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Die Verhältnismäßigkeit kartellrechtlicher Auskunftsersuchen

Wahrung und Konkretisierung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes in der praktischen Anwendung durch die Europäische Kommission und die unionsgerichtliche Rechtsprechung

von Andrea Preuße (Autor:in)
©2022 Dissertation 334 Seiten

Zusammenfassung

Zum Schutz des unverfälschten Wettbewerbs auf dem europäischen Binnenmarkt stehen der Europäischen Kommission weitreichende Ermittlungsinstrumente zur Verfügung, insbesondere die Möglichkeit sog. Auskunftsersuchen zu erlassen. Über die Ausübung ihrer Auskunftsrechte greift die Europäische Kommission teilweise erheblich in die geschützten Rechtspositionen der betroffenen Unternehmen ein. Die Arbeit widmet sich der Untersuchung, welche Grenzen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit diesen Auskunftsrechten setzt und wo diese in der Praxis tatsächlich gezogen werden. Ausgehend von einer detaillierten Rechtsprechungsanalyse macht die Arbeit auf verschiedene rechtsstaatliche Defizite aufmerksam und erarbeitet Vorschläge, wie diesen Defiziten abgeholfen werden könnte.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • I. Inhaltliche Einleitung
  • II. Aktueller Stand in Rechtsprechung und Literatur
  • III. Zum Gang der Untersuchung
  • Erster Teil. Der rechtliche Rahmen
  • Erstes Kapitel: Übersicht über die Erlassarten
  • I. Das Verhältnis der Erlassarten zueinander
  • II. Abgrenzung zu informellen Informationsanfragen
  • III. Sonstige Ermittlungsmaßnahmen zur Erlangung von Auskünften
  • Zweites Kapitel: Der Anwendungsbereich kartellrechtlicher Auskunftsersuchen
  • A. Der sachliche Anwendungsbereich
  • I. Kartellverfahren
  • II. Sektoruntersuchungen
  • III. Fusionskontrollverfahren
  • B. Der räumliche Anwendungsbereich
  • I. Ermittlung außereuropäischer Verhaltensweisen nur im Ausnahmefall
  • II. Möglichkeiten der Erlangung von Informationen im außereuropäischen Ausland
  • C. Der zeitliche Anwendungsbereich
  • D. Der potentielle Kreis an Adressaten
  • Drittes Kapitel: Die rechtlichen Voraussetzungen
  • A. Die formelle Rechtmäßigkeit
  • I. Allgemeine Voraussetzungen formeller Auskunftsersuchen
  • II. Zusätzliche Anforderungen bei Auskunftsentscheidungen nach Art. 18 Abs. 3 VO 1/2003 und Art. 11 Abs. 3 FKVO
  • III. Keine Vorgaben für informelle Informationsanfragen
  • 3.1. Wesentlicher Anwendungsbereich
  • 3.2. Fehlende gesetzliche Voraussetzungen
  • IV. Die Festsetzung der Antwortfristen
  • B. Die Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Auskunftsersuchen anhand des Kriteriums der Erforderlichkeit (als Teil des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit)
  • I. Einführung
  • II. Die Rechtsnatur der Erforderlichkeit
  • III. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Leitprinzip des europäischen Kartellrechts
  • 1. Entwicklung und gesetzliche Verankerung
  • 2. Besondere Ausprägung im Bereich des Europäischen Kartellrechts
  • IV. Struktur der Verhältnismäßigkeitsprüfung
  • C. Die Einschätzungsprärogative der Kommission
  • D. Rechtsschutzmöglichkeiten im Überblick
  • I. Nichtigkeitsklage
  • 1. Prüfungsumfang
  • 2. Probleme bei Nichteinhaltung des (reduzierten) Prüfungsmaßstabs
  • 3. Rechtsfolgen der Nichtigerklärung eines Auskunftsersuchens
  • II. Einstweiliger Rechtsschutz
  • Viertes Kapitel: Konkretisierung des Gegenstands sowie des Anwendungsbereichs der nachfolgenden Untersuchung
  • A. Grundsatz: Die formellen Auskunftsersuchen als Untersuchungsgegenstand und Anwendungsfall
  • I. Ausnahme: Auskunftsverweigerung aufgrund Verbot zur Selbstbelastung
  • II. Ausnahme: Auskunftsverweigerung zur Wahrung des Vertraulichkeitsschutzes des Anwaltsprivilegs
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Ausdehnung auf informelle Informationsanfragen
  • I. Die Regelungsbedürftigkeit informellen Verwaltungshandelns
  • 1. Pränotifizierungsverfahren als Hauptanwendungsbereich mit besonderer Regelungsbedürftigkeit
  • 2. Regelungsbedürftigkeit vs. Untersagung informeller Informationsanfragen
  • II. Die Anwendung der Bewertungsmaßstäbe der formellen Auskunftsersuchen
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Verbreiterung der Bewertungsgrundlage
  • I. Heranziehung der Rechtsprechung zu Auskunftsersuchen nach den Vorgängervorschriften Art. 11 VO 17/62 und Art. 11 VO 4064/89
  • II. Sekundäre Heranziehung der Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit von Nachprüfungsmaßnahmen
  • Zwischenergebnis
  • Zweiter Teil. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als materiell-rechtliche Grenze kartellrechtlicher Auskunftsrechte
  • Erstes Kapitel: Der legitime Zweck als Grundlage der Verhältnismäßigkeitsprüfung – Anforderungen an die rechtmäßige Begründung eines Auskunftsersuchens
