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Notwendigkeit der Kodifikation des Seeversicherungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland?

von Julian Plönsky (Autor:in)
©2022 Dissertation 256 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) im Jahre 2008 wurden die §§ 778 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) a.F. als spezielle gesetzliche Vorschriften der Seeversicherung ersatzlos gestrichen, sodass nunmehr (lediglich) das allgemeine Schuldrecht anzuwenden ist. Die Arbeit beantwortet die Frage, ob der Gesetzgeber seine mit der ersatzlosen Streichung der §§ 778 ff. HGB a.F. angestrebten Ziele (z.B. die Stärkung des Seeversicherungsstandorts Deutschland und die Erhöhung kaufmännischer Flexibilität) erreichen kann und ob in diesem Zusammenhang eine Notwendigkeit zur Neukodifikation des Seeversicherungsrechts besteht. Zentrales Thema der Arbeit ist, ob seeversicherungsrechtliche Vertragsbedingungen nach der VVG-Reform einer AGB-Kontrolle standhalten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Teil 1. Einleitung
  • A. Hintergrund
  • B. Motivation
  • C. Gang der Arbeit
  • Teil 2. Grundlegung
  • A. Begriff der Seeversicherung und historische Entwicklung der Kodifikation
  • I. Wortlaut
  • II. Systematik
  • III. Historische Auslegung
  • IV. Sinn und Zweck
  • V. Zwischenergebnis
  • B. Geschichtlicher Überblick zur Kodifikation der Seeversicherung und Rechtsgrundlagen de lege lata
  • I. Geschichte der Kodifikation der Seeversicherung
  • 1. Entwicklung bis zur VVG-Reform im Jahre 2008
  • 2. Rolle des Seeversicherungsrechts bei der VVG-Reform
  • II. Rechtsgrundlagen der Seeversicherung
  • 1. Direkte Anwendung des VVG und des VAG
  • 2. Analoge Anwendung des VVG
  • 3. Anwendung des VVG im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung
  • a) Regelungslücke
  • b) Keine sachgerechte Lösung durch dispositives Gesetzesrecht
  • c) Maßstabbildung zur Auslegung des Merkmals „mutmaßlicher Wille“
  • aa) Bisherige Geschäftsbeziehung
  • bb) Nichterreichbarkeit des Vertragszweckes
  • cc) Einbeziehung der Verkehrsauffassung
  • dd) Zwischenergebnis
  • d) Lückenfüllung am Maßstab des Interesses der beteiligten Verkehrskreise
  • aa) Typischerweise beteiligte Verkehrskreise
  • bb) Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise
  • 4. Anwendbarkeit des BGB und des HGB
  • C. Auswahl spezifischer Regelungsbereiche und eines seeversicherungsrechtlichen Vertragswerkes als Untersuchungsgegenstand
  • I. Regelungsbereiche
  • II. DTV-ADS 2009 als Untersuchungsgegenstand
  • D. Rechtsgrundlagen der ausgewählten Regelungsbereiche
  • I. Regelungen zum Risikoinformationsstand
  • 1. Anzeigepflichtverletzungen bei Vertragsschluss
  • a) Vorschriften aus dem HGB a.F.
  • b) Vorschriften des VVG
  • c) Vorschriften des BGB
  • aa) Allgemeines Schuldrecht
  • bb) Rücktrittsrecht gemäß den §§ 323 ff. BGB
  • (1) Gefahranzeige als vorvertragliche Aufklärungspflicht
  • (2) Rücktrittsrecht im Falle vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung
  • (a) Darstellungstiefe
  • (b) Wortlaut des § 324 BGB
  • (c) Systematik
  • (d) Historische Auslegung
  • (aa) Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 282 BGB
  • (bb) Berücksichtigung normspezifischer Besonderheiten
  • (cc) Keine Regelung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses durch § 241 Abs. 2 BGB
  • (e) Zusammenfassung
  • cc) Kündigungsrecht gemäß § 314 BGB
  • (1) Dauerschuldverhältnis
  • (2) Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung als wichtiger Grund
  • (a) Wortlaut
  • (b) Systematik
  • (c) Historische Auslegung
  • (d) Sinn und Zweck
  • dd) Vertragslösung über die culpa in contrahendo
  • ee) Zwischenergebnis
  • d) Klausel 22.2. DTV-ADS 2009
  • 2. Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung
  • a) Vorschriften des HGB a.F.
  • b) Vorschriften des VVG
  • c) Vorschriften des BGB
  • aa) Leistungsfreiheit als Rechtsfolge einer Gefahrerhöhung
  • bb) Leistungsfreiheit als Rechtsfolge der Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung
  • (1) § 241 Abs. 1 S. 1 BGB
  • (2) Aufklärungspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB
  • (3) Zwischenergebnis
  • cc) Leistungsfreiheit als Konsequenz eines Rücktritts nach § 324 BGB
  • dd) Leistungsfreiheit als Konsequenz eines Rücktritts nach § 323 Abs. 1 BGB
  • ee) Leistungspflicht als Schaden
  • ff) Prämienzahlungspflicht
  • d) Klauseln DTV-ADS 2009/2018
  • II. Übergang von Ersatzansprüchen
  • 1. HGB a.F.
  • 2. VVG
  • 3. Vorschriften des BGB
  • a) § 255 BGB
  • aa) „Verlust“ durch Verlust des Sachbesitzes
  • bb) „Verlust“ bei Eigentumsbeeinträchtigung durch Beschädigung der Sache
  • b) Analoge Anwendung des § 255 BGB
  • c) Regelung des § 426 BGB
  • aa) Merkmal „Eine Leistung“
  • bb) Merkmal der „Gleichstufigkeit“
  • cc) Anwendbarkeit der §§ 421 ff. BGB unter Wertungsgesichtspunkten
  • (1) Interessen des Schädigers
