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Deutsche und weitere germanische Sprachminderheiten in Lateinamerika

Grundlagen, Methoden, Fallstudien

von Patrick Wolf-Farré (Band-Herausgeber:in) Lucas Löff Machado (Band-Herausgeber:in) Angélica Prediger (Band-Herausgeber:in) Sebastian Kürschner (Band-Herausgeber:in)
©2023 Konferenzband 396 Seiten
Open Access

Zusammenfassung

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wanderten zahlreiche Personen aus Europa nach Lateinamerika aus. So ließen sich auch viele Menschen aus dem deutschsprachigen Gebiet und aus Ländern mit anderen germanischen Sprachen, etwa aus den Niederlanden oder aus Skandinavien, dort nieder. In Teilen haben sich Sprachgemeinschaften bis heute erhalten können. Der vorliegende Band widmet sich solchen Gemeinschaften, die heute Sprachminderheiten darstellen. In zwölf Beiträgen werden hoch- und niederdeutsche Sprachgemeinschaften sowie die dänische Sprachgemeinschaft in Argentinien in den Blick genommen. Dabei werden auch methodische Fortschritte – z.B. durch den Aufbau von Korpora – und neue Forschungsansätze durch Einbindung mehrsprachiger, didaktischer oder ökonomischer Perspektiven aufgezeigt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort zur Reihe
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung (Patrick Wolf-Farré, Lucas Löff Machado, Angélica Prediger, Sebastian Kürschner)
  • I. Grundlagen
  • Deutsch in Lateinamerika: Sprachinseln, Archipele, Atolle (Peter Rosenberg)
  • Die dänische Sprachminderheit in Argentinien (Karoline Kühl, Jan Heegård Petersen)
  • II. Methoden
  • Das MEND-Korpus im Archiv für Gesprochenes Deutsch: Entstehung, Möglichkeiten, Grenzen (Göz Kaufmann, Jan Gorisch, Thomas Schmidt)
  • Pommersche Korpora: A dialectal linguistic database of a German linguistic minority in Brazil (Neubiana Silva Veloso Beilke)
  • Die Toponymik deutscher Sprachminderheiten in Rio Grande do Sul, Brasilien: Ortsnamen mit dem Zweitglied Eck(e) (Lucas Löff Machado, Angélica Prediger, Fernando Hélio Tavares de Barros, Jéferson Schaeffer)
  • Die Presse der deutschsprechenden Bevölkerung Uruguays in sechs Zeiträumen zwischen 1873 und 1983 (Katharina Löschner)
  • III. Fallstudien
  • Volga Germans in Argentina: Linguistic profile of Valle María (Alicia Cipria)
  • Immer lustig, nunca traurig: Spracherhalts- und Sprachabbauprozesse im Blumenau-Deutschen (Claudia Maria Riehl)
  • Mehrsprachigkeitsdidaktik und Sprachbewusstheit im Deutschunterricht für Hunsrückischsprecher in Brasilien: die Mundart als Vorkenntnis und Brückensprache (Karen Pupp Spinassé)
  • Germanische Varietäten in Brasilien: Erhalt, Verlust und/oder Wiederbelebung sprachlicher und kultureller Merkmale in urbanen und ländlichen Gemeinschaften der Einwanderung (Mônica Savedra, Leticia Mazzelli)
  • O Pomerano em dois contextos plurilingues: Entre a manutenção e a substituição linguística (Luana Cyntia dos Santos Souza)
  • Alemão als ökonomische und symbolische Ressource einer deutschsprachigen Minderheit in Brasilien (Willian Radünz)
  • Biografien
  • Reihenübersicht

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Patrick Wolf-Farré, Lucas Löff Machado, Angélica Prediger, Sebastian Kürschner

Einleitung

1 Zum Thema: Deutsche und weitere germanische Sprachminderheiten in Lateinamerika

Die Erforschung germanischsprachiger Minderheiten in Lateinamerika hat sich in den letzten Jahrzehnten als gemeinsames Interesse über mehrere Länder hinweg erwiesen. In der germanistischen Sprachwissenschaft wird das Deutsche in Lateinamerika bislang zumeist zu den „deutschen Sprachminderheiten in Übersee“ gezählt (vgl. Plewnia / Riehl 2018), oder als Teilbereich der Erforschung des Deutschen „in the Americas“ betrachtet (wie bei der Society for German-American Studies, vgl. SGAS, Web). Historisch gesehen sind solche weiter gefassten Kategorisierungen nachvollziehbar und sinnvoll, da sich die großen Auswanderungsströme aus den deutschsprachigen Regionen Europas v.a. im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert ereigneten und somit für Auswanderer nach Kanada und in die USA ähnliche Bedingungen existierten wie für diejenigen, die sich nach Südafrika, Australien oder eben Südamerika aufmachten. Entsprechend kann eine historisch vergleichende Betrachtung parallel verlaufende Entwicklungslinien bei räumlich weit auseinanderliegenden Gruppen aufzeigen.

Aus synchroner Perspektive wird aber immer deutlicher, dass eine eingehendere Betrachtung der Einzelfälle mitsamt den jeweils spezifischen sozialen, kulturellen und sprachlichen Charakteristika notwendig ist. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass eine Untersuchung deutscher Varietäten in Lateinamerika nicht einer Untersuchung deutschstämmiger Minderheiten gleichkommt: Deutsche Varietäten werden nicht nur von Deutschstämmigen gesprochen, ebenso wie deutschstämmige Brasilianer, Venezolaner oder Chilenen nicht immer (und schon gar nicht nur) Deutsch sprechen. Deutsch entwickelt sich, ebenso wie andere germanische Sprachen und Varietäten, auf unterschiedliche Weise zwischen Mexiko und Chile: in Form lokaler oder regional ausgeglichener Varietäten, in Form schulischer Vermittlung als Standardvarietät oder nur noch eingeschränkt auf floskelhafte Äußerungen im Familienkontext oder in der visuellen Sprachlandschaft: auf Straßenschildern, in Unternehmensnamen oder auf Friedhöfen.

←11 | 12→Die hier am Beispiel des Deutschen dargestellten Entwicklungen sind ebenso für weitere germanische Sprachen bzw. Sprechergruppen in Lateinamerika festzustellen. Die Forschung hierzu ist vielseitig: So finden sich neben Projekten zur dänischen Minderheit in Argentinien (vgl. Kühl / Heegård Petersen, in diesem Band) beispielsweise auch Arbeiten zu luxemburgischen (Santana, Web) oder niederländischen (Bibe-Luyten 1986) Sprachminderheiten, zum Afrikaans in Patagonien (Szpiech et al. 2020) oder zu schwedischen und norwegischen Ansiedlungen (Woortmann 2016).

Der vorliegende Band möchte dazu beitragen, den Raum Lateinamerika1 bei der Untersuchung germanischsprachiger Minderheiten explizit als eigenes Forschungsgebiet zu betrachten und ihm entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Hierfür gibt es naheliegende Gründe: Da ist zunächst die Tatsache, dass es sich um einen nach wie vor wenig erforschten Bereich handelt. Dies lässt sich damit in Verbindung bringen, dass Minderheiten in Argentinien, Brasilien oder Venezuela aus europäisch-germanistischer Sicht sowohl geografisch als auch thematisch wenig ‚naheliegend‘ erscheinen. Die entsprechende Forschung wird daher häufig in Lateinamerika selbst betrieben. Dies soll auch in unserem Band zum Ausdruck kommen, indem hier nicht nur Beiträge über, sondern auch aus Lateinamerika versammelt sind.

Ein weiterer Grund für die gemeinsame Betrachtung der germanischsprachigen Minderheiten in den Américas südlich der USA sind die Gemeinsamkeiten in den Umständen, welche den Sprach- und Kulturkontakt prägten und immer noch prägen und die durch eine oben erwähnte Subsumierung etwa des Deutschen in Lateinamerika unter „Deutsch in Nord- und Südamerika“ oder „Deutsch in Übersee“ nicht deutlich werden. Während etwa die deutschsprachige Einwanderung in die USA im 19. Jahrhundert bereits eine Vorgeschichte hatte2, kamen die ersten deutschsprachigen Siedler in Lateinamerika nicht vor dem frühen 19. Jahrhundert in der Südhälfte Südamerikas an.3 Bei Ländern wie ←12 | 13→Brasilien, Argentinien, Chile oder Uruguay handelte es sich um vergleichsweise junge Staaten, in denen die katholische Kirche eine zentrale Machtstellung innehatte. Dies bedeutete eine andere und weiterreichende Umstellung für die Siedler als etwa in den anglo-protestantisch geprägten USA.