  • A. Einführung
  • B. Auskunftsersuchen im Rahmen von Kartellverfahren
  • I. Der taugliche Anfangsverdacht
  • II. Inhalt und Ausgestaltung des Anfangsverdachts
  • 1. Konkretisierung der Pflicht zur Begründung des Anfangsverdachts durch die unionsgerichtliche Rechtsprechung
  • 2. Der Anfangsverdacht und die Begründungen durch die Kommission
  • 2.1. Höchst
  • 2.2. Dow Benelux und Dow Chemical Iberica
  • 2.3. SEP
  • 2.4. Scottish Football
  • 2.5. National Panasonic
  • 2.6. Société Générale
  • 2.7. France Telekom
  • 2.8. Groupement des Cartes Bancaires
  • 2.9. Slovak Telekom
  • 2.10. Stromkabelkartell
  • 2.11. Orange
  • 2.12. Zementverfahren
  • 2.13. České dráhy
  • 2.14. Qualcom
  • 3. Die Urteilsbegründungen der stattgebenden Urteile
  • 3.1. Nexans
  • 3.2. České dráhy
  • 3.3. Zementverfahren
  • 4. Schlussfolgerungen
  • 5. Stärkung der Nachvollziehbarkeit und Möglichkeiten der Kontrolle durch eine Dynamisierung des Beurteilungsmaßstabs
  • 5.1. Konkretisierung der vorgeworfenen Verhaltensweisen
  • 5.2. Die Auswirkungen des Verfahrensfortgangs auf die Begründungspflicht
  • 5.3. Das Verhältnis zwischen Begründung und Umfang der Ermittlungen
  • 5.4. Zwischenergebnis
  • III. Der Nachweis des Anfangsverdachts
  • 1. Die inhaltliche Reichweite und das Maß an Belastbarkeit der Indizien
  • 1.1. Einschlägige Entscheidungen zu Nachprüfungen
  • 1.2. Übertragbarkeit auf Auskunftsersuchen
  • 1.3. Differenzierung nach Art der Auskunftsersuchen erforderlich?
  • 2. Das Problem des Nachweises fehlender bzw. mangelhafter Indizien in der Praxis
  • 2.1. Anforderungen an den Nachweis
  • 2.2. Umsetzung in der Praxis
  • 2.3. Zwischenfazit
  • 3. Lösungsansatz: Die Pflicht zur beschränkten Offenlegung
  • 3.1. Grundlage: Kategorisierung der Verteidigungsrechte
  • 3.2. Frühe Offenlegung von key documents
  • 3.3. Einführung von Vertraulichkeiten
  • 3.4. Beeinträchtigung der Ermittlungserfolge nicht zu befürchten
  • C. Auskunftsersuchen im Rahmen von Sektoruntersuchungen
  • D. Auskunftsersuchen im Rahmen von Fusionskontrollverfahren
  • I. Die Zweckbestimmung der Auskunftsrechte
  • II. Anforderungen an die Substantiierung der Zweckangabe
  • Zwischenergebnis
  • Zweites Kapitel: Die Geeignetheit des Kommissionshandels
  • A. Das Erfordernis eines Zusammenhangs
  • B. Die Grenze der offensichtlichen Ungeeignetheit
  • I. Allgemeine Bestimmungen
  • II. Der Maßstab der Offensichtlichkeit
  • Drittes Kapitel: Die Erforderlichkeit als zentrales Korrektiv der Verhältnismäßigkeit kartellrechtlicher Auskunftsersuchen
  • A. Die Erforderlichkeit der angefragten Auskünfte
  • I. Rein kommissionsinterne Bewertung der Erforderlichkeit
  • II. Schwere Nachvollziehbarkeit der Suche nach milderen Mitteln
  • III. Weite Auslegung im Rahmen von Sektoruntersuchungen
  • IV. Besonderheiten bei der Bewertung der Erforderlichkeit im Rahmen von Fusionskontrollverfahren
  • 1. Die Prüfung des Zusammenschlussvorhabens auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt
  • 1.1. Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Fristenregimes
  • 1.2. Besondere Berücksichtigung der bereits vorgelegten Informationen
  • 1.3. Besondere Würdigung umfassender data requests erforderlich
  • 2. Die Untersuchung von Verstößen gegen prozessuale Vorgaben der FKVO
  • B. Die Erforderlichkeit der Wahl des Mittels
  • C. Die Erforderlichkeit der Wahl des Auskunftsadressaten
  • I. Frühe Beteiligung Dritter in Verfahren der VO 1/2003
  • II. Frühe Beteiligung Dritter in Verfahren der FKVO
  • Zwischenergebnis
  • Viertes Kapitel: Die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) als Abwägungskorrektiv
  • A. Der Inhalt der Interessensabwägung
  • B. Der tatsächliche Umfang der Interessensabwägung in der praktischen Handhabung
  • I. Vergleich mit bzw. Rückschluss aus Nachprüfungsmaßnahmen nicht ausreichend
  • II. Abwägung ohne Berücksichtigung der konkreten Belastungen greift zu kurz
  • C. Entwicklung von Kriterien zur Bewertung der einzelfallspezifischen Belastung
  • I. Belastungen aufgrund umfangreicher Form- und Formatvorgaben
  • 1. Das Recht zur Vorgabe bestimmter Form- und Formatvorlagen
  • 1.1. Allgemeine Erwägungen
  • 1.2. Abgrenzung im konkreten Einzelfall
  • 2. Berücksichtigung der durch die Mitwirkung verursachten Belastungen
  • II. Belastungen aufgrund der Pflicht zur Informationsbeschaffung
  • 1. Klare Antworten in Extremfällen
  • 2. Abgrenzung in typisch gelagerten Fällen schwierig
  • 3. Jedenfalls Berücksichtigung der einhergehenden Belastungen
  • III. Belastungen aufgrund der Geltendmachung privilegierter Anwaltskorrespondenz
  • 1. Verfahren zur Begründung der Schutzbedürftigkeit
  • 2. Berücksichtigung der Belastungen im Rahmen der Abwägungsprozesse
