung wie in öffentlichen Diskursen ein bevorzugter Gegenstand sein.

Es ist aber nicht immer so der Fall. Beispielsweise ist das Thema Jugendsprache in vielen Ländern der Welt sehr oft Gegenstand der Klagen von Erwachsenen, vor allem Pädagogen und Eltern, die einen Sprach- und Kulturverfall befürchten. Sie wird jedoch nicht als Diskussionsgegenstand systematisch in die öffentliche ← 13 | 14 → Debatte eingeführt und behandelt. Vor dem Wendepunkt der linguistischen Jugendsprachforschung in den 80er Jahren4 war Jugendsprache auch ein peripheres Thema.5 Sie wird heute mit großem Interesse unter vielen Aspekten untersucht.

In der vorliegenden Arbeit steht dieser aktuelle Gegenstand6 im Vordergrund. Meines Erachtens tragen die ständigen Beschwerden der Öffentlichkeit, Jugendsprache sei ein Sprachverfall oder eine Normverweigerung,7 weder zum Verständnis der Jugendsprache noch zur Einschränkung ihrer Entwicklung bei. Auch die Bekämpfung dieser Sprachvarietät durch eingreifende sprachpflegerische Maßnahmen8 kann nicht erfolgreich sein.

Aufgrund der Tatsache, dass die Jugendlichen ihre Sprachkreativität vorwiegend auf der Grundlage der geltenden Sprachnormen entwickeln,9 kann Folgendes vermutet werden: Auch wenn Jugendliche mit ihrem Jugendelan alles anders machen wollen, betrachten sie die Entwicklung ihres Sprachstils weniger als eine subversive Handlung gegen die etablierten gesellschaftlichen Normen. Sie gilt vor allem als ein Merkmal der Peergroup-Identität Jugendlicher, das die Jugendgeneration kennzeichnet, sie von anderen unterscheidet und mit der Entwicklung der Gesellschaft selbst zusammenhängt.

Die heutige Jugendsprachforschung betont die Beschreibung von übereinzelsprachlichen Gemeinsamkeiten im Aufbau von Jugendsprachen, die Untersuchung der Beziehung zwischen Jugend- und Standardsprache, die Analyse lexikalisch-
semantischer, pragmatischer sowie interaktionaler Aspekte von jugendtypischen und jugendpräferenziellen Sprachstilen und die Berücksichtigung der ermittelten Befunde in der Sprachdidaktik als Desiderata.10 ← 14 | 15 →

In diesem Zusammenhang stellt sich zurzeit u. a. die Internationalität der Jugendsprachforschung im Hinblick auf die Herausforderungen kontrastiv-interkultureller Forschungsrichtungen als besonders wünschenswert dar. Mein Einstieg in die wissenschaftliche Diskussion mit dem Thema ,Deutsche und kamerunische Jugendsprache im Kontrast‘ ist durch diese Erwartungen motiviert. Die Studie setzt sich innerhalb dieses Rahmens zum Ziel, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der deutschen und kamerunischen Jugendsprache im lexikalisch-semantischen und pragmatischen Bereich herauszustellen und anschließend die mögliche Funktion und konkrete Gestaltung einer Auseinandersetzung mit bzw. Berücksichtigung von Jugendsprache im Kameruner gymnasialen und universitären DaF-Unterricht zu verdeutlichen.

Empirische Arbeiten, die Befunde aus verschiedenen Kulturen vergleichen, können relevante Ergebnisse hervorbringen. Denn durch empirisch gesammeltes Sprachmaterial, das dem Vergleich zweier oder mehrerer jugendsprachlicher Varietäten dient, werden nicht nur allgemeine Tendenzen im Rahmen von Gemeinsamkeiten wahrnehmbar, sondern auch feine Unterschiede in ihrer Gemeinsamkeit deutlich. Durch diese Art der Kontrastivik11 wird die Jugendsprache als ,glokales Phänomen‘12 (Zimmermann 32008, 180) im Spannungsverhältnis von Universalität und Kulturspezifik beschrieben.

