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Die Rolle des Steuerberaters im elektronischen Veranlagungsverfahren

von Lisa Klüger (Autor:in)
©2023 Dissertation 568 Seiten

Zusammenfassung

Das elektronische Veranlagungsverfahren ist mit vielen Neuerungen für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung, aber auch für Steuerberater verbunden. So ergeben sich neue Fragestellungen im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung der Steuererklärung, der E-Bilanz, dem Umgang mit der Einreichung von Belegen im Rahmen der Abgabe von Steuererklärungen, dem Freitextfeld sowie den Daten, die von Dritten gemeldet und elektronisch abgerufen werden können. Die Prüfung von etwaigen straf- und haftungsrechtlichen Gefahren sowie berufsrechtlichen Aspekten für Steuerberater steht im Fokus dieser Arbeit. Hierdurch wird aufgezeigt, inwieweit sich durch den Wandel zum „E-Government" neue Funktionen für Steuerberater ergeben und sich Verantwortlichkeiten verschieben.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • 1. Kapitel: Einführung
  • A. Problemstellung und Gang der Untersuchung
  • B. Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren
  • I. Allgemeine Mitwirkung des Beteiligten bei der Sachverhaltsermittlung
  • II. Steuererklärungspflichten des Steuerpflichtigen
  • III. Vorlage von Unterlagen im Veranlagungsverfahren durch die Beteiligten und andere Personen
  • IV. Berichtigung von Erklärungen durch den Steuerpflichtigen
  • C. Pflichtenkanon des Steuerberaters
  • I. Historische Entwicklung der Rolle des Steuerberaters
  • II. Abgabenrechtliche Pflichten und Obliegenheiten des Steuerberaters im Veranlagungsverfahren
  • 1. Allgemeine Mitwirkungspflichten und Steuererklärungspflichten
  • 2. Steuerrechtliche Haftungstatbestände
  • 3. Anzeigepflichten und Pflichten für Datenübermittler
  • III. Zivilrechtliche Pflichten und Obliegenheiten des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten
  • 1. Umfang des Mandats basierend auf dem Steuerberatungsvertrag
  • 2. Interessenvertretung
  • 3. Sachverhaltsaufklärung
  • 4. Rechtsprüfung
  • 5. Schadensverhütungspflicht
  • IV. Berufspflichten und -obliegenheiten des Steuerberaters
  • 1. Unabhängigkeit
  • 2. Eigenverantwortlichkeit
  • 3. Gewissenhaftigkeit
  • 4. Verschwiegenheit
  • V. Pflichten des Steuerberaters aus strafrechtlicher Sicht
  • 1. Verhältnis zu den übrigen Pflichten des Steuerberaters
  • 2. Steuerhinterziehung durch aktives Tun
  • 3. Steuerhinterziehung durch Unterlassen
  • 4. Leichtfertige Steuerverkürzung
  • 2. Kapitel: Elektronische Übermittlung von Steuererklärungen und Steueranmeldungen
  • A. Gesetzliche Grundlagen der elektronischen Übermittlungspflicht
  • I. Zweck
  • II. Gesetzliche Übermittlungspflichten
  • III. Verfahren
  • IV. Unterschriftserfordernisse
  • B. Elektronische Datenübermittlung durch den Steuerpflichtigen
  • I. Auswirkungen bei Nichtabgabe in elektronischer Form
  • 1. Zwangsmittel
  • 2. Schätzung
  • 3. Verspätungszuschläge
  • 4. Steuermehrbelastungen durch späteren Verjährungsbeginn
  • 5. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • II. Härtefallregelungen
  • C. Elektronische Datenübermittlung durch den Steuerberater
  • I. Zulässigkeit des Auftrags zur elektronischen Datenübermittlung durch den Steuerberater
  • II. Auswirkungen für Steuerberater bei Nichtabgabe in elektronischer Form
  • 1. Zivilrechtliche Haftung für Verspätungszuschläge, Zwangsmittel und einen Steuerschaden durch späteren Verjährungsbeginn
  • 2. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • III. Härtefallregelungen für Steuerberater
  • IV. Pflichten und Obliegenheiten für Steuerberater im Rahmen der elektronischen Datenübermittlung
  • 1. Zurverfügungstellung der Daten nach § 87d Abs. 3 AO
  • 2. Zurverfügungstellung der Formulare
  • a) Obliegenheit des Steuerberaters zur Zurverfügungstellung der Formulare
  • b) Haftung für den Steuerschaden mangels Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei fehlerhafter Festsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen
  • c) Haftung für den Zinsschaden bei späterer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei fehlerhafter Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen
  • d) Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • 3. Richtige und vollständige Übermittlung nach § 72a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO
  • 4. Identifikation nach § 87d Abs. 2 AO und § 72a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO
  • V. Straf- und bußgeldrechtliche Zurechnung der Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • 1. Täterschaft bei der Steuererklärung auf amtlichen Vordrucken
  • 2. Täterschaft bei elektronischer Übermittlung
  • 3. Auswirkungen einer Bestätigung des Mandanten zur Vollständigkeit und Richtigkeit
  • VI. Strafrechtliche Pflichten des Steuerberaters im Zusammenhang mit § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
  • VII. Auswirkungen auf die Berichtigungspflicht nach § 153 AO
  • D. Zwischenergebnis
  • 3. Kapitel: Erstellung und Übermittlung der E-Bilanz
  • A. Gesetzliche Grundlagen der E-Bilanz
  • I. Zweck
  • II. Pflicht zur Übermittlung der E-Bilanz
  • III. Verfahren
  • B. Übermittlung der E-Bilanz durch den Steuerpflichtigen
  • I. Auswirkungen bei Nichtübermittlung der E-Bilanz
  • 1. Zwangsmittel
  • 2. Schätzung
  • 3. Verspätungszuschläge
  • 4. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • II. Härtefallregelungen
  • C. Übermittlung der E-Bilanz durch den Steuerberater
  • I. Zulässigkeit des Auftrags zur elektronischen Datenübermittlung durch den Steuerberater
  • II. Auswirkungen für Steuerberater bei Nichtübermittlung der E-Bilanz
  • 1. Zivilrechtliche Haftungsgefahren
  • 2. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • III. Härtefallregelungen für Steuerberater
  • D. Straf- und bußgeldrechtliche Zurechnung der Angaben der E-Bilanz
  • E. Pflichten und Obliegenheiten für Steuerberater im Rahmen der Erstellung und Übermittlung der E-Bilanz
  • I. Prüfung der E-Bilanz und Verbesserung des Risikofaktors durch den Steuerberater
  • 1. Verpflichtung des Steuerberaters zur Tax-Compliance-Beratung
  • 2. Maßnahmen zur Verbesserung des Risikofaktors
  • a) Freiwillige Übermittlung von ergänzenden Daten
  • b) Vermeidung von Auffangpositionen
  • c) Angabe zu zugrunde liegenden Rechtsauffassungen
  • II. Pflichten für Steuerberater im Rahmen der Datenübermittlung
  • 1. Zurverfügungstellung der Daten nach § 87d Abs. 3 AO
  • 2. Identifikation nach § 87d Abs. 2 AO
  • 3. Richtige und vollständige Übermittlung nach § 72a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO
  • F. Zwischenergebnis
  • 4. Kapitel: Aufbewahrung und Vorlage von Belegen
  • A. Gesetzliche Grundlagen zur Aufbewahrung und Vorlage von Belegen
  • I. Aufbewahrungspflichten
  • II. Vorlagepflichten
  • III. Beweisführungspflichten
  • B. Belegvorlage und Belegvorhaltung durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der elektronischen Steuererklärung
  • I. Belegvorhaltung statt Belegvorlage
  • II. Auswirkungen bei fehlender Belegvorlage im Rahmen der Steuererklärung
  • 1. Zinszahlungen infolge einer Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder § 173a AO bei fehlerhaften Steuerbescheiden zugunsten des Steuerpflichtigen
  • 2. Steuermehrbelastung mangels Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 173a AO bei fehlerhaften Steuerbescheiden zuungunsten des Steuerpflichtigen
  • 3. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • III. Auswirkungen bei fehlender Belegvorhaltung
  • C. Belegvorhaltung und Belegvorlage durch den Steuerberater im Rahmen der elektronischen Steuererklärung
  • I. Pflicht zur Belegvorlage durch den Steuerberater
  • II. Auswirkungen für Steuerberater bei fehlender Belegvorlage im Rahmen der Steuererklärung
  • 1. Haftung für den Zinsschaden infolge einer späteren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • 2. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • III. Auswirkungen für Steuerberater bei fehlender Belegvorhaltung
  • D. Zwischenergebnis
  • 5. Kapitel: Notwendige Inhalte des Freitextfelds
  • A. Gesetzliche Grundlagen des Freitextfelds
  • B. Angabe von abweichenden Verwaltungsauffassungen im Freitextfeld durch den Steuerpflichtigen
  • I. Pflicht zur Angabe von abweichenden Verwaltungsauffassungen
  • II. Auswirkungen bei Nichtangabe abweichender Verwaltungsauffassungen
  • 1. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • 2. Zinszahlungen infolge einer späteren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • C. Angabe von abweichenden Verwaltungsauffassungen im Freitextfeld durch den Steuerberater
  • I. Pflicht des Steuerberaters zur Angabe von abweichenden Verwaltungsauffassungen
  • II. Auswirkungen für Steuerberater bei Nichtangabe abweichender Verwaltungsauffassungen
  • 1. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • 2. Haftung für den Zinsschaden infolge einer späteren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • D. Verweis auf Anlagen und Begleitschreiben im Freitextfeld durch den Steuerpflichtigen
  • I. Pflicht oder Obliegenheit zum Verweis auf Anlagen und Begleitschreiben
  • II. Auswirkungen bei Übersendung von Anlagen oder Begleitschreiben ohne Verweis im Freitextfeld
  • 1. Zinszahlungen infolge einer späteren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • 2. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • E. Verweis auf Anlagen und Begleitschreiben im Freitextfeld durch den Steuerberater
  • I. Pflicht oder Obliegenheit des Steuerberaters zum Verweis auf Anlagen und Begleitschreiben
  • II. Auswirkungen für Steuerberater bei Übersendung von Anlagen oder Begleitschreiben ohne Verweis im Freitextfeld
  • 1. Haftung für den Zinsschaden infolge einer späteren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • 2. Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • F. Zwischenergebnis
  • 6. Kapitel: Prüfung der von Dritten elektronisch übermittelten Daten
  • A. Gesetzliche Grundlagen der Datenübermittlung durch Dritte
  • I. Pflichten zur Datenübermittlung
  • II. Zweck der Datenübermittlung durch Dritte
  • B. Datenabgleich der von Dritten übermittelten Daten
  • I. Datenabgleich durch den Steuerpflichtigen
  • 1. Verpflichtung zum Datenabgleich
  • 2. Möglichkeit und Umfang des Datenabgleichs
  • 3. Auswirkungen bei fehlendem Datenabgleich
  • a) Steuermehrbelastung bei fehlerhafter Festsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen mangels Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 175b Abs. 2 AO
  • b) Zinszahlungen infolge einer Änderungsmöglichkeit des Finanzamtes bei fehlerhafter Festsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder § 175b Abs. 1 AO
  • c) Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • 4. Auswirkungen bei abweichender Angabe in der Steuererklärung und Festsetzung der elektronischen Daten durch die Finanzverwaltung
  • a) Steuermehrbelastung bei Festsetzung der elektronischen Daten, die sich zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken
  • b) Zinszahlungen infolge einer Änderungsmöglichkeit des Finanzamtes bei Festsetzung der elektronischen Daten, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken
  • c) Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • II. Datenabgleich durch den Steuerberater
  • 1. Verpflichtung des Steuerberaters zum Datenabgleich
  • 2. Umfang des Datenabgleichs durch den Steuerberater
  • 3. Auswirkungen für Steuerberater bei fehlendem Datenabgleich oder beim Nichterkennen von falschen Daten im Steuerbescheid
  • a) Haftung für Mehrsteuern bei fehlerhafter Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen
  • b) Haftung für den Zinsschaden bei späterer Änderung des Steuerbescheides nach fehlerhafter Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen
  • c) Straf- und bußgeldrechtliche Auswirkungen
  • C. Pflege der Vollmachtsdatenbank
  • I. Voraussetzungen für die Nutzung der Vollmachtsdatenbank
  • II. Erforderlichkeit von separaten Vollmachten
  • III. Auswirkungen für Steuerberater bei Formverstößen
  • 1. Bußgeld nach § 383b Abs. 1 AO
  • 2. Strafrechtliche Gefahren
  • 3. Berufspflichtverletzung
  • D. Zwischenergebnis
  • 7. Kapitel: Die Rolle des Steuerberaters im elektronischen Veranlagungsverfahren der Zukunft
  • A. Das strukturelle Vollzugsdefizit im elektronischen Veranlagungsverfahren
  • I. Verantwortlichkeiten im Rahmen der §§ 88 ff. AO
  • 1. Strukturelles Vollzugsdefizit
  • 2. Verschiebung von Pflichten und Verantwortlichkeiten im Veranlagungsverfahren
  • II. Risikomanagementsystem im Kontext des Amtsermittlungsgrundsatzes
  • 1. Zweck des Risikomanagementsystems
  • 2. Rechtsgrundlage und Inhalte des Risikomanagementsystems
  • 3. Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Risikomanagementsystem
  • 4. Verifikation der Angaben in der Steuererklärung durch das Risikomanagementsystem
  • 5. Gefährdung des Steuervollzugs im elektronischen Veranlagungsverfahren
  • III. Elektronisches Veranlagungsverfahren als faktisches Selbstveranlagungssystem
  • 1. Zulässigkeit eines Selbstveranlagungssystems
  • 2. Mitwirkungspflichten in einem Selbstveranlagungssystem
  • 3. Realisierbarkeit eines Selbstveranlagungssystems
  • B. Die Funktion des Steuerberaters im elektronischen Veranlagungsverfahren
  • I. Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Steuerberaters durch den Staat
  • 1. Zulässigkeit und Erfordernis der Inanspruchnahme Privater im Steuerverfahren
  • 2. Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Steuerberaters im Steuerverfahren
  • II. Die Organstellung des Steuerberaters im Kontext des elektronischen Veranlagungsverfahrens
  • 1. Die Organstellung des Steuerberaters
  • 2. Auswirkungen der Organstellung auf die Rolle des Steuerberaters im Veranlagungsverfahren
  • III. Prüfung einer strafrechtlichen Garantenstellung des Steuerberaters
  • 1. Anwendung von § 13 StGB bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
  • 2. Allgemeine Garantenpflichten basierend auf der beruflichen Stellung des Steuerberaters
  • 3. Vergleichbarkeit des Steuerberaters mit einem Compliance Officer und etwaige Auswirkungen für die Garantenpflichten
  • 4. Garantenstellung aus Ingerenz
  • C. Vorschläge zur Umsetzung eines effizienten elektronischen Veranlagungsverfahrens unter Berücksichtigung der steuerlichen Beratung
  • I. Risikomanagementsystem
  • 1. Veröffentlichung der Kriterien und Überprüfung des Risikomanagementsystems
  • 2. Berücksichtigung des Steuerberaters als positiven Faktor im Risikomanagementsystem
  • II. Neugestaltung des elektronischen Steuererklärungsformulars
  • 1. Überarbeitung der Inhalte der elektronischen Steuererklärung und Aufnahme von Erläuterungen
  • 2. Neugestaltung der „Freizeichnung Online“ bei elektronischer Übermittlung
  • 3. Vermeidung von Medienbrüchen durch Anfügen von Belegen
  • III. Beschleunigung des Verfahrens
  • 1. Anpassung der Korrekturvorschriften von Steuerbescheiden
  • 2. Zeitnahe Außenprüfung
  • IV. Förderung der steuerlichen Beratung
  • 1. Verpflichtung zur Inanspruchnahme steuerlicher Beratung
  • 2. Steuermindernde Berücksichtigung von Steuerberatungskosten
  • 3. Anpassung der StBVV
  • V. Zivilstrafen statt Kriminalstrafen
  • D. Zwischenergebnis
  • E. Ausblick
  • Zusammenfassende Thesen
  • A. Elektronische Übermittlung von Steuererklärungen und Steueranmeldungen
  • B. Erstellung und Übermittlung der E-Bilanz
  • C. Aufbewahrung und Vorlage von Belegen
  • D. Notwendige Inhalte des Freitextfelds
  • E. Prüfung der von Dritten elektronisch übermittelten Daten
  • F. Die Rolle des Steuerberaters im elektronischen Veranlagungsverfahren der Zukunft
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