Auch sind die sprachlichen Bedingungen ein zentraler Faktor, der die vergleichende Untersuchung in Lateinamerika nahelegt, da in fast allen Ländern ein Sprachkontakt mit Varietäten des Spanischen bzw. Portugiesischen stattfand und stattfindet.4 Umso wichtiger ist dabei, dass auch die Kontaktsprachen und -gesellschaften ins Zentrum der Forschung rücken. Dies wurde zum Teil vernachlässigt, da etwa deutschsprachige Minderheiten in anderssprachiger Umgebung häufig als genuin germanistisches Thema aufgefasst und mit dem entsprechenden methodischen Inventar untersucht worden sind. Hierdurch entstand die von der Dialektforschung geprägte Sprachinselforschung, welche einerseits ein präzises Instrumentarium erarbeitet hat, andererseits aber auch dazu geführt hat, die Sprachinselsituation als den erwartbaren Zustand deutschsprachiger Minderheiten zu etablieren (vgl. Mattheier 2002, 2003; Földes 2006; Księżyk 2010; Steffen / Altenhofen 2013; Wildfeuer 2017). Ähnlich ist auch die Forschungsgeschichte zu anderen germanischsprachigen Minderheiten in Lateinamerika oft von den jeweiligen philologischen Zugängen geprägt. Die zukünftige Forschung in diesem Themenbereich sollte daher unbedingt auch Perspektiven aus der romanistischen Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft miteinbeziehen und auch andere Sprachkontaktsituationen im Umfeld berücksichtigen.

2 Zur Tagung und zum Netzwerk MinGLA

Ein letzter Grund, der eine gesonderte Betrachtung deutschsprachiger Minderheiten in Lateinamerika bislang verhindert hat, ist die Annahme, dass es in diesem Bereich zu wenig Forschung gibt. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, ←13 | 14→wurde spätestens durch die Tagung „Deutsche und weitere germanische Sprachminderheiten in Lateinamerika“ deutlich, die am 11./12. Oktober 2019 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt stattfand. Auf dieser Tagung waren neben sprachwissenschaftlichen Beiträgen u.a. auch Perspektiven aus den Bereichen Geschichtswissenschaft, Editionswissenschaft und Architektur vertreten. Die Vielseitigkeit der Tagungsbeiträge kann in diesem Band nur teilweise wiedergegeben werden, weshalb wir eine kurze Übersicht über diejenigen Beiträge geben möchten, die nicht im Band vertreten sind:

Cléo V. Altenhofen (UFRGS Porto Alegre) lieferte mit dem Begriff Mittelfeldsprache ein Instrumentarium, um die intravarietale Annäherung vor allem niederdeutscher Varietäten an das Westmitteldeutsche in Brasilien erklären zu können. Fernando H. Tavares de Barros (Universität Bremen) befasste sich mit dem lokalen lexikalischen Repertoire hunsrückischer Gruppen in 41 Punkten am Beispiel der Varianten für Sau. Gertjan Postma (Meertens Institut Amsterdam) zielte auf eine strukturelle Analyse ab, deren Mittelpunkt die Entwicklung des Vokalsystems des Pommerschen im Rahmen anderer germanischen Sprachen darstellt.

Ausgehend von einer bildungsorientierten Perspektive plädierten Erineu Foerste (UFES Vitória) und Ismael Tressmann (FARESE Santa Maria do Jetibá) für einen Dialog zwischen Institutionen und pommerschen Gemeinschaften, damit eine sprachkulturelle Anerkennung gelingt. Carmo Thum (FURG Rio Grande), Erineu Foerste (UFES Vitória) und Myrna S. Gowert Madia (FURG Rio Grande) reflektierten über die Rolle der pommerschen Muttersprache und analysierten dazu das kollektive Gedächtnis sowie kulturelle und sprachpolitische Komponenten. Weiterhin zum Pommerschen analysierte Martin Hansen (Göteborg) Existenzverbkonstruktionen aus der Sicht der Sprachvariation und des Sprachkontakts. Den Sprachkontakt zwischen Westfälisch und Portugiesisch untersuchte Rosane Werkhausen (Kiel) in Westfália (Rio Grande do Sul) und Rio Fortuna (Santa Catarina) und fokussierte dabei die glottale Markierung. Auf sprachpolitischer Ebene setzte sich Jan Pöhlmann (Viadrina Frankfurt/Oder) mit aktuellen Bemühungen um die politische Anerkennung von Minderheitensprachen in zwei unterschiedlichen Kontexten auseinander, nämlich Macuxi und Wapichana in Nordbrasilien und Pommersch im Südosten des Landes.