  • IV. Belastungen aufgrund des Schutzes vertraulicher Informationen
  • 1. Pflicht zur Offenlegung als Belastung
  • 2. Pflicht zur Kennzeichnung als Belastung
  • 2.1. Verfahrensrechtliche Vorgaben verursachen erheblichen Aufwand
  • 2.2 Prüfung der Angemessenheit erfordert Berücksichtigung des Aufwands bei Erlass eines Auskunftsersuchens
  • V. Belastungen aufgrund der Anforderung von Unterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten
  • Zwischenergebnis
  • Dritter Teil. Die Durchsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
  • Erstes Kapitel: Status quo – Lücken im derzeitigen Rechtsschutzsystem
  • I. Allgemeines zum Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes
  • II. Beschränkungen der Kontrolldichte auf die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit
  • III. Die faktischen Konsequenzen einer erfolgreichen Nichtigkeitsklage
  • IV. Die Erfolgschancen einstweiligen Rechtsschutzes
  • V. Das Fehlen vorbeugender Rechtsmittel
  • VI. Unzureichender Rechtsschutz im Regelfall des einfachen Auskunftsverlangens
  • 1. Gerichtliche Überprüfbarkeit auf Auskunftsentscheidungen beschränkt
  • 2. Erforderlichkeit der Gleichstellung von Auskunftsverlangen mit Auskunftsentscheidungen
  • 3. Erweiterung Rechtsschutz vs. Abschaffung der unterschiedlichen Erlassarten als sachgerechte Lösung
  • VII. Schutz über nachträgliche Beweisverwertungsverbote nicht umfänglich
  • VIII. Schlussfolgerungen für die Effektivität der bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten
  • Zweites Kapitel: Entwurf von (Rechts-)Schutzmöglichkeiten auf der Ebene der Kommissionsverfahren
  • A. Überblick über die bisherigen Lösungsansätze
  • B. Neuerung 1: Die Rüge der (Nicht)Erforderlichkeit
  • I. Einleitung und Vorschlag im Überblick
  • II. Die Erhebung der Rüge
  • 1. Fallgruppen
  • 2. Fazit
  • III. Konsequenz: Pflicht zur Begründung der Erforderlichkeit durch die Kommission
  • 1. Herleitung und Umfang der einzuführenden Begründungspflicht
  • 2. Kontrollüberlegungen am Beispiel der Fallgruppen
  • 2.1. Der sofortige Erlass einer Auskunftsentscheidung
  • a) Erkennbar fehlende Mitwirkungsbereitschaft
  • b) Erforderlichkeit der Verfahrensbeschleunigung
  • c) Parallele Vorlage der Auskünfte erforderlich
  • 2.2. Auskunftsersuchen trotz eigener Informationsbeschaffungsmöglichkeiten durch die Kommission
  • a) Öffentlich zugängliche Informationen
  • b) Heranziehung nationaler Ermittlungsakten
  • 2.3. Die offensichtliche Überschreitung der Grenzen des Ermittlungsgegenstands
  • 2.4. Auskunftsersuchen im Interesse eines sog. stop the clock
  • 3. Zwischenergebnis
  • IV. Verfahrensrechtliche Mechanismen zur Absicherung der Begründungspflicht
  • 1. Die hemmende Wirkung der Erhebung der Rüge der Nichterforderlichkeit
  • 2. Verhinderung unmittelbarer Negativwirkungen der Geltendmachung
  • V. Der Anwendungsbereich der Rüge der Nichterforderlichkeit
  • VI. Verwaltungsgerichtliche Konsequenzen
  • C. Neuerung 2: Die Vermutung der Unverhältnismäßigkeit
  • I. Hintergrund und Begründung der Vermutung
  • II. Der Bewertungsmaßstab
  • 1. Der Bezugspunkt der Unangemessenheit
  • 2. Die Eingriffsschwelle
  • 3. Differenzierungen nach der Rolle des Unternehmens
  • III. Möglichkeit der Geltendmachung durch die Unternehmen
  • IV. Verfahrensrechtliche Konsequenzen bei Eingreifen der Vermutung
  • 1. Die Pflicht zur Begründung der Angemessenheit bei Überschreitung der Schwelle der Unangemessenheit
  • 2. Schaffung von Ausgleichsansprüchen der Auskunftsgeber
  • 2.1. Beweislastumkehr in Amtshaftungsprozessen
  • a) Grundsätzliche Voraussetzungen der Amtshaftung
  • b) Sonderrechtfertigung in kartellrechtlichen Ermittlungssituationen
  • c) Umkehr der Beweislast bei Überschreiten der Grenze zur Unverhältnismäßigkeit
  • d) Möglichkeit der Widerlegung durch die Kommission
  • 2.2. Hilfsweise Verrechnung im laufenden Kartellverfahren
  • D. Neuerung 3: Das erweiterte Mandat des Anhörungsbeauftragten
  • I. Die Überwachungsfunktion des Anhörungsbeauftragten
  • 1. Der derzeitige Umfang des Mandats
  • 2. Ausweitung der Zuständigkeiten und Kompetenzen
  • 2.1. Die Begründung der Erforderlichkeit eines Auskunftsersuchens
  • a) Inhaltliche Erweiterungen der Zuständigkeit
  • b) Erforderlichkeit der Änderung der gesetzlichen Grundlage
  • 2.2. Die Möglichkeit der vermittelnden Beschränkung sog. Document Requests
  • 2.3. Das Eingreifen der Vermutung der Unverhältnismäßigkeit
  • II. Kein Widerspruch zum jetzigen Leitbild des Mandats
  • III. Die erforderliche Sicherstellung der Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten
  • Zwischenergebnis
  • Ergebnis der Untersuchung
  • I. Zusammenfassung
  • II. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

I. Inhaltliche Einleitung

Die Kommission verfügt über verschiedene Arten an Ermittlungsinstrumenten. Sie kann Nachprüfungen bei den betroffenen Unternehmen und unter strengen Voraussetzungen auch in Privatwohnungen vornehmen oder natürliche Personen befragen. Besondere Bedeutung kommt dem Recht der Kommission zu, von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen die Übermittlung von Auskünften und Dokumenten zu verlangen.

Auskunftsverlangen sind sowohl für Kartellverfahren als auch im Rahmen von Sektoruntersuchungen und Fusionskontrollverfahren wesentlich.1 Das grundsätzliche Recht der Kommission zur Einholung von Auskünften ist primärrechtlich in Art. 337 AEUV verankert. Es wird in Bezug auf kartellrechtliche Auskunftsverlangen in Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (im Folgenden „VO 1/2003“) und Art. 11 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (im Folgenden „FKVO“) konkretisiert. Die Ermächtigungsgrundlagen sehen zwei Arten von Auskunftsverlangen vor, die einfachen Auskunfstverlangen nach den Absätzen 2 der Art. 18 VO 1/2003 und Art. 11 FKVO sowie verbindliche Auskunftsentscheidungen nach deren Absatz 3 (gemeinsam „formelle Auskunftsersuchen“ oder kurz „Auskunftsersuchen“).2 Diese förmlichen Auskunftsersuchen ←21 | 22→sind zu unterscheiden von den gesetzlich nicht normierten informellen Informationsanfragen. Inhaltlich kann allgemein zwischen Auskunftsverlangen, die darauf gerichtet sind, Antworten auf Fragen zu erhalten und Auskunftsverlangen, denen die Adressaten mit der Herausgabe von Dokumenten entsprechen (sog. document oder data requests), unterschieden werden.

Auskunftsersuchen zeichnen sich dadurch aus, dass hierüber schnell, effektiv und mit vergleichsweise geringem Eigenaufwand Informationen erlangt werden können. Anders als bei Nachprüfungen kann die Kommission beim Erlass eines Auskunftsersuchens im Vorhinein spezifizieren, welche Art von Auskünften sie benötigt und den Informationsfluss damit präzise steuern. Auskunftsersuchen ermöglichen es zudem, kurzfristig auf die Entwicklungen innerhalb des laufenden Verfahrens zu reagieren, indem sie in ihrem qualitativen und quantitativen Umfang an die Erkenntnisse aus vorherigen Antworten, Gesprächen oder sonstigen Ermittlungsergebnissen angepasst werden können. Ihre Nicht- oder Falschbeantwortung kann durch die Kommission sanktioniert werden.3 Über Auskunftsersuchen erlangte Informationen sind damit in aller Regel einfacher zu verwerten als beispielsweise Informationen, die im Wege der freiwilligen Befragung erlangt wurden und effektiver als solche, die im Rahmen einer Nachprüfung erst gesucht werden müssen.4

←22 | 23→

Trotz dieser erheblichen praktischen Bedeutung sind bzw. waren Entscheidungen der Unionsgerichte zur Rechtmäßigkeit kartellrechtlicher Auskunftsersuchen zumindest bis in die jüngere Vergangenheit selten. Kommen sie jedoch vor, liegen den Entscheidungen meist spektakuläre Sachverhalte zu Grunde, beispielsweise:

HeidelbergCement (2016): Durchsuchungen in den Jahren 2008 und 2009, Auskunftseinholung mit Auskunftsersuchen vom 30. September 2009 (57 Fragen), 9. Februar 2010 (39 Fragen), 27. April 2010 (19 Fragen) sowie der schließlich angefochtenen Entscheidung vom 30. März 2011 (94 Seiten mit über 100 Fragen) – alles unter derselben Begründung eines sehr weit gefassten Tatverdachts.5

Qualcom (2018): Erlass einer umfangreichen Auskunftsentscheidung sieben Jahre nach Beginn der Ermittlungen und rund 1,5 Jahre nach Erlass der Beschwerdepunkte.6

Facebook (2020): Einholung von 729.417 Dokumenten einschließlich einer Vielzahl an personenbezogenen Daten bspw. mit familiärem, gesundheitlich/medizinischem oder sonstigem persönlichen Hintergrund; generiert aus eine Reihe von Suchbegriffen aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, wie Qualität, Wachstum, Vorteil oder for free, big question und not good for us.7

Ohne Zweifel handelt es sich um unterschiedliche Ermittlungskonstellationen, deren Rechtmäßigkeitserwägungen am spezifischen Sachverhalt auszurichten sind. Ausschlaggebend ist jedoch in all diesen Fällen eine wesentliche Frage: Wie weit darf die Kommission gehen? Oder mit anderen Worten: Ist die gewählte Vorgehensweise in Ansehung der konkreten Ermittlungssituation (noch) verhältnismäßig und von den Auskunftsrechten der Kommission gedeckt?

Diese Frage ist für die Auskunftsadressaten und die Kommission gleichermaßen von Interesse. Ist ein Auskunftsersuchen nicht verhältnismäßig und wird es – sofern zulässig – von dem Auskunftsadressaten gerichtlich angegriffen, wird das Gericht das Auskunftsersuchen in Gänze für rechtswidrig erklären. Sollten bereits Informationen an die Kommission geliefert worden sein, dürfen diese nicht verwertet werden. Andernfalls läuft die Kommission Gefahr, dass auch die auf den rechtswidrig erlangten Informationen beruhende Entscheidung selbst fehlerhaft und insoweit aufzuheben ist.

Die Aufgabe, die der Kommission mit der Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage auferlegt wird, ist keine einfache. Die Ermittlungen im Bereich des Kartellrechts sind geprägt durch ein Spannungsverhältnis – dem öffentlichen Interesse an einer umfassenden Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und dem Schutz des freien Marktes sowie den individuellen Interessen an möglichst geringen ←23 | 24→Eingriffen und Belastungen durch die kartellrechtlichen Ermittlungen. Sie gehen mit Interessenskonflikten einher, deren Lösung und Ausgleich schwierige normative Erwägungen erfordert und von einzelfallspezifischen Charakteristika geprägt ist.

Die gesetzlichen Vorgaben, die bei Erlass der Auskunftsersuchen erfüllt sein müssen, und die der Kommission Anhaltspunkte für ihre Bewertung liefern könnten, sind dabei im Wesentlichen formeller Natur. In materiell-rechtlicher Hinsicht wird der Erlass eines Auskunftsverlangens, dessen Umfang sowie die Modalitäten seiner Beantwortung ebenso wie die Wahl des richtigen Auskunftsadressaten in das Ermessen der Kommission gestellt. Dieses sog. Ermittlungsermessen ist im Wortlaut der Art. 18 Abs. 1 VO 1/2003 und Art. 11 Abs. 1 FKVO verankert („[d]ie Kommission kann (…) von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen, dass sie alle erforderlichen Auskünfte erteilen“). Es wurde und wird durch die Kommission und die Unionsgerichte weit ausgelegt. In Anbetracht ihrer weitreichenden Ermittlungsbefugnisse obliegt es der Kommission damit grundsätzlich selbst zu beurteilen, ob die angeforderten Informationen tatsächlich erforderlich sind. Die absolute Grenze liegt dabei erst bei Eingreifen eines Auskunftsverweigerungsrechts, aufgrund dessen bestimmte Informationen dem Zugriff der Kommission generell und unabhängig von der Ermessensausübung entzogen werden. Dies sind namentlich Informationen, die in den Anwendungsbereich des Anwaltsprivilegs fallen oder vom Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung geschützt werden. Beide werden aus Gründen der Effizienz und Effektivität kartellrechtlicher Ermittlungshandlungen jedoch zurückhaltend angewendet.8

Maßgebliches Kriterium zur Begrenzung des Ermessensspielraums ist daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er ermöglicht sachverhaltsspezifische Bewertungen für den Einzelfall. Diese Einzelfallbetrachtung führt jedoch zwangsläufig dazu, dass allgemeingültige Prüfungskriterien weitgehend verhindert werden. Die Erwägungen, die zur Einholung der Informationen in der gewählten Art und Weise geführt haben, werden in aller Regel nicht offenlegt.

II. Aktueller Stand in Rechtsprechung und Literatur

Welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall als verhältnismäßig anzusehen sind, lässt sich auch aus der sich mit der Rechtmäßigkeit von Auskunftsersuchen befassenden Rechtsprechung nicht belastbar ableiten. Auch wenn die einzelnen Teilaspekte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind, fehlt es vielfach an einer hinreichenden Einheitlichkeit und terminologischen Klarheit der einzelnen Prüfungsschritte. Auch eine vertiefte ←24 | 25→Auseinandersetzung mit dem konkreten Sachverhalt ist nicht durchgängig vorhanden. Lange Zeit räumte die Rechtsprechung der Unionsgerichte der Kommission einen sehr weiten Ermessensspielraum bei der Bewertung der Auskunftsrechte ein. Zögerlich – und nach wie vor auf einzelne Sachverhaltskonstellationen beschränkt – zeigten sich in den letzten Jahren Ansätze kritischerer Bewertungen.

Auch im Schrifttum ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits seit längerem (wieder) verstärkt in das Wahrnehmungsfeld gerückt. Die Forderung nach einem gemäßigten Umgang mit den Ermittlungsrechten im Allgemeinen und den Auskunftsrechten im Konkreten wird immer häufiger vorgetragen.9 Die bisherige theoretische Aufbereitung der Frage der Verhältnismäßigkeit von Auskunftsersuchen wird ihrer praktischen Bedeutung jedoch nicht gerecht. Während gerade die Auskunftsverweigerungsrechte und generell die Ermittlungsrechte bereits Gegenstand einer Vielzahl an monografischen Schriften waren, hat die Frage ihrer Verhältnismäßigkeit – trotz ihrer überragenden Bedeutung in der Praxis – bisher wenig Beachtung gefunden und wurde zumeist allenfalls überblicksartig am Rande gestreift.10 So beschäftigte sich beispielweise Vocke vertiefend mit den Ermittlungsbefugnissen im Rahmen der Vorprüfungsphase eines Kartellverfahrens.11 Er arbeitete insbesondere die Unterschiede und Vergleichbarkeiten von Auskunftsverlangen zu Nachprüfungen und sonstigen Ermittlungsbefugnissen heraus. Göttlinger setzte sich einige Jahre später spezifisch mit Auskunftsverlangen im Unionsrecht auseinander.12 Vorrangig behandelt wurden jedoch allgemeine Fragen des primärrechtlich verankerten Auskunftsrechts der Kommission nach Art. 337 AEUV sowie die vergleichsweise Untersuchung der Ausgestaltung und Konkretisierung in verschiedenen sekundärrechtlich geregelten Anwendungsbereichen. Die Ausführungen zum inhaltlichen Umfang der Auskunftsverlangen und der Grenze der Erforderlichkeit beschränken sich in beiden Fällen auf eine relativ knappe Darstellung allgemeiner Erwägungen und Kritikpunkte. Mit der Frage der Bestimmung der Angemessenheit eines Auskunftsverlangens setzen sich die ←25 | 26→vorhandenen Stimmen in der Literatur allenfalls zurückhaltend auseinander.13 Detaillierte Analysen systematischer Einzelfragen zur Bestimmung der inhaltlichen Grenzen der Auskunftsrechte sowie die Entwicklung spezifischer Lösungsansätze für die Auslegung und Anwendung der Teilaspekte der Verhältnismäßigkeit auf den Einzelfall finden sich dort nicht.

Gänzlich unberücksichtigt geblieben in den bisherigen (monographischen) Untersuchungen sind, soweit ersichtlich, das Begründungserfordernis und die Zweckbestimmtheit eines Auskunftsverlangens. Anders ausgedrückt die Frage, ob und wann die Kommission einen hinreichend bestimmten und belastbaren Anfangs- bzw. Tatverdacht verfolgt, den sie entsprechend in der Begründung des Auskunftsverlangens darlegen muss. Dies überrascht, wenn man sich dessen enorme praktische Relevanz für die Ausübung des Ermittlungsermessens sowie die spätere Beurteilung des Auskunftsverlangens vor Augen führt. Der mit dem Auskunftsverlangen verfolgte Zweck bildet die Grundlage der gesamten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Frage, ob eine Handlung geeignet, erforderlich und angemessen ist, ist stets in Ansehung dessen zu beurteilen, was hiermit verfolgt wird. Zudem kann überhaupt nur ein solcher Zweck im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden, der formell und materiell rechtmäßig angegeben wurde.

III. Zum Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Verhältnismäßigkeit von Auskunftsersuchen in der kartellrechtlichen Praxis der Kommission – einfache Auskunfstverlangen und verbindliche Auskunftsentscheidungen ebenso wie informelle Informationsanfragen. Sie stellt sich der Aufgabe, den inhaltlichen Grenzen der kartellrechtlichen Auskunftsrechte der Kommission objektiv bestimmbare Konturen zu verleihen. Es wird untersucht, wie die Verhältnismäßigkeit in materieller Sicht konkretisiert sowie in verfahrensrechtlicher Hinsicht einfacher und effektiver durchgesetzt werden kann. Dies erfordert einen für Kommission und Auskunftsadressaten gleichermaßen verlässlichen Ansatz, der das Bedürfnis nach einer effektiven Bekämpfung bzw. Vermeidung von Wettbewerbsbeschränkungen in Einklang mit den individuellen Interessen der Unternehmen bringt.

Die Nachprüfungsungerechte der Kommission ebenso wie sonstige Ermittlungsmaßnahmen sollen dabei allenfalls am Rande vergleichsweise herangezogen werden, wenn dies für die Bewertung der Rechtmäßigkeit des Ermittlungsinstruments Auskunftsersuchen erforderlich ist. Selbiges gilt für die Ermittlungsbefugnisse ←26 | 27→nationaler Wettbewerbsbehörden, die teilweise an die Ermittlungsbefugnisse der Kommission angelehnt, teilweise diesen jedenfalls vergleichbar sind.14

Im ersten Teil der Arbeit werden in der gebotenen Kürze die formellen wie materiell-rechtlichen Anforderungen an die Auskunftsrechte der Kommission im Rahmen von Kartellverfahren, Sektoruntersuchungen und Fusionskontrollverfahren dargestellt und der Gegenstand der Untersuchung abgegrenzt.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt sodann auf der Untersuchung der Ausprägung, Einhaltung und verfahrensrechtlichen Durchsetzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Praxis. Die Ermittlungstätigkeit der Kommission ist auf variierende Sachverhalte ausgerichtet und geprägt von Prognosen und hypothetischen Verläufen. Eine Universallösung zur einheitlichen Beurteilung sämtlicher Einzelfallkonstellationen wird es in derartigen Konstellationen nicht geben können – weder für die Frage der Geeignetheit und Angemessenheit eines Auskunftsverlangens noch für seine Erforderlichkeit. Die nachfolgende Untersuchung ist dementsprechend auf das Ziel ausgerichtet, die Systematisierung und Konkretisierung der einzelfallspezifischen Diskussionen um die Verhältnismäßigkeit zu konturieren und voranzutreiben.

Im zweiten Teil der Arbeit wird daher untersucht, wie die Kommission und die Unionsgerichte mit den Teilaspekten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen ihrer Bewertungen umgehen und bisher umgegangen sind. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den legitimen Zweck, also der eigentlichen Grundlage der Verhältnismäßigkeitsprüfung gelegt. Es wird analysiert, welche Arten von Verdachtsmomenten die Kommission in der Vergangenheit beschäftigt haben, wie sie im Rahmen der konkreten Ermittlungsmaßnahme begründet wurden und wie sich dies auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ausgewirkt hat. Über die Bildung von Fallgruppen und regelmäßig zu berücksichtigenden Prüfungskriterien wird sodann der Versuch unternommen, den Umgang mit den Auskunftsverlangen der Kommission nach der VO 1/2003 und der FKVO auf der Grundlage der bisherigen Praxis zu systematisieren und zu mehr Transparenz zu verhelfen.

In einem letzten, auf die Verfahrensrechte bezogenen Teil der Untersuchung werden die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten einer kritischen Analyse unterzogen. Im Rahmen eines eigenen Lösungsvorschlags werden Schutzmechanismen geschaffen, die bereits während des laufenden Kommissionsverfahrens eingreifen können. So soll nicht nur das bestehende Rechtsschutzsystem, insbesondere in Bezug auf einfache Auskunftsverlangen, erweitert und verbessert werden. Im Wesentlichen zielen die Lösungsvorschläge darauf ab, einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu finden, bevor die Meinungsverschiedenheiten sich zu Streitfragen entwickeln und in teilweise jahrlangen Verfahren durch die Unionsgerichte geklärt werden müssen.

←27 | 28→

1 Gerade im Rahmen der von Zusammenarbeit und Kooperation geprägten FKVO wird das Auskunftsverlangen als „das Kernstück des Fusionskontrollverfahrensrechts“ bezeichnet, siehe hierzu statt aller Vocke, Die Ermittlungsbefugnisse der EG-Kommission im kartellrechtlichen Voruntersuchungsverfahren, 2006, S. 177 sowie Göttlinger, Auskunftsrechte der Kommission im Recht der Europäischen Union, 2013, S. 259.

2 Die Terminologie ist angelehnt an die gesetzliche Formulierung. So sprechen die Art. 18 Abs. 2 VO 1/2003 und Art. 11 FKVO von der Versendung „eines einfachen Auskunftsverlangens“ sowie in Abs. 3 von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung „durch Entscheidung“. Dementsprechend unterscheidet auch die englische Fassung zwischen „simple requests for information“ (Abs. 2) und „requires (…) to supply information by decision“ (Abs. 3). Ebenso wird im französischen Text zwischen „une simple demande de renseignements“ (Abs. 2) und „demande par décision“ (Abs. 3) sowie im italienischen Text zwischen „semplice domanda di informazioni“ (Abs. 2) und „richiede (…) di comunicare informazioni mediante decisione“ (Art. 18 Abs. 3 VO 1/2003) bzw. „chiede mediante decisione“ (Art. 11 Abs. 3 FKVO) unterschieden. Die Rechtsprechung hingegen spricht regelmäßig von Auskunftsverlangen und Auskunftsbeschluss, vgl. EuG, Urt. v. 14.03.2014, T-302/11 (Rn. 1 ff.), ECLI:EU:T:2014:128 – HeidelbergCement. In den englischen Fassungen wird hingegen auch von Entscheidung gesprochen, so bspw. jüngst in EuG, Beschl. v. 29.10.2020, T‑451/20, ECLI:EU:T:2020:515 (Rn. 35) – Facebook I. („by simple request or by decision“). In der Literatur werden teilweise nochmals abweichende Formulierungen verwendet, wie beispielsweise die Unterscheidung in einfache und förmliche Auskunftsverlangen, vgl. Miersch/Israel, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, 2017, § 8 Rn. 72.

3 Die korrekte Beantwortung eines Auskunftsverlangens kann – je nach Art der Anfrage – u.a. mit weitreichenden Zwangs- und Bußgeldern durchgesetzt und sichergestellt werden, vgl. Art. 23, 24 VO 1/2003 sowie Art. 14, 15 FKVO, die jedoch auf die Befragung nach Art. 19 VO 1/2003 sowie Art. 11 Abs. 7 FKVO keinen Bezug nehmen.

4 Fehlt es an gegenteiligen Anhaltspunkten kann die Kommission davon ausgehen, dass die tatsächlich übermittelten Auskünfte korrekt und hinreichend belastbar sind. Hingegen wird für Befragungen teilweise vertreten, dass die Kommission gehalten sein soll, besonderen Wert auf die Prüfung der Belastbarkeit der getätigten Angaben zu legen, vgl. Sura, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 19 VO 1/2003 Rn. 4. In diese Richtung auch Barthelmeß/Rudolf, in: LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 19 VO 1/2003 Rn. 10 sowie Burrichter/Hennig, in: Immenga/Mestmäcker/Körber, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 19 VO 1/2003 Rn. 2.

5 EuG, Urt. v. 14.03.2014, T-302/11, ECLI:EU:T:2014:128 – HeidelbergCement; EuGH, Urt. v. 10.03.2016, C-247/14, ECLI:EU:C:2016:149 – HeidelbergCement.

6 EuG, Urt. v. 09.04.2019, T-371/17, ECLI:EU:T:2019:232 – Qualcom u.a.

7 EuG, Beschl. v. 29.10.20, T‑451/20, ECLI:EU:T:2020:515 – Facebook I sowie EuG, Beschl. v. 29.10.2020, T‑452/20, ECLI:EU:T:2020:516 – Facebook II.

8 Aus denselben Gründen wird der Schutz vertraulicher Informationen, insbesondere Geschäftsgeheimnissen, nicht als ausreichend erachtet, ein Auskunftsverweigerungsrecht zu begründen, vgl. Bischke/Neideck, in: MüKo, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 18 VO 1/2003 Rn. 26.

9 Siehe bspw. die einleitende Frage im Beitrag von Steinle/Aberle/Gaglio/Zhu/Strand: „Muss man sich das gefallen lassen?“, Steinle/Aberle/Gaglio/Zhu/Strang, Rechtsschutz gegen kartellrechtliche Ermittlungsmaßnahmen – Teil 1, Compliance Berater 2020, 140, 140.

10 Vgl. u.a. Friedmann, Die Geltung rechtsstaatlicher Grundsätze im kartellrechtlichen Bußgeldverfahren der Europäischen Gemeinschaft, 2005, S. 182 ff.; Koch, Verwaltungssanktionen im europäischen und niederländischen Verwaltungs- und Kartellrecht, 2011, S. 80 ff.; Hennig, in: Immenga/Mestmäcker/Körber, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 18 VO 1/2003 Rn. 49 ff.

Details

Seiten
334
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631889152
ISBN (ePUB)
9783631889169
ISBN (MOBI)
9783631889176
ISBN (Hardcover)
9783631877111
DOI
10.3726/b20154
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (September)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 334 S.

Biographische Angaben

Andrea Preuße (Autor:in)

Andrea Preuße ist Rechtsanwältin bei der international tätigen Sozietät Gleiss Lutz Hootz Hirsch. Sie berät im deutschen und europäischen Kartellrecht, insbesondere bei kartellrechtlichen Bußgeld- und Fusionskontrollverfahren sowie in kartellrechtlichen Schadensersatzprozessen. Ihre universitäre Ausbilung absolvierte sie an der Eberhards Karls Universität Tübingen sowie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

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Titel: Die Verhältnismäßigkeit kartellrechtlicher Auskunftsersuchen
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