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Morgen-Glantz 32 (2022)

von Rosmarie Zeller (Band-Herausgeber:in)
©2022 Dissertation 362 Seiten
Reihe: Morgen-Glantz, Band 32

Zusammenfassung

Der Band enthält die überarbeitete Fassung der Vorträge, die an der 30. Tagung der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft im Jahr 2021 gehalten wurden. Die Beiträge nähern sich dem Neuen Testament in syrischer Sprache von verschiedenen Disziplinen. Sie befassen sich u.a. mit Literatur aus dem historischen Entstehungskontext des Textes, den unterschiedlichen Interessen von Humanisten an ihm und seinen kabbalistischen Interpretationen im barocken Sulzbach.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Akten der 30. Tagung
  • Der Sulzbacher Druck des syrischen Neuen Testaments (1684) in kulturgeschichtlicher Perspektive (Gerold Nekcer und Maximilian de Molière)
  • Die Heiligkeit der syrischen Sprache und der syrische Hintergrund des Sefer Yetzira (Tzahi Weiss)
  • Kabbala und Grammatik. Teseo Ambrogios Introductio in Chaldaicam linguam, Syriacam atque Armenicam (1539) (Saverio Campanini)
  • Moses von Mardin, Lehrer der syrischen Sprache im Europa des 16. Jahrhunderts (Pier Giorgio Borbone)
  • Umstrittene Urheberschaft. Das sefirotische Diagramm im syrischen Neuen Testament (1555) (Maximilian de Molière)
  • Marginalienpolemik. Hebräische Randglossen in einem syrischen Neuen Testament (Níels P. Eggerz)
  • Die Rolle des Syrischen im Werk von Knorr von Rosenroth (Robert J. Wilkinson)
  • Intratextualität im Werk Christian Knorr von Rosenroths: Ein pädagogisches Projekt (Anna M. Vileno)
  • Sinn und Sinnlichkeit der Heiligen Schrift: Syrische Bibelübersetzungen, Masoretische Tradition und Christian Knorr von Rosenroths Loci communes cabbalistici (Gerold Necker)
  • Johann Heinrich Schütz und die Sulzbacher Publikationen (Rosmarie Zeller)
  • Syrisch-aramäisch im Kontext des deutschen Pietismus im 20. Jahrhundert – Der Streit um die Ausgabe des neuhebräisch-syrischen Neuen Testaments des Tübinger Neutestamentlers Otto Michel (1903–1993) (Matthias Morgenstern)
  • Weitere Beiträge
  • Das Rätsel von Christian Knorr von Rosenroths Harmonia Evangeliorum und die Bedeutung des Werks (Robert J. Wilkinson und Rosmarie Zeller)
  • Form folgt Funktion. Bemerkungen zu Birkens Androfilo (Irmgard Scheitler)
  • Rezensionen
  • B. JAHN, C. SCHINDLER (Hg.): Maria in den Konfessionen (Berns)
  • M. BERGENGRUEN: Die Formen des Teufels (Kufner)
  • I. SCHEITLER: Opitz musikalisch (Martinec)
  • S. VON BIRKEN: Amalfis (Rohmer)
  • A. M. VILENO, R. WILKINSON (Hg.): Messias Puer (Zeller)
  • Adressen der Autoren

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Gerold Necker und Maximilian de Molière

Der Sulzbacher Druck des syrischen Neuen Testaments (1684) in kulturgeschichtlicher Perspektive

