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Homo universalis

Zwischen Universität und Universalität. In memoriam Heribert Aigner

von Johannes Giessauf (Band-Herausgeber:in) Peter Mauritsch (Band-Herausgeber:in) Sabine Tausend (Band-Herausgeber:in)
©2021 Sammelband 480 Seiten

Zusammenfassung

Heribert Aigner (1943–2015) war Althistoriker und begeisternder Universalist: Sein Interesse gehörte Politik, Religion, Militär, Krieg, Sport, Gesellschafts- und Rezeptionsgeschichte ebenso wie Epigraphik und Numismatik, Archäologie und Kunstgeschichte, vor allem aber der Oper. Diesem Themenspektrum entspringen auch die Beiträge des seinem Andenken gewidmeten Bandes.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titelseite
  • Impressum
  • Autorenangaben
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort des Reihenherausgebers
  • Zu diesem Buch
  • Trauerfeier für Professor Heribert Aigner (1943-2015), 20. Februar 2015
  • Heribert Aigner: Persönliche Erinnerungen an den Freund, Kollegen und Vorgänger
  • Worte der Erinnerung an einen alten Kollegen
  • Heribert Aigner und das Hans Gross Kriminalmuseum: Ein persönlicher Rückblick mit einer Geschichte
  • Kyros’ »geographischer Traum« und seine überraschenden Folgen
  • Arbeitersportler, Makkabäer und Bundisten: Der jüdische Sport in Polen vor dem Holocaust
  • Il toro del cielo: Versuch einer babylonischen Oper
  • Zwei Kleininschriften aus Teurnia: Eine Preisangabe und ein Freudenmädchen
  • Überlegungen zur Persönlichkeit Hadrians
  • »Von der Wiege bis zur Bahre«: Kirche und Fußball – zwei Ordnungen des Lebens
  • Frauen sui iuris
  • Politischer Mord bei den Hethitern
  • Die Bedingtheit von »Universitas Litterarum« und »Orchideenfach«
  • Zenobias Abschied und Toscas Fall: Von Palmyra nach Rom – Oper an historischen Schauplätzen
  • Hoffnung auf Rettung: Ein neugefundener Weihealtar für Artemis Soteira aus Ephesos
  • Die Obszönität der antiken Nacktheit: Pompeji und seine Sinnesfreuden
  • Heilkunde und Heilkunst bei Johannes Chrysostomus
  • Octavia Paulina: Ein sportliches Mädchen aus Rom?
  • Grabsteine für Soldaten aus dem Territorium von Virunum
  • Solons Rede in Lukians Anacharsis im Kontext kaiserzeitlicher Bewertungen griechischer Athletik
  • Das Reiterrelief aus Bulla Regia
  • Nummus quidam redivivus
  • Die Stämme des nordpontischen Raumes in der musikalischen Wahrnehmung des 18. bis 21. Jahrhunderts
  • So ein Theater – Satyrspiel in Graz
  • Schatten auf der Sonne Homers: Der Philhellenismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit
  • Der Agon Herculeus der Historia Augusta - eine Fiktion!?
  • Idem et tibi dii faciant
  • Zauberei an Heribert Aigners Lieblingsschauplätzen
  • Beschriftete Bronzekleinfunde aus Carnuntum und Flavia Solva

Vorwort des Reihenherausgebers

Als ich am 1. Oktober 2013 die Professur für Alte Geschichte am damaligen Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde antrat, war einer meiner ersten Gratulanten Heribert Aigner, der mir Glückwünsche und gutes Gelingen mit auf den Weg gab. Ich habe ihn anlässlich meiner Bewerbung in Graz zum ersten Mal getroffen und ihn vorher nur aus der Literatur gekannt. Ich habe ihn gleich als jemanden kennen und schätzen gelernt, der an einem kollegialen und offenen Austausch interessiert war, der mir unbefangen und freundlich gegenübertrat und dem es nicht gleichgültig war, was mit dem Institut geschah, an dem er so viele Jahre wirken durfte. Die gute Verbindung blieb in der wenigen Zeit, die er noch zu leben hatte, ich durfte an der feierlichen Verleihung des Ehrenkreuzes des Landes Steiermark an ihn teilnehmen und zu Weihnachten 2014 verehrte er mir, bis dato Moselweinliebhaber, eine gute Flasche Gelben Muskatellers aus der Steiermark, ein Wein, den ich durch ihn zu schätzen gelernt habe. Leider ist Heribert schon am 14. Februar 2015 gestorben.

Das Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde ist nun seit Oktober 2019 Teil des Instituts für Antike, einem Zusammenschluss von Alter Geschichte, Archäologie, Klassischer Philologie und des Zentrums Antike. Ich bin der Überzeugung, dass Heribert Aigner diesen Zusammenschluss der altertumswissenschaftlichen Fächer, die ja seit langem an der Universität Graz eng zusammenarbeiten, sehr begrüßt hätte. Er hatte ja selbst immer wieder vieles zu einem guten Klima und einer engen Kooperation dieser Fächer beigetragen.