Im Hinblick auf das bereits oben angedeutete Forschungsziel richte ich bei der Untersuchung mein Augenmerk auf einige ausgewählte Felder, die laut neuerer Forschungsergebnisse zur deutschen und kamerunischen Jugend und Jugendsprache13 aufschlussreiche Einsichten in die Kreativität des Sprachgebrauchs Jugendlicher vermitteln können. Außerdem nehme ich Bezug auf Forschungsergebnisse aus der Mehrsprachigkeitsdidaktik und der Motivationsforschung im Bereich des Fremdsprachenlernens sowie auf die neueren ← 15 | 16 → Ergebnisse über die Variation des heutigen Deutschen14 und auf die Probleme, Inhalte und Ziele des Kameruner gymnasialen Deutschunterrichts und des Kameruner Deutschstudiums, um die Berücksichtigung der kamerunischen Jugendsprache im Deutschunterricht an der Sekundarschule sowie die Berücksichtigung der deutschen Jugendsprache im Germanistikstudium und bei der Ausbildung der DaF-Lehrkräfte zu begründen.15

In diesem Zusammenhang könnte sich der Bezug auf die deutsche Jugendsprache in den sprachbezogenen Lehreinheiten der Germanistikausbildung und im Lehramtsstudium DaF als ein günstiger Anlass zur Entwicklung eines Varietätenbewusstseins und zur Behandlung relevanter Themen für Jugendliche darstellen, und der Bezug auf die kamerunische Jugendsprache im Kameruner gymnasialen DaF-Unterricht könnte als Motivationsfaktor und didaktische Stütze beim Wortschatz- und Sprachproduktionstraining gelten. Zu den Anregungen zu den obigen Überlegungen gehören auch die Ergebnisse eines unternommenen DaF-Unterrichtsversuchs mit einem Musiktext in kamerunischer Jugendsprache als Einstieg.16

0.2 Forschungsgegenstand und Problematik

Zur Beschreibung der sprachlichen Kreativität deutscher und kamerunischer Jugendlicher werden fünf Felder in den Mittelpunkt der Analyse gerückt:

Soziale Beziehungen: Durch die Analyse expressiver Sprachhandlungen wie Begrüßung und Verabschiedung können jugendtypische und jugendpräferenzielle Ausdrücke herausgefunden werden, die im sozialen Kontext von Begegnung und Abschied Anwendung finden.

Freizeitgestaltung: In diesem Feld bietet sich die Möglichkeit an, Einsicht in die Lieblingsbeschäftigungen Jugendlicher zu gewinnen und den Wortschatz des Jugendalltags, besonders in der Freizeit, zu erforschen.

Gruppenkategorisierungen: Durch die Untersuchung der Ausdrücke Jugendlicher zur sozialen Klassifikation werden Klischees erschlossen, die Jugendliche ← 16 | 17 → besonderen Gruppen im Alltag zuschreiben, wie z. B. den Politikern, Polizisten, Lehrkräften, SchülerInnen, StudentInnen, Arbeitslosen und reichen Leuten.

Wertungsausdrücke: In diesem Bereich steht die emotionale Sprache deutscher und kamerunischer Jugendlicher im Mittelpunkt.

Sprachmischungen: In diesem Feld wird das Phänomen der Sprachmischung aufgrund des Sprachkontakts und der Mehrsprachigkeit der deutschen und kamerunischen Jugendlichen genauer untersucht.

Ausschlaggebend für die Auswahl der bereits genannten Felder für die Beschreibung der Sprachkreativität deutscher und kamerunischer Jugendlicher sind die neueren einschlägigen Forschungsergebnisse der deutschen und kamerunischen Jugend- und Jugendsprachforschung zu den Präferenzen und Wertorientierungen deutscher und kamerunischer Jugendlicher (Lieblingsthemen, Aktivitäten in der Freizeit, Wertvorstellungen, Wünsche, bevorzugte Sprachstile u. a.) sowie zu den Merkmalen und Funktionen ihrer Sprachstile in den jeweiligen Verwendungsräumen.17 Es ist davon auszugehen, dass diese für die anvisierte Zielgruppe relevanten Bereiche Quellen ihrer Sprachkreativität sein können.

Bei der Analyse werden folgende Fragestellungen erörtert:

Wie begrüßen und verabschieden sich deutsche Jugendliche und wie drücken sie ihre Wertungen aus?

Wie begrüßen und verabschieden sich kamerunische Jugendliche und wie drücken sie ihre Wertungen aus?

Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede stellen sich aus dem Vergleich der oben genannten Sprechakte dar?

Wie sieht der Wortschatz deutscher und kamerunischer Jugendlicher zur Gruppenkategorisierung und Freizeitgestaltung aus und welche Besonderheiten lassen sich dabei erkennen?