  • (2) Interessen des VR
  • (3) Interessensabwägung
  • d) § 426 Abs. 1 S. 1 BGB
  • e) § 426 Abs. 2 S. 1 BGB
  • f) Verhältnis von § 426 Abs. 2 S. 1 BGB zu § 255 BGB im Fall des „Verlustes“
  • g) Zusammenfassung
  • 4. Ziff. 50.2. DTV-ADS 2009/2018.
  • III. Entfallen der Leistungspflicht des VR bei Zahlungsverzug des VN
  • 1. Rücktrittsrecht des VR und Schadensersatz
  • 2. Befreiung von der Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB
  • 3. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB
  • 4. Zwischenergebnis
  • Teil 3. Einbeziehung, Inhaltskontrolle und Auswirkungen
  • A. Ziff. 22.2. Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 DTV-ADS 2009/2018
  • I. AGB-Qualität der DTV-ADS 2009/2018
  • II. Eröffnung des Anwendungsbereichs
  • III. Einbeziehung in den Vertrag
  • 1. Leistungsfreiheit und Vertragsfortsetzung anstatt rückwirkender Vertragsaufhebung oder -Anpassung
  • 2. „Prämienverfall“ anstatt selbstständiger Geltendmachung eines Schadens
  • 3. Abweichung von gesetzlicher Beweislastverteilung in zweifacher Hinsicht
  • a) 1. Beweislast-Abweichung: Haftungsbegründende Kausalität
  • b) 2. Beweislast-Abweichung: Kausalität und Umfang des durch die Informationspflichtverletzung entstandenen Schadens
  • 4. Ungewöhnlichkeit
  • IV. Inhaltskontrolle
  • 1. Abweichung gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB
  • a) Leistungsfreiheit und Fortbestand des Vertrages
  • b) Prämienverfall anstatt Prämienrückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
  • c) Abweichung in der Beweislast
  • 2. Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
  • a) Leistungsfreiheit anstatt rückwirkender Vertragsaufhebung
  • b) Prämienverfall anstatt Prämienrückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB als Abweichung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
  • aa) Erlasserklärung
  • bb) Leistungsfreiheit als Vertragsstrafe gem. § 339 BGB
  • cc) „Prämienverfall“ und Leistungsfreiheit als Rechtsfolge einer Garantievereinbarung oder pauschalierter Schadensersatz
  • (1) Ausgangserwägungen zur Auslegung als vereinbarte Rechtsfolge eines Garantiefalls
  • (2) Grundsätze zur Auslegung von Ziff. 22 DTV-ADS 2009/2018
  • (3) Entstehungsgeschichte
  • (a) ADHGB und ALR
  • (b) HGB a.F.
  • (c) § 346 S. 1 BGB a.F.
  • (d) §§ 19, 20 ADS 1919
  • (4) Systematik
  • (a) Voraussetzungen
  • (b) Rechtsfolgen
  • (c) Vergleichbare Abweichungen zu übergeordneten Vorschriften
  • (d) Gleiche Regelungsziele
  • (aa) Regelungsziele der §§ 806 ff. HGB a.F.
  • (bb) Regelungsziel von Ziff. 22.2 DTV-ADS
  • (5) Vergleichbare Interessenslagen bei der Garantie
  • (a) Vergleich mit § 463 BGB a.F. und § 311 Abs. 2 BGB
  • (b) §§ 806 ff. HGB a.F. und Ziff. 22 DTV-ADS 2009/2018
  • (c) Subsumtion unter die höchstrichterliche Definition einer Garantievereinbarung
  • (6) Zwischenergebnis
  • dd) Angemessenheit der Abweichung
  • (1) § 309 Abs. 1 Nr. 5 a BGB - § 252 S. 2 BGB
  • (2) § 309 Abs. 1 Nr. 5 b BGB
  • c) Abweichung von gesetzlicher Beweislastverteilung (haftungsbegründende Kausalität)
  • aa) Leistungsfreiheit anstatt Vertragslösung
  • bb) Prämienverfall anstatt Geltendmachung einer Geschäftsgebühr
  • cc) Zwischenergebnis
  • d) Vermutung nicht widerlegbar
  • aa) Rechtliche Vorteile
  • bb) Rechtliche Nachteile
  • e) Interessen des VR
  • aa) Preisargument
  • bb) Spezialprävention
  • cc) Im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche
  • (1) Kein Handelsbrauch
  • (2) Keine Rechtfertigung durch Besonderheiten des unternehmerischen Geschäftsverkehrs
  • (a) Seeversicherungsrecht des Vereinigten Königreichs als branchentypischer Vergleichsmaßstab
  • (b) Voraussetzungen und Rechtsfolgen vorvertraglicher Informationspflichtverletzungen nach altem Recht
  • (c) Voraussetzungen und Rechtsfolgen vorvertraglicher Informationspflichtverletzungen nach neuem Recht
  • (aa) Insurance Act 2015
  • (bb) P&I Rule Books
  • (cc) Lloyd's Market Association - Musterklausel LMA 5257
  • (dd) Hull and Machinery General Terms and Conditions 2019 der British Marine
  • (ee) Lloyd's Market Association - Musterklausel LMA 9221
  • (ff) Stellungnahme
  • f) Zwischenergebnis
  • V. Rechtsfolge
  • 1. Unwirksamkeit der Klausel im Ganzen
  • 2. Gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 306 Abs. 2 BGB
  • a) Gesetzliche Vorschriften des Schadensersatzrechts
  • b) Vorschriften über die ergänzende Vertragsauslegung
  • aa) Ziel von Klausel 22.2. Abs. 1 S. 1 DTV-ADS 2009/2018
  • bb) Anwendung der §§ 249 ff. BGB
  • cc) Normen des VVG als interessensgerechtere Lösung?
  • (1) § 131 VVG
  • (2) §§ 19 ff. VVG
  • dd) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers
  • ee) Zwischenergebnis
  • 3. Unzumutbare Härte, § 306 Abs. 3 BGB
  • B. Klausel zu Gefahrerhöhungen: Pflichten und Rechtsfolgen bei Gefahrerhöhungen (Ziff. 24.3. DTV-ADS 2009/2018)
  • I. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB: Abweichung oder Ergänzung
  • 1. § 249 Abs. 1 BGB (Schadensumfang)
  • 2. Dispositive Vorschriften über Vertragsstrafen nach den §§ 339 ff. BGB
  • a) §§ 340 Abs. 1, 341 Abs. 1 Abs. 1 jeweils i.V.m. § 342 BGB
  • b) Keine Abweichung im Sinne von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB
  • c) § 343 BGB
  • d) § 348 HGB
  • 3. Beweislastverteilung
  • a) Dispositives Recht
  • b) Ziff. 24.3 DTV-ADS
  • 4. Prämienverfall
  • 5. Rücktrittsrechte
  • a) § 324 BGB
  • b) § 323 Abs. 1 BGB
  • aa) Anzeigepflicht als „Leistung“ im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB
  • bb) Rücktrittsrechte in Dauerschuldverhältnissen
  • (1) Rücktritt „sachgerecht“ im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben
  • (2) Entgegenstehende Wertung des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB
  • c) Zwischenergebnis
  • 6. Zusammenfassung der Abweichungen im Sinne von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB
  • II. Inhaltskontrolle
  • 1. Leistungsfreiheit anstatt Schadensersatz
  • a) § 309 Ziff. 6 BGB i.V.m. §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
  • b) § 309 Ziff. 5 lit. a) BGB i.V.m. §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
  • c) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
  • aa) Gewicht der Pflichtverletzung
  • (1) Vorsätzliche und grob fahrlässige Pflichtverletzungen
  • (2) Auswirkungen der Anzeigepflichtverletzung
  • (3) Interesse des Verwenders an weiter Formulierung
  • bb) Schaden beim Gläubiger
  • (1) Anteil an der Versicherungsleistung
  • (2) Prämiendifferenz
  • (3) Verhältnis zwischen Prämiendifferenz und Höhe der Vertragsstrafe
  • cc) Schaden beim Schuldner
  • dd) Sonstige Aspekte
  • (1) Nachteile für den VN bei Anwendung von Gesetzesrecht
  • (2) Im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Gebräuche
  • (3) Rechtfertigung durch Besonderheiten des unternehmerischen Geschäftsverkehrs
  • (a) Seeversicherungsrecht des Vereinigten Königreichs vor der Reform
  • (b) Seeversicherungsrecht des Vereinigten Königreichs nach der Reform
  • (aa) „Variation“
  • (bb) „Warranties“
  • (c) Zwischenergebnis
  • (4) Interessenwahrende, mildere Mittel – Verstoß gegen das Übermaßverbot
  • (a) Unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe
  • (b) Mildere, gleich effektive Alternativen
  • (5) Anforderungen an die Ausübung eines Rücktrittsrechts
  • ee) Abwägung
  • 2. Abweichungen in der Beweislastverteilung
  • 3. Prämienverfall
  • a) Zu erwartender Schaden
  • b) § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB
  • c) Abwägung
  • III. Rechtsfolge
  • 1. §§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB
  • 2. Rückgriff auf Normen des VVG im Wege ergänzender Vertragsauslegung
  • a) Interessen der Beteiligten
  • aa) Interessen des VN
  • bb) Interessen des VR
  • cc) Recht zur Gefahrerhöhung
  • b) Rechtsfolgensystem des VVG für vertragliche Anzeigepflichtverletzung
  • aa) § 132 Abs. 2 VVG
  • bb) § 26 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 S. 2 VVG
  • c) Proportionale Leistungskürzung entsprechend dem IA 2015
  • aa) Argumente gegen die Heranziehung des IA
  • bb) „Sachgerechte Lösung“
  • C. Klausel zum Übergang von Ersatzansprüchen (50.2. DTV-ADS 2009/2018)
  • I. Abweichung im Sinne des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB
  • 1. Wortlaut der Ziff. 50.2 DTV-ADS
  • 2. Entstehungsgeschichte
  • a) Einbeziehung des Verlustrisikos durch Piraterie
  • b) Einbeziehung des Verlustrisikos durch Piraterie
  • II. Inhaltskontrolle
  • D. Klausel zum Prämienverzug (Klausel 20.5. DTV-ADS 2009/2018)
  • I. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB: Abweichung oder Ergänzung
  • 1. Leistungsfreiheit als Abweichung von § 326 Abs. 1 BGB
  • 2. „Prämienverfall“
  • II. Inhaltskontrolle
  • III. Rechtsfolgen
  • 1. Dispositives Recht
  • 2. Ergänzende Vertragsauslegung
  • Teil 4. Handlungsbedarf
  • A. Aktuelle Rechtslage nicht sachgerecht
  • B. Dispositives Recht als Maßstab adäquater, gerechter Ordnung
  • I. Anfängliche Vertragslücken
  • II. Fehlende Einbeziehung von seeversicherungsrechtlichen AVB
  • III. Inhaltskontrolle und Folgen unwirksamer Klauseln
  • 1. AGB-rechtliche Unwirksamkeit zentraler Klauseln
  • 2. Rolle des § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB
  • 3. Rechtsunsicherheit durch ergänzende Vertragsauslegung
  • C. Historische Entwicklung des Seeversicherungsrechts
  • I. Vermeidung von Abweichungen zwischen Schuldrecht und VVG
  • II. Verkennung der Auswirkungen der ersatzlosen Streichung der §§ 778 ff. HGB a.F.
  • D. Zusammenfassung
  • Teil 5. Lösungswege
  • A. Bewertung der Alternativen
  • I. Streichung des Ausschlusses der Seeversicherung in § 209 VVG
  • II. Neukodifikation des Seeversicherungsrechts
  • B. Vorschlag
  • I. AGB-Kontrolle nicht erforderlich
  • II. AGB-Kontrolle nicht systemgerecht
  • III. Zwischenergebnis
  • Teil 6. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

←20 | 21→

Teil 1. Einleitung

A. Hintergrund

Während im Allgemeinen zu beobachten ist, dass der Gesetzgeber immer speziellere Regelungen erlässt,1 kann man die Entscheidung des Reformgesetzgebers des Versicherungsvertragsgesetzes (im Folgenden abgekürzt mit „VVG“) zum Seeversicherungsrecht im Jahre 2008 durchaus als Novum in der jüngeren Gesetzgebungsgeschichte bezeichnen. Denn trotz der nicht unbedeutenden internationalen Rolle des deutschen Seeversicherungsmarktes2 ist das Recht der Seeversicherung in Deutschland seit der Reform des VVG im Jahre 2008 nicht mehr speziell kodifiziert. Bis zur Reform war das deutsche Seeversicherungsrecht in den Vorschriften des 5. Buches (§§ 778 ff.) des Handelsgesetzbuchs (im Folgenden abgekürzt mit „HGB“) a.F. geregelt. Im Unterschied zum Seeversicherungsrecht fand das Transportversicherungsrecht der Binnenversicherung seine Regelung vor der Reform im Jahre 2008 in den §§ 129 ff. des VVG a.F.3

Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der VVG-Reform im Jahre 2008 zum einen dazu entschieden, die bis zur VVG-Reform für die Seeversicherung geltenden Vorschriften der §§ 778 ff. des HGB a.F. ersatzlos entfallen zu lassen.4 Zum anderen hat er sich dazu entschieden, die Seeversicherung entgegen dem Referentenentwurf5 nicht in das VVG miteinzubeziehen.6 Bei einer Einbeziehung der Seeversicherung in das VVG könne nicht ausgeschlossen werden, dass die verbraucherrechtlichen Leitbilder des VVG für die Seeversicherung im Hinblick auf die Durchführung von AGB-Kontrollen Rechtsunsicherheit hervorrufen.7←21 | 22→Zudem bestehe an der Beibehaltung der seeversicherungsrechtlichen Vorschriften des 5. Buchs HGB a.F. kein hinreichendes praktisches Bedürfnis.8

Die Entscheidung des Reformgesetzgebers bedeutet in der Konsequenz, dass für die Seeversicherung im Wesentlichen das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches (im Folgenden abgekürzt mit „BGB“), des HGB9 und des Versicherungsaufsichtsgesetzes10 (im Folgenden abgekürzt mit „VAG“) anwendbar ist, während auf die Binnenversicherung Normen des BGB lediglich ergänzend Anwendung finden.11

B. Motivation

Es stellt sich die Frage, ob der Auffassung des Gesetzgebers, an der Aufrechterhaltung der §§ 778 ff. HGB a.F. habe kein praktisches Bedürfnis bestanden, zuzustimmen ist. Ein Klärungsbedürfnis ergibt sich insbesondere bei Betrachtung des offensichtlichen Widerspruchs der Gesetzesbegründung: Wenn sich nach Auffassung des Gesetzgebers der bisherige Rechtszustand bewährt hat, ist es widersprüchlich, diese Vorschriften ersatzlos entfallen zu lassen. Im Hinblick auf die AGB-Kontrollfähigkeit seeversicherungsrechtlicher Klauseln könnte aber gerade ein praktisches Bedürfnis an der Beibehaltung auch der „veralteten“ §§ 778 ff. HGB a.F. bestanden haben. So ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass zwar die Möglichkeit des Einflusses verbraucherfreundlicher Normen erkannt wurde.12 Hingegen wurde der mögliche Einfluss wesensfremder Normen des BGB auf die Seeversicherung jedenfalls nach der Gesetzesbegründung nicht in die Überlegungen einbezogen.13 Die nunmehr auf die Seeversicherung anwendbaren Normen des BGB und des HGB können jedoch Auswirkungen auf eine AGB-Kontrolle von seeversicherungsrechtlichen Klauseln haben.14 Auch sind Auswirkungen auf die ergänzende Vertragsauslegung für den Fall einer ←22 | 23→anfänglichen Regelungslücke vorstellbar. Diese Auswirkungen sind bislang noch nicht untersucht worden.

Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung:

„[...] Auch für die Seeversicherung soll es beim bisherigen Rechtszustand verbleiben. Gegen die von der VVG-Kommission vorgeschlagene Einbeziehung der Seeversicherung in den Anwendungsbereich des neuen VVG werden nicht nur von den Seeversicherern sondern auch von den Reedern als Versicherungsnehmer beachtliche Bedenken erhoben. Obwohl das im Zehnten Abschnitt des Fünften Buchs Handelsgesetzbuch (§ 778 f.) geregelte Recht der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt weitgehend veraltet ist, besteht nach Auffassung der betroffenen Wirtschaftskreise kein Anlass für eine Änderung des seit vielen Jahrzehnten bewährten Rechtszustandes, da das dispositive HGB-Recht branchenweit und vor allem international durch die AVB, die jeweils an veränderte internationale Standards angepasst würden, verdrängt worden sei. Auch wenn die Seeversicherung ausnahmslos Großrisiko i. S. d. § 210VVG-E [des Referentenentwurfs15] und damit von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit befreit sei, könne sich aus einer Anwendbarkeit des Teils 1 (Allgemeiner Teil) des VVG-E wegen der dort verbraucherrechtlich begründeten Leitbilder eine erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Inhaltskontrolle nach den §§ 307, 308 BGB ergeben; dies würde sich angesichts der Internationalität dieses Versicherungszweigs negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der in diesem Zweig tätigen deutschen Versicherer auswirken.

Diese nachteiligen Konsequenzen können jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden. Da sich aus der bestehenden Rechtslage in der Praxis keine Unzuträglichkeiten ergeben haben, wird von der, rechtssystematisch zwar wünschenswerten, aber für die Praxis nicht unproblematische, Einbeziehung der Seeversicherung in den VVG-E abgesehen. Bei der Definition der Seeversicherung als Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt kann darauf verzichtet werden, diese durch konkrete Beispiele entsprechend § 779 HGB zu präzisieren, da auch nach dem vorgesehenen Wegfall dieser Vorschrift davon ausgegangen werden kann, dass für den Rechtsverkehr klar ist, dass der Begriff der Seeversicherung im bisherigen Sinn zu verstehen ist.

Es besteht andererseits aber auch kein hinreichendes praktisches Bedürfnis, das in weiten Teilen völlig veraltete HGB-Recht beizubehalten oder zu modernisieren, da sich die Regelungen in den AVB als sachgerecht und für die Vertragsparteien ausreichend erwiesen haben. Artikel 4 Nr. 3 des Gesetzentwurfes sieht daher die Aufhebung des Zehnten Abschnittes des Fünften Buchs Handelsgesetzbuch vor.“

←23 | 24→

Diese Begründung des Gesetzgebers gibt daher Anlass für verschiedene Fragen, die insbesondere die Wirkungen von Normen des HGB16 und BGB auf die Seeversicherung betreffen:

1. Sind die Regelungen des HGB und des BGB sachgerecht für die spezielle Materie des (See-)Versicherungsrechts?17

2. Was sind die Folgen einer fehlenden oder unwirksamen Einbeziehung seeversicherungsrechtlicher Vertragsbedingungen?18

3. Halten seeversicherungsrechtliche Klauseln vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit der Normen des HGB und des BGB einer AGB-Kontrolle stand?

4. Was sind die Folgen einer nach AGB-Recht inhaltlich unwirksamen Klausel?

5. Kann die durch die Anwendung des HGB und des BGB hervorgerufene Unsicherheit ordnungspolitisch durch eine Neukodifikation des Seeversicherungsrechts oder andere gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt werden?19

Zweifel an einer sachgerechten Regelung der Seeversicherung durch das BGB kann beispielsweise eine Betrachtung der Materialien des historischen Gesetzgebers des BGB20 hervorrufen. Nach den Materialien ordnete man bereits das Binnenversicherungsrecht als dem BGB so wesensfremd ein, dass es nicht in das BGB integriert werden sollte. So hielt im Jahre 1874 die 1. Kommission zur Vorbereitung des BGB das (Binnen-)Versicherungsrecht aus ihren Beratungen heraus.21 Dieser Entscheidung ging ein Gutachten Goldschmidts22 als Mitglied ←24 | 25→der Vorkommission voraus. Nach Meinung Goldschmidts sollte das (Binnen-)Versicherungsrecht im Rahmen der geplanten Neuregelung im HGB23 oder in einem Spezialgesetz kodifiziert werden.24 Die Vorkommission stimmte dem zu,25 und befand, dass neben dem Seeversicherungsrecht auch das (Binnen-)Versicherungsrecht26 dem Handelsrecht zuzuordnen sei:

Nach den allgemeinen Prinzipien des Handelsrechts seien die einschlägigen Rechtsgeschäfte des (Binnen-)Versicherungsrechts schon gegenwertig zum überwiegenden Teil zu beurteilen.27 Die Vorkommission sah im Handelsrecht28 „[…] gewisse, dem Handel durchaus eigentümliche Institute und Rechtssätze […], [die] miteinander in innerem und geschichtlichen Zusammenhange stehen [und] daher nicht einfach nach systematischen Anforderungen in das bürgerliche Gesetzbuch eingereiht werden können.“29 Zudem würden „[…] im Handelsrecht gewisse Prinzipien des Verkehrsrechts zuerst in eigentümlicher Ausbildung und Schärfe hervorzutreten, deren einfache Übertragung auf den einfachen Verkehr erheblichen Bedenken [unterliege]; es […] [sei] dem Handelsrecht ein größeres Maß an Beweglichkeit und Übereinstimmung mit dem ←25 | 26→Recht auswärtiger Nationen notwendig, als dem sonstigen Privatrecht.“30 Der Gesetzgeber entschied sich letztlich zur Heraushaltung der Materie des (Binnen-)Versicherungsrechts aus dem BGB.31

Es besteht Anlass zur Aufstellung der These, dass die im Jahre 1874 von der Vorkommission vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Wesensverschiedenheit von Versicherungsrecht und allgemeinem Zivilrecht auch heute erhoben werden müssen. Für diese Sichtweise kann auch die Einschätzung von Duvinage streiten: Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Binnenversicherungsrecht entgegen ursprünglicher Ideen nicht im HGB in der Fassung vom 10. Mai 1897 zu regeln, sondern dieses einem besonderen Gesetz vorzubehalten, ist nach ihrer Ansicht als gesetzgeberische Erklärung des Versicherungsvertrages zu einem Vertrag sui generis einzuordnen, der „[…] demgemäß außerhalb des bürgerlich-rechtlichen Systems steht.“32

Über die vorgenannten Aspekte hinaus, ist das Seeversicherungsrecht als der Ursprung des (Binnen-)Versicherungsrechts anerkannt.33 Wenn sich aber eine Rechtsmaterie über Jahrhunderte weitgehend unabhängig von einer anderen Rechtsmaterie entwickelt hat, gibt dies Anlass daran zu zweifeln, dass die Aufhebung dieser speziellen gesetzlichen seeversicherungsrechtlichen Regelungen sinnvoll war. Das Seeversicherungsrecht entwickelte sich durch frühzeitige ←26 | 27→Zuordnung zur Rechtsmaterie des Handelsrechts in den Vorgängern des heutigen Handelsgesetzbuches stets unabhängig vom allgemeinen Zivilrecht.34