Philipp Stöckle (ÖAW Wien) gab einen Einblick in deutschböhmische Sprachvarietäten in São Bento do Sul, einer Gemeinde, die ab 1873 von Gruppen aus Nordböhmen (Obersächsisch-Schlesisch) und dem Böhmerwald (Mittel-/Nordbairisch) gegründet wurde. Einer bisher kaum erforschten ostmitteldeutschen Sprachvarietät in Brasilien widmete sich Gabriel Schmitt (FAU ←14 | 15→Erlangen-Nürnberg), der über die dialektologische und sozio-historische Situation des Kaffeeflickersch in Santa Catarina berichtete.

Eine vergleichende Untersuchung mennonitischer Gruppen in Südamerika (Uruguay) und Kanada unternahm Neele Harlos (Marburg) anhand von 57 Wenkerbögen, die Daten zur Kasusmarkierung in beiden Kontexten liefern. Patrick Wolf-Farré (Duisburg-Essen) diskutierte Fragen zum Spracherhalt des Deutschen in mehreren Gebieten Chiles über die Jahrhunderte hinweg sowie Korrelationen mit anderen deutschsprachigen Kontexten.

Thomas Keil (São Leopoldo) bot eine Zeitgliederung der deutschsprachigen Pressegeschichte in Brasilien und regte zur Diskussion über die Herausforderungen solcher Materialien an. Auch Ulrike Mühlschlegel (IAI Berlin) beschäftigte sich mit der Aufbereitung von Daten, indem sie Potenziale digitaler Sammlungen darstellte und Fragen zur Sammlung, Aufbereitung und Zugänglichkeit fragiler Daten bearbeitete. Ein Fallbeispiel zum Umgang mit Daten aus Interviews mit traumatisierten Sprecherinnen und Sprechern boten Dorothee Wein (FU Berlin) und Philipp Kandler (FU Berlin) mit ihrer Arbeit zum Oral History-Archiv zur Geschichte der „Colonia Dignidad“ in Chile.

Jéferson Luís Schaeffer (UNIVATES Lajeado) untersuchte die Ansiedlung niederländischer Eingewanderter Ende des 19. Jahrhunderts in einer deutschsprachigen Region Rio Grande do Suls sowie die weitere Entwicklung an der Schnittstelle von Geschichts- und Sprachwissenschaft. Vera Grieneisen (UNISINOS São Leopoldo) gab einen kunsthistorischen Einblick in die Architektursprache Porto Alegres zur Zeit des Kaiserreiches und ihre deutschsprachigen Bezüge auf das Herkunftsgebiet (vgl. Grieneisen 2022).

Die unterschiedlichen Perspektiven auf germanischsprachige Minderheiten in Lateinamerika und die angeregten Diskussionen verdeutlichten, dass die Analyse aus verschiedenen fachlichen Perspektiven großes Potenzial birgt, es aber noch an Vernetzung und interdisziplinärer Kooperation mangelt. So war es für diesen Forschungszweig bislang charakteristisch, dass sich Forschende punktuell mit einzelnen Gruppen oder Varietäten beschäftigen und häufig umfangreiche Datensätze sammeln, die im Rahmen der jeweiligen Arbeit ausgewertet werden, ohne weitere Verwendung zu finden.5 Auch fehlt es vielerorts an Grundlagen und viele Forschende stehen vor dem Problem, sich Basisinformationen immer wieder selbst erarbeiten zu müssen. Bezeichnend hierfür ist, dass die verdienstvolle Studie von Born / Dickgießer von 1989 nach wie vor die Standardquelle für Angaben über Sprecherzahlen in Lateinamerika (und nicht nur dort) ist. ←15 | 16→Zusätzlich erschwert wird die Datenlage dadurch, dass viele Werke und Sammlungen nur in Lateinamerika verfügbar sind und die Digitalisierung nur langsam voranschreitet.

