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Der verbraucherschützende Widerruf im Immobilienmaklerrecht unter Berücksichtigung der Frage nach einer notwendigen Neuausrichtung von Erfolgsprinzip und Maklervertragsdogmatik

– Eine Untersuchung de lege lata und de lege ferenda –

von Pierre Hubertus (Autor:in)
©2024 Dissertation 240 Seiten

Zusammenfassung

Der Maklerberuf unterliegt einem Wandel. Regelmäßig melden sich Interessenten mittlerweile auf Internetanzeigen von Maklern und schließen online Maklerverträge. Im Zuge der Digitalisierung eröffnen sich hier neue und spannende Rechtsfragen, in deren Mittelpunkt das verbraucherschützende Widerrufsrecht des Maklerkunden steht. Der Autor beleuchtet kritisch die bestehenden widerrufsrechtlichen Instrumente im Immobilienmaklerrecht, legt deren Schwachstellen offen und sucht anschließend nach Möglichkeiten zur Verbesserung. Unter kritischer Einbeziehung des MaklKostVertG und mit Blick auf die heutigen Herausforderungen hinterfragt er dabei auch die Maklervertragsdogmatik insgesamt. Seine Überlegungen münden in einem Formulierungsvorschlag an den Gesetzgeber zur Neuausrichtung des Erfolgsprinzips.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung: Ein Maklerbild im Wandel
  • A. Einführung in das Thema und aktuelle Entwicklungen
  • B. Gang und Schwierigkeit der Arbeit
  • Teil 1: Der verbraucherschützende Widerruf im Immobilienmaklerrecht de lege lata
  • A. Allgemeine Überlegungen zu den Leitgedanken des Verbraucherschutzes
  • I. Terminologisches
  • 1. Der Verbraucherbegriff
  • 2. Der Unternehmerbegriff
  • 3. Verbraucherschutz im „engeren Sinne“ und im „weiteren Sinne“
  • 4. Der verbraucherschützende Widerruf und der Widerruf des Maklervertrags
  • II. Funktionen und Zielsetzungen des Verbraucherschutzes im „engeren Sinne“
  • 1. Die Kernprinzipien des Verbraucherschutzes im „engeren Sinne“
  • a) Richtigkeit und Transparenz von Information
  • b) Schutz bei komplexen und/oder risikoreichen Geschäften
  • c) Schutz der freien Willensbetätigung
  • d) Gewährleistung eines rechtlichen Mindestschutzes in bestimmten Vertragssituationen
  • 2. Allgemeine Zielbestimmungen
  • 3. Metaprinzip: Vertragsparität
  • B. Besonderheiten der Verbraucherstellung im Immobilienmaklerrecht
  • I. Leitbild des Immobilienmaklers der §§ 652 ff. BGB
  • 1. Der Zivilmakler als einseitiger Interessenwahrnehmer des Auftraggebers
  • 2. Der Zivilmakler als neutraler, unparteiischer Vermittler
  • 3. Eigene Stellungnahme für das Leitbild des Immobilienmaklers
  • a) Abgeleitete und selbstständige Doppeltätigkeit
  • b) Folgerungen für das Leitbild des Immobilienmaklers
  • II. Hinwendung des Immobilienmaklers zu den Verkäuferinteressen – Auswirkungen auf die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers?
  • 1. Häufige Interessensverlagerung des Immobilienmaklers in Richtung Verkäufer
  • 2. Beschränkung des Verbraucherschutzes auf das Verhältnis Käufer – Makler?
  • III. Häufige Gefahren für den Verbraucher im Immobilienmaklerrecht
  • 1. Erfolgsabhängige und am Kaufpreis bemessene Provisionen
  • 2. Qualifikation und Marktposition des Maklers
  • 3. Der konkludente Vertragsschluss
  • a) Überblick über die bisherigen Anforderungen der Rechtsprechung
  • b) Kritik an der Linie der Rechtsprechung
  • c) Die Auswirkungen des neuen Textformerfordernisses in § 656a BGB
  • aa) Das Ende des konkludenten Vertragsschlusses?