Die Reihe Grazer Altertumskundliche Studien ist von Heribert Aigner 1996 gegründet worden. Ich habe diese Reihe 2015 nach seinem Tod übernommen und in seinem Sinne weiterzuführen versucht. So soll es das Andenken des Verstorbenen und seines Werkes ehren, wenn nun auch seine Gedächtnisschrift, in welcher seine Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen und Schülerinnen und Schüler mit ihren Beiträgen sowohl an den Wissenschaftler und seine Themen als auch an die Person erinnern, als Band 13 dieser Reihe publiziert wird. Unabhängig hiervon wird das neue Institut für Antike Heribert Aigner stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Graz, im Juni 2020 Wolfgang Spickermann

Zu diesem Buch

Der 14. Februar des Jahres 2015 war ein trauriger Tag für die Altertumswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz. An diesem Valentinstag verlor das Institut für Klassische Archäologie Gerda Schwarz, das Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde Heribert Aigner. Beide waren lange Jahre, zum Teil in leitender Position, Stützen ihrer Institute, mit Hingabe lehrend und mit nie nachlassender Begeisterung interessiert am Erkunden der Antike, am Leben der Menschen, an deren Hervorbringungen, und immer auch am Nachleben und an den Nachwirkungen dieser vergangenen Welt.

Zu dieser Zeit besprachen die HerausgeberInnen des vorliegenden Bandes bereits erste Gedanken zu einem Symposion anlässlich des 75. Geburtstages ihres Lehrers, Mentors und Freundes Heribert Aigner, mit dem durchaus eigennützigen Hintergedanken, nicht nur ihm, sondern auch sich selbst Freude zu bereiten, denn sie wussten: Gespräch, Rede und Widerrede waren die von Heribert Aigner höchst geschätzte Form der Kommunikation. Sie boten ihm das Forum, ein in den Raum geworfenes Wort aufzunehmen, überlegend seine Bedeutungen und die in ihm steckenden Möglichkeiten zu erkunden, einen Gedanken andeutend abzuwägen und sich dann doch für einen anderen zu entscheiden – dieses Spiel machte Vorträge und Symposien für ihn und das Publikum zu einem intellektuellen Vergnügen.

Menschen, die Heribert Aigner als Lehrer, Freund und Weggefährten kannten und schätzten, sollten eingeladen werden, ihm mit Vorträgen Reverenz zu erweisen; sie hätten sich gerne seiner stets konstruktiven Kritik gestellt und wären gespannt gewesen, welche Facette ihres Vortrags ihm diesmal Anlass zu konnotativmäandrierendem Dribbling durch die Universalität seines Wissens gewesen wäre.

Sein unerwarteter Tod erwies das Vorhaben noch vor der Planung als Menschenwerk, doch eignet diesem manchmal starrsinnige Beharrlichkeit. Es wurden Heribert Aigner nahestehende Menschen kontaktiert, die am 9. Oktober 2015 mit 16 Vorträgen bei der Veranstaltung »Homo universalis – Zwischen Universität und Universalität. In memoriam Heribert Aigner« im vollbesetzten Festsaal des Meerscheinschlößls seines Todes gedachten. Sie wurden zum Nucleus eines bei dieser Gelegenheit von Wolfgang Spickermann angedachten Bandes mit weiteren Beiträgen sich Heribert verbunden fühlender Freunde, der nun als Band 13 der von Heribert Aigner ins Leben gerufenen Reihe GAST – Grazer Altertumskundliche Studien – vorliegt.

Unser Dank gilt Wolfgang Spickermann für die Anregung zu diesem Unterfangen, den Autorinnen und Autoren für die aufgewandten Mühen des Schreibens, nicht zuletzt aber Frau Elsbeth Aigner, die das Erscheinen der Publikation mit dem notwendigen Druck und durch großzügige finanzielle Hilfe ermöglichte.

Johannes Gießauf – Peter Mauritsch – Sabine Tausend

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Maximilian Triet (Basel)

Trauerfeier für Professor Heribert Aigner (1943-2015), 20. Februar 2015

Ansprache von Maximilian Triet

Verehrte Trauergemeinde, liebe Elsbeth, liebe Freundinnen und Freunde von Heribert

Der plötzliche Tod unseres lieben Heribert Aigner hat uns alle wie ein Donnerschlag getroffen, hilf- und ratlos sind wir alle mit dem Faktum konfrontiert, dass uns dieser Verlust, Jede und Jeden aus seinem näheren Umkreis, unerbittlich getroffen und gewissermaßen auf uns selbst zurückgeworfen hat. Am Nachmittag des 14. Februars auf seiner Bahnreise von Graz nach Feldkirch hat eine Lungenembolie Heriberts Leben jäh beendet.

Seine Frau Elsbeth, die ihn am Bahnhof abholen und wie üblich nach St. Gallen führen wollte, erfuhr aus dem Lautsprecher, dass der Zug eine Stunde verspätet eintreffen werde, weil ein Passagier Notfall massig behandelt und hospitalisiert werden müsse. Zwischen Bangen und Hoffen, qualvollem Warten und halber Gewissheit, dass Heribert der betroffene Passagier sein könnte, fuhr Elsbeth zurück. Ihre Telefonanrufe bei der ÖBB waren erfolglos, erst gegen den späteren Abend, nachdem die Polizei von St. Gallen eingeschaltet worden war, wurde die Befürchtung wahr. Zwei verständnisvolle Beamte erklärten Elsbeth gegen Mitternacht und am nächsten Morgen den Hergang. Kurz nach dem Umsteigen in Salzburg, etwa bei Traunstein, hatte sich Heribert, von akuter Atemnot befallen, zum Abteilfenster bewegt und war zusammengebrochen. Zwei Ärzte, ebenfalls Passagiere, und später ein Notfallarzt versuchten verzweifelt, gegen eine Stunde, die Reanimation und konnten schließlich nur noch den Tod feststellen.

Und jetzt sind wir hier versammelt, ein kleiner, handverlesener Kreis von Freundinnen und Freunden, um Abschied zu nehmen. Wir sind stellvertretend für eine unzählige Menge von dankbaren Zeitgenossen, ehemaligen und aktuellen Studentinnen und Studenten, Kolleginnen und Kollegen, deren Leben der unvergessliche Heribert, wie das unsrige, so vielfältig bereichert hat. Wir alle sind voller Schmerz, fortan auf die liebenswürdige Präsenz dieses einmaligen Freundes und Lehrers verzichten, auch gemeinsame Pläne und Begegnungen mit ihm begraben zu müssen. Auf uns selbst zurückgeworfen brauchen wir alle wohl lange, bis wir von der Trauer zum Trost der Erinnerung an den lieben Heribert schreiten können, um sein Andenken wie einen Leitstern in unser Leben einzuschließen.

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Als Freund der Familie habe ich zugesagt, diese Trauerfeier mitzubestreiten. Von berufenerer Seite wird nach mir Herr Professor Höflechner von der Karl Franzens Universität Graz die akademischen Verdienste von Heribert würdigen, er kann dies umso besser, als er als Kommilitone die Universitätsstudien mit Heribert parallel durchlaufen hat und bis zuletzt sein enger Freund war, in einer fruchtbaren Symbiose haben sie sich ergänzt und die Universitätspolitik in Graz erfolgreich mitgestaltet.

Die würdige musikalische Umrahmung mit Orgel- und Violine verdanken wir dem Duo Jan VonDruška, Violine und Cornel Weibel, Orgel. Sie spielen Stücke von Philipp Emanuel Bach, Giordani, Chr. W. Gluck, Joseph Haydn sowie von Händel und Mozart. Nicht von ungefähr hat Elsbeth auch ein Stück von Joseph Haydn gewählt, zumal dieser zu den Lieblingskomponisten unseres verstorbenen Freundes zählte. Diese Musik wird Sie wie mich in die Nähe des geistesverwandten Vorläufers von Heribert rücken. In meiner Erinnerung steigt nun, in Glück und Schmerz getaucht, Eisenstadt auf, wo wir im September 2012 gemeinsam die Haydn Festwochen im Palais Esterhazy genossen haben, wie immer begleitet von Heriberts fundierten Einstimmungen. Die Musik ist es denn auch, die heute für uns alle Gottesdienst in reinster Form sein soll. Unter den genannten Komponisten war Haydn ein tiefgläubiger Mensch, wie Heribert in der römisch-katholischen Tradition verankert. Zeitlebens ist Heribert seinen angestammten Wurzeln mit respektvollem, allerdings distanziertem Verständnis begegnet, denn der Absolutheitsanspruch aller Priesterkasten gleich welchen Bekenntnisses blieb ihm überaus suspekt. Als profundem Kenner der Religionen im Morgen- wie im Abendland über einen Zeitraum von rund 5000 Jahren war es ihm wohl gegeben, sein persönliches Gottes- und Weltbild zu schaffen. Auf jeden Fall hat ihn eine Art ureigener Gläubigkeit geprägt. Es wäre müßig, diese ausdeuteln zu wollen, doch hat sie Heribert befähigt, zu jenem einzigartigen Menschen zu werden, den wir alle als Humanisten im eigentlichen, umfassenden Sinn des Wortes erleben durften.

Wenn ich nun kurz Wesenszüge von Heribert streife, bin ich mir bewusst, dass dies nur erbärmliches Stückwerk sein kann, der Versuch einer Annäherung. Herr Höflechner, Heriberts treuer Weggefährte über Jahrzehnte, wird sich vornehmlich auf Fakten im gemeinsamen Universitätsleben stützen. Meine Ausführungen sind dagegen eher unakademische, spontane Impressionen, wenige Stimmungsbilder aus rund dreißig Jahren unserer Freundschaft. Wie alle hier Versammelten zehre ich vom eigenen, beschränkten Erinnerungsschatz der Begegnungen mit einer äußerst facettenreichen, in ihrer Gänze niemals ergründbaren Persönlichkeit, mit einem Menschen, der sich herkömmlichen Vergleichen mit Zeitgenossen völlig entzieht.