Dies berücksichtigte auch der der historische Gesetzgeber des VVG von 1908 bei der Auseinandersetzung mit der Frage, ob die damaligen seeversicherungsrechtlichen Reglungen aus dem HGB35 in das erste VVG von 1908 eingearbeitet werden sollten.36 Er war schließlich der Ansicht, dass kein Bedürfnis für eine Änderung bestand: In den Materialien zum Entwurf des VVG von 1908 heißt es zur Seeversicherung, dass sich die Regelungen des HGB „[…] im allgemeinen wohl bewährt hätten.“37 Eine ähnliche Formulierung findet sich in Erläuterungen des Gesetzgebers des VVG 2008.38 Hiernach sollte es im Hinblick auf die Seeversicherung ebenfalls „beim bisherigen Rechtszustand“ verbleiben.39 Es bestünde „nach Auffassung der betroffenen Wirtschaftskreise kein Anlass für eine Änderung des seit vielen Jahrzehnten bewährten Rechtszustandes […]“.40 Der bisherige Rechtszustand, auf den sich der Gesetzgeber im Jahre 2008 bezieht, umfasste aber auch gerade die Geltung der §§ 778 ff. HGB a.F. Der Gesetzgeber setzt sich mit der Begründung in Widerspruch zu sich selbst. Daher sind Zweifel an der Richtigkeit seiner Annahme angebracht, es bestünde im Hinblick auf diese Vorschriften „[…] kein hinreichendes praktisches Bedürfnis, das in weiten Teilen völlig veraltete HGB-Recht beizubehalten […]“.41

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der VVG-Reformgesetzgeber im Jahre 2008 erkannt hat, dass die seeversicherungsrechtlichen Bedingungswerke einer AGB-Kontrolle unterfallen können.42 Er schloss in diesem ←27 | 28→Zusammenhang einen Einfluss verbraucherrechtlicher Wertungen des VVG aus die Seeversicherung nicht aus.43 Wenn aber bereits die Gefahr des Einflusses „unpassender“ Normen des VVG auf das kaufmännisch geprägte Seeversicherungsrecht erkannt wurde, ist kritisch zu hinterfragen, ob nicht auch die Gefahr des Einflusses von „unpassenden“ allgemeinen Normen des allgemeinen Teils des BGB – etwa im Rahmen einer AGB-Kontrolle oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – besteht. Wenn schon der Einfluss von zumindest wesensverwandten Normen des VVG auf die Seeversicherung unerwünscht war, fragt sich, warum dies nicht erst recht für die Wirkungen von Normen des BGB auf die Seeversicherung gilt.

C. Gang der Arbeit

Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ist zunächst eine Darstellung zentraler Lebenssachverhalte der Seeversicherung als Grundlegung erforderlich, die in der Praxis durch Versicherungsbedingungen geregelt werden. Eingeleitet wird der 2. Teil mit der Erläuterung des Begriffs der Seeversicherung, um all diejenigen Versicherungen aufzuzeigen, auf die sich die Entscheidung der ersatzlosen Aufhebung der §§ 778 ff. HGB a.F. auswirkt. Die ersatzlose Aufhebung spezieller gesetzlicher Vorschriften stellt überdies ein legislatives Novum dar. Daher erfolgt zum besseren Verständnis des Untersuchungsrahmens dieser Arbeit eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Kodifikation des Seeversicherungsrechts und ein Überblick über die für die Seeversicherung relevanten Rechtsquellen de lege lata. Hierbei wird auch untersucht, ob auf Normen oder zumindest Grundsätze des VVG im Wege ergänzender Vertragsauslegung zur Lückenfüllung im Seeversicherungsvertrag zurückgegriffen werden kann. Diese Untersuchung ist notwendig zur Beantwortung der eingangs aufgeworfenen 2. Frage,44 welche Auswirkungen die fehlende oder unwirksame Einbeziehung seeversicherungsrechtlicher Vertragsbedingungen haben kann.

Im Anschluss werden zur Eingrenzung des Untersuchungsumfangs praxisrelevante Regelungsbereiche der ersatzlos aufgehobenen Vorschriften der §§ 778 ff. HGB a.F. ausgewählt und vorgestellt. Hieran anknüpfend folgt jeweils die Darstellung der aktuellen Rechtslage nach dem BGB und dem HGB in der heutigen Fassung und der entsprechenden Klauseln aus ausgewählten Seeversicherungsbedingungen. Dabei werden exemplarisch entsprechende Klauseln der ←28 | 29→Allgemeinen Deutschen Seeschiffsversicherungsbedingungen 2009 - Stand November 2018 - (im Folgenden abgekürzt mit „DTV-ADS“) untersucht, weil diese dem Abschluss eines Seeversicherungsvertrages in der aktuellen Vertragspraxis zu Grunde gelegt werden.45 Die in diesem Abschnitt dargestellten Klauseln und Normen dienen als Untersuchungsgegenstand respektive Prüfungsmaßstab der im 3. Teil durchgeführten AGB-Prüfung. Gleichzeitig dient die Darstellung der anwendbaren gesetzlichen Normen der Beantwortung der Frage,46 welche Folgen eine fehlende oder unwirksame Einbeziehung von Klauseln im Einzelfall haben kann.47 Der Schwerpunkt der Darstellung im 2. Teil liegt auf den Anzeigepflichten, Obliegenheiten und dem Übergang von Ersatzansprüchen. So finden sich beispielsweise für die früher durch die §§ 806 Abs. 1, 808 Abs. 1 und 2, 809, 810 HGB a.F. und die §§ 813, 814, 816, 828 Abs. 2 HGB a.F. geregelten Bereiche der Anzeigepflichtverletzung, der Gefahrerhöhung und der Rechtsfolgen der Leistungsfreiheit und des „Prämienverfalls“ keine speziellen Normen im BGB.48 Die gleiche Situation besteht im Hinblick auf den früher durch die §§ 804, 822 HGB a.F.49 geregelten Übergang des Ersatzanspruchs des Versicherungsnehmers (im Folgenden abgekürzt mit „VN“) auf den Versicherer (im Folgenden abgekürzt mit „VR“) nach dessen Leistung.50

