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Johann Adam Möhlers «Beleuchtung der Denkschrift»

Auseinandersetzung mit der kirchlichen Situation seiner Zeit

von Margarete Eirich (Autor:in)
©2016 Dissertation 490 Seiten

Zusammenfassung

1828 unterzeichneten 23 Professoren aus Freiburg i. Br. Petitionen zur Abschaffung des Zölibates und verteidigten diese mit einer erläuternden «Denkschrift». Hierauf antwortete Johann Adam Möhler (1796–1838) mit der «Beleuchtung der Denkschrift».
Die Autorin analysiert den geschichtlichen und literarischen Hintergrund sowie die Grundlinien und Rezeptionsgeschichte dieses bisher in der Forschung noch sehr wenig beachteten Werkes. Eine Auswertung von Möhlers Methodik, ein Schriftenvergleich sowie die vorgenommene Systematisierung der Kernaussagen zeigen, dass die «Beleuchtung» über eine reine Rezensionsschrift hinausreicht. Die Untersuchung belegt eindrucksvoll, dass der Tübinger (und spätere Münchener) Theologe hier eine im echten Sinne fundamentaltheologische Schrift vorgelegt hat, die einen Maßstab für sein folgendes systematisches Schaffen setzt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungen
  • 1. Einleitung
  • 1.1. Fragestellung und Themenabgrenzung
  • 1.2. Aufbau und Vorgehensweise
  • 1.3. Forschungsstand
  • 2. Das Leben und Werk von Johann Adam Möhler
  • 2.1. Das Umfeld: Zeit des Umbruchs
  • 2.2. Die Anfänge: Liberal und kritisch
  • 2.3. Geistiger Entwicklungsgang und innere Wandlung
  • 2.4. Wissenschaftliche Anerkennung, reiches Schaffen, aber auch Konflikte
  • 2.5. Münchener Jahre
  • 3. Möhlers ‚Beleuchtung der Denkschrift‘
  • 3.1. Geschichtlicher Hintergrund der ‚Beleuchtung‘
  • 3.1.1. Die ‚katholische Aufklärung‘
  • 3.1.2. Der „Zölibatssturm“ in Baden und Württemberg
  • 3.1.3. Die ‚Beleuchtung‘ in ihrem (personen-/)geschichtlichen Kontext
  • 3.2. Literarischer Hintergrund der ‚Beleuchtung‘
  • 3.2.1. Hirschers Stellungnahmen zum Zölibat bis 1828
  • 3.2.2. Eine Schrift mit gleichem Titel: Die Zwillingsschrift von P. i. a.
  • 3.2.3. Die Rezension in der Zeitschrift ‚Der Katholik‘ von 1826
  • 3.2.4. Die Petitionen und die ‚Denkschrift‘
  • 3.2.4.1. Grundlinien der Petitionen
  • 3.2.4.2. Grundlinien der ‚Denkschrift‘
  • 3.3. Grundlinien der ‚Beleuchtung‘
  • 3.3.1. Der Zölibat im Jahre 1828
  • 3.3.1.1. Die Ehe als geistliches Heilmittel?
  • 3.3.1.2. Die unkirchliche Theologie
  • 3.3.2. Der biblische Ratschlag
  • 3.3.2.1. Jesus über Ehe und Ehelosigkeit (Mt 19,3–12)
  • 3.3.2.2. Die dringliche Empfehlung des hl. Paulus
  • 3.3.3. Die äußeren Einflüsse
  • 3.3.3.1. Heidnischer Ursprung?
  • 3.3.3.2. Jüdischer Ursprung?
  • 3.3.3.3. Gnostischer Ursprung?
  • 3.3.4. Der Zölibat in der Alten Kirche
  • 3.3.4.1. Vom 2. bis 4. Jahrhundert
  • 3.3.4.2. Die erfüllte Prophezeiung Jesu
  • 3.3.4.3. Der Übergang zum Mittelalter
  • 3.3.5. Zur Theologie des Zölibates
  • 3.3.5.1. Die Freiheit des Einzelnen und der Kirche
  • 3.3.5.2. Der Sieg über die Natur (Hatt.) oder Zölibat als Gefühlskälte? (DuD)
  • 3.3.5.3. Der Sieg über den Zeitgeist
  • 3.3.5.4. Möhlers Antwort auf den III. Teil der ‚Denkschrift‘
  • 3.4. Rezeptionsgeschichte der ‚Beleuchtung‘
  • 3.4.1. Möhlers Wirkungsgeschichte in summa
  • 3.4.2. Überblick der Rezeptionsgeschichte im Allgemeinen
  • 3.4.3. Überblick der Rezeptionsgeschichte in speziellen Schriften
  • 3.4.3.1. ‚Der ungeteilte Dienst‘
  • 3.4.3.2. Die Studie von Lösch zur ‚Beleuchtung‘
  • 3.4.3.3. ‚Vom Geist des Zölibates‘ von Dieter Hattrup
  • 3.4.3.4. ‚El celibato sacerdotal‘
  • 4. Auswertung der ‚Beleuchtung‘
  • 4.1. Analyse der Vergleichsschriften
  • 4.1.1. Hirschers Zölibatsargumentation bis 1828
  • 4.1.2. Die Zwillingsschrift von P. i. a.
  • 4.1.3. Die Rezension von 1826 im ‚Der Katholik‘
  • 4.1.4. Die Petitionen und die ‚Denkschrift‘
  • 4.2. Die Methodik in Möhlers ‚Beleuchtung‘
  • 4.2.1. Analyse und Vergleich
  • 4.2.2. Kennzeichen von Möhlers Argumentationstechnik
  • 4.2.3. Plagiatsvorwurf – Zur Frage der Zitation
  • 4.2.4. Die Sprache der ‚Beleuchtung‘
  • 4.3. Systematisierung und Reflexion der Kernaussagen der ‚Beleuchtung‘
  • 4.3.1. Diagnose seiner Zeit
  • 4.3.2. Biblische und geschichtliche Aspekte
  • 4.3.3. Anthropologische Grundlegung
  • 4.3.4. Theologische Überlegungen zum Priesterideal
  • 4.3.5. Ekklesiologische Perspektive
  • 4.3.6. Verhältnis Kirche und Staat
  • 4.3.7. Innere Zusammenhänge
  • 4.4. Resümee
  • Literaturverzeichnis
  • Anlage 1
  • Anlage 2

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Abkürzungen

Alle Abkürzungen richten sich, sofern sie nicht untenstehend abweichend angegeben sind, nach IATG3 (Schwertner, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Berlin 2014). Die Abkürzungen der patristischen Werke sowie der Konzilsdokumente folgen dem LThK3 (Lexikon für Theologie und Kirche. Hg. v. Kasper, Walter et. al. [Band 11]. Freiburg/Br. 1993–2001).

a.o. außerordentlicher [Professor]
o. ordentlicher [Professor]
o. V. ohne Verfasser

Weitere Abkürzungen:

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1. Einleitung

„Defensor fidei“, „Literarum decus“, „Ecclesiae solamen“ – „Verteidiger des Glaubens“, „Zierde der Wissenschaft“, „Trost der Kirche“: Mit diesen Titeln wurde Johann Adam Möhler nach seinem Tod gewürdigt1. Für den Gedenkstein in der Kirche seines Heimatortes wurde hiervon „DEFENSOR FIDEI“ herausgegriffen2. Ein Grund für diese Ehrenbezeichnung könnte seine Verteidigungsschrift sein. 1828 unterzeichneten 23 Professoren, die keine Kleriker waren, Petitionen zur Abschaffung des Zölibates und unterlegten diese mit einer erläuternden ‚Denkschrift‘. Auf diese umfangreiche Erläuterung hat Möhler mit einer leidenschaftlichen Schrift geantwortet. Die Bezeichnungen für diese ‚Beleuchtung der Denkschrift‘ reichen von „streitbare Auseinandersetzung mit der Antizölibatsdenkschrift“3, über „Gegenschrift gegen die badischen Anticölibatäre“4 und „gründliche und kritische ← 15 | 16 → «Rezension» der Denkschrift; die tatsächlich den Charakter eines tiefgründigen und wirklich originellen Studiums über den Zölibat hat“5, über „Kampfschrift“6, die sich „zu einer Bekenntnisschrift“7 entwickelte bis hin zu „Höhepunkt in der Verteidigung und Rechtfertigung des zölibatären Priestertums“8. Es wird dabei meist ihr rezensierender Charakter als Gegenpol zur ‚Denkschrift‘ betont und als inhaltlicher Schwerpunkt der Zölibat benannt. Dies stellt sicher einen wesentlichen Zug der ‚Beleuchtung‘ dar. Ob damit diese Schrift ausreichend gekennzeichnet ist und wie diese eingeordnet werden kann, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

1.1. Fragestellung und Themenabgrenzung

Die Situation der Kirche wie auch der Zölibat haben immer wieder die Gemüter bewegt. Walter Kasper spricht sogar davon, dass die Kirche nicht erst heute in der Krise sei, sondern es von Anfang an, im Grunde beständig gewesen sei9. Wolfgang Klausnitzer nennt innerkirchliche Kritik „geradezu ein Kennzeichen der Kirche“ und listet viele Beispiele10 auf. Für Jürgen Werbick steht die Kirche jedoch gerade heute unter einem besonderen Rechtfertigungsdruck. Auf diesem Hintergrund hat er seinen Grundriss einer Fundamentaltheologie nicht in die traditionellen ‚Traktate‘ oder Beweisgänge (‚demonstrationes‘) gegliedert, sondern spricht von ‚Streitfällen‘11. Darin zeige sich „die veränderte Diskurssituation“, der sich die Fundamentaltheologie stellen müsse, die sowohl innerkirchlich als auch gegenüber denen, die den „Offenbarungsglauben für überholt halten“, Rechenschaft geben müsse12. Demnach scheint die Aufgabe der Fundamentaltheologie gemäß 1 Petr 3,15 Rede und Antwort zu stehen, aktueller denn je. ← 16 | 17 →

Der Zölibat wird zwar von Werbick nicht unter die Streitfälle subsummiert, doch gehört er zu den kirchlichen Themen, die meistens, insbesondere im Zuge von Bestrebungen zur Kirchenreform, in den letzten Jahren angeführt werden. Das Memorandum von ProfessorInnen im Jahre 2011 ist nur ein Beispiel hierfür13. Viele der heutigen Forderungen fanden sich beinahe wörtlich oder zumindest in sachlicher Nähe bereits unter denen, die vor fast 200 Jahren die Freiburger Petenten formulierten14. In diesem Zusammenhang drängt sich dann der Schritt auf, Widerlegungen, die früher ins Gespräch gebracht wurden, als Antworten auf heutige Diskussionen zu interpretieren. Eine solche Vorgehensweise legt sich deswegen nahe, weil in den letzten lehramtlichen Stellungnahmen15 zum Zölibat sowie in drei Bischofssynoden16 zwar die Angemessenheit des Zölibats für das priesterliche Amt festgehalten wurde17, dieser aber nach wie vor Anlass zur Diskussion ist18. In diesem Sinne haben sich jüngere Veröffentlichungen der ‚Beleuchtung‘ ← 17 | 18 → offensichtlich verstanden19. Das soll aber nicht die Intention meiner Arbeit sein. Selbstverständlich können die Argumente, die Möhler zur kirchlichen Situation seiner Zeit einbringt, für heutige Debatten herangezogen werden. Ich selbst will aber die Arbeit nicht auf diesen Punkt engführen. Aus diesem Grunde wird auch darauf verzichtet, Möhlers Äußerungen zum Zölibat sowie zur kirchlichen Situation seiner Zeit aus seinen anderen Schriften systematisch zusammenzustellen20.

Ziel dieser Studie ist es vielmehr, vor allem Möhlers ‚Beleuchtung der Denkschrift‘ erstmals und umfassend dem deutschen Sprachraum zu erschließen. An ihm soll beispielhaft die Methode und die theologische Vorgehensweise des Tübingers erarbeitet werden. Neben der Vorstellung der Schrift bildet daher eine Analyse der Methodik sowie die Reflexion und Systematisierung der Kernaussagen den Schwerpunkt meiner Arbeit.

Zumindest ansatzweise soll abschließend eine inhaltliche und intentionale Einordnung Möhlers vorgenommen werden. Dies dürfte nicht sehr einfach sein. Vielfach wird er unter die Dogmatiker eingereiht, doch sind die Kirchenhistoriker inzwischen wieder bestrebt, ihn für ihr Fach zu beanspruchen21. Er selbst hatte Zeit seines Lebens einen kirchengeschichtlichen Lehrstuhl inne, hielt aber neben Patrologie, Alter und Neuer Kirchengeschichte sowie den obligatorischen Vertretungen auch Vorlesungen, die heute in den Bereich der Dogmatik oder Exegese des Neuen Testaments fallen. Eine Einordnung Möhlers anhand seiner Vorlesungen dürfte daher schwierig sein. Wäre dies aber für seine schriftlichen Arbeiten, insbesondere die ‚Beleuchtung‘ möglich? Könnte sie inhaltlich der sich später herausbildenden Fundamentaltheologie anheimgestellt werden22? Wie sieht ← 18 | 19 → die intentionale Einordnung aus? Indem Möhler im Titel die ‚Denkschrift‘ nennt, beabsichtigte er vor allem deren Verfasser zu überzeugen?

1.2. Aufbau und Vorgehensweise

Das Werk eines Autors kann nicht von seinem Leben getrennt betrachtet werden23. Dies scheint in besonderem Maße auch für Möhler zu gelten; seine Lebensgeschichte hat seine Denkgeschichte wesentlich bestimmt, seine Werke greifen in dieser Weise ineinander. Aus diesem Grunde werden seine Schriften in den lebens-, geistes- und zeitgeschichtlichen Rahmen gestellt (Kap. 2). Um das komplexe geschichtliche Umfeld ausreichend darzustellen und einige Ergänzungen zur vorhandenen biographischen Literatur vorzunehmen, erfolgt diese Darstellung etwas umfassender.

Nach dieser grundlegenden Einführung in Möhlers Leben und Werk gliedert sich die Untersuchung in zwei große Abschnitte, die zwar methodisch unterschiedlich an die ‚Beleuchtung‘ herangehen, aber aufeinander abgestimmt sind. Den Auftakt bildet eine rein deskriptiv vorgehende Darstellung mit einem systematisch-historischen Zugang (Kap. 3). In einem zweiten, auswertenden Teil mit reflektierenden Abschnitten (Kap. 4), wird vor allem analytisch-summarisch gearbeitet.

Das erste Hauptkapitel steht ganz im Fokus der Erschließung der ‚Beleuchtung‘ für die heutige Zeit. Im Einzelnen fächert es sich wie folgt auf: Das geschichtliche Umfeld der Schrift, die laufende Zölibatsdiskussion und die geistesgeschichtlichen Strömungen werden dargestellt und damit ihre Entstehung in ihr historisches Umfeld eingeordnet. Dabei werden zumindest die wichtigsten sie beeinflussenden Faktoren sowie ihre direkte Vorgeschichte aufgezeigt24. Die Schrift wird damit als eine Reaktion auf ein historisches Faktum in ihren geschichtlichen Kontext hineingestellt. ← 19 | 20 →

Möhlers Zeit war geprägt von einem regen Diskurs zum Thema Zölibat25. Aus den zahlreichen Zölibatsschriften können jedoch nur einige für eine prägnante Darstellung des literarischen Hintergrundes herausgegriffen werden (Kap. 3.2.). Hierfür werden die Grundlinien der Aussagen – zumindest die vor Entstehung der ‚Beleuchtung‘ geäußerten – seines Kollegen Hirscher, eine Schrift mit dem gleichen Titel (Zwillingsschrift von P.i.a. vgl. Kap. 3.2.2.) sowie die von ihm rezensierte ‚Denkschrift‘ zusammen mit den Petitionen vorgestellt. Laut einer Studie von Stephan Lösch soll Möhler Argumente aus dem Artikel ‚Der Cölibat‘ übernommen haben, der 1826 in ‚Der Katholik‘ erschien26. Da diese Abhandlung zudem analog zu Möhlers Schrift als Rezension verfasst wurde, werden auch ihre Grundinhalte erarbeitet und in den literarischen Hintergrund eingereiht27. Weil die Erarbeitung der Grundlinien dieser Zölibatsschriften vor allem dem inhaltlichen Vergleich dient, werden sie darüber hinaus nicht umfassender kommentiert und bewertet.

Einen zentralen Abschnitt bildet die Erarbeitung der Grundlinien der ‚Beleuchtung‘ (Kap. 3.3.). Diese werden textnah mit vielen wörtlichen Zitaten wiedergegeben, um Möhlers Argumentation, seine Methodik und einfließende Schriften sowie seine Auffassung möglichst originär darzustellen. Andererseits wird versucht, seine Sprache vorsichtig zu aktualisieren sowie seine langen Satzkonstruktionen aufzubrechen. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Wiedergabe der Inhalte der ‚Beleuchtung‘. Die noch zu seiner Zeit verbreitete, aber dem heutigen wissenschaftlichen Standard nicht mehr entsprechende Belegung, machte umfassende Ergänzungen notwendig. Darüber hinaus werden ausgewählte Kommentierungen bisheriger Editionen in die Anmerkungen übernommen und korrespondierende Aussagen aus seinen vorherigen Schriften in die Randbemerkungen aufgenommen28.

Den letzten Abschnitt der Vorstellung der ‚Beleuchtung‘ bildet das Aufzeigen ihrer Rezeption (Kap. 3.4.). Nach einem zunächst allgemeinen Überblick über ← 20 | 21 → Möhlers Wirkungsgeschichte werden die Urteile über seine ‚Beleuchtung‘ sowie deren partielle Übernahmen in wissenschaftlichen, lebens- und theologiegeschichtlichen Abhandlungen und geschichtlichen Werken aufgezeigt. Den Abschluss der rezeptionsgeschichtlichen Darstellung bildet die Vorstellung bisher erschienener Editionen zusammen mit einer umfangreichen, sich im Archiv in Tübingen (UAT) befindlichen Studie zu Möhlers ‚Beleuchtung‘.

Im zweiten Hauptkapitel wird die im Blick stehende Schrift ausgewertet (Kap. 4). Hierfür werden in einem ersten Schritt die im deskriptiven Teil vorgestellten Schriften einiger Zeitgenossen mit der ‚Beleuchtung‘ sowie untereinander verglichen (Kap. 4.1.). Dies bildet im nächsten Schritt die Grundlage zur Untersuchung von Möhlers Methodik (Kap. 4.2.). Dabei wird zunächst seine Vorgehensweise auf dem Hintergrund der Theologie seiner Zeit, dann seine Argumentationstechnik, seine Zitation sowie seine Sprache analysiert. Einen zentralen Abschnitt bildet im Anschluss daran die Zusammenstellung, Systematisierung und kurze Reflexion der Kernaussagen der ‚Beleuchtung‘ (Kap. 4.3.). Im Zuge dieser Arbeit stellte es eine besondere Herausforderung dar, die vielschichtigen Argumentationsgänge Möhlers zu ordnen und zusammenzufassen. Zu einzelnen Kernaussagen wären sicherlich umfassendere Reflexionen oder sogar eine eigene ausführlichere Ausarbeitung lohnenswert gewesen. Dies kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr geleistet werden. Das auswertende Kapitel findet schließlich mit einem Resümee seinen Ausklang (Kap. 4.4.). Nachdem bei vorherigen Kapiteln bereits summarisch gearbeitet wurde, wird der Focus hierbei vor allem auf fachspezifische Schlussfolgerungen gelegt.

Im Aufbau dieser Arbeit ergab sich eine gewisse Problematik bezüglich Überschneidungen. Weil für eine wissenschaftliche Arbeit dieser Art eine Vorstellung des Forschungsstandes obligatorisch ist, aber zugleich aufgrund der Fragestellung eine Darstellung des geschichtlichen Hintergrundes, wie eine Vorstellung der Editionen und der Rezeptionsgeschichte sinnvoll erscheinen, waren einige Wiederholungen nicht zu vermeiden. Im Blick auf dieses Problem wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Im Forschungsstand wird ein Überblick aller für das Thema relevanter Literatur geboten und diese kurz rezensiert. Dafür finden sich im jeweiligen Fachkapitel keine rezensierenden Anteile mehr. Demnach liegt der Fokus der Rezeptionsgeschichte (Kap. 3.4.2.) weniger auf einer Bewertung der Schriften, sondern vor allem darauf, inwieweit die ‚Beleuchtung‘ rezipiert wurde. Lediglich für die Darstellung der Editionen musste eine andere Vorgehensweise gewählt werden. Da im Zentrum dieser Arbeit die ‚Beleuchtung‘ und damit auch ihre Auflagen stehen, werden diese in eigenen Kapiteln umfassend vorgestellt und dort sowohl inhaltlich analysiert als auch rezensiert (Kap. 3.4.3.). Aufgrund ← 21 | 22 → ihrer Bedeutung können diese jedoch auch im Forschungsstand nicht ganz unerwähnt bleiben, werden aber dort nur überblicksartig und mit einer Kurzrezension behandelt.

Darüber hinaus ergeben sich gewisse Redundanzen beim geschichtlichen Hintergrund, so z.B. zur Entstehung der Petitionen, der ‚Beleuchtung‘ oder des Antizölibatsvereins. Diese sind jedoch an der jeweiligen Stelle für das Erfassen des Gesamtzusammenhangs notwendig; eine gewisse Doppelung kann daher auch hier nicht umgangen werden.

1.3. Forschungsstand

Nach einer mit seinem Tod einsetzenden großen Anzahl an Veröffentlichungen hat die Publikationsintensität zur Person Möhlers sowie zu seinem historischen und literarischen Umfeld inzwischen etwas nachgelassen. Im Folgenden soll ein Überblick zum Stand der Forschung der wichtigsten, insbesondere der für diese Arbeit relevanten Schriften gegeben werden. Um die Zusammenstellung nicht ausufern zu lassen, musste sie auf eine Auswahl der bedeutendsten Veröffentlichungen begrenzt werden. Eine vollständige Übersicht findet sich im Literaturverzeichnis sowie in den einschlägigen Kapiteln dieser Arbeit.

Editionen von Möhlers ‚Beleuchtung‘

Im Jahre 1828 reichten Freiburger Professoren drei Petitionen zur Abschaffung des Zölibates beim Großherzog von Baden, beim Erzbischof sowie dem Landtag ein29. Diesen Bittschriften fügten sie eine umfangreiche Erläuterungsschrift bei. Zu dieser ‚Denkschrift‘30 hat Möhler eine Rezension verfasst und anonym zunächst in der Zeitschrift ‚Der Katholik‘ und im gleichen Jahr als Sonderdruck veröffentlicht, die ‚Beleuchtung der Denkschrift für die Aufhebung des den katholischen Geistlichen vorgeschriebenen Cölibates31. Sie wurde von Döllinger 1839/1849 ← 22 | 23 → zusammen mit weiteren gesammelten Aufsätzen Möhlers nach dessen Tode unter dem Titel ‚Gesammelte Schriften und Aufsätze‘32 erneut herausgegeben. Sofern in der wissenschaftlichen Literatur die ‚Beleuchtung‘ als Beleg angegeben wird, wird meist auf dieses zweibändige Werk Bezug genommen. Hattrup hat diesen Sammelband 2011 um einen Aufsatz ergänzt und mit Erläuterungen versehen als Online-Ausgabe einem breiteren Publikum zugänglich gemacht33. Es ist begrüßenswert, dass Hattrup bei dieser Ausgabe die Paginierung der vorherigen Auflage von Döllinger von 1839/40 in eckigen Klammern in den laufenden Text eingefügt hat. Ferner erschien ein Ausschnitt aus der ‚Beleuchtung‘ 1847 als Nachdruck in einer auf Joseph Görres zurückgehenden Zeitschrift34. Noch zu Lebzeiten Möhlers wurde in französischer Übersetzung ein ca. zwanzigseitiger Teilabdruck in der Zeitschrift ‚Le Mémorial Catholique‘ herausgegeben35.

Im Jahre 1938 wurde die Schrift unter dem Namen ‚Der ungeteilte Dienst‘36 mit der Verfasserangabe Johann Adam Möhler von einem anonymen Herausgeber neu aufgelegt. Diese unter der Ziffer [II, 20] in der Möhler-Bibliographie geführte Schrift37, wird im Werkverzeichnis als Primärquelle der ‚Beleuchtung‘ geführt. ← 23 | 24 → Nach einer kommentierenden Einführung sowie einer in Auszügen wiedergegebenen ‚Denkschrift‘, folgt als umfangreichster Teil ein Kapitel unter der Überschrift „Möhlers Beleuchtung der Denkschrift“. In dieser ungewöhnlichen Verbindung einer Rezension mit der sie rezensierenden Schrift sowie der nur auszugsweisen Wiedergabe ist sie insgesamt eher eine gute Zusammenschau des Geschehens von 1828 und weniger eine Möhler’sche Primärquelle38.

Dieter Hattrup hat Möhlers Zölibatsschrift erläutert und, mit einem umfassenden Nachwort versehen, 1992 neu aufgelegt. Das bereits im Folgejahr mit einer zweiten Auflage erschienene Werk ‚Vom Geist des Zölibates‘39 ist die aktuellste gedruckte Neuauflage in ungekürzter Form. Bis auf kleinere Übernahmefehler ist sie im Wesentlichen eine nur um heutige Schreibweise aktualisierte Neuauflage von Möhlers ‚Beleuchtung‘. 2011 hat sie Hattrup um ein biographisches Kapitel und ein Literaturverzeichnis ergänzt sowie mit optischen Anpassungen versehen (inhaltliche Zwischeneinschübe entfernt und sprachliche Hervorhebungen vorgenommen) in der Reihe ‚Klassiker der Theologiegeschichte‘ neben Augustinus‘ Bekenntnissen und einigen Dialogen Platons online gestellt40. Bei allen Ausgaben nahm Hattrup nur geringfügige sprachliche Anpassungen vor, aktualisierte alte Schreibweisen und änderte schwierige Worte, wobei er in der Fußnote das Original anzeigt. ‚The Spirit of Celibacy‘, eine englische Übersetzung der gedruckten Hattrup-Edition, erschien 2007 in den USA41. Es handelt sich um eine exakte Übertragung von dessen Ausgabe aus dem Jahre 1992 – inklusive seines langen Nachwortes und wurde nur mit einem kurzen Vorwort eingeleitet. ← 24 | 25 →

Darüber hinaus wurde im Jahre 2012 ‚El celibato sacerdotal‘, eine umfassend kommentierte spanische Übersetzung, herausgegeben42. Sie enthält eine ausführliche Einführung in Möhlers Leben, seine Theologie und geschichtliches Umfeld, zum Zölibatssturm, zum Anlass des Verfassens der Schrift sowie zu der Entwicklung, die die Petitionen von 1828 nahmen.

Ein Überblick darüber, inwieweit die ‚Beleuchtung‘ in der wissenschaftlichen Literatur aufgegriffen und verarbeitet wurde, wird im Kapitel 3.4.2. für die wissenschaftliche Literatur im Allgemeinen sowie in Kap. 3.4.3. eingehender für obige Editionen geboten.

Möhlers Bibliographie und Theologie

Was die Quellenlage zu Möhlers Werken angeht, sei zunächst auf die Darstellung der wichtigsten Werke Möhlers im Kontext seines lebensgeschichtlichen Hintergrunds im Kapitel 2 verwiesen. Darüber hinaus stellt das ‚Verzeichnis der gedruckten Arbeiten Johann Adam Möhlers (1796–1838)‘, das der Tübinger katholische Kirchenhistoriker Rudolf Reinhardt aus dem Nachlass von Stefan Lösch (1881–1966) herausgegeben hat, eine gründliche Zusammenstellung der Bibliographie Möhlers bis 1966 dar43. Vorarbeiten hierzu leistete zunächst Gams44 und wesentlich umfassender danach Lösch; die Arbeit von letzterem wurde um „Akten und Briefe ‚von, an und über‘ Möhler“ bis 1975 ergänzt45. Im Verzeichnis aufgenommen sind die Einleitungen zu den Vorlesungen Kirchenrecht und Kirchengeschichte, die Rob J. F. Cornelissen aus dem Manuskript Möhlers transkribiert und ← 25 | 26 → 1972 veröffentlicht hat46. Einige Texte hiervon hat Reinhold Rieger später in einer zweibändigen, kritischen Edition der „Vorlesungen über die Kirchengeschichte“ Möhlers aufgenommen und herausgegeben47. Ebenso nicht aufgenommen sind zwei Briefe (Möhler an Bautain; Herbst an Bautain)48. Wenn auch mit einigen kleineren Fehlern behaftet, ist dieses Werksverzeichnis für die Möhlerforschung grundlegend und eine Weiterführung desselben wäre sehr wünschenswert49. Über das Verzeichnis hinaus hat Rudolf Reinhardt zusammen mit Reinhold Rieger Möhlers ‚Nachgelassene Schriften‘50 aus den stenographischen Abschriften Stephan Löschs übertragen und in zwei Bänden veröffentlicht sowie weitere Beiträge im Umkreis der Möhlerforschung51 geliefert. Rieger hat zudem aus Möhlers handschriftlichem Original dessen ‚Vorlesung zum Römerbrief‘, ‚Vorlesungen über die Kirchengeschichte‘ sowie Möhlers Antrittsrede übertragen und herausgegeben52. ← 26 | 27 → Weitere Desiderate in der „Quellenlandschaft“ bilden die ‚Vorlesungen über die Patrologie‘53 sowie seine vollständigen ‚Vorlesungen über das Kirchenrecht‘54. Letztere wurden von Kager ediert und in den ‚Anhang III‘ seiner Dissertation aufgenommen55. Ebenso hat Emil Joseph Vierneisel die im Nachlass der ‚Einheit‘ archivierte Väterstudie sowie eine Einleitung zum ‚Athanasius‘ aus Möhlers Handschriften veröffentlicht56. Eine Übersicht aller ungedruckten und gedruckten Briefe Möhlers hat Michael Grütering im Rahmen seiner Zulassungsarbeit erarbeitet57. Chronologisch geordnet ermöglicht es die Ermittlung des Fundortes sowie dessen Adressat und Inhalt. Eine gute Übersicht zum Verbleib nachgelassener Schriften Möhlers hat Reinhardt zusammengestellt58. Diesen Stand bis 1982 hat Wagner rezensiert und zusammengefasst in seinem Bericht zur Lage der Möhlerforschung bis 199759. ← 27 | 28 →

Details

Seiten
490
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783631696200
ISBN (PDF)
9783653069365
ISBN (MOBI)
9783631696217
ISBN (Hardcover)
9783631678503
DOI
10.3726/978-3-653-06936-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 490 S., 3 Tab.

Biographische Angaben

Margarete Eirich (Autor:in)

Margarete Eirich absolvierte ein Doppelstudium in Katholischer Theologie und Pädagogik an der Universität Würzburg und wurde dort an der Katholisch-Theologischen Fakultät promoviert. Sie arbeitete als Betriebswirtin, Dozentin und Religionslehrerin. Derzeit ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie der Theologischen Fakultät Trier.

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