Heriberts Geburt am 7. Juli 1943 trifft mitten in die Zeit, in der sich das Kriegsglück des Hitlerreiches langsam aber sicher zum Desaster wendet. Der Vater fällt bereits im Jahr 1944 an der finnisch-russischen Grenze, fortan ist die Mutter mit ihrem einzigen Sohn völlig auf sich selbst gestellt. Heriberts Groß←00 | 3→eltern, Bauern im Umkreis von Leoben, bieten zeitweilig einige Sicherheit, doch über die ersten Nachkriegsjahre muss sich die Mutter als Garderobiere, Requisitenbetreuerin und Faktotum am Theater verdingen, also eine kümmerliche Existenz fristen. Der heranwachsende, aufgeweckte Heribert wird von seiner äußerst dominanten Mutter schon früh auf Bestleistung getrimmt, denn er ist der einzige Hoffnungsträger dieser Kleinstfamilie. Oft hat mir Heribert die mütterliche Devise zitiert, »Du musst einfach der Beste sein, wenn du weiterkommen willst.« Der Ehrgeiz der Mutter trägt Früchte, Heribert wird zum Musterschüler in Donawitz und am Leobener Gymnasium und immatrikuliert sich nach glänzend bestandener Matura an der Universität Graz. Die Mutter hätte vorgezogen, ihn in Leoben zum Ingenieur ausbilden zu lassen, doch Heribert wählt seinen eigenen Bildungsweg. Anfangs ist die Palette der belegten Fächer sehr breit: Archäologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik. Schon während des Studiums nimmt Heribert an archäologischen Grabungen teil, arbeitet als Werkstudent, als Fleischer, Taxifahrer, Theaterstatist, später als Skilehrer. Dass ihm sozusagen alles gelingt, schreibe ich seinem angeborenen und geförderten messerscharfen Verstand und einem unerhörten Fleiß zu. Er besitzt zeitlebens ein phänomenales Gedächtnis, mit der Gabe, Gelesenes und Gesehenes analytisch zu sichten und zu speichern. Dazu kommen zwei Eigenschaften, die bei Akademikern, vor allem bei Professoren äußerst selten zu finden sind: Schon früh denkt und wirkt Heribert interdisziplinär und verlässt wie sein legendärer Lehrer Franz Hampl die ausgetrampelten Pfade jenes hochspezialisierten blutleeren Fachidiotentums, das auch heute noch an vielen Universitäten Urstände feiert.

Aber zweitens: bei allem Hang zum Anarchismus, zum Querdenken, bewahrte Heribert stets die solide Bodenhaftung. Nie hat er seine intellektuelle Überlegenheit in Dünkel umgemünzt, sondern mit sachlichen Argumenten gefochten und überzeugt. Ihm, dem Realienkundler, war wie seinerzeit dem Kulturhistoriker Jacob Burckhardt die Geschichtsphilosophie sehr suspekt, dafür hatte er eine stetige Bereitschaft, bisher Unbeachtetes, scheinbar Abseitiges, z. B. Außenseiter der Gesellschaft zu erforschen. Ich möchte hier den Ausführungen von Herrn Höflechner nicht vorgreifen, aber festhalten, dass u. a. die Sportgeschichte der Antike gerade durch die Grazer Schule, vor allem auch durch Heribert und seine Scholaren eine solide Aufwertung erfahren hat. Lange waren sporthistorische Vereinigungen, etwa die ISHPES, ein bunter Schmelztiegel von meist unfähigen Nischenplayern. Dank Heribert und seinem Grazer Umkreis sowie einigen wenigen deutschen Forschern sind sie nicht mehr nur ein Tummelplatz chauvinistischer halbgebildeter Kongresstouristen. Ich hatte einige Jahre die Ehre, gemeinsam mit Heribert im ISHPES-Rat zu wirken, allerdings war mein akademischer Input force majeure sehr gering, dafür konnte ich als Leiter eines nationalen Sportmuseums, vom Objekt herausgehend, aus dem Fundus einer riesigen Sammlung – handwerklich sozusagen – da und dort ←00 | 4→historische Materialien zu diversesten Sportarten einbringen, so z. B. für die Steirische Landesausstellung in Mürzzuschlag.

Ich verzichte hier auf viele Sternstunden mit Heribert, zuerst am Rande einiger Kongresse, an heftige, befruchtende Diskussionen, an Naturerlebnisse etwa in Olympia, wo wir gemeinsam jede Nacht um ein bis zwei Uhr dem traumverlorenen Gesang der Nachtigallen lauschten, im Alpstein, am unheimlichen Fählen – und am lieblichen Sämtisersee, wo oftmals die Stille so dicht war, dass der Flügelschlag eines einzelnen Kolkraben weitherum hörbar ward.

Heribert als repertorium ambulans, als Universalgelehrter, hat stets aus dem Vollen geschöpft. Seine Antworten waren stets themen- und zeitübergreifend, fundiert auf der Basis seines stupenden Wissens. Unsere Leidenschaft für Theater und klassische Musik, für deutsche, insbesondere österreichische Literatur war ein ebenso starker Hefeteig für uns wie der Umstand, dass Heribert und seine Frau Elsbeth die Freundschaft stets im Sinn des antiken Symposiums in Vollendung pflegten. Ihnen allen, meine Damen und Herren, ist die Aigner’sche Gastfreundschaft bekannt. Darin war Heribert zweifellos immer eine Leitfigur, die freilich ihre Überlegenheit in Charme und Witz kleidete und zum Erlebnis werden ließ.