Zur Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen51 werden im 3. Teil der Arbeit die zuvor dargestellten Klauseln jeweils einer AGB-Kontrolle anhand der Normen des BGB und des HGB unterzogen.52 Die AGB-Kontrolle dient der Beantwortung der Fragen, ob und inwieweit seeversicherungsrechtliche Klauseln nach der VVG-Reform unwirksam sein können.53 Dieser Prüfung vorgelagert ist ←29 | 30→die einleitende Darstellung der Inhaltskontrollfähigkeit von Seeversicherungsbedingungen nach Maßgabe des § 310 Abs. 3 S. 1 BGB. Den privatautonom geschlossenen Vereinbarungen der Beteiligten kommt eine besondere Bedeutung zu. VN und VR vereinbarten bereits vor der VVG-Reform in aller Regel die Geltung seeversicherungsrechtlicher Bedingungswerke als Ergänzung und Modifizierung des Gesetzesrechtes des HGB a.F.54 Auch nach der VVG-Reform werden in Seeversicherungsverträge Bedingungswerke wie die DTV-ADS 2009 (Stand November 2018) einbezogen, sodass diese als Untersuchungsgegenstand besonders geeignet sind.55 Soweit die Unwirksamkeit einer Klausel festgestellt wird, folgt jeweils innerhalb des 3. Teils die Untersuchung der Folgen der unwirksamen Klausel. Hier kommt insbesondere der Lückenschließung nach § 306 Abs. 2 BGB eine besondere Rolle zu.56

Auf Grundlage dieser Vorarbeiten kann nun im 4. Teil der Arbeit untersucht werden, inwieweit die ersatzlose Streichung der §§ 778 ff. HGB a.F. als spezielle gesetzliche Regelungen des Seeversicherungsrechts in Deutschland Rechtsunsicherheit und damit gesetzgeberischen Handlungsbedarf hervorrufen. Dabei werden die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Rechtsstandortes Deutschland57 für die Seeversicherung aufgezeigt. Im 5. Teil werden Lösungswege wie z.B. die Schaffung eines ordnungspolitischen Mindestrahmens oder der ausdrücklichen Ausnahme Seeversicherung aus dem Anwendungsbereich des AGB-Rechts beispielsweise in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB dargestellt.58 In diesem Zusammenhang wird kurz auf die aktuelle Diskussion zur Reformierung des AGB-Rechts für Verträge zwischen Unternehmern eingegangen. Im 6. Teil werden schließlich die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst.


1 Krebs/Jung, BB 2014, 3081, 3081 ff.; DPA, Warnung vor Gesetzesflut, https://www.nwzonline.de/wirtschaft/warnung-vor-gesetzesflut_a_1,0,2994409998.html.

2 Der deutsche Anteil am weltweiten Seeversicherungsmarkt ist mit 7,4 % in der Warenversicherung nicht unerheblich, vgl. Seltmann, Global Marine Insurance Report 2019, 15.

3 Heute geregelt in den §§ 130 ff. VVG.

4 Deutscher Bundestag, Bundestags-Drucksache 16/3945, 120

5 Bundesministerium der Justiz, Referentenentwurf - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, 69.

6 Deutscher Bundestag, Bundestags-Drucksache 16/3945, 115, abgedruckt auf S. 23.

7 Deutscher Bundestag, Bundestags-Drucksache 16/3945, 115, abgedruckt auf S. 23.

8 Deutscher Bundestag, Bundestags-Drucksache 16/3945, 115, abgedruckt auf S. 23.

9 Soweit deutsches Recht gilt, vgl. Koch, in: Bruck/Möller, 9. Aufl., § 209 VVG, Rn. 207.

10 Schleif, Seerechtsschutzversicherung, 109 ff..

11 Beckmann, in: Bruck/Möller, 9. Aufl., Einf. A. Rn. 152.

12 Deutscher Bundestag, Bundestags-Drucksache 16/3945, 115, abgedruckt auf S. 23.

Details

Seiten
256
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631875148
ISBN (ePUB)
9783631875155
ISBN (MOBI)
9783631875162
ISBN (Hardcover)
9783631865682
DOI
10.3726/b19550
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (März)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 256 S., 2 s/w Abb.

Biographische Angaben

Julian Plönsky (Autor:in)

Julian Plönsky, geboren 1985 in Hamburg; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg; Referendariat beim Hanseatischen Oberlandesgericht.

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Titel: Notwendigkeit der Kodifikation des Seeversicherungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland?
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