BBK

Buchführung, Bilanzierung, Rechnungswesen

beBPo

besonderes Behördenpostfach

BOStB

Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer

BStBK

Bundessteuerberaterkammer

DIVA

Digitaler Verwaltungsakt

DStJG

Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft

E-Bilanz

Elektronische Bilanz

E-Government

Electronic Government

ELSTER

Elektronische Steuererklärung

EriC

Elster Rich Client

EÜR

Einnahmen-Überschuss-Rechnung

FAQ

Frequently Asked Questions

GAAP-Modul

Generally Accepted Accounting Principles - Modul

GCD-Modul

Global Common Data - Modul

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

IFSt

Institut für Finanzen und Steuern

IKS

Internes Kontrollsystem

jurisPR SteuerR

Juris Praxisreport Steuerrecht

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

KONSENS

Koordinierte Neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung

kösdi

Kölner Steuerdialog

NACHDiGAL

Nachreichung digitaler Belege

NIL-Werte

not in list / Nullwerte

RABE

Referenzierung Auf Belege

RAO

Reichsabgabenordnung

RMS

Risikomanagementsystem

SKR

Standardkontenrahmen

StBVV

Steuerberatervergütungsverordnung

VDB

Vollmachtsdatenbank

XBRL

eXtensible Business Reporting Language

XML

eXtensible Markup Language

VaSt

Vorausgefüllte Steuererklärung

zit.

zitiert

Im Übrigen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, Verlag Walter de Gruyter GmbH, 9. Auflage, Berlin 2018.

1. Kapitel: Einführung

A. Problemstellung und Gang der Untersuchung

Der digitale Wandel ist auch im Besteuerungsverfahren in vollem Gange. Ein automatisiertes Veranlagungsverfahren bedeutet vereinfacht gesagt in der derzeitigen Ausgestaltung, dass die Steuererklärung per Datensatz an die Finanzbehörde übermittelt wird, die Daten dort automatisiert verarbeitet werden und automationsgestützt ein Steuerbescheid ergeht.1 Doch nicht nur bei der Steuerveranlagung hält die Digitalisierung Einzug. Schon seit einigen Jahren kann man Korrespondenz mit der Finanzverwaltung, wenn auch mit einigen Sicherheitsbedenken und Problematiken bei großen oder passwortverschlüsselten Anhängen, per E-Mail führen.2 Mittlerweile ist auch eine elektronische Übermittlung der Korrespondenz über ELSTER möglich; seit dem Jahr 2020 können auch Anhänge beigefügt werden. Mit der elektronischen Außenprüfung und Durchsuchung schlagen sich die Auswirkungen der Digitalisierung auch auf weitere Elemente des Besteuerungsverfahrens nieder. Die elektronische Außenprüfung und Durchsuchung ermöglichen einen rechnerischen Abgleich der elektronischen Daten verknüpft mit einer Suche nach Stichworten in Sekundenschnelle; Zufallsfunde werden häufiger.3

Die Akzeptanz des elektronischen Besteuerungsverfahrens war anfangs gering. So wurde davon abgeraten, Steuererklärungen elektronisch zu übermitteln, da es unübersichtlich ist. Weiter fehlen die erheblichen Hinweise der amtlichen Vordrucke, sodass die herkömmlichen Steuererklärungsformulare noch immer ergänzend zu berücksichtigen sind. Dies führt im Ergebnis zu einem Effizienzverlust durch Doppelarbeiten.4 Die E-Bilanz und die elektronische Außenprüfung wurden als „Entwicklung zum gläsernen Bürger und Berater“ bezeichnet, da große Datenmengen gespeichert, analysiert, verglichen und ausgewertet werden, sodass man faktisch komplett durchleuchtet wird.5 Auch wird vom „Hunger nach Daten“ der Finanzverwaltung gesprochen.6 Es wurde sogar vorgeschlagen, die Attraktivität der elektronischen Steuererklärung durch einen Belegverzicht (wie er mittlerweile zumindest im Hinblick auf die Aufgabe der Belegvorlagepflicht umgesetzt wurde) und einen Rabatt von 50 Euro auf die Steuerzahllast zu steigern.7

Ein elektronisches Besteuerungsverfahren bietet jedoch auch viele Vorteile. Das elektronische Veranlagungsverfahren ist Teil des Projektes „E-Government“. In diesem Rahmen sollen geschäftliche Prozesse im Zusammenhang mit dem Regieren und Verwalten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien abgewickelt werden, um die Effektivität, Effizienz und Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung zu steigern.8 Durch die Verhinderung von Medienbrüchen können Kosten und Zeit gespart werden. Elektronische Dokumente können vervielfältigt und von überall abgerufen werden.9 Durch einheitliche Taxonomien kann die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, beispielsweise mit Hilfe eines sachgerechten Risikomanagementsystems und einem nach Fehlerwahrscheinlichkeit ausgerichteten System der Auswahl von Außenprüfungsfällen, gesteigert werden. Angesichts dessen ist fraglich, wieso weitere Anreize zur Akzeptanz des elektronischen Besteuerungsverfahrens geschaffen werden müssen, obwohl dieses doch eigentlich schon wesensgemäß Vorteile schaffen sollte.10

Basierend auf diesen zu befürwortenden Vorteilen eines elektronischen Besteuerungsverfahrens befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, welche Auswirkungen für Steuerpflichtige und Steuerberater aus dem Wandel zum „E-Government“ resultieren und welche Funktionen der Steuerberater im elektronischen Veranlagungsverfahren hat. Es wird untersucht, inwieweit sich im elektronischen Veranlagungsverfahren neue Pflichten und Obliegenheiten für Steuerpflichtige und Steuerberater ergeben und ob es hierdurch auch zu einer Verschiebung von Verantwortlichkeiten von der Finanzverwaltung auf die Steuerpflichtigen und deren Berater kommt. Hierbei werden sowohl mögliche Gefahren im Zusammenhang mit dem elektronischen Veranlagungsverfahren für Steuerpflichtige und Steuerberater aufgezeigt als auch Lösungen für Arbeitsabläufe in der Praxis herausgearbeitet. Zu prüfen ist, ob die so positiv klingenden Worte der „vorausgefüllten Steuererklärung“ oder der „Belegvorhaltepflicht“ tatsächlich zu einer Vereinfachung und Erhöhung der Effizienz auch auf Seiten der Steuerpflichtigen und der Steuerberater führen oder ob es sich hier derzeit noch um eine Hybridlösung, die einseitig zum Nutzen der Finanzverwaltung ausgestaltet wurde, handelt. In dieser Weise wird herausgearbeitet, ob sich die Stellung des Steuerberaters in einem elektronischen Veranlagungssystem durch eine Erweiterung von Pflichten und Obliegenheiten sowie Übernahme neuer Verantwortlichkeiten ändert und wie die aktuellen gesetzlichen Vorschriften angepasst werden müssen, um die angestrebte Effizienz auch den Steuerpflichtigen und Steuerberatern zugutekommen zu lassen. Ziel dieser Arbeit ist damit die Erarbeitung eines effizienten elektronischen Veranlagungsverfahrens „mit und für“ die Steuerpflichtigen und deren Berater unter besonderer Berücksichtigung des Pflichtenkreises der Steuerpflichtigen und der Stellung des Steuerberaters.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem Veranlagungsverfahren, also dem Verfahren von der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhaltes bis zur Festsetzung der Steuerschuld11, da insbesondere im Veranlagungsverfahren erhebliche Änderungen der Abläufe und Verantwortlichkeiten aus der Digitalisierung resultieren. Der Steuerpflichtige hat die größte Nähe zum steuererheblichen Sachverhalt; seine Mitwirkung ist damit Dreh- und Angelpunkt des Steuervollzugs. Für den Steuerpflichtigen ergeben sich aufgrund dessen im Veranlagungsverfahren eine Reihe von Pflichten und Obliegenheiten. Die Befolgung von Obliegenheiten erfolgt ausschließlich im Interesse des Steuerpflichtigen. Die Verletzung von Obliegenheiten führt nicht zu Sanktionen, sondern zu einer Hemmung, Minderung oder Vernichtung der Rechtsposition desjenigen, der die Obliegenheit nicht befolgt.12 Im steuerlichen Veranlagungsverfahren bietet das Gesetz oft Vorzüge (Steuerentlastungen, Rechtsschutz o.Ä.), die mit Obliegenheiten verbunden sind, die der Steuerpflichtige erfüllen muss, um diese in Anspruch nehmen zu können. Wenn die Obliegenheiten nicht befolgt werden, ist dies nicht sanktionsbewehrt, führt jedoch zur Nichtinanspruchnahme der steuerlichen Vorzüge.13 Obliegenheiten tragen damit durch nachteilige Auswirkungen das Risiko des Steuerpflichtigen in sich. Im Gegensatz dazu folgen aus der Verletzung von Pflichten Sanktionen, im Zivilrecht beispielsweise eine Erfüllungsklage oder der Anspruch auf Schadenersatz14, im steuerlichen Veranlagungsverfahren beispielsweise die Erzwingbarkeit mit Zwangsmitteln.15 Um ein vollständiges Bild der Auswirkungen des E-Governments im Veranlagungsverfahren zu schaffen, werden im Folgenden sowohl Pflichten als auch Obliegenheiten dargestellt.

Der Steuerpflichtige übernimmt grundsätzlich im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten die Mitteilung von Tatsachen. Die Steuererklärungsformulare erfordern jedoch in vielen Fällen bereits eine Subsumtion durch Anwendung der Gesetze auf die steuerlich erheblichen Tatsachen. Neben dem Steuerpflichtigen ist daher, wie im Folgenden dargestellt wird, der Steuerberater die zweite tragende Säule des gesetz- und gleichmäßigen elektronischen Steuervollzugs, da in einer automationsgestützten Steuerveranlagung einer Subsumtion Grenzen gesetzt sind. Der Steuerberater übernimmt in weiten Teilen die Rechtsanwendung und Mitwirkung bei der Abgabe gesetzeskonformer Steuererklärungen. Aufgrund dessen untersucht diese Arbeit insbesondere die Auswirkungen für Steuerberater, deren Pflichtenstellung und Verantwortung für einen funktionierenden Steuervollzug. Es ist anzumerken, dass der Fokus dieser Arbeit auf Steuerberatern liegt, die Ergebnisse jedoch in weiten Teilen auch auf andere Personen, die nach § 3 StBerG zur steuerlichen Hilfeleistung befugt sind, wie beispielsweise Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, übertragen werden können.

