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Memoria – Postmemoria

Die argentinische Militärdiktatur (1976–1983) im Kontext der Erinnerungskultur

von Patrick Eser (Band-Herausgeber:in) Jan-Henrik Witthaus (Band-Herausgeber:in)
©2016 Sammelband 190 Seiten
Reihe: Hispano-Americana, Band 50

Zusammenfassung

Der Band thematisiert die konfliktbeladenen Entwicklungen in der argentinischen Erinnerungskultur und vergangenheitspolitische Debatten über die letzte Militärdiktatur (1976–1983). Er enthält disziplinenübergreifende Beiträge aus Deutschland und Argentinien.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort der Herausgeber
  • I. Politiken der Erinnerungskultur
  • Stefan Peters - Die Erinnerung an die zivil-militärischen Diktaturen im Cono Sur: Argentinien in vergleichender Perspektive
  • Silvina Merenson - Die Genossinnen von Devoto. Erzählungen, Erinnerungen und Prozesse der (Un-)Sichtbarmachung vor dem Hintergrund des Staatsterrorismus in Argentinien
  • II. Erinnerungspolitiken der Literatur
  • Victoria Daona - Der bewaffnete Kampf im Argentinien der 1970er Jahre aus der Sicht von Frauen: Zeugenberichte und Romane
  • Rossana Nofal - Rekonfigurationen der Testimonialliteratur in Argentinien. Narrative der Niederlage in den Kurzerzählungen über Trelew
  • Jan-Henrik Witthaus - Erinnerungen an den Diktator. Zur Evokation militärischer Machthaber in Purgatorio von Tomás Eloy Martínez und Nocturno de Chile von Roberto Bolaño
  • Patrick Eser - … ou le souvenir de l’enfance… Die Fiktion von Kindheitserinnerungen an die argentinische Militärdiktatur: Manèges von Laura Alcoba
  • III. Erinnerung transmedial
  • Ulrich Winter - Lesbarkeit der Geschichte und die Begriffe des Politischen. Kindheit und Diktatur in der argentinischen post-memoria bei Marcelo Figueras und Patricio Pron (Roman, Film, Blog)
  • Christian von Tschilschke - Die Erinnerung an die Militärdiktatur im argentinischen Mainstream-Kino (1986–2010)

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Vorwort

Dieser Band hat wie viele andere Publikationen seine eigene kleine Erzählung. Am 13.06.2014 fand an der Universität Kassel eine Jornada Argentina statt, die vom Argentinien-Forum der Universität organisiert worden war. Die Veranstalter hatten zum Thema „Identitätsdiskurse. Sprache, Topoi, Erinnerungsmuster“ eingeladen, und dieser Einladung sind zahlreiche Beiträgerinnen und Beiträger mit sprach-, kultur-, geschichtswissenschaftlichen Expertisen gefolgt. In der Rückschau ergab es sich, dass zahlreiche Vorträge um das Thema der Erinnerungskultur in Argentinien und insbesondere um die Verarbeitung der letzten Militärdiktatur von 1976 bis 1983 kreisten. Uns ist bewusst, dass gerade dieser Untersuchungsgegenstand in der deutschsprachigen Lateinamerikanistik Konjunktur hat,1 daher wollen wir die Ergebnisse der kleinen Tagung der Fachöffentlichkeit nicht vorenthalten. So haben wir die Beiträge zur Memoria-Thematik extrahiert, zusammengetragen und um weitere Artikel von argentinischen Expertinnen, mit denen wir im Rahmen von Kooperationen in anderen Zusammenhängen in fruchtbaren Austauschbeziehungen stehen, ergänzt. Als Ergebnis liegt nun ein kleiner Band vor, in dem disziplinenübergreifend und aus verschiedenen Perspektiven aktuelle Analysen der jüngsten Dynamiken in der Erinnerungskultur Argentiniens formuliert werden. Die literarische und kulturelle Bearbeitung der Diktaturvergangenheit in Argentinien befindet sich, wie viele Beiträge deutlich machen, an der Schwelle zwischen memoria und post-memoria, zwischen der Erinnerung derjenigen, die die Militärdiktatur selbst erlebt haben und entsprechende Unrechtserfahrungen erleiden mussten, und den Erinnerungen der nachwachsenden Generation, in denen andere Fragestellungen, Äußerungsformen und Verarbeitungsmodi hinsichtlich ← 7 | 8 → der ‚vererbten‘ Unrechtserfahrungen und Traumatisierungen zu beobachten sind. Die Beiträge dieses Bandes machen diese Unterschiede und Wandlungsprozesse deutlich und vermitteln somit, wenn auch keinesfalls ein umfassendes Panorama, so doch einen Einblick in die Polyphonie, Dissonanzen und verschiedenen Modalitäten der jüngsten argentinischen Erinnerungsnarrative.

Warum haben wir die argentinischen Artikel übersetzt? Die Jornada Argentina war an ein breites Publikum adressiert, nicht nur an die Fachöffentlichkeit, sondern vor allem auch an die Studierenden, an interessierte Gasthörerinnen, Gasthörer sowie an Kolleginnen und Kollegen. Im Geiste der Jornada war es uns daher ein Anliegen, die Schwelle der Voraussetzungen ein wenig herunterzusetzen. Wenn auch aus Gründen der Wissenschaftlichkeit die Zitate im Original verbleiben, soll dennoch eine größere Zugänglichkeit hergestellt und sollen darüber hinaus auch womöglich Interessenten, Studierende sowie Fachvertreterinnen und Fachvertreter nicht nur der Hispanistik, sondern auch der Politik- und Kulturwissenschaften angesprochen werden. Die Auseinandersetzung mit Unrechtserfahrungen und Diktaturen der Vergangenheit ist bekanntlich eine Problematik, die von übergreifendem Interesse und in verschiedenen, auch transnationalen Kontexten nach wie vor politisch virulent ist, weshalb sie auch immer wieder zum Anlass künstlerischer Darstellungen gemacht wird. Vielleicht können unsere Übersetzungsversuche dazu beitragen, unsere argentinischen Kolleginnen, die zur Memoria-Thematik forschen und deren Arbeiten wir sehr bewundern, in den deutschen politischen und kulturwissenschaftlichen Debatten, die sich ja primär um die eigenen und europäischen Fälle drehen, ein wenig bekannter zu machen. Doch auch für die hiesigen hispanistischen Kreise sind die kulturanthropologisch-ethnographischen und literaturwissenschaftlichen Beiträge aus Argentinien von großem Interesse. Der als Erinnerungskultur bezeichnete gesellschaftliche und diskursive Komplex wird auch künftig relevant bleiben. Ein von geteilten Fragestellungen gebündeltes, gemeinsames Vorgehen verschiedener Disziplinen kann sich in der Auseinandersetzung mit den komplexen Dynamiken von Erinnerungskulturen als sehr gewinnbringend erweisen, wie die in dem Band versammelten Beiträge zeigen. Es ist vielleicht eine nützliche Koinzidenz, dass dieses Buch im zeitlichen Umfeld des 40. Jahrestags des Militärputschs vom 24. März 1976 erscheint, denn die Beiträge zeigen, wie lebendig, wichtig und tragischerweise auch relevant die erinnerungskulturellen Debatten immer noch sind, da die Verbrechen der Militärdiktatur noch heute nachwirken.

Gedankt sei zunächst den Beiträgerinnen und Beiträgern dieses Bandes. Sodann möchten wir nachträglich allen Organisatorinnen und Organisatoren der Jornada Argentina danken, allen voran unseren Kolleginnen Angela Schrott und Simone Mwangi und allen, die mitgeholfen haben, nicht zuletzt aber auch jenen, ← 8 | 9 → deren Vorträge aus thematischen Gründen nicht in diesen Band aufgenommen wurden, die aber auf hervorragende Weise zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Ein letztes Wort des Dankes gilt unserer Mitarbeiterin Laurien Jakobi, die sich bei der Einrichtung der Manuskripte und den Korrekturen unentbehrlich gemacht hat.

Die Herausgeber

Kassel im Januar 2016


1 Als Beispiele des erstarkten Interesses an den Diktaturvergangenheiten im Cono Sur, auch im Vergleich zu den iberischen Fällen, seien an der Stelle von vielen nur einige wenige genannt: Reinstädler, Janett (Hg.) (2011): Escribir después de la dictadura. La producción literaria y cultural en las posdictaduras de Europa e Hispanoamérica. Frankfurt am Main/ Madrid: Vervuert/ Iberoamericana, ; Capdepón, Ulrike (2015): Vom Fall Pinochet zu den Verschwundenen des Spanischen Bürgerkrieges. Die Auseinandersetzung mit Diktatur und Menschenrechtsverletzungen in Spanien und Chile, Bielefeld: transcript; Elsemann, Nina (2011): Umkämpfte Erinnerungen. Die Bedeutung lateinamerikanischer Erfahrungen für die spanische Geschichtspolitik nach Franco. Frankfurt a. M: Campus; Vgl. auch die Sammelbesprechung „Geschichte, Memoria und Gedenken. Neue Forschungsarbeiten thematisieren Vergangenheitsbezüge als transnationales Phänomen und Politikum“ in literaturkritik.de (04/2016).

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I. Politiken der Erinnerungskultur

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Stefan Peters

Die Erinnerung an die zivil-militärischen Diktaturen im Cono Sur: Argentinien in vergleichender Perspektive

Geschichte boomt. Weltweit lassen sich in den vergangenen Jahren eine Bedeutungszunahme von Geschichts- und Vergangenheitspolitik sowie ein Anstieg der Produktion erinnerungskultureller Artefakte feststellen. In den USA sind populärwissenschaftliche Publikationen zum Bürgerkrieg Verkaufsschlager, in Spanien entzündete sich – ebenfalls am Thema des Bürgerkriegs – seit Mitte der 1990er Jahre ein „Boom der Erinnerung“ (Bernecker/Brinkmann 2006: 14), in Deutschland lockte das TV-Drama ‚Unsere Väter – Unsere Mütter‘ ein Millionenpublikum vor die Fernsehgeräte und der türkische Präsident Erdogan untermalte mit der These der ‚Entdeckung‘ Amerikas durch muslimische Seefahrer die gestiegene internationale Bedeutung der Türkei mit einem geschichtspolitischen Argument. Diese Beispiele verdeutlichen: Geschichte ist en vogue.

Dies gilt auch für Lateinamerika und insbesondere den Cono Sur. Kaum ein anderes Thema hat in den vergangenen Dekaden in Argentinien, Chile und Uruguay derart massive und kontinuierliche gesellschaftliche Mobilisierungen sowie heftige politische Auseinandersetzungen hervorgerufen, wie der Umgang mit der Vergangenheit der Diktaturen der 1970er und 1980er Jahre. Die gewaltvolle Vergangenheit prägt nicht nur die Politik, sondern hat auch tiefe Spuren in gesellschaftlichen Debatten und in der kulturellen Produktion hinterlassen. Obwohl die Diktaturen und zum Teil auch die vergangenheitspolitischen und erinnerungskulturellen Konstellationen in den drei Vergleichsländern eine Reihe von Ähnlichkeiten sowie eine Vielzahl transnationaler Bezüge aufweisen und die postdiktatorialen Gesellschaften mit vergleichbaren Herausforderungen des Umgangs mit der Vergangenheit konfrontiert waren, lassen sich zwischen den Fällen dennoch deutliche Divergenzen beobachten. Der vorliegende Beitrag möchte die vergleichende Perspektive auf die zivil-militärischen Diktaturen1 in Argentinien, Chile und Uruguay nutzen, um die Gemeinsamkeiten und Spezifika der Regime und der Vergangenheitspolitiken ← 13 | 14 → in den Vergleichsländern herauszuarbeiten. Auf dieser Basis sollen abschließend einige weiterführende vergangenheitspolitisch relevante Fragestellungen aufgeworfen werden.

Die Diktaturen im Cono Sur im Vergleich

Details

Seiten
190
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653050844
ISBN (ePUB)
9783653975581
ISBN (MOBI)
9783653975574
ISBN (Hardcover)
9783631657614
DOI
10.3726/978-3-653-05084-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Kulturwissenschaftliche Erinnerungsforschung Lateinamerikanische Studien Hispanoamerikanistik Testimonialliteratur
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 190 S., 1 Tab.

Biographische Angaben

Patrick Eser (Band-Herausgeber:in) Jan-Henrik Witthaus (Band-Herausgeber:in)

Patrick Eser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Hispanistische Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Kassel. Jan-Henrik Witthaus ist Professor für Hispanistische Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Kassel.

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Titel: Memoria – Postmemoria
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