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Die öffentliche Akzeptanz der Europäischen Union in Großbritannien

Britische Printmedien und ihr Einfluss auf das Wahlverhalten ihrer Leser am Beispiel des EU-Referendums 2016

von Robert Flader (Autor:in)
©2020 Dissertation 316 Seiten

Zusammenfassung

Das Verhältnis Großbritanniens zu Europa lässt sich spätestens seit dem Beitritt des UKs zur damaligen EG 1973 als turbulent bezeichnen. Das britische Misstrauen gegen europäische Institutionen gipfelte im Juni 2016 in einem auch durch Teile der britischen Printmedien initiierten Referendum über die weitere EU-Mitgliedschaft Großbritanniens. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, welchen Beitrag die Medien zum Referendumsausgang geleistet haben. Der Autor ordnet die analysierte Berichterstattung von fünf untersuchten Tageszeitungen während der Referendumskampagne in das Erscheinungsbild Großbritanniens im Rahmen seiner wechselvollen europäischen Integrationsgeschichte ein und zeigt auf, wie einzelne, vor allem konservative, Medienhäuser mit ihren Publikationen die Debatte um das Für und Wider eines britischen EU-Verbleibs entscheidend mitgeprägt haben.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel 1: Forschungsstand und Forschungsfragen
  • Kapitel 2: Theoretisch-historische Einordnung: Großbritannien und Europa
  • 2.1 Großbritanniens Selbstverständnis als Weltmacht aus Sicht der Medien
  • 2.2 Im Spannungsfeld: „Britishness“ und vertiefte europäische Integration
  • 2.3 Das United Kingdom im 21. Jahrhundert: eine geteilte Nation
  • 2.4 Die britische Gesellschaftsstruktur
  • 2.4.1 Klasseneinteilung nach dem Great British Class Survey
  • 2.4.2 EU-Akzeptanz in den einzelnen Schichten
  • 2.5 Phänomen Euroskeptizismus
  • 2.5.1 Theoretischer Ansatz
  • 2.5.2 Aktuelle Entwicklungen in Europa
  • 2.6 Populismus und Medien in Großbritannien
  • 2.7 „Stay“ oder „Leave“? Der britische Weg zum Referendum
  • Kapitel 3: Der Untersuchungsgegenstand: Die britische Medienlandschaft
  • 3.1 Einordnung: Historische Bedeutung von Tageszeitungen in Großbritannien
  • 3.1.1 Zeitungen und ihr Demokratieverständnis
  • 3.1.2 Britischer Journalismus und Ethik
  • 3.1.3 Fleet Street als Zentrum der „Vierten Gewalt“
  • 3.1.4 Besitzverhältnisse, politische und kommerzielle Interessen
  • 3.1.5 Der Auflagenwettbewerb
  • 3.2 Tabloids und Qualitätszeitungen: der Kampf um die Meinungshoheit
  • 3.3 Die Untersuchungsobjekte und ihre Grundausrichtung im Detail
  • 3.3.1 The Guardian und The Observer
  • 3.3.2 The Times und The Sunday Times
  • 3.3.3 The Sun und the Sun on Sunday
  • 3.3.4 The Daily Mail und The Mail on Sunday
  • 3.3.5 The Daily Express und The Sunday Express
  • 3.3.6 Politische Unterstützung bei Unterhauswahlen
  • 3.4 Leserschaft aus soziologischer Sicht
  • 3.4.1 Leserklassifizierung
  • 3.4.2 Wer liest die seriösen Broadsheets?
  • 3.4.3 Die Popularität der Tabloids
  • 3.4.4 Leser gleich Wähler?
  • 3.5 Britische Printmedien und europäische Integration
  • 3.5.1 Fakten und Fiktion: „Euro-Myths“ und das EU-Bild in Großbritannien
  • 3.5.2 Die Referenden 1975 und 2016 im medialen Vergleich
  • 3.6 Journalisten, Politiker, Spin Doctors: ein abhängiges Verhältnis
  • 3.7 Zwischenfazit: Medien und ihr Einfluss auf das politische Geschehen
  • Kapitel 4: Analyse: Einfluss der Tageszeitungen auf das Wahlverhalten
  • 4.1 Methodisches Vorgehen und Untersuchungszeitraum
  • 4.2 Positionen und Präferenzen im historischen Vergleich
  • 4.2.1 Pro und Contra Europa aus Sicht der Presse
  • 4.2.2 Vor- und Nachteile eines britischen Austritts aus Sicht der Presse
  • 4.3 Die Titelseiten und ihre Wirkung
  • 4.4 Die Themen der Kampagne
  • 4.5 Vokabular und Bilder
  • 4.6 Argumente und Emotionalisierung: Beeinflussung von Lesern in der Praxis
  • 4.7 Die Auswirkungen von Umfragen während der Referendumskampagne
  • 4.7.1 Landesweite Umfragen und „Poll of Polls“
  • 4.7.2 Polls der Zeitungen und der Kampagnenakteure
  • 4.8 Auflagenveränderung vor dem Referendum
  • 4.9 Die Wahlempfehlungen auf den Titelseiten und in den Editorials
  • 4.10 Die Abstimmung am 23. Juni 2016 und ihre Auswirkungen in der Presse
  • 4.10.1 Das Ergebnis und die Untersuchungsgegenstände im Vergleich
  • 4.10.2 Die medialen Gründe für den Brexit
  • 4.10.3 Beobachtungen und Befragungen von Wählern in London
  • 4.11 Zwischenfazit: empirische Befunde und ihre Einordnung
  • Kapitel 5: Schlussbetrachtung: Perspektiven für die britische Medienlandschaft in Zeiten der Brexit-Ungewissheit
  • Bibliografie
  • Anhang A
  • Anhang B
  • Anhang C