Im ersten Kapitel werden zunächst grundlegend die Pflichten und Obliegenheiten im steuerlichen Veranlagungsverfahren unter Berücksichtigung des Verantwortungsverhältnisses der Abgabenordnung dargestellt, um hieraus im weiteren Verlauf Änderungen im elektronischen Veranlagungsverfahren ableiten zu können. Gegenstand der Arbeit sind die Obliegenheiten und Pflichten für Steuerberater. Da Steuerberater jedoch die Interessen ihres Mandanten vertreten und sowohl eine Steuermehrbelastung als auch eine Steuerminderbelastung zu einer zivilrechtlichen Haftung des Steuerberaters führen kann16, sind hierfür auch die Obliegenheiten und Pflichten der Steuerpflichtigen zu prüfen.

In den folgenden Kapiteln werden Pflichten und Obliegenheiten im Zusammenhang mit verschiedenen Elementen des elektronischen Veranlagungsverfahrens untersucht. Hierbei werden jeweils zunächst Pflichten und Obliegenheiten für Steuerpflichtige erläutert; anschließend folgen darauf basierende Ausführungen unter Berücksichtigung des Pflichtenkanons der Steuerberater. Der Steuerberater ist zwar selbst nicht Beteiligter im Sinne von § 78 AO, sodass ihn selbst die allgemeinen Mitwirkungspflichten der AO nicht treffen. Jedoch hat er diese aufgrund seiner zivilrechtlichen und berufsrechtlichen Pflichten und Obliegenheiten zu beachten, sodass eine Gesamtbetrachtung der Risiken für Steuerberater nur unter Berücksichtigung der Pflichten des Steuerpflichtigen erfolgen kann.17 Hierdurch wird zum einen abgeleitet, welche Risiken für Steuerpflichtige im elektronischen Veranlagungsverfahren bestehen, aber auch, in welchen Bereichen und aus welchen Abläufen Gefahren für die Arbeit der Steuerberater resultieren.

Es werden im zweiten und dritten Kapitel zunächst die Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen der elektronischen Übermittlung der elektronischen Steuererklärung und der E-Bilanz untersucht. In diesem Zusammenhang werden die gesetzlichen Grundlagen der elektronischen Übermittlungspflicht und etwaige Auswirkungen bei fehlender elektronischer Übermittlung dargestellt. Weiter werden die Pflichten und Obliegenheiten für Steuerberater im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung dargestellt. Hierbei wird insbesondere auf die Pflichten und Obliegenheiten zur Übersendung der elektronischen Daten und Formulare an den Steuerpflichtigen sowie auf die Identifikationspflicht und etwaige hieraus resultierende Gefahren für Steuerberater eingegangen. Des Weiteren wird die straf- und bußgeldrechtliche Zurechnung der Daten geprüft, hinsichtlich der sich insbesondere bei fehlender Unterschrift des Steuerpflichtigen Besonderheiten im elektronischen Veranlagungsverfahren ergeben.

Im vierten bis sechsten Kapitel werden die Anlagen und Inhalte der elektronischen Steuererklärung betrachtet. Zunächst wird im vierten Kapitel untersucht, inwieweit Belege mit der Steuererklärung eingereicht werden müssen. Insbesondere wird der Begriff „Belegvorhaltepflicht“ kritisch unter Berücksichtigung der bestehenden Aufbewahrungspflichten untersucht. Ausgehend hiervon wird anschließend geprüft, welche Auswirkungen sich für Steuerpflichtige und Steuerberater ergeben, wenn keine Belege mit der Steuererklärung eingereicht werden bzw. wenn die Belege nicht aufbewahrt werden.

Im Anschluss hieran wird im fünften Kapitel auf die Inhalte des Freitextfelds in der elektronischen Steuererklärung eingegangen. Es wird hierfür zunächst dargestellt, inwieweit eine Pflicht für Steuerpflichtige und Steuerberater zum Hinweis auf etwaige abweichende Rechtsansichten in der Steuererklärung besteht. Ausgehend hiervon wird dargestellt, ob dieser Hinweis zwingend im Freitextfeld erfolgen muss. Weiter wird basierend auf den Ergebnissen des vierten Kapitels zur Belegübersendung dargestellt, ob im Freitextfeld auf die beigefügten Belege verwiesen werden muss und welche Auswirkungen sich bei einem fehlenden Verweis ergeben können.

Das sechste Kapitel behandelt den Umgang mit Daten, die von Dritten elektronisch übermittelt wurden. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, inwieweit diese Daten bei Erstellung der Steuererklärung zu prüfen sind. In diesem Zusammenhang werden auch Pflichten und Obliegenheiten des Steuerberaters im Zusammenhang mit der Vollmachtsdatenbank, die Grundlage für einen Abruf der elektronischen Daten ist, dargestellt.

Im siebten Kapitel wird basierend auf der zuvor dargestellten Herausarbeitung von Pflichten und Obliegenheiten untersucht, ob sich die Rolle und die Verantwortlichkeiten von Steuerpflichtigen und Steuerberatern im elektronischen Veranlagungsverfahren gegenüber dem traditionellen Veranlagungsverfahren ändern. Hierbei wird unter anderem erörtert, ob sich ein strukturelles Vollzugsdefizit im elektronischen Veranlagungssystem in der derzeitigen Ausgestaltung ergibt, ob nicht schon derzeit ein faktisches Selbstveranlagungsverfahren besteht, ob die Mitwirkung der Steuerberater in einem elektronischen Veranlagungsverfahren erforderlich ist und inwieweit der geänderte Pflichtenkanon des Steuerberaters mit dessen Stellung gegenüber dem Mandanten und im Rahmen der Rechtspflege vereinbar ist. Abschließend werden Vorschläge für eine Neugestaltung des elektronischen Veranlagungsverfahrens gemacht, um die Effizienz zu steigern sowie die Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen.

B. Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren

I. Allgemeine Mitwirkung des Beteiligten bei der Sachverhaltsermittlung

Die Sachverhaltsermittlung bezeichnet die Ermittlung aller tatsächlichen Verhältnisse, die die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Steuernormen erfüllen und einen Steueranspruch begründen.18 Die allgemeine Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsermittlung ist in § 90 AO geregelt. Mitwirkungsverpflichtet ist der Beteiligte im Sinne von § 78 AO.19 Es handelt sich bei § 90 AO zwar nach dem Wortlaut um eine echte Pflicht, die jedoch nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur mangels hinreichender Bestimmtheit nicht mit Zwangsmitteln nach §§ 328 ff. AO durchgesetzt werden kann. Damit begründet § 90 AO allein keine Beweisführungs-, Aufbewahrungs- oder Nachweispflicht.20 Die Begründung von echten Pflichten und deren zwangsweise Durchsetzung sind nur im Zusammenspiel mit speziellen Mitwirkungspflichten möglich.21 So führte auch der Bundesfinanzhof aus, dass die allgemeine Mitwirkungspflicht des § 90 AO keine echte Pflicht ist, aber in Obliegenheiten resultieren kann, beispielsweise zum Nachweis der Herkunft von Einlagen in das Betriebsvermögen, um eine nachteilige Schätzung zu vermeiden.22

In Verbindung mit spezielleren Mitwirkungsvorschriften kann § 90 Abs. 1 AO jedoch Gegenstand einer zwangsweisen Durchsetzung der Finanzbehörde sein. In der Praxis erfolgt die Aufforderung zur Mitwirkung in einem Mitwirkungsverlangen. Dieses greift nicht in die Rechtslage ein, sondern hat nur eine Erinnerungsfunktion.23 Bei hinreichender Bestimmtheit kann jedoch ein Mitwirkungsverlangen ein Verwaltungsakt sein, der zur zwangsweisen Durchsetzung führen kann. Für eine solche hinreichende Bestimmtheit reicht ein allgemeines Berufen auf die Mitwirkung nach § 90 Abs. 1 AO nicht aus.24 Spezielle Mitwirkungspflichten sind beispielsweise die Vorlage von Urkunden nach § 97 AO, die Anzeigepflichten nach § 137 ff. AO, Steuererklärungspflichten nach § 149 ff. AO, Berichtigungspflichten nach § 153 AO, Benennung von Gläubigern nach § 160 AO sowie besondere Mitwirkungspflichten in der Außenprüfung nach § 200 AO. Auf einzelne dieser speziellen Mitwirkungspflichten wird im Folgenden noch im Detail eingegangen. Auch bei speziellen Mitwirkungspflichten sind die Finanzbehörden nicht gezwungen, eine Mitwirkung mit Zwangsmitteln durchzusetzen, sondern können stattdessen auch andere für den Beteiligten nachteilige Folgen ziehen (z.B. im Rahmen einer Schätzung). Jedoch darf eine bewusst nachteilige Schätzung nicht eingesetzt werden, um eine Mitwirkung durchzusetzen.25

Die Mitwirkungsverpflichtung der Beteiligten ist darin begründet, dass diese im Regelfall die meisten Informationen über steuerlich erhebliche Tatsachen haben und somit deren Mitwirkung für die Gewährleistung einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung zwingend erforderlich ist.26 § 90 Abs. 1 AO bezieht sich auf die wahrheitsgemäße und umfassende Offenlegung von steuerlich relevanten Tatsachen. Diese Offenlegung ist nicht von der Aufforderung durch die Finanzverwaltung abhängig.27 Damit weitet § 90 Abs. 1 AO die für die Steuererklärung bestehende Wahrheitspflicht gemäß § 150 Abs. 1 S. 2 AO auf das gesamte Besteuerungsverfahren aus.28 Die rechtliche Würdigung und Subsumtion dieser Tatsachen obliegt jedoch dem Finanzamt und ist nicht Gegenstand der Mitwirkungspflicht, sodass aus Fehlern in der rechtlichen Würdigung keine negativen Folgen aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht gezogen werden dürfen.29 Dies folgt auch daraus, dass Fehler in der Rechtsanwendung begrifflich nicht unwahr sein können, sondern nur falsch.30

Die Inhalte der Mitwirkungspflicht werden durch Gesetze bestimmt.31 Gemäß dem Rechtsstaatsprinzip darf nichts Unmögliches oder Unzumutbares (und damit nichts Unverhältnismäßiges32) vom Beteiligten verlangt werden. Bürger dürfen der staatlichen Gewalt nicht unbegrenzt und willkürlich ausgeliefert sein.33 Nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit muss die Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhaltes geeignet, möglich und erforderlich sein.34 Ungeeignet ist ein Beweismittel, wenn es zur Sachaufklärung nichts beitragen kann; damit sind diese Beweismittel in der Praxis selten.35 Unmöglichkeit liegt vor, wenn das Beweisverlangen nicht vom Beteiligten erfüllbar ist.36 Die Erforderlichkeit beinhaltet die Voraussetzung, dass der Staat aus den geeigneten Mitteln das mildeste auswählt, also das, welches die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigt. Es darf keine Alternative geben, die den Zweck in gleicher Weise erfüllt und die Grundrechte weniger beschränkt.37 Die Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne (sog. Übermaßverbot) liegt vor, wenn sie Nachteile für den Beteiligten auslöst, die außer Verhältnis zum Zweck, also zum Aufklärungserfolg, stehen.38 Der Nutzen für die zutreffende Besteuerung ist gegenüber den Beeinträchtigungen in Form der Kosten der Informationsbeschaffung abzuwägen.39 Je größer die Beeinträchtigung ist, desto wichtiger muss das Schutzgut sein.40 Hierbei kommt es im Zusammenhang mit den steuerlichen Mitwirkungspflichten auf das Verhältnis zwischen dem Aufwand für den Beteiligten und der steuerlichen Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit und Wettbewerbsneutralität sowie die Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung im Steuervollzug, an.41 Die genaue Grenze der Zumutbarkeit ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu ziehen.42 Hierbei ist eine Abwägung von Zweck und Mittel vorzunehmen, die sich insbesondere auch an der Beweisnähe des Beteiligten orientiert.43 Wenn der Beteiligte unmittelbaren Zugriff auf die Beweismittel hat, ist er zur Mitwirkung verpflichtet.44 Damit sind die Mitwirkungspflichten umso größer, je mehr die Tatsachen und Beweismittel zur Sphäre des Beteiligten gehören.45 Umkehrschluss daraus, dass die Mitwirkungspflichten aus der Sphärentheorie resultieren, ist, dass keine Mitwirkungspflicht besteht, wenn der Beteiligte kein Wissen über etwas hat bzw. dies nicht seiner Sphäre zuzurechnen ist.46 Bei steuerrechtlichen Laien ist die Grenze der Erfüllbarkeit grundsätzlich eher erreicht.47 Die Finanzbehörde kann innerhalb des Rahmens der Verhältnismäßigkeit die Beweismittel auswählen, die sich am besten zur Aufklärung des Sachverhaltes eignen, wobei zu berücksichtigen ist, welches Beweismittel den Beteiligten am wenigsten belastet.48

Zu beachten ist, dass die Mitwirkungspflichten auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens fortbestehen. Trotz des Grundsatzes „nemo tenetur“ ist der Beteiligte weiterhin verpflichtet, im Besteuerungsverfahren mitzuwirken.49 Allerdings kann die Mitwirkung nach Einleitung des Strafverfahrens nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO nicht mehr erzwungen werden. Bei steuerlicher Vertretung bleiben die Mitwirkungspflichten für den Beteiligten ebenfalls bestehen.50 In diesem Fall soll sich die Finanzverwaltung zwar zur Mitwirkung an den Bevollmächtigten wenden, sie kann sich aber auch an den Beteiligten wenden, wenn er selbst zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 80 Abs. 5 S. 1-3 AO). Dies kann in der Praxis insbesondere bei Wissenserklärungen und höchstpersönlichen Wahrnehmungen der Fall sein.51

