Unbefristete Arbeitsverträge mit Mannschaftssportlern
Rechtliche Notwendigkeit und Umsetzung am Beispiel des Berufsfußballs
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- 1: Einleitung und Gang der Untersuchung
- A. Einführung
- B. Stand der Forschung und Fragestellung
- C. Gang der Untersuchung
- 2: Ein Einstieg in Fußballbranche und -recht
- A. Bestandsaufnahme der Fußballindustrie
- B. Die Organisation des professionellen Fußballs
- I. Der Fußballsport und seine Akteure
- 1. Die Organisationsstrukturen
- 2. Der Fußballspieler
- a) Amateurfußballspieler
- b) Vertragsfußballspieler
- c) Lizenzfußballspieler
- 3. Der Fußballverein
- II. Rechtsgrundlagen und Rechtsquellen
- 1. Die Zweispurigkeit als Charakteristika des Sportrechts
- 2. Sport im Kontext des Verfassungsrechts
- a) Den Fußballsport schützende Grundrechte
- b) Der Sport als Zielbestimmung
- 3. Unionsrechtliche Rechtsquellen
- a) Die Verortung des Sports in Art. 165 AEUV
- b) Die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV
- c) Die EU-Rechtsprechung in Fragen des Sports
- C. Das Arbeitsrecht im Berufsfußball
- I. Der Fußballspieler als Arbeitnehmer
- 1. Arbeitnehmereigenschaft der Amateurspieler
- 2. Arbeitnehmereigenschaft der Vertragsspieler
- 3. Arbeitnehmereigenschaft der Lizenzspieler
- 4. Arbeitnehmereigenschaft auf unionsrechtlicher Ebene
- 5. Zwischenergebnis
- II. Arbeitgeberschaft
- 1. Der Fußballverein als Arbeitgeber
- 2. Der Verband (DFL) als Arbeitgeber
- 3. Die Verbände als vertragsbeherrschender Dritte
- III. Die geschuldete Arbeitsleistung des Berufsfußballspielers
- D. Ergebnis zum Kapitel 2
- 3: Darstellung und Hintergründe des heutigen TzBfG
- A. Die Einführung des TzBfG als Paradigmenwechsel
- I. Die Ausgangsvorschrift des § 620 BGB a.F. und das BeschFG
- II. Die Befristungsrichtlinie 1999/70/EG im Allgemeinen – Inhalt und Umsetzung
- B. Der Sachgrund als zentrales Element
- C. Verhältnis zum Kündigungsschutz
- D. Ergebnis zum Kapitel 3
- 4: Befristete Arbeitsverhältnisse im Berufsfußball – de lege lata
- A. Die Bedeutung der Befristung für den Berufsfußball
- B. Die Rechtsprechung zu befristeten Arbeitsverhältnissen im (Fußball-)Sport
- I. Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 28.03.2006
- II. Das Verfahren Müller und Anschlussrechtsprechung
- III. Exkurs: Zur Befristung von Arbeitsverträgen mit Sporttrainern
- 1. Rechtsprechung
- 2. Reaktionen und Meinungsstand
- 3. Stellungnahme
- 4. Fazit
- C. Überprüfung der Rechtmäßigkeit befristeter Arbeitsverträge von Berufsfußballspielern
- I. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG
- II. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG
- 1. Prüfungsprogramm im Allgemeinen
- a) Die Relevanz einer Grundrechtsbezogenheit
- b) Anforderungen an die Eigenart der Arbeitsleistung
- 2. Stellungnahme zu verschiedenen Begründungsansätzen
- a) Abwechslungsbedürfnis des Publikums
- aa) Einbeziehung von Drittinteressen im Rahmen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG
- bb) Der (wirtschaftliche) Einfluss des Fußballpublikums
- cc) Parallelen einer Fußballmannschaft zu einem Chor
- dd) Bestehen eines Abwechslungsbedürfnisses seitens des Fußballpublikums
- ee) Zwischenergebnis
- b) Üblichkeit der Befristung
- c) Höhe der Vergütung
- d) Verschleiß
- aa) Einordnung innerhalb des TzBfG
- bb) Körperlicher Verschleiß
- (1) Sinnhaftigkeit (konkreter) Altersgrenzen im Fußball