Abkürzungsverzeichnis

BBC British Broadcasting Corporation

Brexit Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (aus „Britain“ und „Exit“)

BSA British Social Attitudes Survey

BUF British Union of Fascists

bzw. beziehungsweise

DUP Democratic Unionist Party

EEA Einheitliche Europäische Akte

EEC European Economic Community

EG Europäische Gemeinschaft

EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

ESVP Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

et al. et alii / et aliae (und andere)

EU Europäische Union

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

GBCS Great British Class Survey

Lib Dems Liberal Democrats

NATO North Atlantic Treaty Organization

NHS National Health Service

SNP Scottish National Party

UK United Kingdom

UKIP United Kingdom Independence Party

WTO World Trade Organization

Einleitung

„Diejenigen, für die Europa das Vaterland sein soll, können nicht umhin anzuerkennen, dass Europa in britischen Augen (außer für eine kleine Minderheit) niemals mehr als ein Mittel für etwas anderes sein wird.“1

1.269.509 Stimmen. Dies war am Ende die exakte Differenz zwischen „Drinnen“ und „Draußen“, zwischen Großbritanniens weiterem Verbleib in der Europäischen Union und außenstehendem Drittland. Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Union entschied sich letztlich an weniger als 1,3 Millionen abgegebenen Wahlzetteln. Anders ausgedrückt: Wenn lediglich 634.750 Wählerinnen und Wähler am 23. Juni 2016 statt gegen für einen britischen Verbleib in der europäischen Staatengemeinschaft gestimmt hätten (alternativ: falls mehr Menschen zwischen 18 und 24 zur Wahlurne gegangen wären), würde das Vereinigte Königreich auch über den 30. März 2019, an dem es offiziell austreten wird, der Europäischen Union als Mitglied erhalten bleiben. Etwas mehr als 600.000 Stimmen mehr für Remain und weniger für Leave hätten die bis heute unübersehbaren Brexit-Folgen verhindern können. So endete das dramatischste politische Ereignis, das in den vergangenen mehr als 40 Jahren im Vereinigten Königreich stattgefunden hatte, mit einem Paukenschlag.

Viele Beobachter vertreten die Meinung: Der Brexit passe ja zu den Briten, die nie wirklich warm mit dem europäischen Kontinent und vor allem den politischen Institutionen wurden. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn letztlich wäre der EU-Ausstieg Großbritanniens ohne ein paar entscheidende Akteure und Ereignisse nicht Realität geworden. Diese Arbeit hat insbesondere die Rolle der britischen national-konservativen Presse und ihren Einfluss auf das Wahlergebnis und dabei erstaunliche Hinweise für eine, letztlich mitentscheidende, Beeinflussung der britischen Printmedien in Bezug auf das Wahlverhalten ihrer Leser herausgefunden. Dies ist gerade mit Blick auf den knappen Referendumsausgang nicht zu unterschätzen und verdient höchste Aufmerksamkeit. Denn bei einem ähnlichen Ausgang wie beispielsweise beim ersten britischen Referendum zur weiteren Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1975 – damals votierten 67 Prozent der Wähler für einen Verbleib – würde es weitaus schwieriger werden, einen möglichen Einfluss der (damals pro ←15 | 16→Europa plädierenden) Presse nachzuweisen. Anders ausgedrückt: Gerade wegen der engen Zeitung-Leser-Bindung im Vereinigten Königreich, die bei vorangegangenen Wahlen bereits verschiedentlich untersucht worden ist, ist das enge Abstimmungsergebnis hochinteressant. Würden die Briten ohne die teils deutlich hasserfüllten Kampagnen der konservativ-nationalen Presseteile ebenso aus der Europäischen Union austreten? Dagegen sprechen einige Gründe. Zum einen haben verschiedene Studien bereits darauf hingewiesen, dass gerade die Wählermobilisierung der sogenannten Leave-Seite, den Anhängern eines Brexits, im Vorfeld der Wahl deutlich unterschätzt wurde. Wenn also die Presse nicht so deutlich gegen die EU Stellung bezogen hätte und damit auch in traditionellen Labour-Wahlbezirken in den alten nord-nordöstlichen Industrieregionen sowie im ländlich geprägten Süden Englands nicht so erfolgreich gewesen wäre, hätte es dann überhaupt für Leave gereicht? Dies darf mit Blick auf das ohnehin schon knappe Wahlergebnis bezweifelt werden. Zum anderen muss auch beachtet werden, dass das Referendum, das von Premierminister David Cameron eigentlich ohne Not angekündigt wurde, die schon seit Jahren im UK vorhandenen EU-Gegner nicht nur mobilisiert, sondern auch zahlreiche, vorher nicht für existent gehaltene euroskeptische Wähler an die Urnen gelockt hatte. Dass es also zum Brexit gekommen ist, scheint in der politischen Entwicklung zwischen London und Brüssel der vergangenen 30 bis 40 Jahren wenig überraschend. Was überrascht, ist vielmehr die Art und Weise, wie schwach die Remain-Seite ihre Kampagne durchführte und den vielen offensichtlichen Lügen nichts entgegensetzen konnte. Denn Warnsignale waren von Anfang an sichtbar, wie auch den Remain-Verantwortlichen, vor allem in den Medien, hätte bewusst sein müssen, dass ein potenzieller EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in großen Teilen fernab jeder sachlichen Ebene diskutiert werden würde. Und hier, im Bereich der Emotionen, war Leave, auch mit Unterstützung der euroskeptischen Printmedien einfach besser organisiert beziehungsweise hatte weniger Herausforderungen zu bewältigen.

Die Verantwortlichkeiten für den britischen Ausstieg aus der Europäischen Union sind an mehreren Stellen zu suchen. Klar ist: Es waren weder allein britische Journalisten noch Politiker noch die Europäische Union, denen man nachsagen könnte, dass sie letztlich die entscheidende Verantwortung am Ausgang des Referendums tragen. Was die vorliegende Arbeit aber aufzeigen wird, ist die klare und einseitige Positionierung überwältigender Teile der überregionalen britischen Zeitungen, die mit dem Wahlverhalten ihrer Leserschaft einhergeht. Gerade weil ein solches Verhalten als eigenständiger politischer Akteur in anderen europäischen Ländern, vor allem in Deutschland, kaum vorstellbar scheint, wird es ein wichtiger Aspekt in dieser Arbeit sein, die Eigenarten der britischen ←16 | 17→Presse von den Eigentümern über die Chefredakteure bis zur täglichen Berichterstattung darzustellen. In Großbritannien ist die Presse ein aktiver Mitspieler in politisch-gesellschaftlichen Ereignissen. Vor allem der euroskeptische Teil der Presse hat bereits mehrere Premierminister in den Rücktritt beziehungsweise in Wahlniederlagen getrieben. Margaret Thatcher, John Major, ja sogar Tony Blair und ganz besonders David Cameron sind am Ende ihrer Karrieren in 10 Downing Street alle über das Thema „Europa“ gestürzt. Letztlich ging es bei allen um vermeidbare Detailentscheidungen, die aber von Teilen der Presse massiv genutzt wurden, um eigene Agenden durchsetzen und Druck auf die Politik aufbauen zu können. Große nationale Zeitungen beziehungsweise deren Besitzer verfolgten zum Teil seit Jahrzehnten schon das Ziel, mithilfe ihrer Publikationen Großbritannien aus der Europäischen Union zu führen. Dieses Ziel haben Rupert Murdoch, Richard Desmond, aber auch einflussreiche Chefredakteure wie Paul Dacre mit ihrer einseitigen und diffamierenden Berichterstattung erreicht. Stand Mitte 2018 sieht es ebenfalls so aus, als wenn Premierministerin Theresa May über das schwierige und für die Zukunft nach wie vor ungeklärte Verhältnis UK – EU früher oder später stolpern wird.

Einige Parameter im britisch-europäischen Verhältnis scheinen unstrittig: Großbritannien und die Europäische Union verhalten sich zueinander wie zwei Stiefkinder, die sich nicht wirklich ausstehen, aber ohne einander auch nicht auskommen können. Gerade das Vereinigte Königreich hat sich von Anfang an seiner Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1973/74) mit der neben vielen Vorteilen auch Pflichten abverlangenden Partnerschaft schwergetan. Die Europäische Union ihrerseits befindet sich heute nicht nur wegen Großbritannien in einer ernstzunehmenden Schieflage. Zwischen ständiger Eurokrise, dem nach wie vor nicht gelösten Ukrainekonflikt, dem andauernden Flüchtlingschaos und verstärkt auftretenden Terroranschlägen wird in den EU-Mitgliedsstaaten derzeit immer häufiger die Frage gestellt, wofür der 1992 aus der Europäischen Gemeinschaft hervorgegangene Staatenverbund eigentlich steht. Politische Unsicherheit, für den Bürger wenig transparente Entscheidungen und eine – zumindest öffentlich – wenig aussagekräftige Zukunftsvision haben die EU aus dem Gleichgewicht geworfen. Was Europa stattdessen durch alle Krisen hinweg konstant begleitet, ist ein Eindruck, der sich mit jedem Streitthema weiter zu verfestigen scheint: Europa als Staatenverbund spaltet die Gemüter. In immer mehr Staaten verzeichnen EU-kritische Parteien – links wie rechts – bei Wahlen teils massive Stimmengewinne. Frankreich, Niederlande, Österreich, Tschechien, die Visegrád-Staaten, ja selbst Großbritannien mit der United Kingdom Independence Party sind hierfür prägnante aktuelle Beispiele. Man könnte meinen: Die Zahl der Befürworter der Europäischen Union mit ←17 | 18→ihren aktuell (noch) 28 Mitgliedsstaaten sinkt zunehmend, was auch das negative Votum der Niederländer zum Assoziierungsabkommen mit der Ukraine am 7. April 2016 und nationale Wahlen in zentralen europäischen Staaten zeigen. Für den unzweifelhaften Höhepunkt sorgten 2016 aber die Briten: Nach Jahren, in denen die Stimmung in der britischen Politik zunehmend euroskeptischer wurde, stimmten die Briten am 23. Juni, einem regnerischen Donnerstag auf den britischen Inseln, über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ab – und votierten letztlich, wenn auch knapp, dagegen. Der sogenannte Brexit markierte eine tiefe Zäsur in der europäischen Integration

Der europäische Zusammenschluss stand lange Zeit, vor allem nach dem Ende des Kalten Krieges, für einen einzigen Weg: den nach vorne. Besonders die Jahre nach Ende des Kalten Krieges standen für eine beispiellose europäische Zusammenarbeit, dem Ende von innereuropäischen Grenzen und einer tiefergehenden Integration. Doch spätestens seit der weltweiten Finanzkrise 2008/2009, in Ansätzen sogar schon seit der EU-Osterweiterung 2004, gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die nur gemeinschaftlich gelöst werden können, die in der Praxis aber die Mitgliedsländer eher auseinanderdividieren lassen als zusammenschweißen. Hierzu zählt ganz aktuell auch die Flüchtlingskrise in Europa, an der man anschaulich sehen kann, wie unterschiedlich diese kritische Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten beurteilt wird und die EU-Staaten, und das nicht nur hier, nicht mit einer Stimme sprechen. Diese Herausforderungen, die Europäer von Italien bis Schweden, von Bulgarien bis Großbritannien unmittelbar betreffen, werden von den Staaten teils so unterschiedlich bewertet, dass gemeinsame politische Lösungen nur schwer oder gar nicht möglich erscheinen. Die nach wie vor ungeklärte Lage der Ukraine zwischen Europa und Russland, die Eurokrise, die in großen Teilen unkontrolliert verlaufende Flüchtlingssituation und die mittlerweile regelmäßigen Terroranschläge in einzelnen europäischen Staaten – all dies stellt einem geeinigten und starken Europa eine ungewisse Zukunft in Aussicht.