Umstritten ist das Verhältnis der Mitwirkungspflicht zum Amtsermittlungsgrundsatz. Hierauf basiert die Frage, inwieweit Verletzungen der Mitwirkungspflicht den Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO einschränken. Im Gegensatz zum Zivilprozessrecht, in dem der Beibringungsgrundsatz gilt (da mihi facta, dabo tibi ius), gilt im Steuerverfahrensrecht der Untersuchungsgrundsatz.52 Hiernach ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen (§ 88 Abs. 1 S. 1 AO) und hat die Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts.53 Dies dient dem Zweck, Steuern gesetzmäßig und gleichmäßig festzusetzen, wozu die Finanzbehörde berechtigt und verpflichtet ist (Legalitätsprinzip und Rechtsanwendungsgleichheit, § 85 AO, verfassungsrechtlich begründet gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG54). Anderenfalls würde die Steuerfestsetzung von der ungeprüften Deklaration der Steuerpflichtigen abhängig gemacht werden, was dem Gesetzmäßigkeitsprinzip widerspricht.55 § 88 AO umfasst damit die Sachaufklärungspflicht der Finanzverwaltung; die Ermittlung und Anwendung der Rechtsnormen durch die Finanzverwaltung folgt aus § 85 AO.56 Nichtsdestotrotz sind die Mitwirkungspflichten auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes anerkannt.57 Die Finanzverwaltung ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Ermittlungsmöglichkeiten und damit auch die Mitwirkung der Beteiligten auszuschöpfen.58 Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung hat den Zweck, staatliches Handeln an die Rechtsnormen zu binden, um die Rechtsstaatlichkeit zu sichern und Vorhersehbarkeit und Sicherheit für den Bürger im Hinblick auf staatliches Handeln zu gewähren.59 Zur Gewährleistung der gleichmäßigen Steuerfestsetzung ist es nicht ausreichend, dass das materielle Recht die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet. Erforderlich ist zudem, dass die tatsächlich festgesetzten Steuern dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen (Art. 3 Abs. 1 GG). Dies erfordert wiederum, dass gleich kontrollbedürftige Sachverhalte gleich kontrolliert bzw. aufgeklärt werden und dass die Ermittlung nicht den Beteiligten auferlegt wird.60 Die Sicherstellung der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Steuervollzug wird aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 27.06.1991 geschlussfolgert, gemäß dem die Gleichheit auch in der Durchsetzung bei der Steuererhebung gewährleistet sein muss, was entsprechende Verifikationen erfordert.61 Bestätigt wurde dies in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2004, nach dem ein Entdeckungsrisiko realistisch bestehen muss, wenn der Steuerpflichtige einen Fehler in der Steuererklärung macht; anderenfalls liegt eine Ungleichmäßigkeit in der Rechtsanwendung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor.62 Seer führt basierend hierauf aus: „Die Steuerpflicht bestimmter Einkünfte darf nicht nur auf dem Papier stehen.“63

Früher ging man davon aus, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur durch eine 100%ige Sachverhaltsermittlung durch die Finanzverwaltung erfolgen kann, was auch heute noch vereinzelt vertreten wird.64 Reine Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten genügen daher für eine gesetzmäßige Besteuerung nicht.65 Von der herrschenden Meinung wird heute jedoch vertreten, dass im Rahmen einer kooperativen Zusammenarbeit der Großteil der Informationen im Rahmen der Mitwirkungspflichten vom Beteiligten geliefert wird und die Finanzverwaltung diese kontrolliert. Hierbei muss die Finanzbehörde Zweifeln nachgehen, d.h., wenn sich die Unrichtigkeit aufdrängt. Dies ist insbesondere bei Lücken, Unschlüssigkeiten oder Angaben, die den Erfahrungen zuwider laufen, der Fall.66 Eine 100%ige Sicherstellung, dass die Tatsachen korrekt dargestellt und erfasst werden, ist in der Praxis schlichtweg nicht möglich.67 Zum einen ist Hauptinformationsquelle die Steuererklärung des Steuerpflichtigen selbst, welche nicht selten angesichts des äußeren Erscheinungsbildes der Steuererklärung beurteilt wird.68 Zum anderen ist das steuerliche Veranlagungsverfahren Teil einer Massenverwaltung.69 In einer solchen Massenverwaltung kann die Gleich- und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nach § 85 AO nicht im Einzelfall sichergestellt werden, sondern ist an der Realisierbarkeit des gesamten Steuervollzugs in der Praxis auszurichten.70 Im Rahmen der kooperativen Zusammenarbeit ist der Steuerpflichtige die wichtigste Informationsquelle, sodass ihm die Funktion eines Zeugen zukommt, obwohl er selbst Partei im Veranlagungsverfahren ist.71 Die Mitwirkung ist ein Beweismittel, das der Aufklärung des Sachverhaltes dient.72 Allein mit den Mitwirkungspflichten der Beteiligten könnte die Gleichmäßigkeit der Besteuerung jedoch nicht eingehalten werden, da es zu einer subjektiven und damit ungleichen Besteuerung kommt. Die Mitwirkungspflichten erfordern daher wirksame Instrumente zur Verifikation der Angaben (sog. Verifikationsprinzip).73 Durch ein Zusammenspiel der Mitwirkungspflichten mit dem Verifikationsprinzip soll eine möglichst umfassende und effektive Aufklärung des Sachverhaltes erfolgen.74

Spiegelbildlich zur Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 1 AO, die sich auf steuerlich erhebliche Tatsachen bezieht, ist auch der Anwendungsbereich des § 88 AO auf steuererhebliche Tatsachen beschränkt, d.h., eine Ermittlung der Finanzverwaltung ist nur bei steuerlich relevanten Tatsachen zulässig.75 Die steuerliche Erheblichkeit von Tatsachen bestimmt sich nach den materiellen Steuergesetzen.76 Des Weiteren müssen die Tatsachen aufklärungsbedürftig sein. Ermittlungen sind daher nicht erforderlich, wenn Tatsachen offenkundig sind oder fingiert werden.77

Die Sachverhaltsermittlung der Finanzverwaltung ist abgeschlossen, wenn festgestellt wird, dass sich ein Sachverhalt auch tatsächlich so zugetragen hat. Bis dahin muss seitens der Finanzbehörde ermittelt werden.78 Da eine vollständige Überzeugung von der Richtigkeit der Steuererklärung nicht möglich ist, wird in der Praxis der Untersuchungsgrundsatz durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt. Auch die Finanzverwaltung muss keine unzumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergreifen.79 Es kann davon ausgegangen werden, dass Angaben des Steuerpflichtigen richtig sind, außer es drängen sich Zweifel oder Unstimmigkeiten auf bzw. sind überwiegend wahrscheinlich.80 Damit wird dem Steuerpflichtigen auf Ebene der Sachverhaltswürdigung ein Vertrauensvorschuss gewährt, umso mehr, je mehr er mitwirkt.81 Grundlage für diesen Vertrauensvorschuss ist die Regelung des § 150 Abs. 2 AO, nach der der Steuerpflichtige zu versichern hat, dass er die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben hat82, oder nach anderer Auffassung die Regelung des § 158 AO, der impliziert, dass die Abgabenordnung auf einer Vermutung für die Steuerehrlichkeit des Bürgers basiert.83 Dieser Vertrauensvorschuss wird kritisiert, da kein Erfahrungssatz existiert, gemäß dem Steuererklärungen überwiegend richtig sind.84 Eine vollumfängliche Prüfung aller Angaben des Steuerpflichtigen wäre in der Praxis aber schlichtweg unmöglich und würde die Funktionsfähigkeit der Verwaltung beeinträchtigen und zu einem vollständigen Überwachungsapparat der Finanzverwaltung führen.85 Die „Beweiskonzentration“86 auf Zweifel an der Richtigkeit der Angaben unter Berücksichtigung des Vertrauensvorschussprinzipes ist damit Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Besteuerungsverfahrens. Dies gilt auch bei Steuererklärungen von Laien87, jedoch wird in der Literatur vorgebracht, dass bei steuerlich beratenen Steuerpflichtigen ein höherer Vertrauensvorschuss zu gewähren ist.88 Seer führt hingegen hierzu aus, dass bei Laien gerade kein Vertrauensvorschuss zu gewähren sei, da hier sogar eine Vermutung gegen die Richtigkeit der Erklärung spreche. Bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe sei hingegen ein Vertrauensvorschuss zu gewähren, da sich diese als Organe der Steuerrechtspflege an die Gesetzgebung halten müssen; auch hier sind jedoch Kontrollmechanismen zur Verifikation erforderlich.89 Das Vertrauensvorschussprinzip wird begrenzt durch Zweifel, die sich der Finanzverwaltung aufdrängen und denen sie nachgehen muss (sog. Untermaßverbot).90

Ausgehend von diesen Prinzipien befindet sich die Verwaltung in einem Spannungsverhältnis zwischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, welcher die Freiheitsrechte garantiert, und Verifikationsprinzip, welches für die Gesetzmäßigkeit und Gleichheit der Besteuerung erforderlich ist.91 Gesetzlich fundiert ist dieses Spannungsverhältnis in § 88 Abs. 2 AO. Gemäß § 88 Abs. 2 S. 2 AO können bei der Bestimmung von Art und Umfang der Ermittlungen allgemeine Erfahrungen der Finanzverwaltung sowie Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden. Die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit müssen der Gesetz- und Gleichmäßigkeit dienen, stellen also keine gleichberechtigten Kriterien dar. Die Finanzverwaltung darf daher ihre Ermittlungen nicht am fiskalischen Interesse ausrichten, sondern nur an der Gleich- und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung.92 Zu beachten ist weiter, dass durch die Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitskriterien des § 88 Abs. 2 S. 2 AO nur die Pflicht zur Aufklärung durch die Finanzverwaltung beschränkt wird; nichtsdestotrotz kann die Finanzverwaltung auch in diesen Fällen den Sachverhalt vollständig untersuchen.93

Welche Rolle nun der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten im Umfeld des Untersuchungsgrundsatzes einnimmt, wird diskutiert. Es zeigt sich, dass im Regelfall der Steuerpflichtige wegen der Beweisnähe für die Beschaffung von Informationen zuständig ist94, während die Finanzbehörde die Informationen würdigt und rechtlich einordnet sowie ggf. zur weiteren Informationsbeschaffung auffordert.95 Eine Literaturauffassung sieht hierin ein zwangsweise erzeugtes Kooperationsverhältnis und eine Verantwortungsgemeinschaft von Finanzbehörde und Beteiligtem, wobei der Behörde allerdings die Letztverantwortung obliegt.96 Seer spricht von einer „sphärenorientierten Mitverantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts“97 auf Seiten des Beteiligten sowie einem „kooperativen Steuerstaat“98. Die Letztverantwortung der Finanzverwaltung ergibt sich auch aus der notwendigen Verifikation der Angaben des Beteiligten.99 Damit wird der Beteiligte als aktiver Teil des Veranlagungsverfahrens angesehen.100 Dessen Mitwirkung wird durch strukturelle Anreize gefördert.101 Dies ist bereits darin begründet, dass die ausschließliche Sachverhaltsermittlung durch die Finanzbehörde gar nicht möglich ist, und die Auffassung, dass durch die Mitwirkungspflichten nur die Aufklärung durch die Finanzverwaltung erleichtert wird, die Realität verkennt, in der der Steuerpflichtige die Informationsherrschaft hat.102 Drüen führt aus, dass sich dieses Kooperationsverhältnis insbesondere im Bereich der Steueranmeldungen zeigt, welche durch die Selbstverantwortung des Steuerpflichtigen der rein hoheitlichen Steuerveranlagung widersprechen.103 Kowallik vergleicht dieses Kooperationsverhältnis mit dem Nash-Gleichgewicht in der Weise, dass der Steuerpflichtige einen größeren Aufwand hat, wenn er nicht kooperiert.104 Da die Letztverantwortung bei der Finanzverwaltung bleibt, kann Kooperation hier jedoch nicht als Synonym für Konsens verwendet werden, da bei Widerstand eine entsprechende Sanktionierung erfolgt.105 Auch steht Kooperation nicht im Widerspruch zu einem Über- und Unterordnungsverhältnis sowie zu einem hoheitlichen Besteuerungsverfahren, welches weiterhin besteht.106 Die private Verantwortung deckt sich nicht mit der staatlichen Verantwortung. Der Steuerpflichtige darf die Gestaltungen wählen, die möglichst wenig Steuerzahlungen nach sich ziehen, und hierfür auch entsprechende Rechtsmittel verwenden; der Steuerpflichtige hat damit auch in einem kooperativen Staat in erster Linie keine Pflicht zur Gemeinwohlverwirklichung.107 Voraussetzung dafür, dass ein kooperatives Steuerveranlagungsverfahren funktioniert, ist somit, dass Anreize für den kooperativen Beteiligten geschaffen werden und unehrliches Verhalten sanktioniert wird.108 Resultierend aus dem Sphärengedanken kann die Amtsermittlung beschränkt sein, wenn der Beteiligte gegen Mitwirkungspflichten verstößt, da weitere Ermittlungsmaßnahmen für die Finanzbehörde unzumutbar sind. De facto besteht damit eine entsprechende Wechselwirkung.109 So kommt es bei steuererhöhenden Tatsachen bei unzureichender Mitwirkung zu einer Reduzierung des Beweismaßes; im Gegensatz dazu kommt es bei steuermindernden Tatsachen bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht nicht zu einer Änderung des Beweismaßes, da ansonsten die Mitwirkungspflichtverletzung belohnt werden würde.110 Da die Erfüllung der Mitwirkungspflichten im Widerspruch zu dem Willen des Steuerpflichtigen an einer möglichst steuersparenden Veranlagung stehen kann, müssen Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten entsprechend sanktioniert werden.111 Verletzungen der Mitwirkungspflichten lösen zwar keine subjektive Beweislast und damit keine zwingenden negativen Folgen für den Beteiligten aus112 und sind im Rahmen der Beweiswürdigung frei zu würdigen, jedoch können sich hieraus belastende Rechtsfolgen wie Schätzungen, Verspätungszuschläge, Zwangsmittel oder strafrechtliche Risiken ergeben.113 Auf einzelne Sanktionen bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflichten im Kontext des elektronischen Veranlagungsverfahrens wird in den folgenden Kapiteln eingegangen.

