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Die business judgment rule (§ 93 I 2 AktG) in der Entscheidungspraxis

Eine kritische Würdigung der Rechtsentwicklung seit der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung

von Claudia Fobe (Autor:in)
©2022 Dissertation 298 Seiten

Zusammenfassung

Schadensersatzklagen gegen Vorstände haben in den letzten Jahren zugenommen. Daher hat die Frage nach einem over- oder underenforcement der Vorstandshaftung stark an Bedeutung gewonnen. Im ersten Teil der Arbeit wird die Rechtsentwicklung der Haftung zu jedem Tatbestandsmerkmal des § 93 I 2 AktG gesondert untersucht, was eine differenzierte Beurteilung dahin erlaubt, ob die Anforderungen der Rechtsprechung an die Inanspruchnahme des Haftungsfreiraums zu hoch oder zu niedrig sind und welcher Änderungsbedarf besteht. Im zweiten Teil werden die im Zuge der zunehmenden Regulierung der Wirtschaft durch den Gesetzgeber immer wichtiger werdenden Fallgestaltungen außerhalb des originären Anwendungsbereichs des 93 I 2 AktG im Hinblick auf eine mögliche Haftungsprivilegierung (insb. Analogie) untersucht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Einführung in das Thema
  • 1. Aktuelle Relevanz des Themas
  • 2. Entwicklungen mit Blick auf den Tatbestand des § 93 I 2 AktG
  • 3. Entwicklungen durch Einschreiten des Gesetzgebers
  • II. Gegenstand der Untersuchung
  • 1. Gegenstand mit Blick auf die Unternehmensorgane
  • a. Vorstand und Aufsichtsrat der AG
  • b. Geschäftsführer der GmbH
  • c. Vorstand der Genossenschaft
  • d. Ergebnis
  • 2. Gegenstand mit Blick auf den untersuchten Zeitraum
  • a. US-amerikanisches Recht
  • b. ARAG/Garmenbeck
  • III. Gang und Zielsetzung der Untersuchung
  • B. Rechtsentwicklung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der business judgment rule
  • I. Unternehmerische Entscheidung
  • 1. Ausgangslage
  • a. US-amerikanische business judgment rule
  • b. ARAG/Garmenbeck
  • c. UMAG
  • d. Zusammenfassung
  • 2. Die unternehmerische Entscheidung in der Rechtsprechung
  • a. BGH, Urteil vom 21.12.2005, 3 StR 470/04 – Mannesmann
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • b. OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006, 1 U 34/03
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • c. BGH, Urteil vom 03.03.2008, II ZR 124/06 – UMTS
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • d. OLG Celle, Urteil vom 28.05.2008, 9 U 184/07
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • e. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010. 20 W 16/06 – Daimler/Chrysler
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • f. OLG Frankfurt, Urteil vom 07.12.2010, 5 U 29/10
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • g. BGH, Urteil vom 22.02.2011, II ZR 146/09
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • h. BGH, Urteil vom 18.06.2013, II ZR 86/11
  • aa. Einordnung durch das Gericht
  • bb. Eigene Würdigung
  • 3. Fazit
  • a. Zusammenfassung und Würdigung
  • b. Diskussionsstand in der Literatur und Würdigung der Ansichten
  • aa. Erfordernis von Zukunftsbezogenheit, Prognose- und Risikocharakter der unternehmerischen Entscheidung
  • bb. Unternehmerische Entscheidung bei der Festsetzung von Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat
  • c. Ergebnis
  • II. Handeln auf der Grundlage angemessener Information
  • 1. Ausgangslage
  • a. US-amerikanische business judgment rule
  • b. ARAG/Garmenbeck
  • c. UMAG
  • d. Zusammenfassung
  • 2. Handeln auf der Grundlage angemessener Information in der Rechtsprechung
  • a. LG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2005, 39 O 73/04
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • b. OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006, 1 U 34/03
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • c. OLG Celle, Urteil vom 28.05.2008, 9 U 184/07