Die Bearbeitung der obigen Fragestellungen kann dann die Beantwortung einiger Grundsatzfragen ermöglichen. Dazu gehört die Kernfrage nach der Universalität und Typizität von deutschen und kamerunischen Sprachmischungen.

Mit den oben erwähnten Analysebereichen und Fragestellungen wird das Explorieren der sprachlichen Kreativität deutscher und kamerunischer Jugendlicher eingegrenzt und ihre exemplarische Beschreibung ermöglicht. Dabei gehe ich von folgenden Hypothesen aus: ← 17 | 18 →

Trotz der Zugehörigkeit zu verschiedenen Sprachfamilien18 ist zu vermuten, dass die deutsche und die kamerunische Jugendsprache Ähnlichkeiten aufweisen, die unter Berücksichtigung von kulturspezifischen Kontexten differenziert beschrieben und gedeutet werden können. Von dieser grundlegenden Ansicht aus wird weiterhin Folgendes angenommen:

In bestimmten relevanten Bereichen (soziale Beziehungen, Wertungen, Gruppenkategorisierungen, Freizeitgestaltung u. a.) könnten deutsche und kamerunische Jugendliche relativ ähnliche Sprachverhalten aufweisen.

Diese Partikularitäten deutscher und kamerunischer Jugendlicher könnten sich als stark kontextgebunden erweisen und meist unterschiedliche kulturspezifische Funktionen erfüllen.

Auf die Frage nach der Arbeitsmethodik19 wird im Folgenden pauschal eingegangen.

0.3 Methodische Hinweise

Zur Durchführung der Untersuchung, die vorwiegend auf empirischen Daten basiert, kommen einige Forschungsverfahren der empirischen Sozialforschung zum Einsatz, und zwar die Befragung, die teilnehmende Beobachtung und die Datendeutung. Hauptmethode der Datengewinnung für die Hauptstudie (kontrastive Jugendsprachanalyse) ist die quantitative und qualitative Erhebung durch Fragebögen. Durch dieses Verfahren habe ich Zugang zu authentischen Daten der Zielgruppe (befragte deutsche und kamerunische Jugendliche), die ihre Meinung zu den angesprochenen Themen schriftlich äußert oder Beispiele zur Untermauerung bestimmter Sprachphänomene liefert. Als Ergänzung dazu werden auch situativ-punktuelle Interviews und ,teilnehmende unstrukturierte Beobachtungen‘ (Girtler 1989, 103) sowie Korpora der neuesten Forschungsliteratur zur deutschen und kamerunischen Jugendsprache einbezogen. Zu den Grundlagen der Vorstudien in Kamerun gehören ,teilnehmende strukturierte Beobachtungen‘ und Leitfadeninterviews. Dank dieser Voruntersuchungen konnten einige Informationen zur Funktion und Relevanz der kamerunischen Jugendsprache bei kamerunischen Jugendlichen sowie einige wichtige Eindrücke zum Forschungsgegenstand Jugendsprache in Kamerun gewonnen werden. ← 18 | 19 →

Bei der Datenanalyse geht es vor allem um die Auswertung und Deutung der Sammlung. In dieser Arbeitsphase findet für die Analyse linguistischer Daten das semasiologische Verfahren der komponentiellen und relationalen Semantik zur Erschließung von Wortbedeutungen Anwendung. Überdies wird der außersprachliche Kontext in die Interpretation einbezogen. Der verfolgte Forschungsansatz ist nicht der traditionelle20, sondern kann aufgrund des multiperspektivischen Charakters der Untersuchung als innovativ gelten: Diese beschränkt sich nicht mehr ausschließlich auf die Lexik, sondern ist lexikalisch-semantisch, pragmatisch, interlingual, interkulturell, kontrastiv und didaktisch ausgerichtet. Auf die Beschreibung von den hier nur stichwortartig angeführten methodischen Konzepten sowie auf die Schwierigkeiten, die kontrastiv-interkulturelle Jugendsprachanalysen bereiten, wird im vierten Kapitel ausführlicher eingegangen.

0.4 Aufbau der Arbeit

Die Untersuchung ist grob in vier Bestandteile gegliedert:

Der erste Teil beinhaltet die Vorstudien bzw. die notwendigen Erklärungen vor dem eigentlichen Einstieg in das Thema (Jugendsprache). Dazu gehören die beiden Kapitel Vorausblick und Sprachsituation in Deutschland und Kamerun. Das erste Kapitel fokussiert die Konzepte Jugend, Jugendsprache und Kreativität sowie die Ergebnisse der Jugendforschung in Deutschland und Kamerun. Das zweite Kapitel stellt die Sprachsituation in den beiden Ländern dar und hebt außerdem einige Ähnlichkeiten und Unterschiede auf der sprachlichen Ebene hervor.

Als zweites folgt der theoretische und methodische Teil, der die beiden Kapitel zu den theoretischen Grundlagen und methodologischen Überlegungen umfasst und die Fragen nach dem Forschungsstand zum Thema, dem ausgewählten Vorgehen und dem Charakter kontrastiv-interkultureller Jugendsprachanalysen (im Vergleich zum traditionellen Sprachvergleich) beantwortet.

Der dritte Teil besteht aus der Datenanalyse, die im fünften Kapitel behandelt wird.

Der vierte Teil greift schließlich die möglichen Funktionen der kamerunischen Jugendsprache im Kameruner gymnasialen DaF-Unterricht sowie die ← 19 | 20 → der deutschen Jugendsprache im Kameruner Germanistik- und Lehramtsstudium (DaF) auf (sechstes Kapitel).

Die Einleitung gibt Aufschluss über die Relevanz des Gegenstandsfelds Sprache/Jugendsprache, die Motivationen und Zielsetzungen der Untersuchung, den behandelten Forschungsgegenstand, die methodischen Hinweise und den Aufbau der Arbeit. Der Schluss (siebtes Kapitel) besteht aus einem Rückblick und einem Ausblick. Im Letzteren wird u. a. die Frage aufgeworfen, ob bzw. wie jugendtypische und jugendpräferenzielle Sprachgebrauchsweisen überhaupt, aus einer intra- und interkulturellen Perspektive betrachtet, zur Entwicklung bzw. zum Ausbau von intra- und interkulturellen Kompetenzen beitragen und vor allem als Bindeglied zwischen Jugend- und Erwachsenenwelt gelten können.


1 Vgl. ,Altro articlo‘ in dem italienischen Sammelband ,Empirismo Eretico‘ (Pasolini 21977, 33 ff.) und ,Ein weiterer Artikel‘ in der deutschen Fassung ,Ketzererfahrungen‘ (Pasolini 21982, 44ff.).

2 Näheres zur italienischen Sprachgeschichte und zu den satirischen Beiträgen Pasolinis zur Debatte über die italienische Nationalsprache in ,Empirismo Eretico‘ (Pasolini 21977), ,Ketzererfahrungen‘ (Pasolini 21982) und bei Marazzini (2011).

3 Vgl. die Diskussion bei Ehrhardt (2007a, 99).

4 Vgl. Kap. 3.1.2 zum Forschungsstand des Themas Jugendsprache in Deutschland.

5 Vgl. die Diskussion bei Zimmermann (32008, 174), der das zunehmende Interesse der ,professionellen Sprachwissenschaft‘ an Jugendsprache begrüßt und die Tatsache unterstreicht, dass Jugendsprache lange ,marginalisiertes Kellerkind in der Linguistik‘ gewesen ist.

6 Vor allem in frankophonen Ländern, wo die Jugendsprache vorwiegend als eine Gefährdung für die Standard- bzw. Amts- und Bildungssprache angesehen ist.

7 Vgl. u. a. die Diskussion bei Mendo Zé (1990, 86 ff.), Neuland (2000a, 107 ff.) und Cammenga-Waller (2002, 206 ff.).

8 Vgl. die kritischen Anmerkungen Kundegrabers (2008, 27 ff.) und Dalmas (2009, 356 ff.) zur Sprachpolitik und Varietätenförderung in Frankreich.

Details

Seiten
394
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (PDF)
9783653046168
ISBN (ePUB)
9783653985641
ISBN (MOBI)
9783653985634
ISBN (Hardcover)
9783631651957
DOI
10.3726/978-3-653-04616-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Schlagworte
Sprachkreativität Sprachvariation Sprachentwicklung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 394 S., 64 Tab., 8 Graf.

Biographische Angaben

Eugeune Colinet Tatchouala (Autor:in)

Eugeune Colinet Tatchouala studierte Germanistik an der Universität Yaoundé I und absolvierte das Lehramtsstudium Deutsch als Fremdsprache an der Pädagogischen Hochschule ENS Yaoundé in Kamerun. Er erwarb das Deutschlehrerdiplom DIPES II sowie das DEA d’Allemand und wurde am Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Wuppertal promoviert.

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