Die andere, die Verantwortungsgemeinschaft ablehnende, Auffassung, die insbesondere auf der Grundkonzeption der Abgabenordnung basiert114, sieht im Beteiligten einen reinen „Ermittlungsgehilfen“115 bzw. „Erforschungsgehilfen des Finanzamtes“116, ein „Hilfsorgan des Finanzamtes“117 und ein „unentbehrliches Mittel zur Verwirklichung der Aufklärungspflicht des Finanzamts“118. Die Finanzverwaltung hat die Letztverantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes und beherrscht das Verfahren.119 Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz hat die Finanzverwaltung keine Bindung an den Vortrag des Beteiligten, sondern ermittelt von Amts wegen. Eine Abhängigkeit vom Parteivortrag ist hiermit nicht vereinbar.120 Dies zeigt sich bereits daran, dass die Finanzverwaltung durch den Erklärungsvordruck Gegenstand und Umfang der Mitwirkung bestimmt.121 Die Offenlegung der Tatsachen sowie die Mitwirkungspflichten ersetzen in keinem Fall die Amtsermittlung seitens der Finanzbehörde, sodass auch de lege lata keine Verantwortung des Beteiligten für die Sachaufklärung begründet wird.122 Der Beteiligte hat nach dieser Auffassung keine rechtlich zugewiesene Entscheidungsmacht, sodass man zwar aufgrund der Mitwirkungspflichten von einem Kooperationsverhältnis sprechen kann, jedoch nicht von einer Verantwortungsteilung, da diese stets allein bei der Finanzbehörde liegt.123 Aufgrund des konträr zu den Interessen der Finanzverwaltung liegenden Interesses des Steuerpflichtigen an einer möglichst geringen Steuerlast wird eine Wechselwirkung zwischen den Mitwirkungspflichten und der Untersuchungspflicht der Finanzverwaltung abgelehnt, da sich der Amtsermittlungsgrundsatz ausschließlich nach der gesetzmäßigen Entscheidung zu bestimmen hat.124 Hierbei ist die Mitwirkung des Beteiligten nur eines unter vielen denkbaren Beweismitteln, an welches die Finanzverwaltung aber nicht gebunden ist (Opportunitätsgrundsatz).125 Auch wird die Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde durch Mitwirkung des Beteiligten nicht eingeschränkt.126 Im Gegenteil kann die Mitwirkungspflicht die Amtsermittlungspflicht nur erweitern, wenn sich ein Anlass für weitere Ermittlungen ergibt.127 Diese Auffassung betrachtet die notwendige Mitwirkung des Beteiligten für die Aufklärung als rein faktische Arbeitsteilung, jedoch ohne Auswirkungen auf die Verantwortung für die Sachaufklärung.128 Dementsprechend haben Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten nach dieser Auffassung auch keine Einschränkung der Amtsermittlung zur Folge; die Behörde bleibt zur Letztaufklärung verpflichtet, solange andere mögliche, verhältnismäßige und zumutbare Erkenntnismittel vorliegen.129 Lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung kann sich bei einer Verletzung der Mitwirkungspflichten, sofern keine Aufklärung des Sachverhaltes möglich ist, das Beweismaß entsprechend reduzieren, sodass eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung (statt der von dieser Auffassung grundsätzlich geforderten 100%igen Sicherheit) bei der Steuerfestsetzung genügt.130

II. Steuererklärungspflichten des Steuerpflichtigen

Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ist Ausfluss der allgemeinen Mitwirkungspflicht des § 90 AO.131 Derjenige, der zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, ist Steuerpflichtiger gemäß § 33 Abs. 1 AO.132 Gemäß § 149 Abs. 1 S. 1 AO ergibt sich aus den Steuergesetzen, wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Gesetze in diesem Sinne sind auch Rechtsverordnungen, aber keine Verwaltungsanweisungen.133 Die Abgabepflicht einer Steuererklärung ist beispielsweise für die Einkommensteuererklärung in § 23 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 EStDV, für die Körperschaftsteuererklärung in § 31 KStG, für die Gewerbesteuererklärung in § 14a GewStG i.V.m. § 25 GewStDV und für die Umsatzsteuererklärung in § 18 UStG geregelt.

Nach § 149 Abs. 1 S. 2 AO ist ebenso zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, wer von der Finanzbehörde dazu aufgefordert wird. Satz 2 ist rein deklaratorisch und erfasst nur Fälle, in denen bereits gesetzlich eine Abgabepflicht besteht. Insbesondere hat die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung Bedeutung, wenn die Finanzverwaltung (begründete) Anhaltspunkte für eine Erklärungspflicht hat, der Steuerpflichtige dies aber verneint.134 Es ergibt sich hieraus kein Erfindungsrecht für zusätzliche Abgabefälle.135 Aus diesem Grund stellt die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung auch keinen Verwaltungsakt dar, da hierdurch nicht in die Rechtslage eingegriffen wird und es damit an der für den Verwaltungsakt erforderlichen Regelung fehlt.136 Eine Ausnahme besteht dann, wenn das Steuergesetz selbst die Abgabe von einer Aufforderung abhängig macht, wie es beispielsweise bei § 31 Abs. 1 S. 1 ErbStG der Fall ist – in diesem Fall wirkt die Aufforderung konstitutiv.137 Derjenige, der eine Steuererklärung abzugeben hat, ist Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO.138

Bei Nichtabgabe einer Steuererklärung trotz gesetzlicher Pflicht kann die Abgabe mit Zwangsmitteln nach §§ 328 ff. AO erzwungen werden.139 Auch eine nicht wirksame Steuererklärung, beispielsweise bei fehlender Unterschrift, Nichtabgabe auf amtlichem Formular oder bei unleserlichen Angaben, steht einer Nichtabgabe gleich.140 Es handelt sich damit um eine echte Pflicht. Auch nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bleibt die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen bestehen, kann aber dann nicht mehr erzwungen werden.141 Des Weiteren können die Besteuerungsgrundlagen bei Nichtabgabe der Steuererklärung geschätzt werden. Auch nach einer Schätzung besteht die Abgabepflicht fort, um der Gefahr einer zu niedrigen Schätzung Rechnung zu tragen, sodass auch nach einer Schätzung noch Zwangsmittel eingesetzt werden können.142 Eine Schätzung ist auch ohne vorherige Zwangsmittel möglich, der Steuerpflichtige muss jedoch vorab gemahnt werden, da eine Anhörung nach § 91 AO erforderlich ist.143 Des Weiteren kann die Finanzverwaltung bei Nichtabgabe der Steuererklärung einen Verspätungszuschlag nach § 152 Abs. 1 AO festsetzen. Nach Ablauf bestimmter Fristen muss ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 Abs. 2 AO).144 Die Nichtabgabe einer Steuererklärung kann bei Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich relevant werden.145 Außerdem kommt es zu einer Anlaufhemmung für die Festsetzungsverjährung, d.h., das Ende dieser kann sich durch Nichtabgabe einer Steuererklärung hinauszögern (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).146

Die Unvollständigkeit einer Steuererklärung führt grundsätzlich nicht zu den genannten Rechtsfolgen. Die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung ist eine wirksame Steuererklärung, es sei denn aufgrund der eingereichten Steuererklärung kann kein Besteuerungsverfahren in Gang gesetzt werden.147

Die Vorschrift des § 150 AO regelt, wie eine Steuererklärung abzugeben ist.148 Nach § 150 Abs. 1 AO ist eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn keine elektronische Steuererklärung abgegeben wird oder keine Steuererklärung in anderer Form zulässig ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im Falle einer Pflicht zur Abgabe einer elektronischen Steuererklärung, welche sich aus den Einzelsteuergesetzen ergibt, eine Abgabe in Papierform unzulässig und unwirksam ist. Dies gilt auch, wenn die eingereichte Papierform dem amtlichen Vordruck entspricht.149

§ 150 Abs. 2 AO enthält das Vollständigkeits- und Wahrheitsgebot der Steuererklärung. Hierdurch wird das Wahrheitserfordernis der allgemeinen Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 S. 2 AO nochmals konkretisiert. Die Steuererklärung muss alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen ohne Unwahrheiten enthalten.150 Die Vollständigkeit und Wahrheit der Steuererklärung musste früher schriftlich versichert werden, was jedoch bei elektronischen Steuererklärungen nicht mehr der Fall ist. Das Vollständigkeits- und Wahrheitsgebot besteht jedoch weiterhin unverändert fort.151 Für Laien birgt dieses Gebot oft Unmögliches. Zwar soll die Steuererklärung im Wesentlichen eine Abfrage von Tatsachen (Vorgängen, Zuständen) sein, da die rechtliche Würdigung der Finanzverwaltung obliegt.152 Jedoch werden in vielen Fällen in der Steuererklärung ausschließlich Beträge angegeben, sodass diese zwangsläufig auch Willenserklärungen und Rechtsanwendungen enthält.153 Damit kann eine Steuererklärung auch Rechtsfehler des Steuerpflichtigen enthalten, obwohl die zugrunde liegenden Tatsachen vollständig und richtig dargestellt sind.154 Dies kann auch daraus folgen, dass Steuerpflichtige oft die in den Vordrucken gestellten Fragen oder Erläuterungen hierzu falsch verstehen.155 Da sich § 150 Abs. 2 AO auf die Angaben in den Steuererklärungen bezieht, ist es einem Laien kaum möglich, zu bestätigen, dass diese Angaben vollständig und richtig sind, sodass in vielen Fällen eine faktische Pflicht zur Inanspruchnahme des steuerlichen Beraters besteht.156 Gerade die Komplexität der Steuererklärung stellt ein Hindernis hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der Steuererklärungspflicht dar.157 Dieser Problematik wird teilweise damit begegnet, dass im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes eine Vermutung gegen die Richtigkeit der Steuererklärung eines Laien sprechen muss und infolgedessen eine erhöhte Untersuchungspflicht seitens der Finanzbehörde besteht.158

§ 150 Abs. 3 AO regelt, dass eine Unterzeichnung der Steuererklärung erforderlich ist, wenn die Steuergesetze eine eigenhändige Unterschrift anordnen. In diesem Fall muss die Steuererklärung im Regelfall durch den Steuerpflichtigen selbst und nicht durch einen Bevollmächtigten unterzeichnet werden. Gesetzliche Unterschriftserfordernisse enthalten § 25 EStG, § 14a GewStG und § 18 Abs. 3 UStG. Im Umkehrschluss ist eine Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten mit entsprechender Kennzeichnung der Bevollmächtigung möglich, wenn das Gesetz keine eigenhändige Unterschrift vorsieht, beispielsweise bei Umsatzsteuervoranmeldungen.159 Das Unterschriftserfordernis ist allerdings nur noch dann relevant, wenn Steuererklärungen in Papierform abgegeben werden dürfen. Bei elektronischer Übermittlung wird die Unterschrift durch digitale Authentifizierung des Datenübermittlers ersetzt.160

Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die Verantwortung für die Daten in der Erklärung sowie die Verdeutlichung des Wahrheits- und Vollständigkeitsgebotes. Insbesondere soll sich der Steuerpflichtige über die von Dritten vorgenommenen Eintragungen vergewissern und diese bestätigen. Dies ist darin begründet, dass die Abgabe der Steuererklärung eine höchstpersönliche Pflicht ist, die auch im Falle steuerlicher Beratung bestehen bleibt.161 Die Verantwortlichkeit des Steuerpflichtigen für die Steuererklärung, die für ihn vom Steuerberater erstellt wird, zeigt sich insbesondere auch in § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO und indirekt in § 150 Abs. 2 AO.162 Der Wahrheitsversicherung in der Steuererklärung kommt jedoch neben der Verdeutlichung der Bedeutung der Erklärung des Steuerpflichtigen keine eigenständige Funktion zu, da sie insbesondere keine eidesstattliche Versicherung im strafrechtlichen Sinne ist.163 Inwieweit die Steuererklärung in Zeiten der elektronischen Steuererklärung noch eine höchstpersönliche Pflicht ist und wie sich die Verantwortlichkeiten in diesem Fall darstellen, wird in Kapitel 2164 erläutert.

In Anbetracht der allgemeinen Mitwirkungspflicht, die nur für steuererhebliche Tatsachen besteht165, darf auch der Vordruck der Steuererklärung bzw. die elektronische Steuererklärung nur Dinge abfragen, die für die Besteuerung erheblich sind.166 Mittels der Steuererklärung sollen in formalisierter Form Tatsachen abgefragt werden, um die Festsetzung einer Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen zu können, sodass der gesamte für die Besteuerung erhebliche Sachverhalt enthalten sein muss.167 Dies hat zur Folge, dass in der Praxis der Steuerpflichtige seinen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung im Rahmen des kooperativen Besteuerungsverfahrens168 bereits fast vollständig im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung erbringt, sodass die weiteren Mitwirkungspflichten in der Praxis oft nur von untergeordneter Bedeutung sind.169 Der Frage, welche Tatsachen im Rahmen der Steuererklärung mitgeteilt werden müssen, kommt damit entscheidende Bedeutung zu.