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • d. BGH, Beschluss vom 14.07.2008, II ZR 202/07
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • e. BGH, Beschluss vom 03.11.2008, II ZR 236/07
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • f. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2009, I-6 W 45/09 – IKB
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • g. OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2010, 18 W 1/10
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • h. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, 20 W 16/06 – Daimler/Chrysler
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • i. OLG Frankfurt, Urteil vom 07.12.2010, 5 U 29/10 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2011, 21 W 18/11
  • aa. Gemeinsamer Sachverhalt
  • bb. OLG Frankfurt, Urteil vom 07.12.2010, 5 U 29/10
  • (1) Entscheidungsgründe
  • (2) Eigene Würdigung
  • cc. OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2011, 21 W 18/11
  • (1) Entscheidungsgründe
  • (2) Eigene Würdigung
  • j. BGH, Urteil vom 22.02.2011, II ZR 146/09
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • k. LG Essen, Urteil vom 25.04.2012, 41 O 45/10 – Arcandor
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • l. OLG Hamm, Urteil vom 12.07.2012, 27 U 12/10
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • m. OLG Köln, Urteil vom 31.01.2013, 18 U 21/12 – Solarworld
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • n. BGH, Urteil vom 18.06.2013, II ZR 86/11
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • o. LG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2014, 39 O 36/11 – ApoBank
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • p. OLG Hamm, Urteil vom 17.03.2016, 27 U 36/15
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • q. BGH, Urteil vom 12.10.2016, 5 StR 134/15
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • r. OLG Köln, Urteil vom 01.10.2019, 18 U 34/18
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • 3. Fazit
  • a. Zusammenfassung und Würdigung
  • aa. Art und Umfang der Informationsbeschaffung
  • bb. Fremder Expertenrat und “right of reliance”
  • (1) BGH, Urteil vom 14.05.2007, II ZR 48/06
  • (2) BGH, Beschluss vom 16.07.2007, II ZR 226/06
  • (3) OLG Stuttgart, Urteil vom 25.11.2009, 20 U 5/09
  • (4) BGH, Urteil vom 20.09.2011, II ZR 234/09 – ISION
  • (5) BGH, Urteil vom 27.03.2012, II ZR 171/10
  • (6) BGH, Urteil vom 28.04.2015, II ZR 63/14
  • (7) Konkretisierungen der Anforderungen des “right of reliance” durch den BGH
  • (8) Anwendung der vom BGH konkretisierten Anforderungen an das “right of reliance” auf die business judgment rule
  • b. Anforderungen zu streng?
  • c. Diskussionsstand in der Literatur zum Umfang der Informationsbeschaffung und Würdigung der Ansichten
  • aa. Weites Verständnis der Aussage des BGH
  • bb. Befürwortung einer informationsrechtlichen business judgment rule
  • cc. Ablehnung der strengen Anforderungen und differenzierte Betrachtung des Informationsumfangs
  • (1) Widerspruch zu geringeren Anforderungen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, der US-amerikanischen business judgment rule und der gesetzlichen Regelung
  • (2) Fehlende Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles
  • d. Diskussionsstand in der Literatur zum fremden Expertenrat sowie zum “right of reliance” und Würdigung der Ansichten
  • aa. Fachlich qualifizierter Berater
  • bb. Unabhängiger Berater
  • cc. Überlassung aller für die Begutachtung relevanten Informationen sowie Unterlagen
  • dd. Plausibilitätskontrolle
  • ee. Erfüllung der Kriterien durch interne Berater
  • e. Ergebnis
  • aa) Begriff der Angemessenheit
  • bb) Bestimmung der Angemessenheit nach Kriterien
  • (1) Tatsächliche und rechtliche Verfügbarkeit der Informationen
  • (2) Bedeutung und Risikoträchtigkeit der Entscheidung unter Berücksichtigung der Lage der Gesellschaft
  • (3) Zeitlicher Rahmen für die Entscheidungsvorbereitung
  • (4) Kosten-Nutzen-Relation im Rahmen der Informationsbeschaffung
  • (5) Relevanz der Informationen für die Entscheidung
  • cc) Ineinandergreifen der Kriterien
  • III. Handeln zum Wohle der Gesellschaft
  • 1. Ausgangslage
  • a. US-amerikanische business judgment rule
  • b. ARAG/Garmenbeck
  • c. UMAG
  • d. Zusammenfassung
  • 2. Rechtsprechung
  • a. OLG Jena, Urteil vom 08.08.2000, 8 U 1387/98
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • b. BGH, Urteil vom 03.12.2001, II ZR 308/99
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • c. OLG Stuttgart, Urteil vom 26.05.2003, 5 U 160/02
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • d. BGH, Urteil vom 21.03.2005, II ZR 54/03
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • e. KG Berlin, Urteil vom 22.03.2005, 14 U 248/03
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • f. LG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.2005, 39 O 73/04
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • g. BGH, Urteil vom 03.03.2008, II ZR 124/06 – UMTS
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • h. OLG Celle, Urteil vom 28.05.2008, 9 U 184/07
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • i. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.12.2009, I-6 W 45/09 – IKB
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • j. OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2010, 18 W 1/10
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • k. OLG Frankfurt, Urteil vom 07.12.2010, 5 U 29/10 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2011, 21 W 18/11
  • aa. OLG Frankfurt, Urteil vom 07.12.2010, 5 U 29/10
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Eigene Würdigung
  • bb. OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2011, 21 W 18/11
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • l. LG Essen, Urteil vom 25.04.2012, 41 O 45/10 – Arcandor
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • m. BGH, Urteil vom 18.06.2013, II ZR 86/11
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • n. OLG Naumburg, Urteil vom 23.01.2014, 2 U 57/13
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • o. LG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2014, 39 O 36/11 – ApoBank
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • p. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2015, I-6 U 48/14
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • q. LG Kiel, Urteil vom 05.02.2016, 14 HKO 134/12
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • r. OLG Frankfurt, Urteil vom 02.06.2017, 25 U 107/13
  • aa. Sachverhalt
  • bb. Entscheidungsgründe
  • cc. Eigene Würdigung
  • 3. Fazit
  • a. Zusammenfassung und Würdigung
  • b. Anforderungen zu niedrig?
  • c. Diskussionsstand in der Literatur und Würdigung der Ansichten
  • aa. Berücksichtigung auch der Chancen für die Gesellschaft
  • bb. Berücksichtigung der Höhe des drohenden Schadens und der Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts
  • cc. Behandlung bestandsgefährdender Risiken
  • (1) Strikte Bewertung des Eingehens bestandsgefährdender Risiken als Pflichtverletzung
  • (2) Differenzierte Betrachtung des Eingehens bestandsgefährdender Risiken
  • dd. Behandlung von Klumpenrisiken
  • ee. Spekulationsgeschäfte
  • ff. Pflicht zur Risikominimierung
  • d. Ergebnis
  • IV. Zusammenfassung/Ergebnis
  • C. Anwendung des § 93 I 2 AktG auf Fallkonstellationen außerhalb seines originären Anwendungsbereichs
  • I. Legalitätspflicht
  • 1. Nützlicher Gesetzesverstoß
  • a. Keine Anerkennung nützlicher Gesetzesverstöße in der Rechtsprechung
  • aa. BGH, Urteil vom 27.08.2010, 2 StR 111/09
  • bb. BGH, Beschluss vom 13.09.2010, 1 StR 220/09
  • cc. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.2013, 7 U 184/12
  • dd. LG München I, Urteil vom 10.12.2013, 5 HK O 1387/10 – Siemens/Neubürger
  • ee. LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2015, 16 Sa 459/14
  • b. Diskussionsstand in der Literatur
  • aa. Keine Anerkennung nützlicher Gesetzesverstöße
  • bb. Einschränkende Betrachtung
  • c. Ergebnis und Würdigung
  • 2. Nützlicher Vertragsbruch
  • a. Behandlung von nützlichen Vertragsverletzungen in der Rechtsprechung
  • b. Diskussionsstand in der Literatur
  • c. Ergebnis und Würdigung
  • 3. Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • a. Ursachen für das Entstehen von Rechtsunsicherheiten
  • b. Zunehmende Verschärfung der Organpflichten durch den Gesetzgeber
  • c. Einordnung einer Entscheidung unter Rechtsunsicherheit durch die Rechtsprechung
  • aa. BGH, Urteil vom 14.05.2007, II ZR 48/06
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • bb. BGH, Beschluss vom 16.07.2007, II ZR 226/06
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • cc. OLG Stuttgart, Urteil vom 25.11.2009, 20 U 5/09
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • dd. BGH, Urteil vom 20.09.2011, II ZR 234/09 – ISION
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • ee. BGH, Urteil vom 27.03.2012, II ZR 171/10
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • ff. BGH, Urteil vom 28.04.2015, II ZR 63/14
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Entscheidungsgründe
  • (3) Einordnung der Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • d. Zusammenfassung
  • e. Diskussionsstand in der Literatur zur Einordnung einer Entscheidung unter Rechtsunsicherheit
  • aa. Prüfung eines unvermeidbaren Rechtsirrtums auf der Verschuldensebene
  • bb. Unmittelbare oder analoge Anwendung des § 93 I 2 AktG
  • cc. Beurteilungsspielraum außerhalb der business judgment rule
  • f. Ergebnis und Würdigung
  • II. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern durch den Aufsichtsrat
  • 1. Behandlung der Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats in der Rechtsprechung
  • a. BGH, Urteil vom 21.04.1997, II ZR 175/95 – ARAG/Garmenbeck
  • aa. Zweistufige Prüfung durch den Aufsichtsrat
  • bb. Keine unternehmerische Entscheidung
  • b. LG Essen, Urteil vom 25.04.2012, 41 O 45/10 – Arcandor
  • c. BGH, Urteil vom 08.07.2014, II ZR 174/13
  • d. BGH, Urteil vom 18.09.2018, II ZR 152/17
  • 2. Zusammenfassung
  • 3. Diskussionsstand in der Literatur zur Behandlung der Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats
  • a. Anwendbarkeit der business judgment rule
  • b. Keinerlei Ermessen des Aufsichtsrats
  • c. Ermessen außerhalb der business judgment rule
  • 4. Ergebnis und Würdigung
  • III. Organisationspflichten, insbesondere Compliance-Organisationspflichten
  • 1. Behandlung von Compliance-Pflichten in der Rechtsprechung
  • a. Sachverhalt
  • b. Entscheidungsgründe
  • c. Eigene Würdigung
  • 2. Diskussionsstand in der Literatur zur Behandlung von Compliance-Pflichten
  • a. Dogmatische Herleitung
  • aa. Gesamtanalogie zu gesetzlich geregelten Organisations- und Compliance-Pflichten
  • bb. § 130 OWiG
  • cc. § 91 II AktG
  • dd. Allgemeine Sorgfaltspflicht nach §§ 76 I, 93 I AktG
  • ee. Eigene Würdigung
  • b. Anwendbarkeit der business judgment rule
  • aa. Ablehnung der Anwendbarkeit des § 93 I 2 AktG sowohl bei dem „Ob“ als auch bei dem „Wie“ von Compliance-Organisationsmaßnahmen
  • bb. Anwendbarkeit des § 93 I 2 AktG bei dem „Wie“ der Compliance-Organisationsmaßnahmen
  • cc. Anwendbarkeit des § 93 I 2 AktG auch bei dem „Ob“ der Compliance-Organisationsmaßnahmen
  • dd. Eigene Würdigung
  • 3. Ergebnis
  • IV. Fazit
  • D. Gesamtergebnis
  • Literaturverzeichnis
  • Rechtsprechungsverzeichnis

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A. Einleitung

I. Einführung in das Thema

Der Gesetzgeber hat im Jahre 2005 im Rahmen des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)1 mit Bezug auf die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung2 den § 93 I 2 in das Aktiengesetz eingeführt. Damit wurde gesetzlich festgeschrieben, dass es bei unternehmerischen Entscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen an einer Pflichtverletzung des Vorstands fehlt, obwohl der Gesellschaft durch sein Handeln ein Schaden zugefügt worden ist. Der Gesetzgeber begründete die Kodifizierung des Richterrechts mit der gleichzeitigen Verschärfung des Verfolgungsrechts einer Aktionärsminderheit bei Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder durch die Einführung einer eigenständigen Aktionärsklage (mit vorgelagertem Zulassungsverfahren) mit einem Quorum von lediglich 1 % des Grundkapitals oder einem anteiligen Betrag von 100.000 Euro in § 148 AktG. Er wollte „klarstellen“, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft bei unternehmerischen Entscheidungen ausscheidet und keine Haftung für Fehler innerhalb des unternehmerischen Ermessensspielraums besteht.3

Die Haftung des Vorstands bei unternehmerischen Entscheidungen sollte im Wege der Einräumung eines “safe harbour” eingeschränkt werden.4 Dem Vorstand sollte ermöglicht werden, unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch Entscheidungen zu treffen, die Risiken für die Gesellschaft mit sich bringen, ohne stets die Sorge haben zu müssen, haftungsrechtlich belangt zu werden, weil sich im Nachhinein das Risiko realisiert hat und der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, für den er Ersatz zu leisten hätte. Der Geschäftsleiter könnte bei einer reinen Erfolgshaftung bemüht sein, Risiken völlig zu vermeiden, was nicht förderlich für die Entwicklung der Gesellschaft am Markt, deren Wettbewerbsfähigkeit und die Steigerung der Ertragsfähigkeit und damit letztlich auch nicht im Interesse der Anteilseigner wäre.5 Der Erfolg eines Unternehmens hängt auch von einer gewissen Risikobereitschaft des Geschäftsleiters ab, beispielsweise im Hinblick ←23 | 24→auf Innovationen und Investitionen. Unternehmerische Entscheidungen unterliegen oftmals erheblichen Unsicherheiten.6 Es kann geschehen, dass infolge einer unter größter Sorgfalt getroffenen Entscheidung dem Unternehmen wegen einer nicht vorhersehbaren späteren wirtschaftlichen Entwicklung am Markt ein Schaden entsteht. Hat eine Maßnahme unter erheblichem Zeitdruck zu erfolgen, kann der Gesellschaft ein chancenreiches Geschäft entgehen, wenn der Entscheidungsprozess zu viel Zeit in Anspruch nimmt (was wiederum eine Pflichtverletzung des Organs darstellen könnte). Diese Besonderheiten der unternehmerischen Entscheidung rechtfertigen unter gewissen Voraussetzungen eine Haftungseinschränkung.

Es ist ferner zu bedenken, dass bei der Zulassung einer umfänglichen gerichtlichen Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands eine rückblickende Beurteilung vorzunehmen wäre, da der Richter aus der Sicht des Vorstands bei der Vornahme der Entscheidung zu bewerten hätte, ob dieser richtig gehandelt hat. Eine solche gedankliche Wiederherstellung der damaligen – häufig sehr komplexen – Situation ist sehr schwierig und es können sich dabei rasch Fehler einschleichen, zumal der Richter selbst kein Unternehmer ist. Außerdem besteht wegen seiner Kenntnis der später eingetretenen Tatsachen die Gefahr, dass er das Schadenspotenzial der Maßnahme als von vorneherein höher einordnet, als es tatsächlich war.7

Aus den vorgenannten Gründen hat der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftungsprivilegierung des Vorstands im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen im Sinne eines Schutzes vor Schadensersatzforderungen der Gesellschaft bei sich nachträglich herausstellenden Fehlbeurteilungen gesetzlich normiert.8

Der Gesetzgeber hatte damals sicherlich nicht damit gerechnet, dass im Jahr 2014 auf dem 70. Deutschen Juristentag9 und darüber hinaus bis heute intensiv diskutiert wird, ob die Haftung des Vorstands bei unternehmerischen Entscheidungen zu weit gefasst und zu streng ist. Das Haftungsrisiko des Vorstands wird inzwischen als extrem hoch beurteilt, gerade mit Blick auf den Umstand, dass schon bei leichtester Fahrlässigkeit umfassend gehaftet wird.10 Es werden seit ein paar Jahren Haftungsbegrenzungen unterschiedlicher Art vorgeschlagen, etwa eine gesetzliche Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit11 oder ←24 | 25→eine satzungsmäßige Festlegung von Haftungshöchstgrenzen12, die Beschränkung der Vorstandshaftung auf die Deckungssumme der D&O-Versicherung13 oder die Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze über die Haftung von Arbeitnehmern14.

Der Gedanke der Haftungsprivilegierung des Vorstands hat sich gegenteilig entwickelt. Befürchtungen werden laut, dass Vorstände zunehmend risikoavers handeln bzw. ihre eigene Absicherung bei riskanten Geschäften in übersteigertem Maße und unter immensem Kostenaufwand vornehmen werden oder gar abgeneigt sein könnten, überhaupt einen Führungsposten anzunehmen.15 Insbesondere in Situationen erhöhter Risiken wie beispielsweise bei einer bereits vorhersehbaren möglichen Unternehmenskrise wird ein freies Leitungsamt nur schwer zu besetzen sein.16 Es stellt sich die Frage, was seit 2005 in Zusammenhang mit der Haftungsprivilegierung des Vorstands geschehen ist und woraus dieser Richtungswechsel in den letzten Jahren resultiert.

Zunächst ist eine zunehmende Verfolgung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder zu verzeichnen. Während diese früher zumeist von einer Geltendmachung verschont blieben, hat die Zahl der Schadensersatzklagen von Gesellschaften gegen ihre Unternehmensleiter – auch veranlasst durch die Folgen der Finanzkrise, die Einführung der D&O-Versicherung und strengere Anforderungen an unternehmerische Compliance – inzwischen stark zugenommen.17 Hierdurch wurde in der Praxis aber auch erkennbar, wie einschneidend die Rechtsfolgen für die Unternehmensleitung sind. Es werden Schäden in Millionen- und Milliardenhöhe geltend gemacht, die für die betroffenen Organmitglieder zumeist existenzvernichtend sein werden, da sie in diesem Ausmaß von der D&O-Versicherung nicht mehr vollständig gedeckt werden.18

Die gestiegene Zahl von Organhaftungsklagen im Bereich unternehmerischer Entscheidungen lässt nun die Untersuchung zu, ob es im Laufe der Zeit rechtliche Entwicklungen mit Blick auf die Anwendung der business judgment rule gegeben hat. Gerade in diesem Bereich werden zwar sehr häufig außergerichtliche Vergleiche geschlossen oder gerichtliche Verfahren im Wege von Vergleichen zwischen den Gesellschaften und ihren Organmitgliedern beendet, sodass es zu keinem Urteilsspruch kommt und keine rechtlichen Erwägungen und Argumentationen ←25 | 26→des Spruchkörpers veröffentlicht werden.19 Vergleiche werden etwa geschlossen, wenn es um sehr komplexe Fälle geht, die im Klageverfahren nur sehr schwer aufzuklären sind, oder es sich um so immens hohe Schadensersatzforderungen handelt, dass die Fähigkeit zur Erstattung durch den Beklagten oder die Absicherung durch seine Versicherung äußerst zweifelhaft ist.20 Jedoch lassen die vielen übrigen Verfahren, in denen im Laufe der Zeit gerichtliche Entscheidungen getroffen worden sind, die Prüfung zu, ob und inwieweit eine Rechtsentwicklung seit ARAG/Garmenbeck stattgefunden hat. Deren Herausarbeitung und Analyse ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

1. Aktuelle Relevanz des Themas

Obwohl die Grundsatzentscheidung des BGH zur business judgment rule nunmehr 24 Jahre zurückliegt, hat dieses Thema nichts an Relevanz und Brisanz verloren. Bis heute wird in der Wirtschaftspresse regelmäßig über Fälle berichtet, in denen eine Haftung von Unternehmensleitern oder Aufsichtsräten wegen ihres unternehmerischen Handelns im Raume steht.

So sei beispielsweise auf den Dieselskandal bei VW hingewiesen, der seit seiner Aufdeckung im Jahr 2015 und sicherlich noch viele Jahre u.a. Gerichte, Staats- und Rechtsanwälte beschäftigt. VW baute seit dem Jahr 2006 eine Software in Dieselfahrzeuge ein, die deren Motoren manipulieren konnte. Um die gesetzlichen Grenzwerte für den Schadstoffausstoß einhalten zu können, musste die Flüssigkeit Adblue in die VW-Dieselmotoren eingespritzt werden. Aus Kostengründen erfolgte diese Einspritzung nur bei Messungen der Abgaswerte auf dem Prüfstand. Diese Testerkennung wurde in die eingebaute Motorsteuergeräte-Software implementiert, sodass die Einspritzung von Adblue im normalen Fahrbetrieb wieder abgestellt wurde. Das hatte zur Folge, dass die Fahrzeuge im Straßenverkehr ein Vielfaches der Abgasmenge ausstießen, welche zulässig war.21 Nun wird argumentiert, dass die Entscheidungen zur Manipulation mithilfe der Software allein von Mitarbeitern der Motorenentwicklung getroffen wurden und der Vorstand von VW bis zuletzt nichts davon gewusst habe, demnach auch nicht die Tragweite der Gesetzesverstöße habe einschätzen können.22 Selbst, wenn dies der ←26 | 27→Realität entspräche, drängt sich hier die Frage auf, wie es geschehen kann, dass das deliktische Handeln im Unternehmen über viele Jahre nicht zur Kenntnis des Vorstands gelangt ist und das von ihm eingerichtete Compliance-System an dieser Stelle offensichtlich versagt hat. War es möglicherweise zumindest im technischen Bereich nicht ausreichend?23 Inzwischen hat VW einen Vergleich mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern über Ansprüche wegen der Verletzung aktienrechtlicher Sorgfaltspflichten geschlossen. Man hat sich auf 288 Mio. Euro Schadensersatz geeinigt, wobei dieser Betrag größtenteils durch Versicherungen abgedeckt wird.24

Auch die Vorwürfe unterschiedlicher Pflichtverletzungen gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Arcandor AG Thomas Middelhoff gingen in den letzten Jahren durch die Presse und die juristische Literatur. Die Nutzung kostenintensiver Charter- und Helikopterflüge zu dienstlichen Terminen warf die Frage auf, ob Middelhoff im Einzelfall annehmen durfte, zum Wohle der Arcandor AG zu handeln.25 Weitere mögliche Pflichtverletzungen betrafen die Herstellung einer Festschrift für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG durch die Arcandor AG und finanzielle Zuwendungen an die Universität Oxford. Hier stand ein Überschreiten des unternehmerischen Ermessensspielraums durch Middelhoff bei Entscheidungen über Unternehmensspenden und Sponsoring der Gesellschaft infrage, da die Festschrift für die Arcandor AG keinerlei Werbewert hatte und die Zuwendungen an die Universität von beträchtlichem Ausmaß waren.26

Ebenfalls sorgt die haftungsrechtliche Aufarbeitung der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte seit Jahren für regelmäßige Medienberichte. In den Jahren 2002 bis 2012 wurden in Zusammenhang mit diesen Geschäften unberechtigte Steuererstattungen von ca. 12 Mrd. Euro geleistet.27 Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Wertpapiere börsennotierter Unternehmen rund um den Dividendenstichtag rasch hintereinander zwischen mehreren Beteiligten hin und her geschoben. Dies führte zur doppelten oder sogar mehrfachen Erstattung nur einmal abgeführter Kapitalertragsteuer für die Dividendenzahlung. Inzwischen fordern die Steuerbehörden diese Zahlungen u.a. bei zahlreichen Bankunternehmen zurück, die in diese Geschäfte verwickelt waren. Durch hohe Bußgelder und Beratungskosten für Rechtsanwälte und Steuerberater zur Aufklärung der Sachverhalte können den betroffenen Unternehmen beträchtliche finanzielle Einbußen entstehen. Im Innenverhältnis kommen ←27 | 28→daher Schadensersatzansprüche gegen beteiligte Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in Betracht, wenn sie ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft in Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften verletzt haben.28 Die Hypo Vereinsbank AG hatte im Jahr 2016 eine Schadensersatzklage gegen drei ehemalige Vorstandsmitglieder erhoben und forderte einen Betrag von 180 Mio. Euro, da Risikohinweise in Bezug auf Cum-/Ex-Geschäfte übersehen oder missachtet wurden und keine ausreichende Überprüfung stattgefunden hat.29 Die Beteiligten haben sich inzwischen außergerichtlich geeinigt.30 Es stellt sich hier auch die interessante Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Leitungsorgane betroffener Unternehmen auf eingeholte Gutachten von Rechtsberatern vertrauen durften und so einer möglichen Haftung entgehen können.31

Schließlich sei noch kurz auf den aktuellen Wirecard-Skandal mit Vorwürfen der Marktmanipulation32 und Veruntreuung33 verwiesen, die zurzeit untersucht und sicherlich noch Haftungsfragen im Innenverhältnis aufwerfen werden.