Um dem entgegenzuwirken, erfolgte gleichzeitig mit der Tagung die Etablierung des viersprachigen Netzwerks MinGLA (Minderheiten germanischer Sprachen in Lateinamerika / Minorías de lenguas germánicas en Latinoamérica / Minorias de línguas germânicas na América Latina / Minorities of Germanic Languages in Latin America). Durch die transdisziplinäre Vernetzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich mit germanischsprachigen Minderheiten in Lateinamerika beschäftigen, sollen bestehende Daten leichter verfügbar gemacht, der Austausch intensiviert und neue Projekte zusammen entwickelt werden.6

3 Zum Buch

MinGLA ist als viersprachige Buchreihe konzipiert (Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch), um der sprachlichen Vielfalt des behandelten Raums und der internationalen Forschung gerecht zu werden. Im vorliegenden Band sind Beiträge auf Deutsch, Portugiesisch und Englisch versammelt. Um die Forschungsergebnisse möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen, geht allen Beiträgen ein englischsprachiges Abstract voran, außerdem findet sich hinter einem portugiesischsprachigen Text auch eine deutschsprachige Zusammenfassung des Beitrags.

Der Band gliedert sich in die Unterkapitel Grundlagen, Methoden und Fallstudien. Den Anfang bei den Grundlagen macht Peter Rosenberg, dessen Beitrag „Deutsch in Lateinamerika: Sprachinseln, Archipele, Atolle“ nicht weniger als eine Gesamtübersicht über die deutschsprachigen Minderheiten in Lateinamerika bietet. Dabei unterscheidet er verschiedene Formen und Funktionen der deutschen Sprache und entwirft eine entsprechende Gliederung der Minderheiten, die das Sprachinselkonzept weiterdenkt und dabei auch den häufig vernachlässigten, tatsächlich aber zentralen Punkt der DaF-Lernenden in Lateinamerika7 mit einbezieht. Anschließend geben Karoline Kühl und Jan Heegård Petersen einen Überblick über „Die dänische Sprachminderheit in Argentinien“. Der hier festgestellte sprachliche Konservatismus der dänischstämmigen Argentinier gegenüber den dänischstämmigen Kanadiern und (US-)Amerikanern ←16 | 17→verdeutlicht, warum die germanischsprachigen Minderheiten in Lateinamerika als eigenes Forschungsfeld zu betrachten sind – welches dann im Vergleich mit den USA und Kanada wiederum interessante Entwicklungen aufweist.

Im Methoden-Teil geben die Autorinnen und Autoren neue Impulse für die Forschung auf unterschiedlichen Sprachebenen. Die hier präsentierten Beiträge thematisieren die Aufbereitung oraler und schriftlicher Korpora, die sowohl aus soziolinguistischen Interviews als auch aus geschriebenen Quellen (lexikographische, historische, pädagogische Werke) stammen. Während die Korpora zum mennonitischen Plautdietsch (Kaufmann et al.) und zum Pommerschen (Beilke) erste Resultate anbieten, umreißt der lexikographische Ansatz eine Methodik zum Wörterbuch deutschsprachiger Toponyme in Rio Grande do Sul (Löff Machado et al.). Die Forschungsartikel leisten einen Beitrag dazu, die Lücke bei der systematischen Dokumentation von deutschsprachigen Gruppen auszufüllen. Gewinnbringend ist daher nicht nur der methodologische Anstoß, sondern auch die kritische Reflexion methodischer Zugänge. Ein gemeinsames Merkmal stellt auch die Thematisierung des Kontakts mit den jeweiligen dominanten Landessprachen Portugiesisch und Spanisch dar.

Details

Seiten
396
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631881439
ISBN (ePUB)
9783631881446
ISBN (Hardcover)
9783631826003
DOI
10.3726/b19898
Open Access
CC-BY
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
Aufbau von Korpora Sprachliche Minderheiten Methodische Fortschritte Deutsch in Lateinamerika Germanische Sprachgemeinschaft
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 396 S., 65 S/W-Abb., 23 Tab.

Biographische Angaben

Patrick Wolf-Farré (Band-Herausgeber:in) Lucas Löff Machado (Band-Herausgeber:in) Angélica Prediger (Band-Herausgeber:in) Sebastian Kürschner (Band-Herausgeber:in)

Patrick Wolf-Farré ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich DaF/DaZ an der Universität Duisburg-Essen. Lucas Löff Machado ist Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universidade Federal de Pelotas (UFPel), Brasilien. Angélica Prediger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Historische Sprachwissenschaft des Deutschen an der Universität Leipzig. Sebastian Kürschner ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

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