Im Jahr 1684 erschien in Sulzbach eine syrische Übersetzung des Neuen Testaments, Novum Domini Nostri Jesu Christi Testamentum Syriace, herausgegeben von Christian Knorr von Rosenroth und gedruckt in hebräischen Lettern bei Johann Holst. Für die Textüberlieferung der syrischen Bibelübersetzungen spielt diese Ausgabe, die auf dem Text der Peschitta (wörtl. „die Einfache“) gemäß dem von Guy Lefèvre de La Boderie besorgten Pariser Druck von 1584 beruht,1 eine eher untergeordnete Rolle, weshalb bis jetzt auch keine Spezialuntersuchung vorliegt und sie der philologischen Forschung kaum eine Erwähnung wert war. Selbst bei den verschiedenen Zugängen zur reichhaltigen Buchproduktion am Sulzbacher Musenhof, seien es Untersuchungen zur kabbalistischen Literatur oder der Blick auf das Druckhandwerk im Allgemeinen, wurde das syrische Neue Testament bis vor kurzem nicht berücksichtigt.2 Den entscheidenden Impuls gab eine Entdeckung in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel: Knorr von Rosenroths verschollen geglaubtes und dort aufgefundenes Werk Messias Puer, ein in Dialogform gehaltener Bibelkommentar zu Jesu Kindheit, bezieht sich ←9 | 10→explizit auf die in Sulzbach gedruckte syrische Übersetzung als neutestamentliche Textgrundlage.3 Aus dem spontanen Kontakt des Entdecker-Teams, Dr. Anna Maria Vileno und Prof. Dr. Robert J. Wilkinson, zur Präsidentin der Christian-Knorr-von-Rosenroth-Gesellschaft, Prof. Dr. Rosmarie Zeller, entstand die Idee, auf der 32. Jahrestagung der Gesellschaft das syrische Neue Testament mit seinen orientalistischen und kabbalistischen Perspektiven ins Programm zu nehmen. Diese doppelte Fokussierung eröffnete ein breites Spektrum kulturwissenschaftlicher Fragestellungen, und bot die Chance eines interdisziplinären Austauschs, der selten genug genau diese beiden Bereiche zusammenführt. Glücklicherweise konnten trotz der Einschränkungen während der Corona-Epidemie namhafte Expertinnen und Experten auf beiden Gebieten aus Israel, Italien, Belgien, England und Deutschland gewonnen werden.

So verschieden die philologischen Aspekte und der esoterische Hintergrund bei der Frage nach dem Kontext des Sulzbacher Drucks von 1684 auch sind, Gemeinsamkeiten finden sich schon früh in der orientalischen und europäischen Geschichte syrischer Bibelüberlieferungen. Vor allem ab der Renaissance griff eine universalistische Auffassung Platz, die nicht nur Philologie und Kabbala verband, sondern auch dem Syrischen als kulturgeschichtlich erfolgreichem aramäischen Dialekt einen besonderen Stellenwert durch die Gleichsetzung – de facto aber nur Verwandtschaft – mit der aramäischen Muttersprache Jesu gab. Der historische Ausgangspunkt dieser Entwicklung kam durch die Transformation hebräischer und aramäischer Texte in das kulturelle Milieu der syrischen Kirche zustande, die auch mit der griechischen Bildungstradition vertraut war. Die wirkmächtigste der syrischen Bibelübersetzungen, die Peschitta, die bis zum frühen 5. Jahrhundert im antiken Edessa ihre endgültige Gestalt gefunden hatte, zeigt bei den alttestamentlichen Schriften – die direkt aus dem Hebräischen und nicht über den Umweg der Septuaginta übersetzt wurden – eine Nähe zur jüdischen Auslegungstradition der aramäischen Bibelübersetzungen (Targumim), und bei den neutestamentlichen scheint immerhin noch der judäo-christliche Hintergrund der ←10 | 11→alt-syrischen Version durch.4 Die vielfältigen Beziehungen zwischen Judentum und orientalischem Christentum stellen jedenfalls einen wichtigen Knotenpunkt der sich fortsetzenden Verflechtungen des biblischen Erbes dar.5 Ein Desiderat interdisziplinärer Forschung betrifft die erst ansatzweise aufgegriffene Fragestellung, welche Auswirkungen sich dabei auf die esoterischen Überlieferungen in der Spätantike ergaben. Mit Sicherheit wird man auch bei diesem Thema noch zwischen ganz unterschiedlichen und auch voneinander unabhängigen Traditionen differenzieren müssen,6 aber es scheint sich herauszukristallisieren, dass die Alphabet-Spekulationen, welche in der Geschichte der jüdischen Mystik die Übergangszeit von der Spätantike bis zu den mittelalterlichen Zentren in Europa prägten, eine jener Gemeinsamkeiten darstellen, die man auf Wechselwirkungen zwischen jüdischen und christlichen Traditionen zurückführen kann.7

In der weiteren Rezeptionsgeschichte war die Editio princeps des syrischen Neuen Testaments, Liber Sacrosancti Evangelii De Jesu Christo Domino et Deo nostro, Wien 1555, herausgegeben von Johann Albrecht Widmanstetter (1506-1557) u.a. unter Mitarbeit des syrischen Gelehrten Moses von Mardin,8 ein Meilenstein und erster sichtbarer Erfolg der sich langsam formierenden Orientalistik, zu deren Protagonisten vor allem Teseo Ambrogio (1469-1540) und Kardinal Egidio da Viterbo (1469-1532) gehörten.9 Beteiligt waren außerdem der französische Mystiker Guillaume Postel (1510-1581), der eine kabbalistische Philologie ←11 | 12→sui generis initiierte,10 sowie der flämische Humanist Andreas Masius, der u.a. den dreibändigen Kommentar des Moses bar Kepha (gest. 903) zum Paradies ins Lateinische übersetzte, womit ein erster Schritt zum Studium der syrischen Literatur in größerer Breite getan war.11 Sie alle verband das Interesse an kabbalistischen Lehren, die in dieser Zeit neue Metamorphosen erlebten und anhand von lateinischen Übertragungen, wie sie bereits von Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) in großem Stil in Auftrag gegeben worden waren, auch als eigene Disziplin einer christlichen Kabbala Gestalt annahmen. Der gemeinsame Bezugspunkt war das weitgehend auf Aramäisch geschriebene Hauptwerk der mittelalterlichen Kabbala, Sefer ha-Zohar (Buch des Glanzes), plakativ veranschaulicht in einem christianisierten „Baum der Sefirot“, d.h. einem mit dem Kreuz verbundenen Diagramm der kabbalistischen Wesensmerkmale bzw. Manifestationen der Gottheit, das in der Editio princeps abgedruckt wurde.12 Die traditionelle Zuschreibung des umfangreichen, im Hauptteil formal als Kommentar zur Tora angelegten Sefer ha-Zohar an Rabbi Schimon bar Jochai aus dem 2. Jahrhundert trug ihren Teil dazu bei, dass im katholischen Milieu der europäischen Pioniere der Syrologie nicht nur eine formal-sprachliche und aus ihrer Sicht inhaltlich begründete, sondern auch eine zeitliche Nähe zwischen jüdischer Esoterik und neutestamentlichen Zeugnissen hergestellt wurde.

In philologischer Hinsicht spielte in der Renaissance ein neues, oder genauer, ein wieder zum Leben erwecktes wissenschaftliches Genre eine kaum zu überschätzende Rolle: die sog. Polyglotten, die nach dem Vorbild von Origines‘ Hexapla nicht nur einen mehrsprachigen Zugang zu den Büchern der Bibel bieten wollten, sondern mit unterschiedlichen, synoptisch angeordneten Textausgaben ein wichtiges Hilfsmittel für die textkritische Arbeit darstellten und auch noch Lexika und Grammatiken ←12 | 13→als eine Art supplementa zur Heiligen Schrift inkorporierten. Erst die humanistische Bewegung und die technischen Fortschritte im Druckhandwerk hatten diese kulturellen Meisterleistungen möglich gemacht. Die spanische Polyglotte, die sog. Complutense, die in den Jahren 1514-1517 an der Universität Alcalá de Henares erstellt und von Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros herausgegeben wurde, stellte dem masoretischen Bibeltext eine revidierte Ausgabe der Vulgata sowie Septuaginta und Targum Onkelos mit lateinischen Übersetzungen gegenüber und integrierte erstmals eine Ausgabe des griechischen Neue Testaments, dessen Drucklegung 1514 der Veröffentlichung von Erasmus von Rotterdams Editio princeps damit um zwei Jahre vorausging.13 Auf dieser Basis ließ Benito Arias Montano unter dem Patronat des spanischen Königs Philipp II. von 1569-1572 in Antwerpen die sog. Biblia Regia in acht Bänden als erweiterte Neuausgabe der Complutensis im Verlag des Christophus Plantinus (der den Anstoß gegeben hatte) drucken, die wie Widmannstetters Editio princeps einen vokalisierten syrischen Text des Neuen Testaments enthielt, den der französische Orientalist und Poet Guy Lefèvre de la Boderie verantwortete. Dieser publizierte dann 1584 separat, wie bereits erwähnt, das unpunktierte, aber mit textkritischem Apparat ausgestattete Novum J. Chr. Testamentum, syriace litteris hebraicis, cum versione Latin interlineari, auf das Knorr hundert Jahre später zurückgriff.14 Die Einbeziehung von samaritanischen und arabischen Texten – aber leider nicht die Sorgfalt des Drucks – zeichnete schließlich die Pariser Polyglotte von 1629-1645 aus, für die der Herausgeber Guy Michel Le Jay ein wissenschaftliches Team engagierte, das mit dem maronitischen Gelehrten Gabriel Sionita auch über die sprachliche Kompetenz für syrische und arabische Schriften verfügte. Der Höhepunkt philologischer und typographischer Arbeit wurde aber mit der von dem Theologen Brian Walton, des späteren Bischofs von Chester, in den Jahren 1653 bis 1658 herausgegebenen Londoner Polyglotte erreicht, die sowohl quantitativ wie qualitativ ihre Vorgängerinnen übertraf, persische und äthiopische Texte hinzunahm, mit Kupferstichen eine künstlerische Ausstattung bot und verkaufstechnisch mit einem Subskriptionsverfahren neue Maßstäbe setzte. Die schon vor der Reformation einsetzenden ←13 | 14→geistesgeschichtlichen Synergie-Effekte des Humanismus offenbarten sich im Barockzeitalter auf allen Ebenen kultureller Vielfalt.