  • bb) Auswirkungen auf die Internetanzeige des Maklers – „invitatio ad offerendum“ oder Angebot „ad incertas personas“?
  • 4. Fazit
  • C. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Immobilienmaklerrecht
  • I. Dogmatik des Widerrufsrechts und grundlegende Anwendungsvoraussetzungen
  • 1. Zur allgemeinen Dogmatik des Widerrufsrechts
  • 2. Der Maklervertrag als Verbrauchervertrag i.S.d. § 312 I BGB
  • II. Das Widerrufsrecht bei einer maklerrechtlichen Fernabsatzsituation
  • 1. Schutzzweck der fernabsatzrechtlichen Regelungen
  • 2. Der Maklervertrag als Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c I BGB
  • a) Der Maklervertrag als „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“
  • aa) Ansicht Arnolds – Der Maklervertrag als kaufähnlicher Vertrag
  • bb) Weitere Ansätze über die dogmatische Qualifikation des Maklervertrags
  • (1) Der Maklervertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag
  • (2) Der Maklervertrag als Zusammensetzung aus Auslobung und Werkvertrag
  • cc) Kritische Stellungnahme und eigener Standpunkt zur allgemeinen Rechtsnatur des Maklervertrags
  • (1) Zur Qualifizierung als Mischform aus Werkvertrag und Auslobung
  • (2) Zur Qualifizierung als Geschäftsbesorgungsvertrag
  • (3) Zur Qualifizierung als kaufähnlicher Vertrag
  • (4) Der Maklervertrag als gesetzlicher Vertragstypus eigener Art
  • dd) Das Urteil des BGH vom 07.07.2016 (BGH, NJW 2017, 1024)
  • (1) Sachverhalt
  • (2) Lösung des BGH
  • (3) Kritische Stellungnahme zur Ansicht des BGH und eigene Position
  • ee) Ergebnis – teleologische Reduktion des § 312g I BGB?
  • b) „Ausschließliche“ Verwendung von Fernkommunikationsmitteln
  • aa) Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Fernabsatz
  • bb) Persönlicher Kontakt im Vorfeld des Vertragsschlusses
  • c) Organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, § 312c I HS. 2 BGB
  • d) Die „Button-Lösung“ nach § 312j III BGB bei einem Online-Maklervertrag
  • aa) Vorliegen einer „Bestellsituation“ nach § 312j III 1 BGB
  • (1) Problemstellung bei Internetinseraten des Maklers
  • (2) Lösung in Literatur und Rechtsprechung sowie kritische Stellungnahme
  • bb) Vertragsschluss durch ausschließlich individuelle Kommunikation (§ 312j V 1 BGB)
  • e) Ergebnis und rechtsfolgenbezogene Praxisempfehlungen
  • 3. Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 356 IV Nr. 2 BGB
  • a) Problem der vollständigen Erbringung der Dienstleistung des Maklers
  • b) Ausdrückliche Zustimmung des Maklerkunden zum Ausführungsbeginn
  • aa) Relevanz der Widerrufsbelehrung für die Wirksamkeit der Zustimmung
  • (1) Rechtsnatur der Zustimmung i.S.d. § 356 IV Nr. 2 lit. a BGB
  • (2) Entbehrlichkeit der Widerrufsbelehrung im Maklerrecht?
  • bb) Zustimmung in Form von AGB
  • c) Rechtsfolgen und Hinweise für die Maklerrechtspraxis
  • 4. Der Wertersatzanspruch des Maklers gemäß § 357a II BGB
  • a) Die Informationsweitergabe des Maklers als Vermögensmehrung des Auftraggebers?
  • aa) Der Vermögenswert der Maklerleistung im Bereicherungsrecht
  • (1) Streitstand und kritische Stellungnahme
  • (2) Fazit für den Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts
  • bb) Konsequenzen für den widerrufsrechtlichen Wertersatzanspruch des Maklers
  • (1) Verbleibender Anwendungsbereich
  • (2) Ablehnung des Wertersatzanspruchs in der Literatur
  • b) Die Bemessungsgrundlage des Wertersatzanspruchs vor und seit Umsetzung der VRRL – ein Danaergeschenk für den Verbraucherkunden?
  • aa) Die Rechtslage vor Umsetzung der VRRL
  • bb) Kritische Stellungnahme zur aktuellen Rechtslage seit Umsetzung der VRRL
  • c) Praxisempfehlungen zur Erklärung des Leistungsverlangens nach § 357a II 1 Nr. 1 BGB und zu deren Verhältnis zur Zustimmung nach § 356 IV Nr. 2 lit. a BGB
  • III. Das Widerrufsrecht bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Maklervertrag
  • 1. Schutzzweck der Regelungen zu außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen
  • 2. Der Maklervertrag als Außergeschäftsraumvertrag i.S.d. § 312b I 1 BGB
  • a) Anwendungsfälle des § 312b I 1 Nr. 1 BGB
  • aa) Der Maklervertragsschluss beim Besichtigungstermin
  • bb) Die Bestellung des Maklers in die Privaträume des Kunden – ein Ausschlussgrund für die Anwendung von § 312b I 1 Nr. 1 BGB?
  • (1) Ansicht des LG Tübingen – Urt. v. 19.05.2016 (NJOZ 2017, 1103)
  • (2) Kritik und eigene Stellungnahme
  • (3) Fazit
  • b) Weitere Vertragsabschlusssituationen (§ 312b I 1 Nr. 2–4 BGB)
  • c) Ergebnis und rechtsfolgenbezogene Praxisempfehlungen
  • d) Teleologische Berechtigung des Widerrufsrechts eines Maklerkunden in Außergeschäftsraumsituationen
  • 3. Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 356 IV Nr. 2 BGB und der Wertersatzanspruch des Maklers nach § 357a II BGB
  • IV. Das Widerrufsrecht und die Maklerklausel im notariell beurkundeten Kaufvertrag
  • 1. Abschluss eines nachträglich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Maklervertrags unter Verwendung einer Maklerklausel
  • 2. Die Maklerklausel als deklaratorisches Schuldanerkenntnis – Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers?
  • a) Ansichten in der aktuellen Rechtsprechung
  • b) Kritik und eigene Position
  • D. Zusammenschau der wichtigsten Ergebnisse de lege lata und Zwischenfazit
  • I. Ergebnisse zur allgemeinen BGB-Maklervertragsdogmatik mit besonderer Relevanz für das Verbraucher-Makler-Verhältnis
  • II. Ergebnisse zu spezifisch widerrufsrechtlichen Fragestellungen im Immobilienmaklerrecht
  • III. Zwischenfazit
  • Teil 2: Reformanalyse de lege ferenda – Ansätze zur Verbesserung des provisionsbezogenen Verbraucherschutzes im Immobilienmaklerrecht
  • A. Das Erfolgsprinzip – ein zeitgemäßes oder überholtes Paradigma?
  • I. Stärken und Schwächen des Erfolgsprinzips
  • 1. Vorstellung des historischen Gesetzgebers
  • 2. Vorteile des Erfolgsprinzips
  • a) Partielle Stärkung der Mittlerrolle des Maklers
  • b) Wirtschaftlicher Nutzen für den Auftraggeber
  • c) Entscheidungsfreiheit des Kunden
  • 3. Nachteile des Erfolgsprinzips
  • a) Eigeninteresse des Maklers am Hauptvertragsschluss
  • b) Willkür des Auftraggebers
  • c) Provisionsbemessungsgrundlage
  • d) Gesellschaftlicher Wandel
  • II. Zwischenfazit zur Reformbedürftigkeit des Erfolgsprinzips
  • III. Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (MaklKostVertG)
  • 1. Kurzüberblick über Anlass und Entstehungsgeschichte des Gesetzes
  • 2. Überblick über Ziel und Inhalt der Regelungen
  • a) Ziel des neuen Maklerrechts
  • b) Regelungsinhalt der §§ 656a ff. BGB
  • 3. Kritische Stellungnahme zum Halbteilungsgrundsatz und dessen Auswirkung auf das Erfolgsprinzip
  • a) Sachlicher Anwendungsbereich
  • b) Umgehungsschutz des § 656d I 2 BGB
  • c) Einpreisung des Verkäuferanteils in den Kaufpreis
  • d) Zwingender Charakter des Halbteilungsgrundsatzes
  • e) Vorstellung des Gesetzgebers zur Neutralität des Doppelmaklers
  • IV. Fazit zur Reformbedürftigkeit des Erfolgsprinzips
  • B. Ansatz zur Reformierung des erfolgsbedingten Vergütungssystems bei der Vermittlung von Immobilienkaufverträgen
  • I. Rechtsvergleich: Das Gebührensystem für Immobilienmakler in Österreich
  • 1. Aufbau und Systematik des österreichischen Maklerrechts
  • 2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Provisionssystem: Das österreichische und das deutsche Immobilienmaklerrecht im Vergleich
  • a) Rechtsnatur des Maklervertrags
  • b) Doppelmaklertätigkeit
  • c) Erfolgsbezogenheit des Vergütungssystems
  • d) Sonstige Provisionsvoraussetzungen
  • e) Höhe des Provisionsanspruchs
  • aa) Ausgangslage des § 8 MaklerG
  • bb) Provisionshöchstbeträge im Immobilienmaklerrecht, §§ 11 ff. IMV
  • 3. Kritische Stellungnahme zum österreichischen Provisionssystem
  • a) Zur Dienstleistungsfunktion des Maklers
  • b) Zu den Provisionshöchstbeträgen der §§ 15, 16 IMV
  • c) Ein Stufensystem nur für die Käuferprovision? – Der Gesetzentwurf der AfD im Vergleich zu den §§ 15, 16 IMV
  • II. Modifikation des Erfolgsprinzips: Der Immobilienmaklervertrag als „intermediärer Dienstvertrag“
  • 1. Das Modell eines „intermediären Dienstvertrags“ als Mischform einer Dienstleistungs- und Erfolgsvergütung
  • 2. Konkrete Ausgestaltung des Gebührensystems
  • a) Vergütungsstruktur für die Einzeldienstleistungen
  • b) Vergütungsstruktur für die Erfolgsgebühr
  • c) Schutz des Käufers als Verbraucher
  • 3. Abschließender Formulierungsvorschlag zur Neuregelung der aktuellen Vorschriften über die Vermittlung von Immobilienkaufverträgen
  • III. Auswirkungen des Reformansatzes auf den verbraucherschützenden Widerruf im Immobilienmaklerrecht
  • C. Die Reformierung der Rechtslage zum konkludenten Vertragsschluss und zur Formbedürftigkeit von Immobilienmaklerverträgen
  • I. Legitimer Zweck für einen Ausbau des Formzwangs im Immobilienmaklerrecht
  • 1. Bereits bestehende Ausnahmen vom Grundsatz der Formfreiheit im Maklerrecht
  • 2. Kritische Stellungnahme zur Effektivität von § 656a BGB und § 2 I 2 WoVermRG in Bezug auf das Regelungsziel des Gesetzgebers
  • a) Zielvorstellung des Gesetzgebers bei § 656a BGB und bei § 2 I 2 WoVermRG
  • b) Zielerreichung durch die aktuellen Fassungen
  • 3. Folgen für die Ausbaubedürftigkeit des Formzwangs im Immobilienmaklerrecht
  • a) Konsequenzen für die Vermittlung von Wohnungsmietverträgen
  • b) Konsequenzen für die Vermittlung von Immobilienkaufverträgen
  • aa) Rechtssichere Dokumentation des Abschlusszeitpunkts und Warnung des Maklerkunden
  • bb) Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich des auszuweitenden Formerfordernisses
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Konkreter Vorschlag für eine Formvorschrift de lege ferenda
  • 1. Tauglichkeit eines Schriftformerfordernisses
  • 2. Modifikation der Textform
  • a) Einführung eines Ausdrücklichkeitsgebots für die Textform
  • b) Konkreter Formulierungsvorschlag für ein Ausdrücklichkeitsgebot
  • c) Praxisempfehlung für den Makler
  • D. Zusammenschau der wichtigsten Ergebnisse de lege ferenda
  • I. Auflistung der Ergebnisse
  • II. Endfassung des Formulierungsvorschlags zur Neuregelung der §§ 656a ff. BGB
  • E. Gesamtfazit der Arbeit und Ausblick
  • Literaturverzeichnis

A. Einführung in das Thema und aktuelle Entwicklungen

Obwohl man es auf den ersten Blick nicht vermuten mag, lassen sich zwischen der Tätigkeit eines Rechtswissenschaftlers und der eines Musikers erstaunliche Gemeinsamkeiten aufdecken. Während ein Musiker versucht, die Stücke eines Komponisten auf seinem Instrument zu interpretieren und weiterzuentwickeln, versucht der Rechtswissenschaftler mit den ihm gegebenen rechtlichen Instrumenten die juristischen Werke des Gesetzgebers zu systematisieren, auszulegen und fortzubilden. Dabei gibt er dem Gesetzgeber eigenständige Impulse für die Fortentwicklung des Rechts, so wie der Musiker dem Komponisten Ansporn zur Weiterentwicklung seiner Kompositionen sein kann. Betrachtet man diesen lebendigen Austausch zwischen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung im Immobilienmaklerrecht, ist man jedoch verwundert. Das Immobilienmaklerrecht wurde trotz vehementer Impulse und Reformaufrufe aus der Rechtswissenschaft seit Erlass des BGB im Jahr 1900 kaum geändert, obwohl man sich in Wissenschaft und Praxis relativ schnell einig war, dass die §§ 652 ff. BGB nur eine spärliche, für die Praxis unvollständige Kodifikation bereithalten.1 Mit Spannung wurde daher im Jahr 2020 auf das „Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (MaklKostVertG)“2 gewartet. Die neuen §§ 656a–d BGB traten am 23.12.2020 in Kraft, sie brachten jedoch lediglich eine Teilreform, die im Kern allein die Provisionsverteilung bei Beteiligung eines Verbrauchers auf Käuferseite betrifft und auch nur für bestimmte Maklerverträge über einen Immobilienkauf gilt.3 Das Immobilienmaklerrecht ist daher nach wie vor ein Paradebeispiel eines kasuistischen Sonderrechts.4

Allerdings hat die Digitalisierung und Europäisierung der letzten 20 Jahre den Immobilienmakler vor neue Aufgaben gestellt und unter anderem auch die Frage nach der Reformbedürftigkeit der Maklervertragsdogmatik neu entbrannt. So ist das traditionelle Maklerbild eines erfolgsabhängigen, Angebot und Nachfrage zum Zwecke eines Vertragsschlusses zusammenführenden Vermittlers,5 im Begriff des Wandels. Das Internet bietet dem Makler neue Formen der Vermarktung: ImmobilienScout24, Immowelt, Immonet, IVD24 – die Liste führender Immobilienportale ist lang. Die Möglichkeit eines vereinfachten, selbstständigen Aufeinandertreffens von Anbieter und Nachfrager wirft jedoch zeitgleich die Frage von Verbleib und Kontur einer modernen Existenzberechtigung des Maklers auf.6 Die Digitalisierung stellt den Maklerberuf deshalb vor bisher unbekannte Herausforderungen. Seit einigen Jahren schon lässt sich eine Entwicklung hin zu einem „Hybridmakler“7 erkennen, der sowohl das persönliche Gespräch mit dem Kunden als auch Internetpräsenz und digitale Programme schätzt. Dieser Trend wurde durch die Corona-Pandemie regelrecht befeuert und viele Makler bieten unlängst ihre Objekte über Immobilienportale wie Immobilienscout24 an und arbeiten mit, nicht gegen die digitalen Medien.8

Auf der Marktgegenseite steht in den überwiegenden Fällen ein Verbraucher, der eine Immobilie erwerben will oder auf angespannten Wohnungsmärkten nach einer Mietwohnung sucht. Regelmäßig melden sich Interessenten auf die Internetanzeigen von Maklern über Kontaktformulare der Internetportale, erhalten ein Exposé und vereinbaren daraufhin einen Besichtigungstermin. Auch virtuelle Hausbesichtigungen werden im Zuge der technischen Entwicklung bereits in das Exposé eingebunden und konnten durch die Corona-Pandemie ebenfalls einen Boom erleben.9 Der Fernabsatz und die Anonymität des Internets bergen allerdings für den Verbraucher nicht zu vernachlässigende rechtliche Risiken. Oft kann er die Eigenschaften einer Ware oder Dienstleistung vor dem Eingehen einer Vertragsverpflichtung nicht überprüfen.10 In diesem Bereich ergeben sich gerade im Zuge der Digitalisierung neue und spannende Rechtsfragen für das Verhältnis zwischen Verbraucher und Makler, das seit jeher von einem schlechten Ruf der Makler geprägt wird. Die Provisionen werden im Verhältnis zum Leistungsaufwand von der Bevölkerung als deutlich zu hoch angesehen.11 So wird vielfach „bemäkelt“, Makler würden „für einmal Türaufschließen“ ordentlich Provision einstreichen.12 Die Digitalisierung und die Absatzmöglichkeit über das Internet bergen nun neues Gefahrenpotenzial für den Maklerkunden, könnten aber auch eine Chance für einen einfachen und trotzdem transparenten Vertragsschluss mit dem Makler bieten. Die Frage eines Schutzbedürfnisses des Verbrauchers gegenüber dem Makler hat mit der rasant fortschreitenden Absatzmöglichkeit über das Internet einen neuen rechtlichen Anwendungsbereich erhalten, dessen Herzstück die Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen (§§ 312c, 312g I BGB) darstellen.

Der wichtigste Motor für den Verbraucherschutz ist das Europarecht, auch für die Spezialmaterie des Maklerrechts.13 Im Zuge fortschreitender europäischer Harmonisierung hatte gerade die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL)14 maßgeblichen Einfluss auf den deutschen Verbraucherschutz. Als Beispiel lässt sich die Neugestaltung des Widerrufsrechts des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen (§§ 312c, 312g I BGB) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§§ 312b, 312g I BGB) nennen. Durch die mit Umsetzung der VRRL15 erfolgte Ausweitung des Anwendungsbereichs des Außergeschäftsraumrechts in § 312b I BGB hat das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auch für den Maklervertrag an erheblicher Bedeutung gewonnen, gerade für den Abschluss von Maklerverträgen im Rahmen von Besichtigungsterminen der Immobilie.

Die vorliegende Arbeit wird sowohl das Widerrufsrecht des Maklerkunden bei im Fernabsatz als auch bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Maklerverträgen einer kritischen Bestands- und Perspektivanalyse unterziehen. Dabei wird vor allem kritisch untersucht, ob der verbraucherschützende Widerruf im Immobilienmaklerrecht in seiner derzeitigen Ausgestaltung der richtige Weg für einen effektiven und effizienten Verbraucherschutz ist oder ob man ggfs. de lege ferenda an anderen Stellen im Immobilienmaklerprovisionsrecht ansetzen müsste, im Hinblick auf ein sich wandelndes Maklerbild möglicherweise sogar an der dogmatischen Struktur des Maklervertrags insgesamt.


1 Eine ausführliche Übersicht über die fortlaufenden Reformaufrufe von 1979 bis heute bietet MünchKommBGB/Althammer, § 652 Rn. 8. Die in der 8., 9. und 10. Wahlperiode des Deutschen Bundestags von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesvorlagen zur Reformierung des Maklerrechts (BT-Drucks. 8/3212; 9/1633; 10/1014) wurden nie zur abschließenden Beratung gebracht.

2 BGBl. 2020 I, 1245.

3 Zum näheren Inhalt und zur Kritik am neuen Recht siehe Teil 2 Kap. A. III.

4 Zu dieser Qualifizierung des Immobilienmaklerrechts siehe Würdinger, S. 27; anschaulich auch MünchKommBGB/Althammer, § 652 Rn. 2, der das richterrechtlich geprägte Maklerrecht als „Fallrecht reinsten Wassers“ bezeichnet.

5 BGHZ 161, 349 (358) = NJW 2005, 753 (755); Fischer, S. 14 Rn. 27.

6 Ibold, Rn. 6.

7 Vgl. Cash-Online.de, Artikel vom 07.09.2022, https://www.cash-online.de/finanzberater/nachfolgeplanung/2022/das-ende-des-maklermarkts-wie-wir-ihn-kennen/627665 (Stand: 08.06.2023).

8 Hamm, Rn. 4, wo auch auf die Bedeutung von ImmobilienScout24 hingewiesen wird. Siehe dazu aktuell https://www.immobilienscout24.de/unternehmen/immobilienscout24.html (Stand: 08.06.2023): 19 Mio. Nutzer im Monat.

9 So bei Immobilienscout24: https://www.immobilienscout24.de/anbieten/gewerbliche-anbieter/tipps/anwender-tipps/anwender-handbuch/Angebotserstellung/virtuelle-touren.html (Stand: 08.06.2023).

10 Grunewald/Peifer, Rn. 107.

11 Denen habe „Christus im Tempel die Tische umgestoßen“, so das damalige SPD-Vorstandsmitglied Georg Leber über das Berufsbild des Maklers auf dem Bundesparteitag der SPD 1973 in Hannover. Die SPD sprach sich damals in einem Beschluss für die Abschaffung des privaten Immobilienmaklers aus. Siehe dazu Spiegel Online, Artikel aus „Der Spiegel“ 17/1973 vom 23.04.1973, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42601618.html (Stand: 08.06.2023).

12 Zeit.de, Artikel vom 09.04.2013, https://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-04/beruf-immobilienmakler (Stand: 08.06.2023), kritisch dazu: Ibold, Rn. 2, der zu Recht mit Blick auf § 652 I 1 BGB den Maklerlohn nicht als Aufwandsvergütung für den konkreten Nachweis oder die konkrete Vermittlung klassifiziert, sondern den Wert der Information für den Kunden bei Zustandekommen des Hauptvertrags als provisionspflichtig ansieht.

13 Vgl. Alexander, S. 1 Rn. 2.

14 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments u. des Rates v. 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates u. der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments u. des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates u. der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments u. des Rates (ABL. 2011 L 304, 64).

15 Richtlinie 2011/83/EU.

B. Gang und Schwierigkeit der Arbeit

Der erste Teil der Arbeit wird den verbraucherschützenden Widerruf im Immobilienmaklerrecht in seinem de lege lata vorhandenen Regelungsgehalt kritisch aufarbeiten. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen (§§ 312c, 312g I BGB) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§§ 312b, 312g I BGB). Hierbei wird zu untersuchen sein, ob sich der Widerruf in die maklerrechtliche Vertragssystematik integrieren lässt und inwieweit Reibungen auftreten. Auch wird herauszuarbeiten sein, ob und ggfs. an welcher Stelle der widerrufsrechtliche Schutz des Maklerkunden lückenhaft ist und einer Nachbesserung bedarf.

Details

Seiten
240
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631917480
ISBN (ePUB)
9783631917497
ISBN (Hardcover)
9783631917442
DOI
10.3726/b21737
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Mai)
Schlagworte
Widerrufsrecht des Verbrauchers Immobilienmaklerrecht Verbraucherschutz Erfolgsprinzip MaklKostVertG Digitalisierung im Maklerrecht
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 240 S.

Biographische Angaben

Pierre Hubertus (Autor:in)

Pierre Hubertus studierte parallel Rechtswissenschaft an der Universität des Saarlandes und Musik in künstlerisch-pädagogischer Ausrichtung an der Hochschule für Musik Saar. Nach seinem Bachelorabschluss in Musik und seiner Ersten juristischen Prüfung begann er ein Promotionsstudium an der Universität des Saarlandes im Fach Rechtswissenschaft, das er 2023 an der Universität Passau abschloss.

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