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Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters

von Alexander Raab (Autor:in)
©2021 Dissertation 156 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit untersucht mögliche Befangenheiten eines Insolvenzverwalters. Dies ist von großer Bedeutung, da auf den Insolvenzverwalter als zentrale Person des Verfahrens eine Vielzahl gegenläufiger Interessen prallen. Die Arbeit leitet dabei den Unabhängigkeitsbegriff ab und prüft zentrale Fallgestaltungen. In bestimmten Fallgestaltungen ist die Wahrung des Unabhängigkeitserfordernisses stets von großem Diskussionsbedarf. Anhand der aufgezeigten Leitfäden können für diese Konstellationen Richtlinien zur Beurteilung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters im konkreten Fall hergeleitet werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Herleitung des Unabhängigkeitsbegriffs
  • 2.1. Der Unabhängigkeitsbegriff in der Preußischen Konkursordnung/Konkursordnung
  • 2.1.1. Herleitung in der Preußischen Konkursordnung
  • 2.1.2. Herleitung in der Konkursordnung
  • 2.2. Der Unabhängigkeitsbegriff in der Vergleichsordnung
  • 2.3. Das Unabhängigkeitsgebot in der Gesamtvollstreckungsordnung
  • 2.4. Der Unabhängigkeitsbegriff in der Insolvenzordnung
  • 2.4.1. Die generelle Unabhängigkeit
  • 2.4.1.1. Spannungsfeld Vorauswahlliste und Bestellungsakt
  • 2.4.1.2. Herleitung der Liste/Aufnahmekriterien
  • 2.4.1.3. Begriff der generellen Unabhängigkeit
  • 2.4.2. Die spezielle Unabhängigkeit
  • 2.4.3. Gerichte, Verbände, Berufsrecht
  • 2.4.3.1. Gerichte
  • 2.4.3.2. Verbände
  • 2.4.3.3. Berufsrecht
  • 2.4.4. Die Modifizierungen des Unabhängigkeitsgebots unter Geltung des ESUG
  • 2.4.4.1. Erlaubnistatbestand gem. § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO
  • 2.4.4.2. Erlaubnistatbestand § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO
  • 2.4.4.3. Einführung von §§ 22 a, 56 a InsO
  • 2.4.4.4. ESUG – Evaluationsbericht
  • 3. Typische Fallkonstellationen
  • 3.1. Poolverwaltung
  • 3.2. Mandatsbeziehung/Vorbefassung/Beteiligungen
  • 3.3. Vergütungsregelungen im Insolvenzplan
  • 3.4. Sozietätszusammenschlüsse/Kooperationen
  • 3.5. Masseverbindlichkeiten
  • 3.6. Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren
  • 3.6.1. Eigenverwaltung
  • 3.6.2. Schutzschirmverfahren
  • 3.6.3. Auswirkungen der ESuG – Evaluation
  • 3.7. Konzerninsolvenzrecht
  • 3.8. Selbstbeteiligung am Drittunternehmen
  • 3.9. Treuhänder
  • 4. Pflichten des Insolvenzverwalters und Folgen eines Verstoßes gegen das Unabhängigkeitsgebot
  • 4.1. Auskunftspflicht des Insolvenzverwalters
  • 4.2. Nachforschungspflicht des Gerichts
  • 5. Fazit
  • 6. Danksagung
  • 7. Literaturverzeichnis

←6 | 7→

1. Einleitung

Die Wahl des Insolvenzverwalters ist die Schicksalsfrage des Verfahrens. Dies erkannte schon einst Jaeger.1 Dieses Zitat von Jaeger ist auch in der heutigen Zeit mit Blick auf das ESUG2 (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) weiterhin aktuell. Denn trotz zahlreicher Hilfsorgane und weitreichender Unterstützungsdienstleister hängt der Erfolg eines Insolvenzverfahrens weiterhin von einer starken Insolvenzverwalterpersönlichkeit ab. Insbesondere hat diese Insolvenzverwalterpersönlichkeit frei von jeglichen Einflussnahmen zu sein.