Allmählich hatte sich zwischen Heribert und seiner Frau Elsbeth sowie mir und meiner Barbara eine herzliche Freundschaft entwickelt. Nur scheinbar waren Graz, der Wirkungskreis von Heribert, und St. Gallen, der Herkunftsort von Elsbeth, getrennt. Mit der Heirat von Elsbeth Altherr anno 1972, der Tochter des Banquiers Hans und seiner Frau Trudi Altherr, hat Heribert eine zweite Heimat, ja recht eigentlich erstmals eine eigene Familie gefunden. Kennengelernt haben sich die beiden auf eine Studienreise in Sizilien, die Heribert als kundiger Cicerone wie alle seine späteren Reisegruppen bravourös bestritten hat. Elsbeths Puppenspiel, die gemeinsame Liebe zu Theater, Oper, Operette und Orchestermusik waren nur ein Aspekt dieser Ehe, ausgedehnte Kulturreisen, Sportferien wären zu erwähnen. Mehr und mehr wurde St. Gallen und das Umland, vor allem beide Appenzell, ein sicheres Refugium, der Ruhepol für den sonst rastlosen Gelehrten. Die Schwiegereltern liebten ihn wie einen eigenen Sohn, und Elsbeth hielt ihm – stets bescheiden im Hintergrund – den Rücken frei für seine geliebte Forschungs- und Lehrtätigkeit. Als perfekte Hausfrau, hervorragende Köchin, Sekretärin und Buchhalterin hat sie ihren Mann bis zuletzt liebevoll und treu umsorgt. Diese Basis ist sicherlich ein wichtiger Grund für das gewaltige Wirken des lieben Heribert, der dazu neigte, seine Kräfte aus Pflichtbewusstsein und Treue gegenüber seinen Anvertrauten zu überspannen. Nachträglich können wir vergeblich wünschen, dass sich unser lieber Freund angesichts seiner angeschlagenen Gesundheit mehr hätte schonen müssen, aber Heribert wäre nicht Heribert gewesen, wenn er nicht seine Person bescheiden zurückgestellt hätte um sich für seine Studenten und Freunde als Treibender und auch als Getriebener voll zu verausgaben.

Gestern saß ich auf der Terrasse an der Aetschbergstrasse, dem Refugium von Elsbeth und Heribert. Wie heute erstrahlte ganz nahe das winterverzauberte ←00 | 5→Panorama des Alpsteins, von den Fähnern über den Hohen Kasten bis zum Säntis. In stiller Zwiesprache mit Heribert habe ich gesagt, was fange ich jetzt an, ach wie gerne würde ich jetzt, wie geplant, mit Dir zusammensitzen, die Aussicht bewundern, beim anschließenden Essen würden wir vielleicht die schrägen Herzmanovsky-Orlando, Peter Hammerschlag zitieren, Pläne schmieden für den nächsten gemeinsamen Ausflug, vielleicht zu einer Opernaufführung, oder wir würden lästern über die Universitäten, die mehr und mehr zu Papierfabriken verkommen. Und da bist du plötzlich weg, lässt uns ratlos, allein, wirfst uns auf uns selbst zurück... Was uns nun bleibt, ist die tiefe Dankbarkeit, die stetige Erinnerung daran, dass dank dir unser Leben auf einzigartige Weise reicher geworden ist.

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Helmut Eberhart

Heribert Aigner: Persönliche Erinnerungen an den Freund, Kollegen und Vorgänger

Es mag wohl eine Woche vor seinem plötzlichen Tod am 14. Februar 2015 gewesen sein, als wir uns das letzte Mal trafen. Wie so oft in den letzten Jahren zuvor leider nur mehr zufällig und im Foyer des Hauptgebäudes. Heribert wirkte ruhig und gelassen, rückblickend gesehen, wie jemand, der bereit ist, der Welt, wie wir sie kennen, den Rücken zu kehren … Wir sprachen noch über die neuen Aufgaben eines Studiendekans und er meinte lächelnd: »Na ja, bei Dir ist ja alles in guten Händen …« Ich weiß nicht, ob bei mir alles in guten Händen ist, ich habe mich jedenfalls immer bemüht, ihm ein guter Nachfolger zu sein. Als Studiendekan war er ja noch für alle Studienrichtungen der geisteswissenschaftlichen Fakultät verantwortlich. Die Arbeitsteilung zwischen StudiendekanIn und VizestudiendekanIn, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Und Heribert war wohl der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es war einerseits sein umfassendes Wissen, das ihm erlaubte, weit über sein Fach hinaus zu wirken und sowohl Lehre als auch Abschlussarbeiten bzw. die Gutachten, die ihm zur Genehmigung vorgelegt wurden, entsprechend einzuschätzen. Andererseits war es auch seine in ihm so tief verwurzelte Menschlichkeit, die seine Amtsführung begleitete und ihn zu einer besonderen Erscheinung unserer Alma Mater werden ließ!

Ab Herbst 2003 durfte ich als Vizestudiendekan an seiner Seite wirken und auf Ersuchen von Walter Höflechner, dem damaligen Dekan, mich um die Überleitung der verschiedenen Studienrichtungen unserer Fakultät in das dreistufige Bologna-System kümmern. Ich lernte damals sehr viel von Heribert, vielleicht weniger im strategischen Bereich als vielmehr, mit den verschiedenen Bedürfnissen von Cuko-Vorsitzenden, Kommissionen und Studierenden gelassen und doch zielgerichtet und lösungsorientiert umzugehen. Als er mit 30. September 2007 aus seinem Amt schied, blieb er weiterhin Ratgeber und Freund zugleich. Damals verließ er die „Aignerstraße“ … Insider wissen, was ich meine: Heribert hatte vor seinem Büro im Dekanat ein Straßenschild mit dem Namen Aignerstraße hängen. Und auch dieses kleine Symbol verband uns, habe ich doch meine Kindheit in einer gleichnamigen Straße im obersteirischen Irdning verbracht.

Sein Portrait, das die Einladung zur Gedenkveranstaltung am 13. Oktober 2015 zierte, war sehr gut gewählt! Es zeigt ihn im Talar und wir alle wissen, wie wichtig ihm auch das Amt eines Studiendekans, das er acht Jahre ausgefüllt hat, war. Der Talar war für ihn auch ein zentrales Symbol der Zugehörigkeit zu seiner Alma Mater! Und es kommt auch nicht von ungefähr, dass dieser Talar auf ←00 | 8→seinem Sarg gelegen ist. Wenn ich heute dieses Bild betrachte, kommen mir auch die vielen Promotions- bzw. Sponsionsfeiern in den Sinn, die wir gemeinsam durchführen durften. Oft und oft erlebten wir den gemeinsamen Ein- und Auszug in unseren Talaren und es waren wohl auch jene Augenblicke, in denen wir uns unserer Universität besonders verbunden fühlten. Es sei hier ebenfalls nicht vergessen, dass Heribert Aigner auch nach seiner Pensionierung glücklich war, wenn ich ihn bat, an meiner Seite an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich wusste ich schon vor 2004 als Freund und Kollege um seine umfassende Gelehrtheit Bescheid, konnte sie in den gemeinsamen vier Jahren im Dekanat aber noch viel direkter und öfter erfahren. Und von ihm nur staunend lernen. Leider blieben seine Bemühungen oft ergebnislos, zu schlecht war und ist mein Gedächtnis, um all das von ihm Aufgesaugte zu behalten. Es war für mich immer erstaunlich, wie weit sein Wissen reichte. Als ich z. B. als Sammler alter Teppiche einmal ein Gespräch darüber begann – in der irrigen Meinung, jetzt kann ich ihm eine unbekannte Welt erschließen, merkte ich sofort, dass Heribert auch auf diesem Gebiet Einiges zu sagen hatte und ihm die Namen anatolischer Teppiche sofort geläufig waren, er den Unterschied zwischen einem Yahyale und einem Bergama natürlich kannte …

Als wir – um ein weiteres Beispiel zu nennen – uns vor vielen Jahren einmal bei einem sogenannten Bauerntheater in St. Joseph in der Weststeiermark trafen, bekam ich auch gleich eine Gratisvorlesung über Theater und Schauspiel. Ich könnte diese Reihe fortsetzen, aber ich denke, alle, die ihn kannten, wissen ohnehin um sein schier unglaubliches und umfassendes Wissen Bescheid.

Ich war aber nicht nur vier Jahre als sein Stellvertreter auch sein Lehrling, sondern konnte ihn auch einmal zu meinen Mitarbeitern zählen, auch daran möchte ich hier erinnern: 1992 war ich als wissenschaftlicher Leiter gemeinsam mit Gottfried Biedermann und dem unvergessenen Helfried Valentinitsch für die Landesausstellung »Lust und Leid. Barocke Kunst – Barocker Alltag« im Schloss Trautenfels verantwortlich. In diesem Schloss gibt es Deckenfresken, die wir unbedingt im Katalog bearbeitet wissen wollten: Nachdem es sich um antike Motive handelt, gab es wohl keinen besseren als Heribert Aigner, der dieses Thema gleichsam science to public bearbeitete. In zwei Beiträgen beschrieb und deutete Heribert damals die Inhalte der Fresken als »Nachleben der Antike im Barock« und beschrieb die einzelnen Bilder profund, kenntnisreich und detailliert! Die Beiträge kann ich auch mehr als 20 Jahre danach noch zum Nachlesen empfehlen. Und wenn ich sage 20 Jahre danach, so bin ich überzeugt, dass Heribert Aigner sofort reagiert und diesen Satzteil als Titelzitat von Alexandre Dumas erkannt hätte.

Heribert Aigner hatte übrigens auch eine hohe Affinität zu meinem Fach, auch das verband uns. Schon bei den ersten Begegnungen noch in den 70er Jahren sagte er immer wieder: »Alte Geschichte ist die Volkskunde der antiken Welt.« Der gemeinsame Nenner war für ihn: Er beschäftigt sich gleichsam mit ←00 | 9→verschiedenen Aspekten des alltäglichen Lebensvollzugs in der antiken Welt, meine Aufgabe (bzw. die meines Faches) sei es ja, mich mit diesen Aspekten in der Gegenwart und zurück bis in die frühe Neuzeit zu befassen.

Die Gedenkveranstaltung im Oktober 2015 stand unter dem Motto homo universalis bzw. l’uomo universale, dies trifft auf Heribert Aigner zu wie nur auf ganz wenige Menschen, die ich kennenlernen durfte. Er gehörte einem Gelehrtentypus an, der heute im Zeitalter der Spezialisierung nur mehr selten auf universitärem Boden anzutreffen ist.

Wenn ich an dieser Stelle, wie auch schon im Rahmen der Gedenkveranstaltung, mit persönlich gehaltenen Worten an den Freund und Kollegen Heribert Aigner erinnern darf, so bin ich dafür den VeranstalterInnen bzw. den HerausgeberInnen des Bandes dankbar. Zwar bin ich überzeugt, dass ihm ohnehin immer ein gebührender Platz in der Fachgeschichte einzuräumen ist, aber ich denke doch, dass diese Gedenkschrift das ihre dazu beitragen wird.

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Walter Höflechner (Graz)

Worte der Erinnerung an einen alten Kollegen

Gesprochen am 9. 10. 2015

Ich bin gebeten worden, Worte der Erinnerung an Heribert Aigner zu sprechen, den ich als Gleichaltriger durch nahezu 53 Jahre gekannt habe und mit dem ich vor allem als Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät unserer Universität in den Jahren 1999 bis Ende 2004 zusammengearbeitet habe, als er Studiendekan an unserer Fakultät war, welches Amt er lange über meine Dekanszeit hinaus bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2009 versehen hat. Heribert Aigner war für dieses Amt des Studiendekans vor allem durch seine seit jeher stupende Kenntnis der Subtilitäten der einschlägigen, immer vielfältiger werdenden Studienvorschriften, durch seine klare Logik in der Auffassung auch komplexer gesetzlicher Strukturen und durch seine Erfahrung aus langjähriger Befassung mit diesem Bereich prädestiniert.

Es waren dies nicht unschwierige Reformzeiten. Man bedenke, dass unsereins als Student und als Assistent in den Zeiten des HOG 1955 aufgewachsen ist, das eine relativ geringfügige Veränderung des Gesetzes von 1849 war und in dem noch das alte klassische Habilitationsverfahren gehandhabt wurde. Dieses Gesetz wurde durch das UOG 1975 verändert, das durch die Gesetze von 1993 und 2002 radikal revidiert wurde, wobei diese letzteren Veränderungen an unserer Universität wenig klug auf den geringfügigen Zeitraum von 1999 bis 2003 zusammengeschoben wurden. Zu der damit verbundenen Implementierung und auch Neukonstituierung der Universität 2002/03 trat noch die tiefgehende Veränderung der Studienstruktur im Wege der gesetzlich verfügten Implementierung des Bolognasystems. Alles in allem war dies die tiefstgehende Veränderung seit der Reform im Gefolge der Revolution von 1848 – ein Übergang von einer strikt staatlich gelenkten Struktur zu einem unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze zu organisierenden und zu leitenden System, das – was die Sache nicht leichter machte – im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte auch inneruniversitär erhebliche soziostrukturelle Veränderungen durchgemacht hatte.

Damit ist in etwa der strukturelle Rahmen skizziert, in dem sich Studium und wissenschaftlicher Werdegang wie die Entwicklung des Universitätslehrers Heribert Aigner abspielten.

Wenn man dieses ins Auge fasst, so darf man nicht übersehen, dass Heribert Aigner neben der Gymnasialausbildung und dem Studium der Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte auch in der – wenn ich das einmal so sagen darf – praktischen Welt viele Erfahrungen gesammelt und in sein Leben als Wissenschaftler eingebracht hat, was ich persönlich – auch aus eigener Erfahrung – für sehr wichtig halte; nicht umsonst ist in Ausbildungsgänge älterer ←00 | 12→Zeiten auch Handwerkliches eingebunden worden. Nicht allzu viele unter uns werden Vergleichbares mitgebracht, nämlich als Fleischer, Lastwagenfahrer, Opern-Statist etc. gearbeitet haben – auch unter diesen Aspekten wird er dem Epitheton eines homo universalis in hohem Maße gerecht.

Im universitären Bereich war er ein Polyhistor im klassischen Sinne und das ohne jeglichen schalen Beigeschmack, der diesem Begriff heute von Dünnbrettbohrern beigelegt werden mag – von umfassender, tiefgehender Bildung, ausgestattet mit einem hervorragenden Gedächtnis, das ihm breit gestreutes Quellenmaterial von Keilschriftexten bis hin zu Opernlibretti zur Verfügung hielt, und mit einem Wissen, resultierend aus einem in stetem wachen Interesse wurzelnden Studium nicht nur im engeren Fach, sondern in vielen anderen Bereichen bis in die Kunst, hier insbesondere der Oper, nicht weniger aber auch dem Sport als einem sozialhistorischen Phänomen bis hin zu physiologischen und anatomischen Details, die ihm auch aus einem anderen von ihm gepflegten und gemeinhin weniger erfreulichen Bereich, der Militär- und Rechtsgeschichte mit ihren Details, zukamen, und das von der Antike bis in die Gegenwart, ja eigentlich in nahezu allen Bereichen geistiger und materieller Kultur im Sinne des von ihm mit Hingabe vertretenen Faches der klassischen Altertumskunde, die ja nichts anderes war und ist als ein Teil der um 1900 schon in Blüte stehenden und vor einiger Zeit in Unkenntnis dessen vermeintlich neu entdeckten Kulturwissenschaft. Was ihn dabei besonders auszeichnete, war seine Fähigkeit, in all diesen Bereichen auf ganz natürliche Weise, auf Grundlage seines Wissens Vergleiche, Brücken durch die Zeiten bis in die Gegenwart zu schlagen, auch Kontinuitäten aufzuzeigen und damit die Studierenden in hohem Maße zu fesseln, wie ich das aus der Sicht eines Nachbarn der letzten Jahre beobachten konnte. Das alles hat er bis in seine letzten Stunden in der Praxis unter Beweis gestellt.

Mit diesen hier natürlich nur unzulänglich angedeuteten Fähigkeiten und mit seinem enormen Reichtum an vielfältigen Kenntnissen stellte er, in unserer diesbezüglich im Wege oft genug basisloser Spezialisierung in vieler Hinsicht ärmer werdenden Zeit, in zunehmendem Maße eine Ausnahmeerscheinung dar. Vielleicht wird damit erahnbar, was die Universität mit seinem Hingang verloren hat – auch wenn das vielleicht gar nicht mehr allen bewusst werden kann. In diesem Sinne ist ihm m. E. die Alma mater Graecensis zu tiefem Dank verpflichtet.

Die Fakultät, das Institut hat mit ihm einen begeisterten und begeisternden Lehrer und die weitere Kollegenschaft ein Mitglied verloren, das immer für ein interessantes, geistreiches und auch mit Humor gewürztes, und bereicherndes Gespräch gut war. Alles in allem war er in seiner Vielseitigkeit, um Quintilians durch Jahrhunderte vielfach herangezogene Formulierung zu verwenden, ein vir omnium horarum.

St. Gallen und Graz, 16. Februar 2015

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Christian Bachhiesl (Graz)

Heribert Aigner und das Hans Gross Kriminalmuseum: Ein persönlicher Rückblick mit einer Geschichte

Es war gewissermaßen ein Scheideweg: Von seinem letzten Büro an der Karl-Franzens-Universität Graz, in den Räumlichkeiten des Universitätsarchivs im Keller des Hauptgebäudes gelegen, kommend, führte Heribert Aigners Weg an einen solchen. Rechter Hand ging es hinein in den Aufzug, der aus den Kellerabgründen heraus in die luftigen Höhen führte, bis ganz hinauf, bis in die himmlischen Gefilde der Alten Geschichte. Linker Hand aber tat sich ein weiterer Abgrund auf, die düstere Welt des Verbrechens, sinnigerweise im Keller untergebracht, damals noch in vollem Saft und kaum noch verschimmelt: Der Schauraum des Hans Gross Kriminalmuseums. Meistens entschied sich Heribert Aigner ohne Zögern für den Aufstieg aus dem Keller, warf aber zumindest einen Blick und nicht selten auch ein paar Worte in das Kriminalmuseum hinein, und manchmal betrat er es auch und begann ein kürzeres oder längeres Gespräch oder hielt wenigstens einen Kurzvortrag zu einem konkreten Gegenstand oder einem Vortragsthema oder auch zu etwas scheinbar von weit her Geholtem, das sich letztlich aber doch als mit etwas Kriminalmuseumspezifischem zusammenhängend entpuppte. In der Welt der Wissenschaft, in der Welt der Kunst – überall wusste Heribert Aigner etwas Relevantes zu finden. Meist ging es um Hinweise auf Dinge, die zu diesem und jenem gesagt werden müssten, fatalerweise aber nicht gesagt worden waren oder nicht gesagt werden würden. Manchmal jedoch gab es auch ein Lob für das Thema eines vom Kriminalmuseum organisierten Vortrages, ein gewissermaßen unorthodoxes zumeist, das mit Literatur oder Musik oder am besten gar mit Theologie zu tun hatte. Aber auch ganz konventionell kriminologische Themen vermochten Heribert Aigners Neugier zu entfachen, und so wohnte er zunächst vereinzelt, dann immer häufiger und letzten Endes beinahe schon regelmäßig den Abendveranstaltungen des Kriminalmuseums bei. Erschien er, war dies stets ein Gewinn, denn kaum einer war ein so eifriger und berufener Diskutant wie er. So mancher eher flau besuchte Vortrag mündete dank seiner Beiträge in eine höchst anregende Diskussion. Bisweilen wurde das Überhandnehmen einer trägen und trüben Atmosphäre durch seine Anwesenheit verhindert. Bald war es so weit, dass sein Anblick ein Grund zur Freude war. »Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern«, so griff ein Freund des Hauses und seines Betreibers in die Zitatenkiste, wenn es um Heribert Aigners Beitrag zum Gelingen eines Abends im Kriminalmuseum ging.

Details

Seiten
480
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631837467
ISBN (ePUB)
9783631837474
ISBN (MOBI)
9783631837481
ISBN (Hardcover)
9783631833063
DOI
10.3726/b17673
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Alte Geschichte Archäologie Rezeptionsgeschichte Sportgeschichte Antike Militärgeschichte
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 480 S., 43 farb. Abb., 31 s/w Abb.

Biographische Angaben

Johannes Giessauf (Band-Herausgeber:in) Peter Mauritsch (Band-Herausgeber:in) Sabine Tausend (Band-Herausgeber:in)

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Titel: Homo universalis
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