III. Vorlage von Unterlagen im Veranlagungsverfahren durch die Beteiligten und andere Personen

Die Pflicht zur Urkundenvorlage nach § 97 AO ergänzt die allgemeine Mitwirkungspflicht nach § 90 AO.170 Vorlagepflichtig sind die Beteiligten und subsidiär auch andere Personen, wenn die Aufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt.171 Es ist ein separates Verlangen des Finanzamtes erforderlich, in dem die vorzulegenden Unterlagen zu benennen sind. Dieses Verlangen ist formfrei und stellt einen Verwaltungsakt dar.172 Der Unterlagenbegriff umfasst sämtliche schriftlichen oder auf einem Bild- oder Datenträger festgehaltenen Gedankenerklärungen, die zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet sind. Insbesondere sind dies Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Bilanzen, Schreiben, Fahrtenbücher, Kontoauszüge, Aufsichtsratsprotokolle, Buchungsbelege, Buchhaltungsauswertungen und unter Umständen auch Due Diligence – Berichte. Diese werden sowohl in Schriftform als auch als Datei von § 97 AO erfasst.173 Die Unterlagen sind grundsätzlich im Original vorzulegen, außer es ist für die Besteuerung unerheblich, ob ein Original oder eine Kopie vorgelegt wird (sog. „intendierter Beweiswert“174). Zur Abgrenzung vorlagepflichtiger von nicht vorlagepflichtigen Unterlagen entscheidend ist insbesondere, dass nur rechts- und beweiserhebliche Urkunden vorlagepflichtig sind.175 Des Weiteren muss die Belegvorlage geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sowie möglich sein (d.h., der Vorlagepflichtige muss Verfügungsmacht über die Urkunden haben). Eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht ist für eine Vorlagepflicht nicht erforderlich.176

Die Urkundenvorlage ist, da ein Verwaltungsakt vorliegt, erzwingbar nach §§ 328 ff. AO, sodass es sich um eine echte Pflicht handelt.177 Ein Verstoß gegen ein Unterlagenvorlageverlangen nach § 97 AO stellt außerdem eine Verletzung der Mitwirkungspflicht dar. Dies kann zu einer Verringerung des Beweismaßes und damit zu negativen Auswirkungen im Rahmen einer Schätzung führen und auch zur Nichtberücksichtigung von steuermindernden Tatsachen nach den Grundsätzen der Beweislast.178

Die Pflicht zur Vorlage von Urkunden nach § 97 AO ist abzugrenzen von der Pflicht, der Steuererklärung Unterlagen beizufügen. Gemäß § 150 Abs. 4 S. 1 AO müssen den Steuererklärungen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. In Abgrenzung zu § 97 AO umfasst § 150 Abs. 4 S. 1 AO nicht sämtliche Urkunden, die die Finanzbehörde nach § 97 AO verlangen könnte, sondern nur die gemäß den Steuergesetzen vorlagepflichtigen Urkunden. Für sämtliche weitere Unterlagen ist ein separates Vorlageverlangen nach § 97 AO erforderlich.179 Welche Unterlagen nach den Steuergesetzen vorlagepflichtig sind, wird nachfolgend noch im Detail erläutert.180

Aus § 150 Abs. 4 S. 1 AO ergibt sich damit keine originäre Pflicht, da die Vorschrift nur auf die in den Steuergesetzen enthaltenen Pflichten verweist.181 Für die Einkommensteuererklärung ist dies beispielsweise in § 60 EStDV geregelt. Die Regelung des § 150 Abs. 4 S. 1 AO ist damit rein deklaratorisch und bestätigt nur die Verpflichtung zur Unterlagenvorlage, die sich aus anderen Steuergesetzen ergibt.182 Die nach § 150 Abs. 4 S. 1 AO der Steuererklärung beizufügenden Unterlagen sind kein Bestandteil der Steuererklärung, sondern nur Anlagen hierzu. Es handelt sich damit um selbständige Beweismittel, deren Vorlage nach §§ 328 ff. AO eigenständig erzwingbar ist.183 Damit handelt es sich bei § 150 Abs. 4 S. 1 AO um eine echte Pflicht, soweit die Unterlagen gemäß den Steuergesetzen der Steuererklärung beizufügen sind. Die freiwillige Beifügung zusätzlicher Unterlagen stellt hingegen eine bloße Obliegenheit dar.184

IV. Berichtigung von Erklärungen durch den Steuerpflichtigen

Gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist der Steuerpflichtige zur Berichtigung verpflichtet, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann oder bereits gekommen ist. Die Berichtigungspflicht dient dem Fortbestehen der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht des § 150 Abs. 2 AO nach Abgabe der Erklärung und zielt damit auf die Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ab.185 Ebenso wie bei der allgemeinen Mitwirkungspflicht hat der Steuerpflichtige in vielen Fällen bessere Erkenntnismöglichkeiten als die Finanzbehörde. Aus § 153 AO ergibt sich bei vorangegangenem fehlerhaftem Verhalten, welches erkannt wird, eine gesetzliche Garantenpflicht des Steuerpflichtigen.186

Die Berichtigungspflicht des § 153 AO greift jedoch nicht nur bei Steuererklärungen im engeren Sinne, sondern bei allen steuerlichen Erklärungen, die gegenüber dem Finanzamt abgegeben werden. Dies sind alle Äußerungen, die erheblich für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen oder für die Festsetzung, Erhebung oder Vollstreckung der Steuer sind. Es sind ausschließlich unrichtige oder unvollständige Tatsachendarstellungen betroffen, nicht jedoch falsche Rechtsauffassungen (außer sie wurden nicht kenntlich gemacht und dadurch nicht erkannt).187 Ob das Finanzamt die unrichtigen Tatsachendarstellungen erkennen konnte, ist unerheblich und begründet trotzdem eine Berichtigungspflicht.188 Bei Offenlegung korrekter Tatsachen und falscher Rechtsanwendung, die das Finanzamt erkennen konnte, gilt jedoch keine Berichtigungspflicht, da sich die Wahrheitspflicht nur auf Tatsachen bezieht.189 Nachträgliche Änderungen von Gesetzen, Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassungen sind unerheblich und können keine Berichtigungspflicht begründen.190

Weitere Voraussetzung der Berichtigungspflicht ist das nachträgliche positive Wissen von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit. Ein Wissenmüssen reicht nicht aus, es ist auch keine Nachforschung erforderlich.191 Das nachträgliche Erkennen der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ist, neben dem Vorliegen eines Verschuldens, das Abgrenzungskriterium einer Berichtigungserklärung nach § 153 AO zur Selbstanzeige nach § 371 AO. Eine Überschneidung kann insbesondere bei einer Steuerhinterziehung mit bedingtem Vorsatz vorliegen, wenn diese erst nachträglich als sicher erkannt wird, oder bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung, die erst nachträglich erkannt wird.192 In diesem Fall gilt die Berichtigungserklärung als Selbstanzeige nach § 371 AO, wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind. Die Berichtigungspflicht gilt gemäß dem Wortlaut des § 153 AO auch bei etwaigem Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Der nemo-tenetur-Grundsatz wird durch die Berichtigungspflicht des § 153 AO verdrängt.193

Die Berichtigungspflicht greift gemäß dem Wortlaut des § 153 Abs. 1 S. 1 AO für Steuerpflichtige und damit nur für Personen, die steuerlich relevante Erklärungen abgeben oder für sich abgeben lassen.194 Nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO trifft die Berichtigungspflicht auch den Gesamtrechtsnachfolger sowie etwaige gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte nach §§ 34, 35 AO.

Im Falle einer Berichtigungspflicht erfolgt eine zweistufige Richtigstellung durch den Steuerpflichtigen: Er ist unverzüglich zur Anzeige und anschließend in angemessener Frist zur Berichtigung der fehlerhaften Angabe verpflichtet. Hierbei besteht keine Pflicht zur Abgabe einer geänderten Erklärung, dies ist aber im zweiten Schritt möglich.195

Bei Verstößen gegen die Berichtigungspflicht können sowohl die Anzeige- als auch die Berichtigungspflicht mit Zwangsmitteln nach §§ 328 ff. AO durchgesetzt werden. Im Falle einer möglichen Straftat gilt dies nur eingeschränkt, da nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO Zwangsmittel unzulässig sind, gemäß denen der Steuerpflichtige gezwungen werden würde, sich wegen einer Steuerordnungswidrigkeit oder Steuerstraftat selbst zu belasten.196 Des Weiteren kann es zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kommen, wenn die Anzeige- und Berichtigungspflicht nicht erfüllt wird. Eine leichtfertige Steuerverkürzung kommt hingegen nicht in Betracht, da ein Verstoß gegen § 153 AO nur bei positivem Wissen in Frage kommt, sodass die Pflichtverletzung stets vorsätzlich ist.197 Verspätungszuschläge nach § 152 AO können bei unterlassener Berichtigung nicht festgesetzt werden, da es sich begrifflich bei der Anzeige bzw. der Berichtigung nicht um Steuererklärungen handelt.198

C. Pflichtenkanon des Steuerberaters

I. Historische Entwicklung der Rolle des Steuerberaters

1919 wurde § 88 RAO199 eingeführt, in dem geregelt war, dass steuerliche Rechte und Pflichten durch Bevollmächtigte ausgeübt werden dürfen. Es bestand der Grundsatz der Gewerbefreiheit, sodass es nur nach § 35 RGewO bei unzuverlässigen Personen möglich war, die Befugnis zu untersagen.200 Anfangs wurde der Steuerberater, beispielsweise von Max Lion, insbesondere als Interessenvertreter seiner Mandanten gesehen, der für einen Rechtsschutz gegen zu hohe Steuerbelastung sorgt.201 Max Lion führte insbesondere aus, dass grundlegend hierfür das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Steuerpflichtigem sei.202 Er verglich den Steuerberater mit einem Rechtsanwalt und führte bereits aus, dass der Steuerberater Organ der Rechtspflege ist, der zwar unmittelbar nur die Interessen seines Mandanten fördert, mittelbar jedoch durch seine Bindung an die Steuergesetze auch die des Staates.203

Die heute geltenden Zulassungsbeschränkungen für Steuerberater stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus. So wurde im Jahr 1935 § 107a RAO geschaffen, in dem explizit der Beruf des Helfers in Steuersachen und des Steuerberaters aufgenommen wurde.204 Hierdurch wurde die bisherige Gewerbefreiheit durch den staatlichen Konzessionszwang ersetzt. Um den Beruf ergreifen zu können, bedurfte es der vorherigen Erlaubnis des Finanzamtes.205 Die Erlaubnis konnte jederzeit zurückgenommen werden.206 Reinhardt begründete dies mit einer Erhöhung der Sicherheit des Steuerpflichtigen, richtig beraten und vor der Finanzverwaltung richtig vertreten zu werden.207 Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass jeder Finanzbeamte Nationalsozialist sein musste und gemäß §§ 1 und 2 des Steueranpassungsgesetzes alle Steuergesetze nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen waren.208 Juristische Spitzfindigkeiten, die dem Mittelbedarf des Reiches entgegenwirkten, sollten abgelehnt werden.209 Hiermit sollte das Ziel einer einheitlichen Rechtsmeinung basierend auf einer einheitlichen Weltanschauung erreicht werden.210 Zur Ausbildung des Steuerberaters gehörte auch, dass man mindestens eineinhalb Jahre beim Finanzamt tätig war.211 Ein Helfer in Steuersachen musste aufgrund seiner Fachkenntnis im Steuer- und Verfahrensrecht, seiner politischen Zuverlässigkeit und seines Vorbildes in der Erfüllung der eigenen steuerlichen Pflichten würdig sein.212 Der Steuerberater musste „charakterlich und weltanschaulich als Berater und Vertreter in Steuersachen geeignet“213 sein. Juden wurden nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen.214 Der Steuerberater wurde nicht mehr als Vertreter privater Interessen angesehen, sondern als Bindeglied zwischen Staat und Steuerzahler.215 Es wurde zwar nach wie vor ein Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Steuerpflichtigem angenommen, jedoch auch zwischen Finanzverwaltung und Steuerberater. Basierend hierauf durfte der Steuerberater nicht gegen die Belange der Volksgemeinschaft verstoßen; im Zweifel gingen die Interessen der Volksgemeinschaft den Interessen des Einzelnen vor.216 Hierzu gehörte, dass der Steuerberater eine umfassende Prüfung der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Unterlagen vornahm; wenn dies nicht möglich war, musste er darauf hinweisen, dass die Bilanz oder Steuererklärung basierend auf ungeprüften Unterlagen erstellt wurde. Infolgedessen wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt.217 Der Steuerberater sollte sich vom „Gemeinschaftsgeist und von kameradschaftlicher Gesinnung“218 leiten lassen. Bereits hieran zeigt sich, dass Steuerberater dem Nationalsozialismus und dem hiermit verstandenen Gemeinwohl verpflichtet waren und dies in der laufenden Beratung beachten mussten.219 Enno Becker führte im Jahr 1933 aus, dass der Steuerberater sich bei unklarer Rechtslage sorgfältiger um Steueransprüche des Reiches kümmern muss als das Finanzamt selbst.220 Nach § 109 Abs. 1 RAO hafteten Steuerberater für die Steuerschulden des Mandanten.221 Hintergrund war, dass ein Vertreter Pflichten gegenüber dem Steuergläubiger hat und er damit bei Pflichtverletzung persönlich in Anspruch genommen werden kann.222 Dies wurde als eine „durch Staatsnotwendigkeiten gebotene wichtige Errungenschaft des neuen Steuerrechts“223 bezeichnet. Zur Haftungsvermeidung waren Steuerberater damit umso mehr zu einer rechts- und verwaltungskonformen Beratung angehalten.224

Auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich konnte ein Steuerberater im Nationalsozialismus verfolgt werden. So konnte eine Steuerhinterziehung oder Steuergefährdung vorliegen, wenn der Steuerberater zum Vorteil eines anderen gegen die steuerrechtlichen Vorschriften verstößt.225 Dies galt auch, wenn ein Steuerberater nach außen nicht in Erscheinung getreten ist und wenn dem Steuerberater unvollständige Unterlagen vom Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt wurden.226 Das Reichsgericht entschied, dass, wenn einmal Steuerunehrlichkeit bei einem Mandanten erkannt wurde, eine verstärkte Überwachung erforderlich sei, da sich der Berater sonst mitschuldig mache.227 Allgemein galt Steuerhinterziehung als Schädigung der Allgemeinheit, sodass Steuerhinterzieher als „Volksschädlinge“ bezeichnet wurden, gegen die härteste Strafen ergriffen werden müssen.228 Im Nationalsozialismus wandelte sich die Rolle des Steuerberaters damit zum „Hüter der Steuermoral“229, von dem erwartet wurde, dass er zum Vorteil der Volksgemeinschaft handelte.

Erst nach dem Nationalsozialismus wurde die Unabhängigkeit der Steuerberater etabliert. Spitaler führte aus, dass der Steuerberater kein verlängerter Arm der Finanzverwaltung sei, sondern ein beratender Beruf. Weiter betonte er das zwingend notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant. Er bezeichnete den Steuerberater als Organ der Steuerrechtspflege, dessen Handeln durch das Berufsrecht und das Steuerstrafrecht begrenzt ist.230 Der Steuerberater darf damit keine ungerechtfertigten Vorteile für seinen Auftraggeber herausholen, sondern ist Diener des richtigen Rechts; dies bezeichnete Spitaler als ureigentliche „Mission des Steuerberaterberufs“231. Ausgehend hiervon stellte Spitaler ebenfalls dar, dass wegen dieses Ziels der gesetzmäßigen Steuerfestsetzung Steuerberater und Finanzverwaltung zusammenarbeiten können und damit Steuerberater die Finanzverwaltung erheblich entlasten können. Im Zusammenhang hiermit sollte die Finanzverwaltung den Steuerberatern auch entsprechend entgegenkommen, beispielsweise durch ausreichende Fristen.232 Nichtsdestotrotz sprach Spitaler im Jahr 1948 die Aufsichtsrechte über die Steuerberater der Finanzverwaltung zu, da kein anderes Ressort mit den Anforderungen an Steuerberater so vertraut sei.233 Auch führte er aus, dass der Steuerberater eine „Erziehungspflicht“ gegenüber seinem Auftraggeber hat, die eine ständige kritische Prüfung der Angaben des Steuerpflichtigen erfordert.234 Thoma führte aus, dass der Steuerberater unabhängig ist und insbesondere gegenüber der Finanzverwaltung nicht weisungsgebunden. Steuerberater seien damit keine Treuhänder des Staates, sondern ausschließlich gegenüber dem Auftraggeber, dem Gesetz und den Berufskollegen verpflichtet. Weiter führte er aus, dass der Steuerberater die Unterlagen des Auftraggebers prüfen muss. Falls er jedoch ausdrücklich vom Auftraggeber von dieser Pflicht entbunden ist, müsse er den Auftrag nur niederlegen, wenn offensichtliche Anhaltspunkte für ein Steuervergehen vorliegen. Weiter führte Thoma aus, dass die Beurteilung von Verstößen von Steuerberatern wegen seiner unabhängigen Stellung zwingend durch Gerichte und nicht mehr durch die Finanzverwaltung erfolgen soll.235 Er argumentierte außerdem, dass der Steuerberater an Verwaltungsanweisungen nicht gebunden ist und auch entgegen dieser handeln muss, wenn dies zugunsten seines Mandanten ist.236

Maassen führte im Jahre 1963 explizit aus, dass der Berater nicht der verlängerte Arm der Finanzverwaltung ist, sondern der Interessenvertreter seines Mandanten.237 Demgemäß wurde auch dem Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant eine übergeordnete Rolle beigemessen.238 Nichtsdestotrotz stellte er hohe Anforderungen an die Steuerberater, die auch eine strengere Behandlung durch die Finanzverwaltung rechtfertigt.239 Maassen befürwortete auch eine Überprüfungspflicht des Steuerberaters im Hinblick auf die Unterlagen des Steuerpflichtigen und führte aus, dass bei Verstößen auch eine strafrechtliche Verantwortung des Steuerberaters vorliegen kann.240 Nichtsdestotrotz führte er aus, dass auch die strafrechtliche Beurteilung auf der Stellung des Steuerberaters als Interessenvertreter basieren muss. So müssen die Bücher des Steuerpflichtigen ohne separaten Auftrag nicht auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft werden, da der Steuerberater dem Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen begegnen muss. Auch bei erkannten Steuerstraftaten ist der Steuerberater nicht zur Anzeige verpflichtet. Er darf jedoch nicht selbst an einer Steuerstraftat mitwirken.241

Auch Zacharias sah im Steuerberater einen vom Staat unabhängigen Vertreter des Mandanten, führte jedoch auch aus, dass die Steuerberater Partner der Finanzverwaltung sind, beispielsweise indem sie sämtliche Steuergesetze gegenüber dem Mandanten erläutern und deren Einhaltung sicherstellen.242

Anfang der 70er Jahre verglich Rose die Steuerberater mit der Feuerwehr, da diese „den Freiheitsraum des Individuums vor unberechtigten Steuerzugriffen schützen“243 und damit „Steuerwehrleute“244 seien, die unnötige Steuerzahlungen durch ihre Mandanten vermeiden sollen. Hierbei nannte er als Aufgaben des Steuerberaters insbesondere „Durchsetzungsberatung“245, also die Unterstützung bei der Erstellung der Steuererklärung, und vorsorgliche „Gestaltungsberatung“246. Hierbei muss der Steuerberater auch die übrigen Ziele des Mandanten im Blick behalten. So führt Rose aus: „Man darf nicht ohne Steuer fahren, man sollte aber nicht nur nach Steuern steuern.“247 Durch diese Tätigkeit als Wahrer der Interessen des Steuerpflichtigen trägt der Steuerberater zu einer gesetzmäßigen Steuerfestsetzung bei, sodass der Steuerberater zwar kein Vertreter des Staates ist, aber trotzdem nicht „antistaatlich“ handelt.248 Die Stärkung der Position des Steuerpflichtigen durch die steuerliche Beratung ermöglicht ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Steuerpflichtigem und Staat.249 Damit befand sich der Steuerberater nicht mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis der Finanzbehörde, er trug jedoch durch eine gesetzmäßige Interessenvertretung trotzdem zu einer wirksamen Rechtspflege bei.

Das Bundesverfassungsgericht sah den Steuerberater ebenfalls als Interessenvertreter des Mandanten an, betonte jedoch auch die Mittlerrrolle wegen seiner „Vertrauensstellung gegenüber den Finanzbehörden und -gerichten“250. Genau hieran bestehe ein hohes öffentliches Interesse.251 Auch Rudel führte Ende der 1970er Jahre aus, dass der Steuerberater eine Mittelsperson sei und auch Interessen des Staates wahrnimmt, beispielsweise bei der Durchsetzung von Steueransprüchen und bei der Beeinflussung der Steuermoral des Steuerpflichtigen.252

Der Entwurf des Steuerberatungs-Notgesetzes 1953253 enthielt Ausführungen dazu, dass der Steuerberater einen freien und unabhängigen Beruf ausübt. Dieses Gesetz wurde jedoch nicht verabschiedet.254 Seit 1961 (erstmaliges Inkrafttreten der ursprünglichen Fassung; Neubekanntmachung vom 07.11.1975)255 ist die Unabhängigkeit des Steuerberaters im Steuerberatungsgesetz manifestiert.256 Seitdem wird der Steuerberater, auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, entweder als unabhängiges Organ (vergleichbar einem Rechtsanwalt)257 oder, wie auch schon vor Inkrafttreten des StBerG, als Mittler zwischen der Interessenvertretung für den Mandanten und der Verpflichtung für das Gemeinwohl258 betrachtet. Da Menschen im Regelfall nicht freiwillig Steuern zahlen, sollen Steuerberater auch die Steuermoral fördern.259 Auch Späth führte in den 90er Jahren aus, dass der Steuerberater in erster Linie Interessenvertreter seines Mandanten ist, aber auch die öffentlichen Belange berücksichtigen muss, da die Finanzverwaltung auf die Tätigkeit der Steuerberater aufgrund der Kompliziertheit des Steuerrechts nicht verzichten kann.260 Späth grenzte aufgrund dessen den Steuerberater klar vom Rechtsanwalt ab, da der Rechtsanwalt alle gegen seinen Mandanten sprechenden Sachverhalte bis zur Grenze der Wahrheit seinem Gegner überlassen könne; der Steuerberater sei hingegen in das öffentlich-rechtliche Gewaltverhältnis der Finanzverwaltung eingebunden und seine Arbeit stelle oft die wichtigste Grundlage für eine gesetzmäßige Steuerfestsetzung dar.261

Die Mittlerrolle wird allerdings kritisiert, da die Rolle des Steuerberaters, der zur Sicherung der Steuereinnahmen beiträgt, einer wirksamen Rechtspflege widerspricht. Mutschler spricht hier von einem „Steuerpolizisten“, in den der Mandant das Vertrauen verliert.262 Eine Mittlerrolle zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem würde einem doppelten Mandat ähneln, welches dem Mandatsbegriff widerspricht, der eine exklusive Interessenvertretung des Mandanten vorschreibt.263 Eine wirksame Rechtspflege erfordert, dass der Berater das ausschöpft, was gesetzlich möglich ist. Mittlerweile wird daher dem Begriff der „Organstellung“ der Vorzug gegeben.264 Seit 18.12.2019 enthält auch § 32 StBerG die explizite Regelung, dass Steuerberater ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege sind. Eine „Mittlerrolle“ hat der Steuerberater nur insoweit inne, als dass er die Kommunikation zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung vermittelt.265 Der Steuerberater dient wie der Rechtsanwalt der Verwirklichung des Rechts, jedoch im Sonderinteresse eines Mandanten.266 Damit erbringen Steuerberater auch erhebliche Aufgaben für die Allgemeinheit.267 Hierdurch wird der Steuerberater mittelbar durch seine Tätigkeit auch zum „Partner der Finanzverwaltung“.268

II. Abgabenrechtliche Pflichten und Obliegenheiten des Steuerberaters im Veranlagungsverfahren

1. Allgemeine Mitwirkungspflichten und Steuererklärungspflichten

Der Steuerberater kann Bevollmächtigter sein, ist aber im Besteuerungsverfahren kein Beteiligter im Sinne von § 78 AO.269 Damit hat er selbst in der Regel keine Mitwirkungspflichten gemäß der Abgabenordnung, da diese an die Beteiligtenstellung anknüpfen.270 Im Ergebnis treffen die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren den Steuerberater nicht selbst, sondern nur den Steuerpflichtigen. Ebenso ist der Steuerberater selbst im Hinblick auf das Veranlagungsverfahren seines Mandanten nicht Steuerpflichtiger, sodass er keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung hat und auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO.271

Im Regelfall ist der Steuerberater Bevollmächtigter, also gewillkürter Vertreter des Beteiligten im Besteuerungsverfahren, und handelt damit im Namen des Beteiligten.272 Dies deckt sich auch mit § 33 StBerG, nach dem der Steuerberater Hilfe in Steuersachen leistet und zwar entweder in Form der Beratung, der Vertretung oder der Hilfeleistung bei der Bearbeitung der Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten.273 Im Wege der Vertretung können auch die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren für den Beteiligten durch den Bevollmächtigten erfüllt werden.274 Die Bevollmächtigung im Besteuerungsverfahren ist in § 80 AO geregelt. Eine Bevollmächtigung erfordert eine Vollmacht des Steuerberaters nach § 164 Abs. 1 BGB, wodurch der Steuerberater den Mandanten wirksam im Außenverhältnis vertreten kann.275 Infolge der Bevollmächtigung wirken die im Namen des Mandanten abgegebenen Willenserklärungen des Steuerberaters unmittelbar für und gegen den Mandanten. Der Beteiligte im Besteuerungsverfahren, hier der Mandant, muss sich die Verfahrenshandlungen des Bevollmächtigten unabhängig von seinem Willen zurechnen lassen. Ebenso wird ein Verschulden des Bevollmächtigten dem Beteiligten im Besteuerungsverfahren zugerechnet.276

Der Steuerberater ist Bevollmächtigter, wenn er erkennbar, beispielsweise an der Erstellung von Steuererklärungen, mitgewirkt hat. Eine rein interne Unterstützung allein, z.B. durch Vorbereitung der Buchführung, führt nicht zur Bevollmächtigung im Sinne des § 80 AO.277 Bei höchstpersönlichen Pflichten, beispielsweise der eigenhändigen Unterzeichnung der Steuererklärung oder bei Wissenserklärungen des Steuerpflichtigen, ist keine Bevollmächtigung möglich.278 Bei Abgabe einer persönlich unterschriebenen Steuererklärung tritt der Steuerberater damit nur als Erfüllungsgehilfe und nicht als Bevollmächtigter auf.279

Wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, soll sich die Behörde zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten vorrangig an den Bevollmächtigten wenden; sie kann sich jedoch auch an den Beteiligten wenden, soweit dieser zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 80 Abs. 3 S. 1 AO).280 Im Rahmen der Ermessensausübung („soll“) hat sich die Finanzbehörde hierbei vorrangig an den Bevollmächtigten und nur in Ausnahmefällen an den Beteiligten selbst zu wenden (z.B. bei Abwesenheit des Bevollmächtigten und Eilbedürftigkeit, bei keiner Reaktion des Bevollmächtigten oder bei Zweifeln an der Bevollmächtigung). Bei steuerlichen Stellungnahmen sowie Verhandlungen hat sich die Finanzverwaltung stets an den Bevollmächtigten zu wenden.281

Damit treffen den Steuerberater als Bevollmächtigten unmittelbar nicht die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach der Abgabenordnung. Etwas anderes gilt, wenn der Steuerberater selbst gesetzlicher Vertreter oder Verfügungsberechtigter im Sinne der §§ 34, 35 AO ist, was aber in der Regel nicht der Fall ist.282 Im Innenverhältnis zwischen Mandanten und Steuerberater übernimmt der Berater im Rahmen eines Dienstvertrages mit Geschäftsbesorgungscharakter283 Pflichten, die jedoch für das Besteuerungsverfahren nach der AO ohne Bedeutung sind.284

2. Steuerrechtliche Haftungstatbestände

Jedoch können auch Steuerberater Beteiligte im Besteuerungsverfahren nach § 78 AO werden, wenn Sie Haftungsschuldner und damit Adressat eines Haftungsbescheides sind.285 Hierfür existieren in der Abgabenordnung diverse Haftungsvorschriften. Gemeinsam ist den Haftungsschulden im Besteuerungsverfahren, dass der Haftungsschuldner akzessorisch für die Steuerschuld eines Dritten einsteht und diese damit gerade nicht den Steuerschuldner selbst betrifft.286 Im Folgenden werden die Haftungstatbestände, die unter Umständen für Steuerberater relevant sein können, dargestellt.