Die Relevanz der These von Jaeger wird durch die Restrukturierungsrichtlinie3 gestärkt. Nach der Richtlinie tritt an die Stelle der außergerichtlichen Sanierung4 ein „Rahmen“ als außerinsolvenzlich ablaufendes Verfahren unter Einbeziehung des Gerichts als prüfende Bestätigungsinstanz.5 Eine Unabhängigkeit des Restrukturierungsbeauftragten/-verwalters als unabhängige Instanz ist nach den vorherigen Ausführungen von großer Bedeutung für das Restrukturierungsverfahren. Die Wichtigkeit der Unabhängigkeit im Restrukturierungsverfahren hält damit durchaus einem Vergleich der Bedeutung im Insolvenzverfahren stand. Die Begrifflichkeit „Beauftragte“ ist in diesem Fall irreführend. Nach Art. 5 der Restrukturierungsrichtlinie wird der Restrukturierungsbeauftragte gerichtlich bestellt. Es handelt sich also dabei gerade nicht um ein Mandatsverhältnis zum Schuldner. Um ein transparentes Verfahren zu schaffen, ist somit die Unabhängigkeit des Sanierungsbeauftragten von Gläubigern und dem Schuldner zu fordern.

In einem Insolvenzverfahren prallt eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen auf den bestellten Insolvenzverwalter ein. Nach § 1 InsO dient das Insolvenzverfahren zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubigergemeinschaft. Somit ist der Insolvenzverwalter bekanntlich für die Gläubigergemeinschaft tätig. In Zeiten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)6 soll die Gläubigerautonomie gestärkt werden. Dabei ist jedoch immer ←7 | 8→wieder festzustellen, dass „professionelle Großgläubiger“ fast ausschließlich in den (vorläufigen) Gläubigerausschüssen vertreten sind. Solange die gesetzlich normierte Zusammensetzung eingehalten wird, soll dies selbstredend nicht als verwerflich angesehen werden. Es erscheint jedoch notwendig, ein höheres Maß an Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, dass im Einzelfall die notwendige Unabhängigkeit des Verwalters tatsächlich weiter bewahrt wird. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Auflösung des Interessenkonflikts der Gläubigerautonomie und der durchaus gegenläufigen Interessen von verschiedenen Gläubigergruppen relevant.

Auch die Unabhängigkeit vom Schuldner bzw. schuldnerischen Berater ist weiterhin zwingend zu gewährleisten. Hierzu ist im Laufe der Jahre ein gewisser Wandel zu erkennen. Zu Zeiten der KO waren allenfalls Vorschläge des Schuldners für die Person des Konkursverwalters vereinzelt anzutreffen. Vorschläge von Gläubigern waren ohnehin lediglich als Anregung zu sehen.7 In diesem Zusammenhang ist zwar festzuhalten, dass die Begrifflichkeiten etwas irreführend sind. Auch der nunmehr gesetzlich normierte Vorschlag entfaltet keine Bindungswirkung und kann daher auch als Anregung gesehen werden. Gleichwohl ist festzustellen, dass zu Zeiten der Konkursordnung wohl allenfalls Schuldner im Regelfall Anregungen für das Amt des Konkursverwalters erteilt haben. Diesbezüglich ist zumindest nach dem gesetzgeberischen Willen unter Geltung des ESUG eine bedeutende Änderung eingetreten. Dies geschah insbesondere durch die Einführung von Normen wie § 22 a InsO oder § 56 a InsO. Ob dieser Effekt tatsächlich eingetreten ist, soll u.a. in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Diesbezüglich ist insbesondere auf die Ausführungen unter Ziff. 2.4.4.4. und 3.6.3. zu verweisen. An dieser Stelle sei jedoch bereits der Hinweis erlaubt, dass der Verfasser vermehrt aus dem Lager einzelner Großgläubiger die Klage feststellen konnte, dass die Erwägungen des Gesetzgebers in der Praxis nicht zum Tragen kommen und vielmehr die Zeit der Berater gekommen sei.