Diese in wohl jedem Mitgliedsland leidenschaftlich diskutierten Themen dominieren täglich die mediale Landschaft und werden von dieser zum Teil auch noch befeuert. Außerdem, und das macht es Befürwortern einer tiefergehenden europäischen Integration nicht leichter, werden sie äußerst emotional und selten auf sachlicher Grundlage diskutiert. In dieser ungewissen Situation befragte im Frühsommer 2016 einer der wichtigsten europäischen Anker und die zweitgrößte Wirtschaftsnation, Großbritannien, seine Bürger zum Verbleib in der Europäischen Union. Premierminister David Cameron hatte den Briten bereits im Januar 2013 im Rahmen seiner als „Bloomberg Speech“ berühmt gewordenen Rede zur Lage der Europäischen Union zugesichert, dass seine ←18 | 19→Bürger das letzte Wort haben würden, falls seine Konservative Partei bei den Unterhauswahlen im Mai 2015 eine absolute Mehrheit erreichen würde. Diese Abstimmung wurde schließlich, nach einer tatsächlich erreichten Tory-Mehrheit, auf den 23. Juni 2016 festgelegt. Dieser Tag sollte fortan schließlich für ein historisches Ergebnis, ja für eine europäische Zäsur stehen: 51,9 Prozent der britischen Wähler votierten für den Austritt aus der Europäischen Union. Es waren genau 1.269.509 Stimmen, die Leave letztlich den entscheidenden Vorsprung verschaffen sollten. Es war ein europäisches Erdbeben mit unabsehbaren wirtschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für Großbritannien und den Rest der Europäischen Union bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein.

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die öffentliche Akzeptanz der Europäischen Union am Beispiel des britischen Referendums zum EU-Verbleib aus medialer Perspektive, genauer: aus Sicht der Printmedien, zu untersuchen. Dabei geht es um das Spannungsfeld zwischen europäischer Integration einerseits und EU-Ablehnung im United Kingdom andererseits. In dieser Arbeit werden fünf große britische Tageszeitungen mit ihrer Berichterstattung zu europäischen Themen untersucht. Es handelt sich um Medienhäuser mit unterschiedlicher politischer Grundausrichtung und Einstellung zur Europäischen Union: Die seriösen The Times und The Guardian sowie die drei Boulevardzeitungen, auch „Tabloids“ genannt, The Sun, The Daily Mail und The Daily Express. Diese Zeitungen bilden einen repräsentativen Überblick über die britische Medienlandschaft. Zum einen sind mit der Sun und der Daily Mail die beiden auflagenstärksten britischen Zeitungen in der Analyse vertreten, sowie mit dem Daily Express die Zeitung, die gewissermaßen zu den Begründern des britischen Euroskeptizismus zählt und ihrerseits als allererstes bereits um den Jahreswechsel 2010/11 lautstark die britische „Unabhängigkeit“ von Europa forderte. Der Guardian (linksliberal) und der Times (konservativ) repräsentieren auch aufgrund ihrer Historie den Teil der britischen Presse, der ausgewogen(er) über europäische Themen berichtet.

Details

Seiten
316
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631803059
ISBN (ePUB)
9783631803066
ISBN (MOBI)
9783631803073
ISBN (Hardcover)
9783631802960
DOI
10.3726/b16181
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Oktober)
Schlagworte
Britisches EU-Referendum Euroskeptizismus Europaskeptizismus Populismus Medieneinfluss Volksabstimmungen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 316 S., 16 s/w Abb.

Biographische Angaben

Robert Flader (Autor:in)

Robert Flader ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen des Instituts für Politische Wissenschaft an der RWTH Aachen. Sein Lehr- und Forschungsschwerpunkt ist das Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union und hier insbesondere der „Brexit"-Prozess sowie die Rolle Europas in der internationalen Staatengemeinschaft.

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