Christian Knorr von Rosenroth war 48 Jahre alt,15 als sein editorisches Projekt, das gern als Synthese von christlicher Theologie, jüdischer Mystik und philologischer Sorgfalt beschrieben wird, mit der Publikation der syrischen Übersetzung des Neuen Testaments sowie mit dem zweiten Band seiner Kabbala Denudata glänzende (wenngleich nicht unbedingt finanzielle) Erfolge feiern konnte; auch die Sulzbacher Edition des Sefer ha-Zohar von 1684, an der er beteiligt war, zählt dazu.16 Wie in einem Brennglas werden bei diesen Aktivitäten spirituelle und wissenschaftliche Motivationen sichtbar, deren heterodoxe Ansätze sowohl bei der weiteren Frömmigkeitsgeschichte, zumal beim Pietismus, als auch bei akademischen Entwicklungen Spuren hinterlassen haben.

Ausgangspunkt der zehn Tagungsbeiträge ist der syrische Kontext am Ende der Spätantike, für den Tzahi Weiss die jüdische Perspektive in den Bick nimmt. Er zeigt auf, dass die schöpfungstheologische Thematik des Sefer Jetzira (Buch der Formung), das zur Grundlagenschrift der Kabbala avancierte, eine Parallele in syrischen Texten aus dem sechsten und siebten Jahrhundert hat, die von der Erschaffung der Welt mit den 22 Buchstaben des Alphabets handeln. Weiss gelingt es, den Entstehungszusammenhang des Sefer Jetzira in dieser Zeit für eine syrisch-christliche Umgebung auch anhand terminologischer Details plausibel zu machen.

In Saverio Campaninis Beitrag wird die frühneuzeitliche Rezeption des syrischen Neuen Testaments in den Blick genommen. Campanini zeichnet das Wirken des Augustinermönchs Teseo Ambrogios nach, dessen Einführung in das Syrische 1529 in Pavia gedruckt wurde; diese Introductio in Chaldaicam linguam, Syriacam atque Armeniacam enthält eine Sammlung verschiedener Alphabete sowie kabbalistische Erklärungen, die Ambrogio nach Campanini aus Egidio da Viterbos unveröffentlichten Interpretationen schöpfte. Campanini verdeutlicht, wie ←14 | 15→wirkmächtig Ambrogios Werk in seiner Zwischenstellung nach der Blütezeit christlicher Kabbala und vor der Ausprägung der semitischen Sprachwissenschaften wurde.

Pier Giorgio Borbone widmet sich in seinem Aufsatz einer der faszinierendsten Figuren des sechzehnten Jahrhunderts, die syrische Gelehrsamkeit an europäische Orientalisten weitergaben, dem syrischen Gelehrten Moses von Mardin. Der Beitrag zeichnet Moses Tätigkeit in Rom, Venedig und Wien nach, wo er als Syrischlehrer und Mitherausgeber des syrischen Neuen Testaments wirkte. Aus Briefen, Notizbüchern und anderen Quellen setzt Borbone das Bild dieses Experten der syrischen Sprache und selbsternannten Geistlichen zusammen.

Den Mitherausgebern Moses von Mardins am syrischen Neuen Testament (Wien, 1555) geht Maximilian de Molière nach. Dieser Druck enthält eine Graphik, die eine christliche Interpretation der Kabbala abbildet: ein Baum der zehn Sefirot dessen Bestandteile mit Elementen der Kreuzigung Jesu korrespondieren. Diese innovative Darstellung wurde bislang Guillaume Postel zugeschrieben. Molière greift auf neu entdeckte Zeichnungen von der Hand Johann Albrecht Widmanstetters und einschlägige Randnotizen in dessen Bibliothek zurück, um auf dessen starkes Interesse an der Sefirotlehre hinzuweisen und insgesamt eine Neubewertung der Urheberschaft anzuregen.

Spätere christlichen Herausgeber druckten das syrische Neue Testament in hebräischen Buchstaben – zum einen war dies technisch einfacher als der Druck mit syrischen Typen. Zum anderen hoffte man, mit einer Ausgabe des Neuen Testaments in einer für gebildete Juden verständlichen Sprache der Judenmission neue Impulse geben zu können. Níels Páll Eggerz untersucht in seinem Aufsatz polemische Randbemerkungen, die er in einem syrischen Neuen Testament mit hebräischen Lettern entdeckte, und weist auf die sprachlichen Adaptionen aus der antichristlichen Polemik Chizzuk Emuna hin. Wie dieses Exemplar zeigt, nutzten Juden solche Ausgaben, um die Heilige Schrift der Christen auf etwaige Widersprüche hin zu prüfen und mit den klassischen Werken der jüdischen Polemik abzugleichen.

Im Mittelpunkt des Beitrags von Robert Wilkinson steht dann Christian Knorr von Rosenroths Peschitta-Ausgabe selbst. Wie wichtig Knorrs Ausgabe für sein Programm zur Förderung der jüdisch-christlichen Annäherungen war, kann Wilkinson im Kontext von Knorrs anderen Veröffentlichungen belegen. Eine Schlüsselrolle nimmt das von ihm ←15 | 16→gemeinsam mit Anna Maria Vileno edierte Werk Messias Puer ein. Wilkinson analysiert, in welcher Weise sich Knorr die linguistischen Ähnlichkeiten des syrischen Neuen Testaments mit dem Aramäischen des Zohar für seine Exegese zunutze machte.

Anna Maria Vilenos Beitrag setzt die Untersuchung von Knorrs Messias Puer fort und beschreibt dieses letzte Werk Knorrs, das vermutlich 1689 kurz vor seinem Tod entstand, als dessen umfassendste Ausarbeitung eines lebenslangen Projekts. Die geduldige Arbeit Knorrs an seinem philologischen Werk kann, wie er selbst vorschlug, als pädagogischer Weg betrachtet werden, der sich am Potential der syrischen Sprache für kabbalistische Interpretationen orientiert und seiner Meinung nach den besten Zugang zur Lektüre des Zohar eröffnet.

Gerold Necker analysiert einen Eintrag in Knorrs Lexicon cabbalisticum, der einerseits Aufschluss über die bisher unbekannten lurianischen Manuskripte gibt, die dort verarbeitet wurden, andererseits Bezüge zu einer kabbalistischen Tradition herstellt, die im Werk des Nachmanides (1194-1270) im Kontext von dessen Referenz auf die syrische Übersetzung der apokryphen Schrift Sapientia Salomonis steht.

Rosmarie Zeller betrachtet das publizistische Werk Knorrs aus der Warte der beteiligten Verleger. Hierbei wertet sie den Briefverkehr Knorrs mit Johann Jakob Schütz aus, der wichtige Einblicke in den Druck und den Vertrieb der Kabbala Denudata und anderer Werke wie der Evangelienharmonie gewährt. Nach Zeller rief der Verkauf von Knorrs Schriften nicht das von diesem erwartete positive Echo hervor, da seine christlichen Zeitgenossen die theologisch unorthodoxen Ideen nicht vorbehaltlos akzeptieren wollten bzw. als zu heikel ablehnten. In Franciscus Mercurius van Helmont sieht Zeller im Licht dieser Quellen einmal mehr den größten Fürsprecher und aktiven Unterstützer von Knorrs Werk.

Matthias Morgenstern präsentiert abschließend mit seinem Aufsatz ein wichtiges Beispiel für die neuere Rezeption des syrischen Neuen Testaments. Unter der Leitung des Tübinger Theologen Otto Michel machte sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ein Forscherteam daran, unter Zuhilfenahme der Peschitta das Neue Testament in aramäischer Sprache zu rekonstruieren. Ziel war unter anderem auf diesem Weg den ipsissima verba Jesu möglichst nahe zu kommen. Morgenstern stützt seine Darstellung auf den Nachlass des Neutestamentlers Otto Wilhelm Betz (1917-2005), um die politischen, philologischen und ←16 | 17→auch pietistischen Verwicklungen und Schwierigkeiten dieses Projekts nachzuzeichnen.