- (2) Die Rolle der Befristungsdauer
- (3) Zur Haltung des BAG im Fall Müller
- (4) Das Diskriminierungsverbot aus §§ 7, 1 AGG
- (5) Vom konkreten Alter des Spielers unabhängige Argumente
- (6) Zwischenergebnis
- cc) Zwischenmenschlicher Verschleiß
- e) Notwendigkeit einer ausgewogenen Altersstruktur
- f) Unsicherheit über die Dauer eines erfolgversprechenden Einsatzes
- g) Einbettung in das Transfersystem des Profifußballs
- h) Flexibilität in Bezug auf taktische Konzepte
- i) Fehlende Einflussmöglichkeiten der Vereine auf die private Lebensführung der Spieler
- j) Internationale Dimension des Fußballs
- k) Interesse des Spielers an der Befristung und Abgrenzung zu § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG
- 3. Abschließende Stellungnahme zur Rechtfertigung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG
- III. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG
- 1. Prüfungsprogramm im Allgemeinen
- 2. Interesse des Spielers an Arbeitsplatzsicherheit durch Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes
- 3. Flexibilitätsinteresse der Spieler
- 4. Das Interesse an der Vermeidung von negativen Begleitphänomenen der Kündigung
- 5. Finanzielle Interessen der Spieler
- 6. Abschließende Stellungnahme zur Rechtfertigung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG
- IV. Weitere geschriebene Sachgründe
- V. Ungeschriebene Sachgründe, § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG
- VI. Unionsrechtliche Überprüfung
- 1. Besonderheiten des Sports als einflussnehmendes Kriterium
- a) Die Rolle des Art. 165 Abs. 1 S. 2 AEUV
- b) Positionierung des EuGH im Hinblick auf die Besonderheiten des Sports im Sinne des Art. 165 Abs. 1 S. 2 AEUV
- c) Vorgaben weiterer Unionsorgane
- d) Resümee
- 2. Vereinbarkeit mit der Befristungsrichtlinie 1999/70/EG
- 3. Fazit
- VII. Zwischenergebnis
- D. Ergebnis zum Kapitel 4
- 5: Alternative Gestaltungsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda
- A. Untaugliche Gestaltungsvorschläge
- I. Arbeitsrechtliche Schutzentziehung
- II. Sachgrundlose Befristung
- III. Altersgrenzen
- IV. Auflösende Bedingungen
- V. Sportlicher Erfolg als Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB
- B. Möglichkeit einer indizierten Zulässigkeit der Befristung aufgrund von Art. 9 Abs. 1 GG
- C. Gestaltungsmöglichkeiten durch das Tarifvertragsrecht
- D. Möglichkeiten in der Sachgrundbefristung selbst
- E. Möglichkeiten im Kündigungsschutzrecht
- I. Außerordentliche Kündigung
- II. Ordentliche Kündigung
- 1. Betriebsbedingte Kündigung
- a) Betriebsbedingte Erfordernisse, Prognose- und Ultima-Ratio-Prinzip
- b) Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 KSchG
- c) Fazit
- 2. Personenbedingte Kündigung
- a) Krankheitsbedingte Kündigung
- b) Leistungsbedingte Kündigung („Low Performance“)
- aa) Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung
- bb) Anforderungen im Allgemeinen
- cc) Potenziale und Probleme bei der Anwendung im Berufsfußball
- dd) Berücksichtigung besonderer Vereinsinteressen bei der Kündigung
- (1) Mindestzeitraum für nachzuweisende Leistungsdefizite
- (2) Zumutbarkeitsgrenze der Leistungsdefizite
- (3) Gesetzliche Kündigungsschutzeinschränkungen aufgrund der hohen Gehälter
- (4) Zwischenfazit
- c) Fazit
- 3. Vertragsgestaltung: Teilweise Abbedingung des ordentlichen Kündigungsrechtes
- III. Zwischenergebnis