Allein diese Sachverhalte zeigen bereits, wie brisant das Thema der Organhaftung bei unternehmerischen Entscheidungen ist. Die Geltendmachung solcher Schadensersatzansprüche nimmt stetig zu.←28 | 29→

2. Entwicklungen mit Blick auf den Tatbestand des § 93 I 2 AktG

Zunächst ist die Entscheidungspraxis in Zusammenhang mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 93 I 2 AktG auf Entwicklungen hin zu untersuchen. Die business judgment rule enthält unbestimmte Begriffe wie unternehmerische Entscheidung, angemessene Informationsgrundlage und Handeln zum Wohle der Gesellschaft, die im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung näher konkretisiert worden sind. Starke Entwicklungen sind insbesondere bei dem Merkmal der angemessenen Informationsgrundlage zu verzeichnen. Der BGH und die Oberlandesgerichte haben in mehreren, in der Literatur zum Teil lebhaft diskutierten Entscheidungen, im Detail die Anforderungen an die Art und den Umfang der Informationspflicht ausgeführt. Auf diese Urteile und Beschlüsse wird in dieser Arbeit noch ausführlich eingegangen.

Darüber hinaus ist der Umgang der Rechtsprechung mit einer Ausweitung des Tatbestands auf Fälle, die eigentlich nicht bzw. nicht eindeutig in den Anwendungsbereich des § 93 I 2 AktG fallen, herauszuarbeiten. Es sei an dieser Stelle nur kurz auf die Fälle der nützlichen Vertragsbrüche und Gesetzesverstöße sowie auf Entscheidungen unter Rechtsunsicherheit hingewiesen. Auch die Entwicklung der Entscheidungspraxis im Compliance-Bereich ist zu untersuchen. Die neuere Rechtsprechung tendiert zur Haftung des Vorstands bei der Verletzung von Organisationspflichten.34 Wenn der Vorstand dafür Sorge zu tragen hat, dass ein mangelfreies, auf das Unternehmen ausgerichtetes Organisationssystem eingerichtet und laufend ausreichend überwacht wird, wäre möglicherweise auch an eine Haftung des Vorstands im aktuellen VW-Skandal wegen der Verletzung einer solchen Pflicht zu denken.

3. Entwicklungen durch Einschreiten des Gesetzgebers

Insbesondere durch die Finanzkrise ist eine verschärfte Regulierung unternehmerischen Handelns ausgelöst worden. Daraus entstehen immer mehr aufsichtsrechtliche Anforderungen an Leitungs- und Aufsichtsorgane. Es sind aufsichtsrechtliche Vorgaben eingeführt worden, die gesetzliche Bindungen darstellen, bei deren schuldhafter Verletzung eine Haftung entsteht.35 Bei Legalitätspflichten bleibt für ein unternehmerisches Ermessen grundsätzlich kein Raum. Dadurch wird eine Verschiebung der unternehmerischen Leitungs- und Sorgfaltspflicht in Richtung Legalitätspflicht bewirkt und der originäre Anwendungsbereich der business judgment rule verkleinert.36 Eine solche Einschränkung erhöht das Haftungsrisiko des ←29 | 30→Geschäftsleiters, da ihm in diesen Situationen kein safe harbour mehr zur Verfügung steht.

Demgegenüber kommt es zu Entwicklungen in der Entscheidungspraxis, unter strengen Voraussetzungen bei der Verletzung gesetzlicher Pflichten einen Verschuldensvorwurf zu verneinen, wenn der Geschäftsleiter einem Rechtsirrtum unterliegt, der auf einem Beratungsfehler beruht.37

Details

Seiten
298
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631872451
ISBN (ePUB)
9783631872468
ISBN (MOBI)
9783631872475
ISBN (Hardcover)
9783631869208
DOI
10.3726/b19398
DOI
10.3726/b19501
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Februar)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 298 S.

Biographische Angaben

Claudia Fobe (Autor:in)

Claudia Fobe ist promovierte Volljuristin. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und war nach ihrem Referendariat viele Jahre in der Konzernrechtsabteilung einer großen Versicherungsgesellschaft als Unternehmensjuristin tätig. Sie arbeitet derzeit am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht der Ruhr-Universität Bochum, wo sie auch promoviert hat.

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