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Nachschusspflicht kraft Treuepflicht im Gesellschaftsrecht

von Martin Göbel (Autor:in)
©2018 Dissertation 222 Seiten

Zusammenfassung

Entscheidet sich eine Gesellschaftermehrheit in einer wirtschaftlichen Krisensituation für Sanierungsmaßnahmen und die Leistung von Nachschüssen durch alle Gesellschafter, stellt sich die Frage, ob eine solche Mehrheitsentscheidung die dagegen stimmenden Minderheitsgesellschafter verpflichten kann. Soweit ein solcher Beschluss nicht durch eine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt ist, kommt eine Verpflichtung der Minderheit zur Nachschussleistung kraft Treuepflicht in Betracht. Die vorliegende Arbeit fragt nach der Existenz einer rechtsformübergreifenden Nachschusspflicht kraft Treuepflicht und untersucht deren Voraussetzungen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • I. Problemstellung
  • II. Zielsetzung
  • III. Gang der Untersuchung
  • Kapitel 1. Personengesellschaften
  • A. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel oder durch Mehrheitsbeschluss
  • I. Problemaufriss
  • II. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel
  • III. Nachschusspflicht durch Mehrheitsbeschluss
  • 1. Voraussetzungen für einen Nachschussbeschluss durch Mehrheitsbeschluss
  • 2. Konkrete Anforderungen
  • IV. Ergebnis
  • B. Möglichkeit einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Abgrenzung der zu untersuchenden Fallgestaltungen
  • II. Rechtsprechung und Literatur zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 1. Die Literatur zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 2. Die Rechtsprechung zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 3. Zusammenfassung
  • 4. Besonderheiten der Publikumsgesellschaften
  • 5. Eigene Stellungnahme
  • III. Ergebnis
  • C. Voraussetzungen einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Einführung
  • II. Belastungen und § 707 BGB
  • 1. Haftung gemäß § 128 HGB und § 426 BGB
  • 2. Der Nachschuss bei Liquidation und Ausscheiden gemäß §§ 735, 739 BGB
  • 3. Nachhaftung – § 160 HGB
  • 4. Sanierung und Aufopferung – § 906 Absatz 2 BGB
  • 5. Verzicht auf Gewinn
  • 6. Ergebnis
  • III. Gesellschafterliche Treuepflicht
  • 1. Dogmatische Grundlage der Treuepflicht im Gesellschaftsrecht
  • 2. Inhalt der Treuepflicht
  • 3. Zwischenfazit
  • IV. Zwischenergebnis
  • 1. Belastungen und § 707 BGB
  • 2. Gesellschafterliche Treuepflicht
  • V. Ausschluss einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht durch Gestaltung
  • VI. Minderheitenschutz – Hürden für eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 1. Wirkung des Art. 14 GG im Gesellschaftsrecht
  • 2. Schutzbereich des Art. 14 GG
  • 3. Eingriff
  • 4. Rechtfertigung
  • 5. Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter
  • D. Zusammenfassung Kapitel 1
  • I. Nachschusspflicht und Mehrheitsklausel
  • II. Nachschusspflicht und Treuepflicht
  • Kapitel 2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • A. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel oder durch Mehrheitsbeschluss
  • I. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel
  • II. Nachschusspflicht durch Mehrheitsbeschluss
  • 1. Voraussetzungen für einen Mehrheitsbeschluss
  • 2. Kernbereichslehre und Belastungsverbot
  • III. Ergebnis
  • B. Nachschusspflicht aus wichtigem Grund
  • I. Einführung
  • II. Nachschusspflicht aus wichtigem Grund
  • 1. Geltung der Grundsätze aus dem Personengesellschaftsrecht
  • 2. OLG Brandenburg, Urt. v. 01.06.2004 – 6 U 160/03
  • 3. Stellungnahme
  • III. Ergebnis
  • C. Die Möglichkeit einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Vorüberlegungen
  • II. Die Literatur zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht bei der GmbH
  • III. Rechtsprechung zur Nachschusspflicht bei der GmbH
  • 1. BGH, Urt. v. 21.04.1977 – II ZR 155/75
  • 2. OLG Brandenburg, Urt. v. 01.06.2004 – 6 U 160/03
  • IV. Ergebnis
  • D. Voraussetzungen einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Einführung
  • II. ‚Belastungen‘ und § 53 Absatz 3 GmbHG
  • 1. Einführung
  • 2. Außenhaftung der Gesellschafter bei der GmbH
  • 3. Innenhaftung der Gesellschafter
  • 4. Belastung durch die Aufbringung von Fehlbeträgen gemäß § 24 GmbHG
  • 5. Verzicht auf Gewinn
  • 6. Nachschuss bei Liquidation
  • 7. Ergebnis
  • III. Inhalt der Treuepflicht bei der GmbH
  • 1. Entwicklung der Rechtsprechung zur Treuepflicht bei der GmbH
  • 2. Der Meinungsstand in der Literatur
  • 3. Zwischenfazit
  • IV. Übertragbarkeit der Ergebnisse zu den Personengesellschaften
  • 1. Einführung
  • 2. Strukturmerkmale und Übertragbarkeit
  • V. Ergebnis
  • E. Ausschluss einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht durch Gestaltung
  • F. Minderheitenschutz
  • G. Zusammenfassung Kapitel 2
  • I. Nachschusspflicht und Mehrheitsklausel
  • II. Nachschusspflicht und Treuepflicht
  • Kapitel 3. Genossenschaft
  • A. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel oder durch Mehrheitsbeschluss
  • I. Nachschusspflicht aus Beitragsklausel
  • II. Voraussetzungen für einen Vertragsänderungsbeschluss
  • III. Nachschusspflicht durch Mehrheitsbeschluss
  • IV. Das normierte Nachschusssystem der Genossenschaft
  • V. Auslöser einer Nachschusspflicht
  • 1. Kündigung eines Mitgliedes – § 65 ff. GenG
  • 2. Ausschluss eines Mitgliedes – § 68 ff. GenG
  • 3. Auflösung der Genossenschaft – §§ 78 ff. GenG
  • 4. Insolvenz der Genossenschaft – § 98 ff. GenG
  • VI. Ergebnis
  • B. Möglichkeit einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Treuepflicht zwischen Genossenschaftsmitgliedern
  • II. Rechtsprechung zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 1. BGH, Urt. v. 24.09.2007 – II ZR 91/06
  • 2. BGH, Urt. v. 02.07.2009 – III ZR 333/08
  • III. Ergebnis
  • C. Voraussetzungen für eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • I. Allgemeines
  • II. „Belastungen“ und das Belastungsverbot
  • 1. Das Belastungsverbot bei Genossenschaften
  • 2. Das Haftungssystem der Genossenschaft
  • 3. Zwischenfazit
  • III. Inhalt der Treuepflicht bei der Genossenschaft
  • 1. Allgemeines
  • 2. Übertragbarkeit bisheriger Ergebnisse zur Treuepflicht
  • 3. Zwischenfazit
  • IV. Übertragbarkeit der Ergebnisse zur Nachschusspflicht kraft Treuepflicht
  • 1. Einführung
  • 2. Strukturmerkmale der Genossenschaft
  • 3. Stellungnahme
  • V. Ergebnis
  • D. Minderheitenschutz
  • E. Zusammenfassung Kapitel 3
  • Kapitel 4. Zusammenfassung und Ausblick
  • A. Rechtsformbezogene Ergebnisse
  • I. Personengesellschaften
  • II. Gesellschaft mit beschränkter Haftung
  • III. Genossenschaft
  • B. Rechtsformübergreifende Ergebnisse
  • C. Konsequenzen für die Vertragsgestaltung
  • D. Ausblick
  • Zitierte Entscheidungen
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

I.  Problemstellung

Der Bundesgerichtshof hatte in den letzten Jahren regelmäßig Fälle zu entscheiden, in denen die Frage nach der Existenz einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht bei Personengesellschaften eine Rolle spielte. Das in § 707 BGB zum Ausdruck kommende Belastungsverbot verhindert, dass einzelnen Gesellschaftern gegen deren Willen zusätzliche Beiträge, etwa in Form von Nachschüssen,1 durch einen Mehrheitsbeschluss auferlegt werden können. Gerade eine sich in einer Krise befindende Gesellschaft hat erfahrungsgemäß einen erheblichen (Re-)Finanzierungsbedarf, der regelmäßig nicht durch eine Fremdfinanzierung gedeckt werden kann. Alternativ zu einer Eigenkapitalerhöhung können Gesellschafterdarlehen oder Nachschüsse der Gesellschafter dazu beitragen, die Insolvenz oder die Auflösung und Liquidation abzuwenden. Beschließen die Gesellschafter eine Beitragserhöhung in Form von Nachschüssen, käme durch den Widerspruch eines einzigen Gesellschafters kein gegen alle wirksamer Beschluss zustande. Dies erscheint gerade in den Fällen unbefriedigend, in denen die Beiträge der ablehnenden Minderheit für den Erfolg der Sanierung erforderlich sind.

Die Mehrheitsgesellschafter könnten auch ohne die Mitwirkung der Minderheit zusätzliche Beiträge leisten. Mittlerweile ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann eine Pflicht der Minderheit besteht, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen, um die volle Anerkennung der Beiträge auf Gesellschaftsseite im Rahmen einer Kapitalmaßnahme zu ermöglichen.2 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll hingegen untersucht werden, ob unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht eine Zustimmungspflicht der Minderheitsgesellschafter zu einem Nachschussbeschluss, der auch die Minderheit zu einer Beitragsleistung wirksam verpflichtet, auf eine dogmatische Grundlage gestellt werden kann. ← 15 | 16 →

In seinem Urteil vom 04.07.20053 hat sich der BGH mit der Wirkung der Treuepflicht bei sanierenden Nachschussbeschlüssen in Personengesellschaften auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung stellte der BGH fest, dass die gesellschafterliche Treuepflicht in Ausnahmefällen Minderheitsgesellschafter dazu zwingen kann, entgegen § 707 BGB weitere Beiträge an die Gesellschaft zu leisten, wenn die Mehrheit der Gesellschafter für eine solche Maßnahme stimmt. Um den Anwendungsbereich einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht auf besondere Ausnahmesituationen einzugrenzen, hat der BGH in diesem Urteil besondere Anforderungen an jene Fälle gestellt, in denen eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht bejaht werden könnte. So sei es zunächst Voraussetzung für eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht, dass die Leistung von Nachschüssen im Gesellschaftsinteresse geboten und unter Beachtung der schutzwürdigen Belange der Gesellschafter zumutbar sei.4 Es seien insgesamt besonders hohe Anforderungen zu stellen. In der Folge wurden diese Kriterien mehrfach bestätigt,5 unter anderem in dem viel beachteten Urteil „Sanieren oder Ausscheiden“ aus dem Jahr 2009.6

Dieser jüngeren Rechtsprechung gingen Jahrzehnte voraus, in welchen die Rechtsprechung mit Verweis auf das gesellschaftsrechtliche Belastungsverbot, wie es in § 707 BGB zum Ausdruck kommt, auf Nachschusszahlungen gerichtete Klagen gegen Minderheitsgesellschafter abwies, soweit die Nachschüsse nicht bereits im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden waren.7 Zugrunde lag immer ein Nachschussbeschluss, dem eine Mehrheit zugestimmt hatte und welcher nunmehr gegen diese Minderheit durchgesetzt werden sollte. Die Verpflichtung zu Nachschussleistungen ohne Zustimmung zum konkreten Gesellschafterbeschluss betrifft also die Reichweite der Mehrheitsherrschaft in der Gesellschaft und deren Einflussnahme auf die Rechtsgüter der dagegen stimmenden Minderheitsgesellschafter. Dies wirft mehrere grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Fragen auf, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden sollen. ← 16 | 17 →

II.  Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, rechtsformübergreifende Voraussetzungen für eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht herauszuarbeiten.8 Ausgangspunkt ist hierbei stets ein auf Leistung von Nachschüssen gerichteter Mehrheitsbeschluss. Es ist hierbei zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschafterminderheit gegen ihren Willen wirksam zu Nachschusszahlungen verpflichtet werden kann, wenn diese Minderheit sich nicht bereits im Gesellschaftsvertrag zu weiteren Nachschusszahlungen verpflichtet hat. Diese Voraussetzungen sollen anhand der Rechtsformen der Personengesellschaften, der GmbH und der Genossenschaft untersucht werden. Die Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) als Urformen der gesellschaftsrechtlichen Kooperation sind besonders geeignet, um an ihnen die Voraussetzungen eines allgemeinen Rechtsprinzips wie etwa einer Nachschusspflicht kraft Treuepflicht zu untersuchen. Anhand der GmbH als Kapitalgesellschaft und Körperschaft kann untersucht werden, ob die für das Personengesellschaftsrecht gefundenen Ergebnisse zunächst auf (in der Praxis häufig personalistisch organisierten) Kapitalgesellschaften übertragbar sind oder ob insofern eine unüberwindbare Hürde besteht. Anhand der Genossenschaft als rechtliche Weiterentwicklung der Rechtsform des Vereins wiederum kann gezeigt werden, ob eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht auch im Rahmen eines Verbandes denkbar ist, der in Theorie und Praxis auf eine Vielzahl an möglichen Mitgliedern ausgelegt ist.

III.  Gang der Untersuchung

Die Untersuchung ist vorliegend in vier Kapitel gegliedert. Die ersten drei Kapitel befassen sich jeweils mit den genannten Problemfeldern und Fragestellungen in Bezug auf die Personengesellschaften (Kapitel 1), die GmbH (Kapitel 2) und die Genossenschaft (Kapitel 3). Im Anschluss sollen die rechtsformübergreifenden Ergebnisse in einem vierten Kapitel aufbereitet und zusammengefasst werden. In Kapitel 2 wird auf die Ergebnisse des Kapitels 1, und in Kapitel 3 auf die Ergebnisse der beiden ersten Kapitel Bezug genommen, um strukturell bedingte Unterschiede und Übereinstimmungen herauszuarbeiten und für die jeweilige Betrachtung fruchtbar zu machen. Es wird in jedem Kapitel zunächst dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Nachschusspflicht bereits im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung begründet („Beitragsklausel“) oder ← 17 | 18 → durch Vertrags- oder Satzungsänderung nachträglich eingeführt werden kann. Daraufhin sollen die Anforderungen an eine Mehrheitsklausel geprüft werden, welche die spätere Einführung von Nachschüssen durch eine Gesellschaftermehrheit erlaubt. Das für die Personengesellschaften gesetzlich vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip gemäß § 119 Absatz 1 HGB kann gemäß § 119 Absatz 2 HGB im Gesellschaftsvertrag durch das Mehrheitsprinzip ersetzt werden. Hier wird zunächst zu untersuchen sein, welche Voraussetzungen eine solche Mehrheitsklausel erfüllen muss, um einen Mehrheitsbeschluss zu legitimieren, welcher eine wirksame Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen aller Gesellschafter begründet. Dies betrifft insbesondere den Geltungsbereich und die Anforderungen des sogenannten Bestimmtheitsgrundsatzes. Dessen Existenz und Auswirkung war in der Vergangenheit bereits vielfach Gegenstand von Diskussionen. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung9 die Relevanz des Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Auslegung von Mehrheitsklauseln hinsichtlich der Legitimation der Mehrheit in Zweifel gezogen. Daher wird die Relevanz des Bestimmtheitsgrundsatzes für die vorliegende Untersuchung herauszuarbeiten sein. Darüber hinaus wird zu prüfen sein, welchen Einfluss die sogenannte Kernbereichslehre, das Belastungsverbot und die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auf die Klauselgestaltung und den konkreten Mehrheitsbeschluss haben, was ebenfalls für GmbH und Genossenschaften relevant ist, für welche kraft Gesetz das Mehrheitsprinzip gilt. Es soll weiter der Frage nachgegangen werden, ob ein nachschussbegründender Mehrheitsbeschluss die Minderheit auch dann wirksam verpflichten kann, wenn er nicht auf der Grundlage einer ausreichend legitimierenden Mehrheitsklausel erfolgt, jedoch ein „wichtiger Grund“ zur Leistung von Nachschüssen vorliegt.

Sobald die Fälle untersucht wurden, in denen eine Nachschusspflicht auf der Grundlage einer alle Voraussetzungen erfüllenden Klausel („Beitragsklausel“) besteht oder ein Mehrheitsbeschluss auf der Grundlage einer wirksam legitimierenden Mehrheitsklausel ergeht und die Zustimmung aller Gesellschafter oder ein gegebenenfalls rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt, kann die Untersuchung sich jenen Fällen widmen, in denen eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht infrage kommt. Die vorliegende Arbeit dient dem Nachweis, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Nachschusspflicht kraft Treuepflicht existiert, die durch einen Mehrheitsbeschluss ausgelöst werden kann. Dabei soll analysiert werden, ob das gesellschaftsrechtliche Belastungsverbot, wie es für die Personengesellschaften in § 707 BGB zum Ausdruck kommt, einer solchen ← 18 | 19 → Nachschusspflicht kraft Treuepflicht entgegensteht, und ob die Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern im Personengesellschaftsrecht ein ausreichend intensives Maß erreichen kann, um die Minderheitsgesellschafter zur Leistung weiterer Beiträge verpflichten zu können.

In Kapitel 2 wird sich der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Wirkung der Treuepflicht der Gesellschafter untereinander konzentrieren. Nachdem die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch bei der GmbH als anerkannt gelten darf,10 ist dabei zu prüfen, ob die Treuepflicht auch in dieser Gesellschaftsform die notwendige Intensität entfalten kann, um eine Nachschusspflicht der Minderheitsgesellschafter zu begründen.

In Kapitel 3 soll untersucht werden, ob die in Kapitel 1 und 2 gefundenen Ergebnisse an die Rechtsform der Genossenschaft übertragen werden kann. Hier soll insbesondere untersucht werden, unter welchen Bedingungen die Rechtsprechung zur Treuepflicht bei Personengesellschaften auf Genossenschaften übertragbar ist und inwiefern die Entscheidungen des BGH zu Vereinsrecht auf die Genossenschaft angewendet werden können.

Im Kapitel 4 wird zusammengefasst werden, welche Ergebnisse aus den Einzelkapiteln rechtsformübergreifende Gültigkeit beanspruchen können. ← 19 | 20 →


1 Scherf definiert als rechtsformübergreifende Strukturmerkmale von Nachschusspflichten: „Es handelt sich immer um einen von einer Gegenleistung unabhängigen Geldanspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, der entweder gesellschaftsvertraglich geregelt ist oder sich direkt aus dem Gesetz ergibt. Der Anspruch geht über die ursprünglich durch Vertrag übernommene Kapitaleinzahlungspflicht hinaus, wobei die Nachschüsse keine Auswirkung auf den Umfang der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichte haben.“ Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S. 24.

2 Vgl. nur BGH, Urt. v. 19. 10. 2009 – II ZR 240/08, NZG 2009, S. 1347 ff.

3 BGH, Urt. v. 04.07.2005 – II ZR 354/03, NZG 2005, S. 753 ff.

4 BGH, Urt. v. 04.07.2005 – II ZR 354/03, NZG 2005, S. 753 ff. [S. 754 re. Sp. unten].

5 BGH, Urt. v. 23.01.2006 – II ZR 126/04, NZG 2006, S. 379; BGH, Urt. v. 23.01.2006 – II ZR 306/04, NZG 2006, S. 306 ff.; BGH, Hinweisbeschl. v. 26.03.2007 – II ZR 22/06, NZG 2007, S. 582 ff.

6 BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, NZG 2009, S. 1347 ff.

7 Vgl. nur BGH, Urt. v. 07.11.1960 – II ZR 216/59, WM 1961, S. 32; BGH, Urt. v. 27.09.1982 – II ZR 241/81, NJW 1983, S. 164.

8 Eine rechtsformübergreifende Nachschusspflicht kraft Treuepflicht stellt Nentwig infrage, vgl. Nentwig, Nachschusspflichten im Verbandsrecht, S. 284, 285.

9 Vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, NZG 2014, S. 1296 ff.

Details

Seiten
222
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631757208
ISBN (ePUB)
9783631757215
ISBN (MOBI)
9783631757222
ISBN (Paperback)
9783631745496
DOI
10.3726/b14182
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Schlagworte
Nachschusspflicht Treuepflicht Gesellschaftsrecht Personengesellschaften Gesellschaft mit beschränkter Haftung Genossenschaft
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 222 S.

Biographische Angaben

Martin Göbel (Autor:in)

Martin Göbel absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Bilbao und Freiburg. Er promovierte in Heidelberg und ist als Rechtsanwalt in einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei tätig.

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