Unser Dank gilt der finanziellen Förderung durch #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland e.V. aus Mitteln das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, sowie der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Seminar für Judaistik/Jüdische Studien der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dank des tatkräftigen Einsatzes von Johannes Hartmann, Stadtarchivar von Sulzbach-Rosenberg, fand die Tagung und das musikalische Rahmenprogramm in einer für Pandemiezeiten ungewohnt unbelasteten Atmosphäre der Gastfreundschaft statt; wie immer zeichnet er auch für den Satz des Tagungsbandes verantwortlich. Zum Thema der Tagung kuratierte Dr. Bill Rebiger dankenswerterweise eine begleitende Ausstellung von Sulzbacher Drucken. Bei der Bayerischen Staatsbibliothek München bedanken wir uns für die freundliche Leihgabe einiger Sulzbacher Drucke, die von Johannes Hartmann und Maximilian de Molière zur Ausstellung begleitet wurden. Auch Frau PD Dr. Elke Morlok sei für die Hilfe beim Transport von Drucken aus Heidelberg für die Sulzbacher Ausstellung gedankt.

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1 Anna M. Vileno und Robert J. Wilkinson: Die Peschitta von 1684 im Kontext des Werkes von Christian Knorr von Rosenroth als Beitrag zu einem „kabbalistischen Christentum“. In: Morgen-Glantz 28 (2018), 201-230, hier S. 210-214. Vgl. auch Robert J. Wilkinson: Les éditions imprimées de la Peshitta syriaque du Nouveau Testament. In: Le Noveau Testament en syriaque. Hg. von Jean-Claude Haelewyck. Paris 2017, S. 269-289.

2 Zum Buchdruck in Sulzbach vgl. Ernst Rohmer: Buchdruck in Sulzbach im Kontext des 17. Jahrhunderts. Morgen-Glantz 30 (2020), S. 9-16 und die bibliographischen Angaben dort sowie die anderen Beiträge in diesem Band; zur Kabbala vgl. Die Kabbala Denudata. Text und Kontext. Hg. von Andreas B. Kilcher. In: Morgen-Glantz 16 (2006). Die erste genaue Beschreibung und Einordnung in den Sulzbacher Kontext gab der Aufsatz von Anna Maria Vileno und Robert J. Wilkinson (wie Anm.1).

3 Vgl. Anna M. Vileno, Robert J. Wilkinson: Messias Puer: Christian Knorr von Rosenroth’s Lost Exegesis of Kabbalistic Christianity. Editio princeps plena with Translation and Introduction. Leiden 2021. Siehe auch die Beiträge von Vileno und Wilkinson in diesem Band.

4 Vgl. Sebastian Brock: Jewish Traditions in Syriac Sources. In: Journal of the Study of Judaism 30 (1979), S. 212-232.

5 Vgl. Sergey Minov: Syriac. In: A Guide to Early Jewish Texts and Traditions in Christian Transmission. Hg. Alexander Kulik. New York 2019, S. 95-138; Jews and Syriac Christians: Intersections across the First Millenium. Hg. von Aaron Michael Butts und Simcha Gross. Tübingen 2020; Michal Bar-Asher Siegal. Judaism and Syriac Christianity. In: The Syriac World. Hg. von Daniel King. New York 2018, S. 146-156.

6 Das betrifft z.B. den Bereich der Magie, der für das babylonische Judentum mit Amuletten und Zauberschalen materialreich dokumentiert ist, vgl. die Bibliographie bei Gideon Bohak: Jewish Amulets, Magic Bowls, and Manuals in Aramaic and Hebrew. In: Guide to the Study of Ancient Magic. Hg. v. David Frankfurter. Leiden 2019.

7 Vgl. Tzahi Weiss: Sefer Yeṣirah and its Contexts: Other Jewish Voices. Philadelphia 2018, sowie seinen Beitrag in diesem Band.

8 Nähere Angaben zu Moses von Mardin finden sich im Beitrag von Pier Giorgio Borbone.

Details

Seiten
362
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783034346641
ISBN (ePUB)
9783034346658
ISBN (Paperback)
9783034346573
DOI
10.3726/b20409
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
Allegorie Epochensignatur Frühe Neuzeit Personifikation Theater
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 362 S., 14 s/w Abb., 2 Tab.

Biographische Angaben

Rosmarie Zeller (Band-Herausgeber:in)

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Titel: Morgen-Glantz 32 (2022)
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