Nach § 69 AO haftet der gesetzliche Vertreter (§ 34 AO) sowie der Verfügungsberechtigte (§ 35 AO). Anwendbar ist die Haftungsvorschrift beispielsweise für den Vormund, den Nachlasspfleger, für gesetzliche Vertreter von Kapitalgesellschaften, faktische Geschäftsführer sowie Verwalter fremden Vermögens.287 Da der Steuerberater in der Regel kein gesetzlicher Vertreter seines Mandanten gemäß § 34 AO ist, findet diese Alternative des § 69 AO hier keine Anwendung. Ein Verfügungsberechtigter gemäß § 35 AO ist, wer rechtlich und tatsächlich über Wirtschaftsgüter, Mittel, Sachen oder Rechte eines anderen verfügen kann.288 Des Weiteren muss er auch nach außen als Verfügungsberechtigter auftreten und am Rechtsverkehr teilnehmen.289 Entscheidend ist, dass der Verfügungsberechtigte rechtlich und tatsächlich die Pflichten eines anderen erfüllen kann und dies auch tut.290 Im Detail wird hierzu ausgeführt, dass bereits die Unterzeichnung einer Eröffnungsbilanz sowie von Steuererklärungen auf ein Auftreten als Verfügungsberechtigter hindeuten kann.291 Jedoch erfordert eine Verfügungsmacht, dass Verfügungen unter Umständen auch gegen den Willen des Steuerpflichtigen vorgenommen werden können.292 Dies ist bei Steuerberatern nicht der Fall, da diese weisungsgebunden gegenüber dem Mandanten sind und nicht gegen dessen Willen Entscheidungen treffen dürfen. Allein die Abgabe von Erklärungen oder tatsächlichen Handlungen reicht für eine Verfügungsberechtigung im Sinne des § 35 AO nicht aus.293 Auch wenn der Steuerberater als Bevollmächtigter nach § 80 AO auftritt, bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass er Verfügungsbefugnis hat; die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nach §§ 164 ff. BGB umfasst keine Pflichtenübertragung.294 Damit ist der Steuerberater in der Regel kein Verfügungsberechtigter in diesem Sinne, sodass auch diese Alternative des Haftungstatbestandes des § 69 AO für Steuerberater regelmäßig keine Anwendung findet.295 Sofern im Ausnahmefall § 69 AO für Steuerberater Anwendung finden sollte, ist zu beachten, dass vor Erlass des Haftungsbescheides die Berufskammer nach § 191 Abs. 2 AO zu konsultieren ist, wenn der Steuerberater in Ausübung seines Berufes gehandelt hat. Etwaige Stellungnahmen der Kammer sind im Rahmen der Ermessensentscheidung bei Erlass des Haftungsbescheides zu berücksichtigen.296

Des Weiteren haftet nach § 71 AO der Steuerhinterzieher. Zweck der Vorschrift ist es, den Schaden für den Fiskus, der durch eine Steuerhinterziehung entstanden ist, auszugleichen, sodass dies in der Literatur auch als Schadenersatz bezeichnet wird.297 Im Gegensatz zum Haftungstatbestand des § 69 AO ist bei § 71 AO der Kreis der Haftenden nicht auf gesetzliche Vertreter oder Verfügungsberechtigte beschränkt, da die Steuerhinterziehung kein Sonderdelikt darstellt, sondern von jedermann begangen werden kann.298 Voraussetzung einer Haftung nach § 71 AO ist das Vorliegen des objektiven und subjektiven Tatbestandes einer Steuerhinterziehung.299 Daraus folgt, dass die Haftung auch nur besteht, soweit der Tatbestand der Steuerhinterziehung vorliegt (also z.B. nur für den Steuerbetrag, der vorsätzlich hinterzogen wurde).300 Hierbei ist unerheblich, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO eingereicht wurde, da diese nur einen Strafaufhebungsgrund darstellt, aber den Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht entfallen lässt.301 Eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO reicht nicht aus.302 Nach § 71 AO haftet jeder Täter oder Mittäter, auch der Gehilfe im Rahmen einer Beihilfe oder der Anstifter bei einer Anstiftung. Damit ergibt sich eine Haftung nach § 71 AO für den Steuerberater, wenn dieser selbst Täter oder Teilnehmer ist.303 Der Steuerschuldner selbst haftet nicht nach § 71 AO, sondern schuldet die Steuer bereits selbst als Beteiligter.304

Die Haftung umfasst die verkürzte Steuer, Steuervorteile sowie Hinterziehungszinsen. Säumniszuschläge und Zinsen nach § 233a AO sind gemäß dem Wortlaut des § 71 AO nicht von der Haftung umfasst.305 Der Haftungsschuldner nach § 71 AO haftet unabhängig vom Grad seiner Pflichtverletzung für die volle hinterzogene Steuer.306

Die Haftung nach § 71 AO kann für den Steuerberater Anwendung finden.307 Dies gilt insbesondere, da eine Selbstanzeige den Haftungstatbestand nicht entfallen lässt. Infolgedessen kann eine Selbstanzeige geradezu die Haftung eines Steuerberaters nach § 71 AO ebnen.308 § 71 AO greift nur bei eigener Tatbeteiligung des Steuerberaters an der Steuerhinterziehung, jedoch reicht eine Beihilfe aus.309 Erst kürzlich hatte das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 06.03.2018 entschieden, dass ein Steuerberater nach § 71 AO haftet, wenn er, trotz der erkennbaren großen Wahrscheinlichkeit einer Straftat, weiterhin Umsatzsteuervoranmeldungen abgibt, da er hierdurch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hat.310 Auch die Berufshaftpflichtversicherung greift im Regelfall nicht bei vorsätzlichen Taten und deckt somit eine Haftung nach § 71 AO nicht ab.311 Nichtsdestotrotz ergibt sich durch § 71 AO für den Steuerberater keine Pflicht oder Obliegenheit, eine Steuerstraftat anzuzeigen.312

Des Weiteren wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens mit Wirkung ab 01.01.2017 eine neue, für Steuerberater bedeutsame, Haftungsvorschrift eingeführt. Nach § 72a AO kann der Steuerberater bei fehlerhafter elektronischer Datenübermittlung haften.313 Die Haftungsvorschrift gilt nur für Steuerausfälle und nicht für Nebenleistungen.314 Auf die Voraussetzungen und Haftungsgefahren für Steuerberater nach § 72a AO wird im zweiten Kapitel separat eingegangen.315

3. Anzeigepflichten und Pflichten für Datenübermittler

Neben den allgemeinen Mitwirkungspflichten für Beteiligte und den Pflichten für Steuerpflichtige (z.B. § 149 AO, § 153 AO) sieht die Abgabenordnung Pflichten für weitere Personen vor, zu denen auch Steuerberater gehören können.

So besteht gemäß § 138d Abs. 1 AO eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen für sogenannte Intermediäre, also Personen, die entsprechende Gestaltungen vermarkten, konzipieren, organisieren, zur Nutzung bereitstellen oder verwalten. Hierzu können auch Steuerberater gehören.316 Die Meldepflicht geht auf den Nutzer der Gestaltung, also im Regelfall den Steuerpflichtigen, über, sofern der Intermediär zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und sobald der Intermediär den Nutzer über die Pflicht und die erforderlichen Angaben informiert hat. Diese Anzeigepflicht ist kein Schwerpunkt dieser Arbeit, ist aber bei der Untersuchung der Rolle des Steuerberaters im Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen.317 Hiervon zu unterscheiden sind die Anzeigepflichten der §§ 137 und 138 AO, die ausschließlich die Steuerpflichtigen treffen.

Weiter bestehen gemäß § 87d Abs. 2 und 3 AO Pflichten für Datenübermittler, also Personen, die Daten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung über die amtlich bestimmten Schnittstellen für steuerliche Zwecke an die Finanzverwaltung übermitteln. Hierzu zählen insbesondere Steuerberater, die beispielsweise die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen und Steueranmeldungen vornehmen und damit „Auftragnehmer“ im Sinne von § 87d AO sind.318 Hierauf wird nachfolgend im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen sowie der E-Bilanz im Detail eingegangen.319 Nicht den Steuerberater selbst trifft § 93c AO, der eine elektronische Mitteilungspflicht von Dritten voraussetzt und damit zum Beispiel Versicherungen im Bereich der Vorsorgeaufwendungen, Träger der Rentenversicherung, Arbeitgeber und Banken trifft.320

III. Zivilrechtliche Pflichten und Obliegenheiten des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten

1. Umfang des Mandats basierend auf dem Steuerberatungsvertrag

Es existieren keine gesetzlich allgemein festgelegten Pflichten für die beratenden Berufe321, sofern man die Sonderregelungen für bestimmte Berufskreise nach dem Berufsrecht322 außer Betracht lässt. Die zivilrechtlichen Pflichten des Steuerberaters ergeben sich aus dem mit dem Mandanten abgeschlossenen Steuerberatungsvertrag und sind auch hierdurch begrenzt.323 Der Steuerberater muss im Rahmen des Steuerberatungsvertrages ungefragt über steuerliche Folgen (steuerliche Gefahren und mögliche Steuerersparnisse) belehren, Mandanten vor Schaden bewahren und den sichersten Weg aufzeigen.324 Die Kardinalpflichten im Rahmen des Mandats wie die Aufklärung des Sachverhalts, die Prüfung der Rechtslage, die Beratung und Vertretung des Mandanten sowie die Bewahrung vor Schaden, die im Folgenden noch einzeln erläutert werden, können auch nicht durch allgemeine Auftragsbedingungen eingeschränkt werden.325 Pflichten zur Belehrung des Mandanten außerhalb des Mandats entstehen, wenn ein Anlass besteht, beispielsweise wenn der Steuerberater Grund zu der Annahme haben muss, dass der Mandant eine steuerliche Fehlentscheidung trifft und sich dessen nicht bewusst ist und dies auf den ersten Blick ersichtlich ist.326 Hierbei kann die steuerliche Beratung selbständige Hauptleistungspflicht eines Beratungsvertrages sein oder Nebenpflicht nach § 242 BGB.327 Des Weiteren hat der Steuerberater eine vertragliche Verpflichtung, steuerlich bedeutsame Vorgänge gegenüber dem Finanzamt richtig darzustellen.328

Aus den vertraglichen Pflichten resultieren diverse Nebenpflichten für den Steuerberater, beispielsweise die unabhängige, gewissenhafte und verschwiegenhafte Berufsausübung. Ebenso ist der Steuerberater nach § 613 S. 1 BGB bzw. § 631 Abs. 1 BGB bereits zur höchstpersönlichen und eigenverantwortlichen Leistungserbringung verpflichtet. Da diese Pflichten auch nochmals berufsrechtlich konkretisiert sind, werden sie nachfolgend bei den Berufspflichten329 dargestellt. Es ist jedoch zu beachten, dass Verstöße hiergegen im Regelfall auch zivilrechtliche Auswirkungen nach sich ziehen.

Details

Seiten
568
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631903773
ISBN (ePUB)
9783631903780
ISBN (Hardcover)
9783631903704
DOI
10.3726/b20928
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Januar)
Schlagworte
Elektronische Steuererklärung E-Bilanz Freitextfeld Belegvorhaltepflicht E-Government Vorausgefüllte Steuererklärung Berufsrechtliche Pflichten Haftungsgefahren Strafrechtliche Gefahren
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 568 S.

Biographische Angaben

Lisa Klüger (Autor:in)

Lisa Klüger absolvierte ein duales Studium in der Fachrichtung Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Sie ist als Steuerberaterin sowie Gesellschafter-Geschäftsführerin in einer Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft in München tätig.

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Titel: Die Rolle des Steuerberaters im elektronischen Veranlagungsverfahren