Im Zuge der vermehrten Eigenverwaltungsverfahren lässt sich das Argument sicherlich nicht ganz von der Hand weisen. Gleichwohl ist durchaus eine Tendenz festzustellen, zumindest die wichtigsten Gläubiger entsprechend mit einzubinden. Im Ergebnis ist diese Entwicklung zu begrüßen, da der Insolvenzverwalter wie bereits aufgezeigt zum Wohle der Gläubigergesamtheit eingesetzt wird. Auf der anderen Seite sind mögliche Seilschaften, sei es auf Insolvenzverwalter – Gläubigerseite oder auf Insolvenzverwalter – Schuldnerseite, näher im Hinblick auf mögliche Inhabilitäten zu beleuchten. Genau dies wird der Verfasser in den ←8 | 9→nachfolgenden Ausführungen vornehmen. Nach einer Herleitung des Unabhängigkeitsbegriffs zu Zeiten der KO und der VglO wird näher auf die unterschiedlichen Stufen der Unabhängigkeit im Zusammenhang mit der Insolvenzordnung (InsO) eingegangen. Hierzu ist insbesondere die generelle Unabhängigkeit für die Listung am Insolvenzgericht und die spezielle Unabhängigkeit im konkreten Verfahren zu beleuchten.

Schwerpunkt der Arbeit stellt die Beleuchtung des Unabhängigkeitsgebots in bestimmten Fallkonstellationen dar. Hierzu seien beispielhaft die Poolverwaltung, Sozietätszusammenschlüsse o.ä. erwähnt. Hinsichtlich der Aufgabe des Restrukturierungsberaters zur Einreichung von Restrukturierungsplänen ist die Gewährleistung der Unabhängigkeit vom Schuldner als auch von den Gläubigern genauso wichtig wie beim Insolvenzverwalter.

Ein weiterer Schwerpunkt wird sich mit den Änderungen durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beschäftigen. In diesem Kontext werden oftmals die Begriffe Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren diskutiert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Eigenverwaltungsverfahren bereits ab Einführung der InsO möglich war8. Richtigerweise findet die Diskussion jedoch an der korrekten Stelle statt, da die vorgenannten Verfahrensarten erst seit Einführung des ESUG größere Bedeutung erlangt haben.

In allen Konstellationen ist die Bestellung eines unabhängigen Insolvenzverwalters/Restrukturierungsbeauftragten von ausschlaggebender Bedeutung. Ein nicht unabhängiger Verwalter verschafft womöglich einzelnen Gläubigern Sondervorteile oder schädigt durch schuldnernahes Verhalten die Gesamtgläubigerschaft, sodass der leitende Verfahrensgedanke der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung ad absurdum geführt wäre. Damit kann man die eingangs zitierte These von Jaeger nur unterstreichen.9

Der Gesetzgeber hat das Unabhängigkeitserfordernis in § 56 InsO normiert. Danach hat der Insolvenzverwalter unabhängig von dem Schuldner und den Gläubigern zu sein.

←9 | 10→

1 Vgl. Jaeger, KO, 6./7. Aufl. 1936, § 78 Rn. 7.

2 Vgl. BGBI. I. S. 2582, erlassen am 07.12.2011, in Kraft getreten am 01.03.2012.

3 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union v. 26.06.2019, L 172/18.

4 Vgl. Hoegen/Kranz, NZI-Beilage 2019, 53,56.

5 Vgl. Smid, ZInsO 2019, 266, 266.

6 Vgl. BGBI. I. S. 2582, erlassen am 07.12.2011, in Kraft getreten am 01.03.2012.

7 Kuhn/Uhlenbruch, 10. Auflage 1994, § 78 Rn. 3.

8 Vgl. BGBI. I S. 2866, erlassen am 05.10.1994, in Kraft getreten am 01.01.1999.

Details

Seiten
156
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631870860
ISBN (ePUB)
9783631870877
ISBN (MOBI)
9783631870884
ISBN (Hardcover)
9783631860182
DOI
10.3726/b19316
DOI
10.3726/b19448
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Dezember)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 156 S.

Biographische Angaben

Alexander Raab (Autor:in)

Alexander Raab hat nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth und Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg hat der Autor sein Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht Düsseldorf durchlaufen. Der Zulassung zur Anwaltschaft ist er größtenteils auf dem Gebiet des Insolvenzrechts und insbesondere der Insolvenzverwaltung praktisch tätig. Dabei wird er von mehreren Insolvenzgerichten regelmäßig zum Insolvenzverwalter bestellt, so dass die Frage der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters auch an praktischen Gesichtspunkten beurteilt werden kann. Der Autor hält regelmäßig Vorträge zum Insolvenzrecht und ist Mitautor des juris Praxis Report Insolvenzrecht.

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Titel: Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters