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Korruption: ein ungerechtfertigter Eingriff in internationale Menschenrechte?

Chancen und Grenzen einer opferbezogenen Korruptionsperspektive

von Leonie Hensgen (Autor:in)
©2017 Dissertation 262 Seiten

Zusammenfassung

Als alltägliches Phänomen vieler Menschen verlangt Korruption nach einer Perspektive, die über eine rein strafrechtliche Betrachtung hinausgeht. Dazu untersucht die Autorin, inwiefern Korruptionsdelikte Menschenrechtsverletzungen begründen. Doch auch wenn der korrupte Akt eine Beeinträchtigung individueller Rechte darstellt, ist eine Menschenrechtsverletzung in den meisten Fällen abzulehnen. Das Potential der Menschenrechte im Kampf gegen Korruption liegt aus Sicht der Autorin daher vor allem auf einer politisch-gesellschaftlichen Ebene. Sie statuiert, dass Betroffene korrupte Akte als eine Beeinträchtigung ihrer individuellen Rechte verstehen und als solche adressieren müssen, damit die Täter ihr Verhalten ändern.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Zusammenfassung
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel I
  • A. Thematischer Gesamtzusammenhang
  • 1. Korruption als Menschenrechtsverletzung?
  • 2. Menschenrechte als Antikorruptionsmechanismus?
  • 3. Menschenrechtsverletzungen durch Antikorruptionsmaßnahmen
  • B. Gegenstand der Untersuchung
  • C. Thematische Eingrenzung
  • D. Ziel und Gang der Untersuchung
  • Kapitel II
  • A. Das Phänomen „Korruption“
  • B. Ansatz einer Korruptionsdefinition
  • 1. Deskriptives Element
  • 2. Normatives Element
  • C. Korruptionsdelikte
  • 1. Bestechung
  • 2. Veruntreuung/Unterschlagung
  • 3. Missbräuchliche Einflussnahme
  • 4. Missbräuchliche Wahrnehmung von Aufgaben
  • 5. Unerlaubte Bereicherung
  • Kapitel III
  • A. Menschenrechtsbeeinträchtigung durch Bestechung
  • 1. Zahlungen für unentgeltlich zu gewährende Güter/Leistungen
  • 2. Zusätzliche Zahlungen für kostenpflichtige Leistungen
  • 3. Willkürliche justizielle Entscheidungen
  • 4. Missachtung gesetzlicher Vorgaben
  • 5. Aushebeln von Kontrollfunktionen
  • 6. Vorteilsgewährung als Bedingung zur Achtung der Menschenrechte
  • 7. Unzulänglichkeit von Ressourcen
  • B. Menschenrechtsbeeinträchtigung durch Veruntreuung/ Unterschlagung
  • 1. Einschränkungen im Rahmen öffentlicher Einrichtungen
  • 2. Einschränkungen im Rahmen sonstiger bürgerzentrierter Einrichtungen
  • 3. Manipulation der öffentlichen Meinung
  • 4. Unrechtmäßige Informationsweitergabe
  • 5. Verlust persönlicher/sonstiger Gegenstände
  • Kapitel IV
  • A. Die Pflichtentrias
  • 1. Pflicht zur Achtung der Menschenrechte (duty to respect)
  • 2. Pflicht zum Schutz der Menschenrechte (duty to protect)
  • 3. Pflicht zur Verwirklichung der Menschenrechte (duty to fulfil)
  • 4. Verbot der Diskriminierung
  • B. Die Generalklauseln der Menschenrechtsverträge
  • 1. Auslegung von Menschenrechtsverträgen
  • 2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
  • 3. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
  • Kapitel V
  • A. Die rechtswidrige Pflichtverletzung im Völkerrecht
  • B. Der korrupte Akt als Menschenrechtsverletzung
  • 1. Eingriff
  • 2. Zurechenbarkeit
  • 3. Rechtfertigung
  • C. Menschenrechtsverletzung durch Bestechung
  • 1. Zahlungen für unentgeltlich zu gewährende Güter/Leistungen
  • 2. Zusätzliche Zahlungen für kostenpflichtige Leistungen
  • 3. Willkürliche Entscheidungen
  • 4. Missachtung gesetzlicher Vorgaben
  • 5. Aushebeln von Kontrollfunktionen
  • 6. Vorteilsgewährung als Bedingung zur Achtung der Menschenrechte
  • 7. Unzugänglichkeit von Ressourcen
  • D. Menschenrechtsverletzung durch Veruntreuung/Unterschlagung
  • 1. Analyse konkreter Konstellationen
  • E. Menschenrechtsverletzung durch weitere Korruptionsdelikte
  • 1. Illegale Bereicherung
  • 2. Missbräuchliche Einflussnahme
  • 3. Missbräuchliche Wahrnehmung von Aufgaben
  • F. Zusammenfassung
  • Kapitel VI
  • A. Rechtsschutz nach dem ZP IPbürgR
  • 1. Ablauf
  • 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen
  • 3. Prüfung der Begründetheit
  • B. Besonderheiten des ZP IPwirtR
  • 1. Ablauf
  • 2. Zulässigkeitsprüfung
  • 3. Prüfung der Begründetheit
  • Schluss
  • A. Fazit
  • B. Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • A. Monografien
  • B. Aufsätze
  • C. Kommentare
  • D. Lehrbücher
  • E. Sonstige Dokumente
  • F. Internetquellen

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Abkürzungsverzeichnis

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Einleitung

„Let us be clear. Corruption kills!“

Mit diesen Worten eröffnet Navi Pillay, High Commissioner for Human Rights, im März 2013 die Debatte über die negativen Auswirkungen von Korruption auf die Menschenrechte im Menschenrechtsrat. In ihrem folgenden Statement führt sie den Diskussionsteilnehmern die Prägnanz der Thematik deutlich vor Augen:

“The money stolen through corruption every year is enough to feed the world’s hungry 80 times over. Bribes and theft swell the total cost of projects to provide safe drinking water and sanitation around the world by as much as 40 per cent. It is reported that from 2000 to 2009, developing countries lost US $ 8.44 trillion to illicit financial flows, 10 times more than the foreign aid they received.

There is no doubt that, in practical terms, corruption is an enormous obstacle to the realization of all human rights — civil, political, economic, social and cultural, as well as the right to development. Corruption hits the poor first and hardest.

Corruption violates human rights; let us pool our thoughts and efforts together, and fight it as one.”2

Das Phänomen der Korruption sowie Fragen der Korruptionsbekämpfungen sind seit den 90er-Jahren Thema der internationalen Debatte und als solches aus dieser nicht mehr wegzudenken. Mit dem Vormarsch der Good Governance Agenda, deren Forderungen nach Transparenz, Integrität und Accountability seither immer stärker an Prominenz gewinnen, begann man, die Hindernisse zu adressieren, die der Verwirklichung dieser Werte entgegenstehen.3 Die Weltbank deklarierte Korruption zu einem wirtschaftlichen Thema, wodurch sie den eigenen Fokus auf die Korruptionsbekämpfung rechtfertigte.4 Das Zitat des damaligen Präsidenten der Weltbank ist prägend für einen maßgeblichen Wandel des Korruptionsbewusstseins auf internationaler Ebene. ← 19 | 20 →

“I visited a number of countries and I decided that I would redefine the previously unspeakable ‚C‘ word not as a political issue but as something social and economic.”5

Korruption galt nicht mehr als Angelegenheit der nationalen Politik, die aufgrund der Wahrung der staatlichen Souveränität vor externer Kritik abgeschirmt war, sondern als globales Problem, das im Interesse aller Staaten bekämpft werden muss.6

Das Ende der 90er-Jahre ist durch eine Welle nationaler, regionaler und internationaler Bemühungen der Korruptionsbekämpfung geprägt. Das Inkrafttreten der internationalen Antikorruptionskonvention der Vereinten Nationen im Jahre 2005 markierte einen Höhepunkt der vereinten staatlichen Kräfte zur Eindämmung des Übels. Doch schnell musste man realisieren, dass die gewünschten Erfolge ausblieben. Trotz der Vertragsratifikation durch eine Vielzahl von Staaten und der nach außen kommunizierten Bekenntnis zu einer „zero-tolerance-against-corruption“ Strategie7 kamen beständig neue Skandale ans Licht, und die Erkenntnis über die negativen Konsequenzen von Korruption auf allen Ebenen nahm immer besorgniserregendere Ausmaße an. Nur langsam wurde den verantwortlichen Akteuren bewusst, dass kurzfristig angelegte Maßnahmen keine nachhaltige Wirkung erzeugen können. Statt einer Strategie, die primär auf die Bekämpfung der Korruptionssymptome abzielt, musste ein nachhaltiges Umdenken angestrebt werden.

Der begrenzte Erfolg der Antikorruptionsstrategien ist eine Erklärung dafür, warum neue Ansätze und solche, die bereits thematisiert wurden, in Vergessenheit gerieten und erst in den letzten Jahren wieder verstärkt Aufmerksamkeit erfahren ← 20 | 21 → haben. Die Idee einer Verknüpfung der Menschenrechte mit der Korruption, die bereits 2003 von den VN im Ansatz untersucht wurde,8 ist einer dieser Ansätze. Durch eine alternative Betrachtungsweise sollen neue Wege der Korruptionsbekämpfung aufgezeigt werden. Die Untersuchung des normativen Gehalts dieses Ansatzes sowie die Frage nach dessen Mehrwert für die von Korruption Betroffenen ist das Ziel der vorliegenden Dissertation. ← 21 | 22 →


2 Die gesamte Rede von Frau Pillay ist abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13131&LangID=e.

3 Das Konzept von „Governance“ wurde von der Weltbank 1989 in ihrem Bericht über Afrika zum ersten Mal verwendet, World Bank, Sub-Saharan Africa: from crisis to sustainable growth. Zur Entwicklung der Good Governance Agenda s. Kjoer/Kinnerup, in Sano/Alfredsson, S. 2 f.; Czada, in Benz/Dose.

4 Das Mandat der Weltbank ist auf Themen der wirtschaftlichen Entwicklung begrenzt. Andere Aspekte dürfen nur adressiert werden, sofern diese Auswirkungen auf das primäre Mandat haben, s. Art. IV Section 10 Articles of Agreement for the World Bank.

5 James Wolfensohn, zitiert aus Ivanov, S. 31.

6 Insbesondere die Rede des Präsidenten der Weltbank, James Wolfensohn vom 1.10.1996, wird bis heute als Wendepunkt betrachtet: „(…) we must tackle the issue of economic and financial efficiency. But we also need to address transparency, accountability, and institutional capacity. And let’s not mince words: we need to deal with the cancer of corruption. In country after country, it is the people who are demanding action on this issue. They know that corruption diverts resources from the poor to the rich, increases the cost of running businesses, distorts public expenditures, and deters foreign investors. They also know that it erodes the constituency for aid programs and humanitarian relief. And we all know that it is a major barrier to sound and equitable development.“
Die gesamte Rede ist abrufbar unter: http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/EXTABOUTUS/ORGANIZATION/EXTPRESIDENT/EXTPASTPRESIDENTS/PRESIDENTEXTERNAL/0,,contentMDK:20025269~menuPK:232083~pagePK:159837~piPK:159808~theSitePK:227585,00.html. Für genaue Ausführungen bzgl. der zunehmenden Präsenz der Korruptionsproblematik im internationalen Diskurs sowie einem damit einhergehenden Wandel in der Entwicklungszusammenarbeit, s. Böckmann, in Achathaler, S. 149 ff.

7 Eine „zero-tolerance-against-corruption“ Strategie wird u. a. von der Weltbank befürwortet und wurde vermehrt von Staaten aufgegriffen, um ihr Engagement diesbezüglich Hervorzuheben. Für weitere Informationen, s. http://www.u4.no/publications/donors-and-zero-tolerance-for-corruption-from-principle-to-practice/.

8 Im Jahre 2003 setzte die ehemalige Menschenrechtskommission eine Spezialberichterstatterin ein, deren Mandat es war, die „negativen Auswirkungen der Korruption auf die Menschenrechte“ zu untersuchen, s. Hensgen, in Max Planck UNYB 17 (2013), S. 206 ff.

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Kapitel I

Das erste Kapitel dient der Übersicht über die Thematik der vorliegenden Arbeit. Um die Fragestellung besser einordnen zu können, wird diese in ihrem Gesamtzusammenhang dargestellt (A) und darauf aufbauend der konkrete Untersuchungsgegenstand erläutert (B). Im Anschluss erfolgen eine thematische Eingrenzung (C) sowie Anmerkungen zu Ziel und Gang der Arbeit (D).

Details

Seiten
262
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631696767
ISBN (ePUB)
9783631696774
ISBN (MOBI)
9783631696781
ISBN (Hardcover)
9783631697863
DOI
10.3726/978-3-631-69676-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
Internationale Menschenrechte Verletzung Eingriff Bestechung Rechtswissenschaften
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2017. 262 S.

Biographische Angaben

Leonie Hensgen (Autor:in)

Leonie Hensgen studierte Jura an den Universitäten Freiburg und Heidelberg und war Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sowie Projektmitarbeiterin bei der Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit. Sie absolvierte zudem einen Master of Advanced Studies in International Development Cooperation an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

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