- F. Möglichkeit der Einführung sportgesetzlicher Sonderregelungen
- I. Die Einführung von Bereichsausnahmen oder einem „Sportarbeitsrecht“
- II. Gewährung eines Abfindungsschutzes anstatt eines Kündigungsschutzes für Berufssportler
- III. Zwischenergebnis
- G. Möglichkeit einer Anpassung der Vergütungsstruktur
- H. Abschließende Lösung: Kombination diverser Möglichkeiten
- I. Ergebnis zum Kapitel 5
- 6: Zusammenfassung und Ausblick
- A. Schlussthesen
- B. Ausblick
- Anhang I. Musterarbeitsvertrag für Vertragsspieler (Auszug)
- Anhang II. DFB-Spielordnung (Auszug)
- Anhang III. LOS der DFL (Auszug)
- Anhang IV. FIFA-Reglement (Auszug)
- Anhang V. Satzung des DFB (Auszug)
- Anhang VI. Satzung der DFL e.V. (Auszug)
- Anhang VII. Satzung der DFL GmbH (Auszug)
- Anhang VIII. Satzung der VDV (Auszug)
- Literaturverzeichnis
- Reihenübersicht
Abkürzungsverzeichnis
a.A. andere Ansicht
a.E. am Ende
a.F. alte Fassung
AA Arbeitsrecht aktiv
ABl. Amtsblatt der Europäischen Union
Abs. Absatz
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AG Aktiengesellschaft
AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AktG Aktiengesetz
Anm. Anmerkung
AöR Archiv des öffentlichen Rechts
AP Arbeitsrechtliche Praxis
ArbG Arbeitsgericht
ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz
AR-Blattei Arbeitsrecht-Blattei
ArbRAktuell Arbeitsrecht Aktuell
ArbRB Arbeitsrechtsberater
ArbZG Arbeitszeitgesetz
Art. Artikel
AuA Arbeit und Arbeitsrecht
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
AuR Arbeit und Recht
Az. Aktenzeichen
BAG Bundesarbeitsgericht
BAGE Sammlung der Entscheidungen des BAG
BB Betriebs-Berater
BeckEuRS Beck-EU-Rechtsprechung
BeckRS Beck-Rechtsprechung
Befristung-RL Befristungsrichtlinie
BeschFG Beschäftigungsförderungsgesetz
Beschl. Beschluss
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl Bundesgesetzblatt
BOE Boletín Oficial del Estado
BR-Drs. Bundesratsdrucksache
BRV Befristungsrahmenvereinbarung
BSG Bundessozialgericht
BSGE Sammlung der Entscheidungen des BSG
←17 | 18→bspw. beispielsweise
BT-Drs. Bundestagsdrucksache
BUrlG Bundesurlaubsgesetz
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Entscheidungen des BVerfG
bzw. beziehungsweise
ca. circa
DB Der Betrieb
ders. derselbe
DFB Deutscher Fußball-Bund
DFL Deutsche Fußball Liga
FIFA Fédération Internationale de Football Association
dies. dieselbe(n)
Diss. Dissertation
DStR Deutsches Steuerrecht
DVBl Deutsches Verwaltungsblatt
e.V. eingetragener Verein
EAS Europäisches Arbeits- und Sozialrecht
EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz
EG Europäische Gemeinschaft
EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
Einf. Einführung
endg. endgültig
EU Europäische Union
EuG Gericht der Europäischen Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
EUV Vertrag über die Europäischen Union
EuZA Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht
EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
EzA Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
EzS Entscheidungssammlung zum Sozialrecht
f. folgend
FA Fachanwalt Arbeitsrecht
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
ff. folgende
Fn. Fußnote
FS Festschrift
GewO Gewerbeordnung
GG Grundgesetz
Ggf. Gegebenenfalls
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbH & Co. KGaA GmbH & Compagnie Kommanditgesellschaft auf Aktien
←18 | 19→GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GR-Charta Charta der Grundrechte der Europäischen Union
GS Großer Senat
Habil. Habilitation
HGB Handelsgesetzbuch
HRG Hochschulrahmengesetz
Hrsg. Herausgeber
Hs. Halbsatz
i.E. im Ergebnis
i.V.m. in Verbindung mit
insb. insbesondere
InstitutsVergV Institutsvergütungsverordnung
JA Juristische Arbeitsblätter
JArbSchG Jugendarbeitsschutzgesetz
jM juris: Die Monatszeitschrift
JURA Juristische Ausbildung
juriPR-ArbR juris: PraxisReport Arbeitsrecht
JuS Juristische Schulung
JZ Juristenzeitung
KSchG Kündigungsschutzgesetz
KWG Kreditwesengesetz
LAG Landesarbeitsgericht
LAGE Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte
lit. litera
LOS Lizenzordnung Spieler
LTO Legal Tribune Online
m.w.N. mit weiteren Nachweisen
MDR Monatszeitschrift für Deutsches Recht
MiLoG Mindestlohngesetz
Mio. Millionen
MitbestG Mitbestimmungsgesetz
Mrd. Milliarden
n.F. neue Fassung
NdsVBl. Niedersächsische Verwaltungsblätter
NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift
NJW Neue Juristische Wochenschrift
npoR Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisation
Nr. Nummer
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NVwZ-RR NVwZ-Rechtsprechungsreport
NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZA-RR NZA-Rechtsprechungsreport
o.V. ohne Verfasser
RdA Recht der Arbeit
←19 | 20→RL Richtlinie
Rn. Randnummer
Rspr. Rechtsprechung
RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht
S. Satz bzw. Seite
s. siehe
s.a. siehe auch
s.u. siehe unten
SGB Sozialgesetzbuch
Slg. Sammlung der Urteile des EuGH und des EuG
sog. sogenannt
SoldatenG Soldatengesetz
SozR Sozialrecht
SPA Schnellinformation für Personalmanagement und Arbeitsrecht
SpielO-DFB Spielordnung des DFB
SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht
SR Soziales Recht
SVG Soldatenversorgungsgesetz
SZ Süddeutsche Zeitung
TVG Tarifvertragsgesetz
TzBfG Teilzeit- und Befristungsgesetz
u.a. unter anderem
UEFA Union of European Football Associations
Unterabs. Unterabsatz
Urt. Urteil
US United States (of America)
v. von bzw. vom
Var. Variante
vgl. vergleiche
WissZeitVG Wissenschaftszeitvertragsgesetz
WM Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
WRP Wettbewerb in Recht und Praxis
WRV Weimarer Reichsverfassung
z.B. zum Beispiel
ZESAR Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht
ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht
ZfZ Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern
ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium
ZPO Zivilprozessordnung
ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik
ZTR Zeitschrift für Tarifrecht
zugl. zugleich
1: Einleitung und Gang der Untersuchung
A. Einführung
Fußball wird von vielen als die „wichtigste Nebensache der Welt“ bezeichnet. Aber er ist nicht nur in Deutschland und auch international die wohl populärste Sportart, sondern hat sich auch zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Dies wurde nicht zuletzt noch einmal mehr im Rahmen der Corona-Pandemie erkennbar, in der die Spielsaison 2019/2020 infolge intensiver Lobbyarbeit, anders als in den meisten anderen Sportarten, im Profifußball zu Ende geführt wurde.
Diese Stellung des Fußballs ist mit einer Reihe von ganz speziellen Randbedingungen und Besonderheiten verbunden, auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Einige der sich daraus ergebenden spezifischen Fragestellungen werden in dieser Arbeit diskutiert.
Während Breitensportler1 den Fußballsport vor allem als Freizeitbeschäftigung ausüben, erbringen andere Spieler ihre sportliche Leistung aufgrund von Vertragsvereinbarungen. Mit zunehmender Professionalisierung erfüllt der Fußballspieler sodann den Status eines Arbeitnehmers, welcher sich zur Arbeitsleistung „Fußballspielen“ aufgrund eines Arbeitsvertrags verpflichtet. Ein Sportgesetz als besonderes Regelwerk existiert in der deutschen Rechtsordnung nicht.2 Dies führt dazu, dass die allgemeinen Vorschriften anzuwenden sind. Folge ist, dass die Verträge der Sportler auch im Bereich des Arbeitsrechts den deutschen und europäischen arbeitsrechtlichen Vorschriften Stand halten müssen.
Im Berufsfußball charakteristisch ist die hohe Fluktuation durch Mannschaftswechsel von Spielern. Diese Wechsel erfolgen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Berufsfußballspieler sind nur im Ausnahmefall im Verlauf ihrer Karriere für nur einen Arbeitgeberverein tätig. Vielmehr wechseln sie ihren Arbeitgeber in der Regel nach einigen Jahren. Dabei zahlen Vereine häufig horrende Ablösesummen an den alten Arbeitgeberverein des Spielers, um einen Wechsel vor Vertragsende zu ermöglichen.3 Die dadurch erzielten Summen stellen für viele Vereine ein Finanzierungsinstrument dar.
←21 | 22→Diese seit Jahrzehnten gängige Gestaltung des Fußballgeschäfts wird dadurch erreicht, dass die Arbeitsverträge von Berufsfußballspielern flächendeckend befristet abgeschlossen werden. Bevor die Befristungsdauer endet, wird regelmäßig verhandelt und entschieden, ob überhaupt und unter welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis mittels eines neuen befristeten Vertrags fortgesetzt wird. Außerdem kann der Spieler im Rahmen der Befristungsdauer in der Regel keine ordentliche Kündigung aussprechen, sodass Vereine die erwähnten Ablösesummen auch tatsächlich erzielen können. Mit der Arbeitsplatzsicherheit für nur wenige Jahre büßt der Fußballspieler dagegen in erheblicher Weise und über die Dauer seiner gesamten Spielerkarriere an Bestandsschutz ein.
Diese Befristungen der Arbeitsverträge von Berufsfußballspielern sollen das zentrale Thema dieser Dissertation sein. Ziel dieser Arbeit ist es zum einen, die Befristungspraxis im Berufsfußball im Hinblick auf die geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Zum anderen sind Überlegungen dahin gehend anzustellen, ob die im Falle unbefristeter Arbeitsverträge für die Fußballbranche entstehenden Probleme nicht auch auf anderem Wege gelöst werden könnten. Hierbei sind verschiedene Möglichkeiten auf ihre Eignung dahin gehend zu prüfen, die Interessen der Vereine und der Branche insgesamt angemessen zu berücksichtigen, ohne dass der Spieler erhebliche Bestandsschutzeinbußen wie im Falle befristeter Verträge hinnehmen muss.
B. Stand der Forschung und Fragestellung
Die Frage der Rechtmäßigkeit von befristeten Verträgen mit Berufsfußballspielern wurde im Schrifttum bereits in der Vergangenheit thematisiert und ist in dem Sinne keine neue.4
Anlass, sich mit der Frage dennoch zu beschäftigen, gibt gleichwohl vor allem das Verfahren um den Lizenzspieler Heinz Müller, welcher beim FSV Mainz 05 als Torhüter beschäftigt war. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich die Rechtsprechung kaum mit dieser Frage auseinandergesetzt.5 In erster Instanz erklärte das ArbG ←22 | 23→Mainz die arbeitsvertragliche Befristung des Heinz Müller mangels eines einschlägigen Sachgrundes als unwirksam. Es prüfte die Befristung insbesondere im Hinblick auf die Sachgründe der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG) sowie im Hinblick auf in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG).
Das LAG Rheinland-Pfalz wiederum hat die Befristung des Arbeitsvertrags in zweiter Instanz, gestützt auf den Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung aus § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG als wirksam erachtet, jedoch die Revision zugelassen.6 Die Revision war allerdings erfolglos, das BAG hat sich in seiner Entscheidung dem LAG Rheinland-Pfalz im Ergebnis angeschlossen.7
Zwar wurde die Rechtsfrage für die Praxis damit höchstrichterlich geklärt, das hohe mediale und juristische Interesse am Verfahren8 zeigt dennoch die Relevanz sowie das Diskussionspotenzial der Thematik auf. So wird im Laufe der Untersuchung festzustellen sein, dass die Rechtsprechungen des LAG Rheinland-Pfalz und des BAG sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis kritisch zu hinterfragen sind. Im Rahmen der Diskussion wird dabei eine Bandbreite an Argumentationen und Begründungsansätzen angeführt, anhand derer die befristeten Arbeitsverträge von Berufsfußballspielern gerechtfertigt werden könnten. Es gilt, sich mit allen denkbaren Begründungsansätzen auseinanderzusetzen, diese kritisch zu hinterfragen und Stellung zu beziehen. Einzubetten ist dies im Rahmen einer Rechtmäßigkeitsprüfung anhand der nationalen Vorschriften, mithin denen des TzBfG sowie anhand entsprechender unionsrechtlicher Vorgaben. Eine Thematisierung ←23 | 24→der Befristungsfrage im Berufsfußball auf unionsrechtlicher Ebene erfolgte in der bisherigen Literatur zumal nur äußerst sporadisch.9 An einer tiefergehenden Auseinandersetzung diesbezüglich fehlt es bislang.
Insbesondere monografische Beiträge setzen sich hauptsächlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Befristungen auseinander und erkennen diese im Ergebnis an.10 Zum einen sind diese Untersuchungen sowohl in ihrer Argumentation als auch in ihrem Ergebnis kritisch zu hinterfragen. Zum anderen befassen sie sich – wohl auch als Folge ihrer Ergebnisse – gar nicht oder allenfalls im Ansatz mit Gestaltungsmöglichkeiten, die im Falle unbefristeter Verträge diskutiert werden könnten.11 Dass ein Berufsfußballspieler seine Tätigkeit nicht bis zum Eintritt der Regelaltersgrenze nach § 235 SGB VI ausübt und ausüben kann, ist offenkundig. Dies zeigt nicht zuletzt das Durchschnittsalter der Spieler in der Ersten Bundesliga, welches in der Spielsaison 2021/2022 etwa 25,3 Jahre betrug.12 Unbefristete Verträge sind in den Statuten des Fußballs als auch im Rahmen seines Wettbewerbs nicht vorgesehen, befristete Verträge werden vielmehr vorausgesetzt.13 Allerdings müssen Überlegungen angestellt werden, ob die verschiedenen Interessen im Berufsfußball auch im Falle unbefristeter Verträge angemessen in Ausgleich gebracht werden können. Alternative Gestaltungsmöglichkeiten könnten denkbar ←24 | 25→und sinnvoll sein. Solche sollen daher ebenfalls Schwerpunkt dieser Untersuchung sein. Besonderes Augenmerk ist dabei auf das allgemeine Kündigungsschutzrecht zu legen. Regelmäßig werden die Befristungen unter anderem mit der fehlenden Praxistauglichkeit des Kündigungsschutzrechtes begründet.14 Boemke/Jäger weisen jedoch zutreffend darauf hin, dass es „einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den Anforderungen des allgemeinen Kündigungsschutzes im Bereich des Sports [bedarf], statt von vornherein wegen der fehlenden Praxistauglichkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes Befristungsgründe in § 14 Abs. 1 TzBfG zu konstruieren“.15 Da die Arbeitsverträge im Berufsfußball stets befristet abgeschlossen werden, findet eine solche Auseinandersetzung mit dem Kündigungsschutz im Berufsfußball dennoch regelmäßig nicht statt. Daneben sind noch weitere, zum Teil im Schrifttum vorgeschlagene, zum Teil der eigenen Idee entstammende Lösungsansätze zu diskutieren. Ziel ist es letztendlich, durch eine Kombination verschiedener solcher Möglichkeiten sowohl de lege lata als auch de lege ferenda die durch unbefristete Arbeitsverträge im Berufsfußball entstehenden Probleme zu lösen.
C. Gang der Untersuchung
Die Untersuchung erfolgt im Wesentlichen in fünf Abschnitten.
Der Beginn der Untersuchung (Kapitel 2) wird zunächst einen Einstieg in die Fußballbranche und das Fußballrecht geben. Knapp soll die Fußballindustrie als solche insbesondere anhand einiger Zahlen dargestellt werden. Sodann gilt es, Organisation und Besonderheiten des Fußballs zu beleuchten. Sportrechtliche Grundlagen für die weitere Untersuchung sind darzustellen. Weiter erfolgt eine Untersuchung des professionellen Fußballsports aus arbeitsrechtlicher Perspektive. Hierbei wird zum einen der Arbeitnehmerstatus des Fußballspielers als Grundlage für die Eröffnung des Arbeitsrechts zu begründen und zum anderen der Arbeitgeber zu bestimmen sein. Schließlich wird noch eine kurze Darstellung der geschuldeten Arbeitsleistung, mithin der Haupt- und Nebenpflichten des Berufsfußballspielers erfolgen.
Im Kapitel 3 wird eine kurze Einführung in das Befristungsrecht erfolgen. Dabei wird der historische und teleologische Hintergrund insbesondere des § 14 TzBfG beleuchtet. Verfolgtes Ziel ist eine knappe Darstellung der Historie des Befristungsrechts sowie der Bedeutung der Befristungsrichtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete ←25 | 26→Arbeitsverträge16, welche mit Einführung des TzBfG umgesetzt wurde. Hierbei ist insbesondere auch das Verhältnis des Befristungsrechts zum Kündigungsschutzrecht zu klären.
Diese Erkenntnisse aus dem allgemeinen Befristungsrecht werden im nächsten Schritt die gedankliche Grundlage für die Untersuchung des besonderen Befristungsrechts im Sportbereich darstellen und dazu beitragen, das besondere Befristungsrecht im Rahmen des Lizenzfußballes einzuordnen (Kapitel 4). Hierbei liegt ein Schwerpunkt der Untersuchung.
Dabei wird zunächst eine kurze Darstellung der Bedeutung befristeter Verträge im Berufsfußball erfolgen. Sodann ist ein kurzer Überblick über die bisherige Rechtsprechung zu der Thematik bis zum Fall Müller zu geben. Im Zuge dessen ist auch die Rechtsprechung zu der Befristung von Trainerverträgen darzustellen und dabei Stellung zu nehmen, um an späterer Stelle etwaige Parallelen aufzuzeigen oder ablehnen zu können. Zu fragen ist anschließend, inwieweit die befristeten Arbeitsverträge von Berufsfußballspielern mit der Gesetzeslage im Einklang stehen. Festgemacht wird diese Erörterung in dieser Untersuchung zunächst an § 14 TzBfG. Zwar liegt dem TzBfG die Befristungs-RL und die in ihr inkorporierte Befristungsrahmenvereinbarung zugrunde, sodass eine (gegebenenfalls teilweise) Unvereinbarkeit der befristeten Arbeitsverträge im Berufsfußball mit der Befristungs-RL eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung des § 14 TzBfG nach sich ziehen würde. Die Rechtsprechung und Literatur verorten die Diskussion jedoch vorrangig im TzBfG, sodass die hauptsächliche argumentative Auseinandersetzung auch in dieser Untersuchung zunächst anhand des nationalen Rechts erfolgen soll. Dabei sollen diverse Begründungsansätze aus der Literatur sowie der Rechtsprechung im Fall Müller auf ihre Brauchbarkeit hin untersucht werden.
Details
- Seiten
- 338
- Erscheinungsjahr
- 2022
- ISBN (PDF)
- 9783631880654
- ISBN (ePUB)
- 9783631880661
- ISBN (MOBI)
- 9783631880678
- ISBN (Hardcover)
- 9783631883976
- DOI
- 10.3726/b19899
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2022 (Juni)
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 338 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG