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Cross-mediale Zusammenschlüsse

Eine Analyse des Rechtsrahmens der Rundfunkkonzentrationskontrolle nach dem RStV und des Rechtsrahmens der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle nach dem GWB im Hinblick auf cross-mediale Zusammenschlüsse unter Beteiligung des privaten Rundfunks

von Nadine Fiedler (Autor:in)
©2017 Dissertation 228 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich im Schwerpunkt mit der Rundfunkkonzentrationskontrolle gemäß § 26 RStV unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der KEK sowie der Rechtsprechung in der Sache ProSiebenSat.1/Axel Springer. Die daraus folgenden Ergebnisse setzt die Autorin in einem Reformvorschlag zu § 26 RStV um. Des Weiteren untersucht die Autorin die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle nach dem GWB im Hinblick auf cross-mediale Zusammenschlüsse. Dabei geht sie insbesondere auch der Frage nach, ob eine kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle die medienrechtliche Rundfunkkonzentrationskontrolle ablösen könnte.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Kapitel 1. Einleitung
  • A. Das Problem
  • B. Begriffserklärungen
  • I. Erscheinungsformen von Zusammenschlüssen
  • II. Begriff der cross-medialen Verflechtung
  • III. Digitalisierung und Konvergenz
  • IV. Unternehmensstrategien
  • V. Meinungsvielfalt und vorherrschende Meinungsmacht
  • 1. Meinungsvielfalt
  • a. Verfassungsrechtliche Vorgabe und einfachgesetzliche Umsetzung
  • b. Maßstab „gleichgewichtiger Vielfalt“
  • c. Meinungsvielfalt in der Medienökonomie
  • d. Messgröße und Messbarkeit von Meinungsvielfalt
  • 2. Vorherrschende Meinungsmacht
  • Kapitel 2. Publizistischer Wettbewerb – Die Rundfunkkonzentrationskontrolle
  • A. Notwendigkeit einer Rundfunkkonzentrationskontrolle
  • I. Meinungsvielfalt des Internets
  • 1. „Long Tail“-Theorie
  • 2. Gutachten von Neuberger und Lobigs
  • 3. Stellungnahme
  • II. Das Fernsehen als Leitmedium
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Medienspezifische Auswirkungen von Zusammenschlüssen
  • I. Homogenisierung der Inhalte
  • II. Mehrfachverwendung
  • III. Abnahme der Selbstreflexion
  • IV. Informationsquellen
  • V. Cross-Promotion
  • VI. Bedeutungszuwachs der Gatekeeper-Funktion
  • VII. Lebens- und Kulturwelt
  • C. Rundfunkkonzentrationskontrolle nach dem RStV
  • I. Die KEK
  • II. Der Begriff des Rundfunks
  • 1. Der Rundfunkbegriff vor dem 12. RÄStV
  • 2. Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie)
  • 3. Der Rundfunkbegriff seit dem 12. RÄStV
  • a. Linearität
  • b. Allgemeinheit
  • c. Veranstaltung und Verbreitung
  • d. Bewegtbild oder Ton
  • e. Elektromagnetische Schwingungen
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. § 25 RStV als programmrechtliche Vielfaltskontrolle und die Schwierigkeit der Durchsetzbarkeit
  • IV. § 26 RStV als konzentrationsrechtliche Vielfaltskontrolle
  • 1. Das Zuschaueranteils-Mediennutzungsmodell
  • a. Das Zuschaueranteilsmodell
  • aa. Definition des Zuschaueranteils
  • bb. Messung der Fernsehnutzung durch die AGF/GfK-Fernsehforschung
  • b. Mediennutzungsmodell
  • 2. Das Verhältnis von § 26 Abs. 1 zu Abs. 2 RStV
  • a. Qualitativer Ansatz
  • b. Quantitativer Ansatz
  • c. Vermittelnder Ansatz: Regelbeispiele mit Leitbildcharakter
  • d. Stellungnahme
  • aa. Wortlaut
  • bb. Systematik
  • cc. Sinn und Zweck
  • dd. Entstehungsgeschichte
  • ee. Schlussbetrachtung
  • 3. Medienrelevante verwandte Märkte
  • a. Definition
  • aa. Marktabgrenzung
  • bb. Marktbeherrschende Stellung
  • cc. Medienrelevanz und Verwandtschaftsgrad
  • (1) Suggestivkraft
  • (2) Breitenwirkung
  • (3) Aktualität
  • b. Medienrelevante verwandte Märkte und ihre Gewichtung im Verhältnis zum Fernsehen
  • aa. Konventionelle Massenmedien
  • (1) Hörfunk
  • (2) Presse
  • (a) Tageszeitungen
  • (b) Programmzeitschriften
  • (c) Publikumszeitschriften
  • (3) Fernsehwerbung
  • (4) Online-Medien
  • (5) Ballungsraumfernsehen
  • bb. Vorgelagerte Märkte
  • cc. Nachgelagerte Märkte
  • (1) Plattformbetreiber
  • (2) Elektronischer Programmführer
  • c. Kritische Würdigung der Gewichtungsfaktoren
  • aa. Kompetenzüberschreitung der KEK
  • bb. Marktanteil als Messgröße
  • cc. Missachtung methodischer und wissenschaftlicher Grundsätze bei der Marktanteilsberechnung
  • dd. Willkür: Programmzeitschriften meinungsrelevanter als politische Publikumszeitschriften
  • ee. Stellungnahme
  • d. Alternative Ansätze zur Berücksichtigung medienrelevanter verwandter Märkte
  • aa. Änderung der Gewichtungsfaktoren: Nutzungsdauer als Gewichtungsgrundlage
  • bb. 5%-Grenze als Bezugsgröße
  • cc. Vorschlag von Kepplinger: Grundlegende Modifikation der Messung
  • dd. Vorschlag von Schulz/Held: Maluspunktesystem
  • ee. Stellungnahme
  • 4. Wachstum und vielfaltssichernde Maßnahmen
  • a. Externes und internes Wachstum
  • aa. Externes Wachstum, § 26 III RStV
  • bb. Internes Wachstum, § 26 IV RStV
  • b. Vielfaltssichernde Maßnahmen
  • aa. § 26 IV Nr. 1 RStV
  • bb. § 26 IV Nr. 2 RStV
  • cc. § 26 IV Nr. 3, §§ 30 ff. RStV
  • dd. Regionales Fensterprogramm
  • ee. Widerruf von Zulassungen
  • D. Verwaltungspraxis der KEK
  • I. Axel Springer AG/ProSiebenSat.1 Media AG, KEK 293-1 bis -5
  • 1. Entscheidungsgründe
  • 2. Kritik an der Entscheidung
  • a. Ungenaue und widersprüchliche Berechnungsmethode
  • b. Bertelsmann als Gegengewicht
  • c. Zweckentfremdung der Rundfunkkonzentrationskontrolle
  • d. Die Verhinderung der Verbindung von „BILD, BamS und Glotze“
  • 3. Stellungnahme
  • II. n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH & Co. KG, KEK 309
  • III. RTL Television GmbH, KEK 711
  • IV. N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen GmbH, KEK 767
  • V. Stellungnahme
  • Kapitel 3. Ökonomischer Wettbewerb – Die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle
  • A. Ökonomische Ursachen für Zusammenschlüsse
  • I. Fixkostendegression
  • II. Netzeffekte in zweiseitigen Märkten, Verbund von Rezipienten- und Werbemarkt
  • III. Reduktion des Beschaffungsrisikos
  • IV. Kontrolle der Vertriebswege und dadurch Sicherung des Zugangs zum Rezipientenmarkt
  • V. Unternehmensexpansion und Reduktion von Substitutionskonkurrenz
  • VI. Risikominimierung und Quersubventionierung
  • VII. Cross-Promotion
  • VIII. Rationalisierung der Ressourcen
  • B. Zusammenschlusskontrolle nach dem GWB
  • I. Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle
  • II. Eingreifkriterien
  • 1. Marktbeherrschungstest als Regelbeispiel
  • a. Marktabgrenzung
  • b. Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
  • aa. Allgemeine Kriterien zur Bewertung konglomerater Zusammenschlüsse
  • (1) Verlust von Randwettbewerb und potentiellem Wettbewerb
  • (2) Wettbewerbsbeschränkung durch Kopplung oder Bündelung
  • (3) Portfolioeffekte
  • (4) Stärkung von Ressourcen, insbesondere Finanzkraftzuwachs
  • (5) Verbesserte Verhaltenskoordination
  • (6) Markttransparenz
  • bb. Medienspezifische Kriterien zur Bewertung konglomerater Zusammenschlüsse: Cross-mediale Effekte
  • (1) Cross-Promotion
  • (a) Cross-mediale Werbung für Konzernprodukte
  • (b) Publizistische Cross-Promotion
  • (2) Cross-mediale Werbekampagnen
  • 2. SIEC-Test als Generalklausel
  • C. Verwaltungspraxis des Bundeskartellamtes
  • I. Axel Springer AG/ProSiebenSat.1 Media AG
  • 1. Fernsehwerbemarkt
  • 2. Bundesweiter Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen
  • 3. Bundesweiter Anzeigenmarkt für Tageszeitungen
  • 4. Kritische Würdigung der Entscheidung
  • II. ProSiebenSat.1 Media AG / RTL interactive GmbH („Amazonas“)
  • 1. Sachverhalt und Entscheidungsbegründung
  • 2. Kritische Würdigung der Entscheidung
  • III. Stellungnahme
  • Kapitel 4. Reform der Rundfunkkonzentrationskontrolle
  • A. Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht durch Anwendung der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle
  • I. Zielsetzung der publizistischen und kartellrechtlichen Konzentrationskontrolle
  • II. Gesetzgebungskompetenz
  • III. Korrelation zwischen ökonomischen Wettbewerb und publizistischer Vielfalt
  • IV. Cross-mediale Effekte und der SIEC-Test
  • V. Fernsehzuschauermarkt in der Zusammenschlusskontrolle
  • VI. Nichterfassung von internem Wachstum
  • VII. Stellungnahme
  • B. Reformvorschläge
  • I. Gesamtmarktmodell
  • II. Inhaltsregulierung
  • III. Beteiligungsmodell
  • IV. Vorschlag der KEK
  • V. Entwurf eines neuen § 26 RStV
  • 1. Textvorschlag
  • 2. Erläuterungen zum Textvorschlag
  • Kapitel 5. Zusammenfassung der Ergebnisse
  • A. Der rundfunkkonzentrationsrechtliche Kontext
  • B. Der wettbewerbsrechtliche Kontext
  • Literaturverzeichnis
  • Entscheidungsverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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Kapitel 1.  Einleitung

A.  Das Problem

Cross-mediale Verflechtungen und cross-mediale Diversifikationsstrategien zwischen privaten Fernsehveranstaltern und anderen Akteuren der Medienbranche haben im letzten Jahrzehnt zugenommen.1 Der Grund dafür liegt in der Digitalisierung und der damit einhergehenden Konvergenz der Medien. Insbesondere auch das Internet hat dieser Entwicklung einen enormen Schub versetzt. Unternehmen der Medienbranche, die während der analogen Zeit unterschiedlichen Medienteilbereichen zuzuordnen waren, weil sie unterschiedliche Übertragungstechniken nutzten und daher getrennt voneinander agierten, konfluieren nun im Digitalzeitalter. Anbieter von medialen publizistischen Inhalten schließen sich zu Medienunternehmen zusammen. Sie streben die Bildung von Medienkonzernen an, um möglichst viele Stufen der Wertschöpfungskette in ihrem Unternehmen zu vereinen. Die Abdeckung der Wertschöpfungskette von der Informationsbeschaffung bis hin zur Verbreitung bietet ökonomische Vorteile.

Es wird befürchtet, dass aus diesen Fusionen erhebliche Gefahren für die Meinungsvielfalt erwachsen können. Rundfunkveranstalter sind nicht nur Wirtschaftsunternehmen, die mit anderen Marktteilnehmern in einem ökonomischen Wettbewerb stehen. Sie führen auch einen publizistischen Wettbewerb. Dieser sei eine der grundlegenden Voraussetzung für die öffentliche Meinungsbildung und für eine Demokratie schlechthin konstituierend2. Im Jahr 1961 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Rundfunkurteil für den Rundfunk die „Medium und Faktor-Formel“ entwickelt. Als Medium informiere der Rundfunk die Zuschauer über gesellschaftsrelevante Themen und biete Einzelnen und gesellschaftlichen Gruppen eine Plattform. Durch seine Programmgestaltung wirke er als Faktor aktiv an der Meinungsbildung mit.3 Als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1981 die Zulässigkeit der Veranstaltung privaten Rundfunks bestätigte, gab es dem Gesetzgeber auf, eine positive Ordnung zu schaffen. Sie solle sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen ← 19 | 20 → im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde.4 Die Notwendigkeit einer positiven Ordnung wurde zu Beginn der Rundfunkveranstaltung noch mit der Knappheit von Frequenzen und dem hohen finanziellen Aufwand, den die Veranstaltung von privatem Rundfunk erfordert, begründet.5 Heute baut die Begründung für das Festhalten an einer positiven Ordnung auf der Wirkungsweise des Rundfunks auf6, die durch neue Technologien weiter verstärkt werde7. Im Gegensatz zur Presse, die ebenfalls unverzichtbar für die öffentliche Meinungsbildung ist, geht das Bundesverfassungsgericht für den privaten Rundfunk nicht davon aus, dass strukturelle Vielfalt Meinungsvielfalt bewirke.8 Als Grund wird hierfür seine Finanzierung genannt. Abgesehen von den Pay-TV-Anbietern, stellen private Rundfunkveranstalter ihr Programm den Fernsehzuschauern kostenlos bereit. Ihre Finanzierung erfolgt durch Werbung. Sie bieten ihr Programm der Werbung treibenden Wirtschaft als Werbeplattform an. Diese bevorzugt Programme mit hohen Zuschauerreichweiten. Dementsprechend wird der Rundfunkveranstalter ein Programm veranstalten, welches möglichst viele Zuschauer anspricht. Das Bundesverfassungsgericht befürchtet, dass sich das Inhaltsspektrum und damit die angebotenen Meinungen auf ein massenattraktives Programm verkürzen. Kulturell wertvolle Sendungen, die nur wenige Menschen schauen und die in der Produktion teilweise hohe Kosten verursachen, würden nicht ins Programm aufgenommen.9 Nicht allein die aufgrund der Finanzierung bewirkte Verkürzung des Programms auf ein massenattraktives Unterhaltungsprogramm könne die Meinungsvielfalt verringern. Die Meinungsvielfalt sei auch bedroht, wenn der Rundfunk einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde.10 Das Bundesverfassungsgericht betonte in seinem vierten Rundfunkurteil aus dem Jahr 1986, dass die positive Ordnung daher sicherstellen müsse, dass kein Rundfunkveranstalter im Rundfunk zu vorherrschender Meinungsmacht gelange. Solche vorherrschende Meinungsmacht könne insbesondere durch Konzentration der Anbieter erfolgen.11 Diese Konzentration könne zum einen aus dem Zusammenschluss von Rundfunkveranstaltern resultieren. Sie könne aber auch aus der ← 20 | 21 → Verbindung des Rundfunks mit anderen Medienunternehmen, die publizistische Inhalte anbieten, insbesondere mit Presseunternehmen, entstehen.12

Die Länder schlossen 1987 den ersten Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Dieser enthielt erste Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt. Seit 1997 wird die Sicherung der Meinungsvielfalt und die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht in § 26 RStV als Konzentrationskontrolle normiert. Aufbauend auf einem Zuschaueranteilsmodell darf kein Rundfunkveranstalter im Jahresdurchschnitt mehr als 30% Zuschaueranteile erlangen. Mit § 26 II 2 RStV enthält die Norm auch Vorkehrungen zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht, die aus einer Verflechtung des Rundfunkunternehmens mit einem oder mehreren Akteuren aus einem oder mehreren medienrelevanten verwandten Märkten erwachsen können. Verflechtungen zwischen einem privaten Rundfunkunternehmen und einem Unternehmen, das auf einem medienrelevanten verwandten Markt aktiv ist, darf nur erfolgen, wenn kein Zuschaueranteil von mehr als 25% erlangt wird und darüber hinaus entweder keine marktbeherrschende Stellung auf einem medienrelevanten verwandten Markt besteht oder die Kombination aus Fernsehaktivität und Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten nicht zu einem Zuschaueranteil führt, der 30% oder mehr entspricht.

Zur Aufsicht über die Rundfunkkonzentration und Meinungsvielfalt wurde 1997 die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ins Leben gerufen. Rund acht Jahre genehmigte sie jeden Antrag auf Lizenzerteilung und jede Anmeldung einer Veränderung von Beteiligungsverhältnissen. Im Jahr 2005 meldete die Axel Springer AG die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG an. Diese 293. Entscheidung der KEK markiert einen Meilenstein in ihrer Spruchpraxis. Das erste und seit dem auch das einzige Mal untersagte sie ein Zusammenschlussvorhaben, weil dieses ihrer Ansicht nach zu vorherrschender Meinungsmacht geführt hätte. Mit dieser Entscheidung begann die konkrete Handhabung cross-medialer Verflechtungen in der rundfunkkonzentrationskontrollrechtlichen Praxis. Im Januar 2014 fand der nach der Entscheidung der KEK geführte verwaltungsrechtliche Streit zwischen der Axel Springer AG und der für den Zusammenschluss zuständigen Bayerischen Landesmedienanstalt (BLM), mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts13 ein Ende. Das Bundesverwaltungsgericht setzt in dieser Entscheidung Maßstäbe für die zukünftige Beurteilung cross-medialer Verflechtungen. ← 21 | 22 →

Das Bundeskartellamt hat die geplante Übernahme kartellrechtlich ebenfalls untersagt. Auch diese Entscheidung beschreitet einen neuen Weg bei der Handhabung cross-medialer Verflechtungen im Zusammenschlussverfahren. Das Amt hat für Zusammenschlussvorhaben im Medienbereich so genannte cross-mediale Effekte als Bewertungsmaßstab14 in ihre Prüfung aufgenommen.

Das Übernahmeverfahren hat in der Medienbranche und bei Medien- und Kartellrechtlern viel Aufmerksamkeit erhalten und viele Reaktionen hervorgerufen. Insbesondere das rundfunkkonzentrationsrechtliche Verfahren der KEK wurde zum Anlass genommen, den § 26 RStV auf den Prüfstand zu stellen. Diese Arbeit analysiert die rundfunkspezifische Konzentrationskontrolle (2. Kapitel) und die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle (3. Kapitel) im Hinblick auf cross-mediale Verflechtungen und untersucht dabei den Reformbedarf (4. Kapitel) vor dem Eindruck der Verwaltungspraxis der KEK und des Bundeskartellamtes.

B.  Begriffserklärungen

Diese Arbeit befasst sich im Schwerpunkt mit cross-medialen Verflechtungen zwischen einem privaten Fernsehveranstalter und mindestens einem anderem Medienanbieter. Für den Fortgang der Arbeit ist es notwendig vorab einige Begrifflichkeiten zu klären.

I.  Erscheinungsformen von Zusammenschlüssen

Zusammenschlüsse von Medienunternehmen können unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Allgemein werden diese als horizontale, vertikale und konglomerate (diagonale) bzw. cross-mediale15 Zusammenschlüsse beschrieben. Ein horizontaler Zusammenschluss liegt vor, wenn sich zwei oder mehrere Unternehmen der gleichen Wirtschaftsstufe, also Wettbewerber, zu einer neuen wirtschaftlichen Einheit zusammenschließen.16 Ein Beispiel ist der Zusammenschluss von zwei Rundfunkveranstaltern, die bundesweit verbreitetes Fernsehen veranstalten. Schließen sich Unternehmen zusammen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen in einer Absatz-/Nachfragebeziehung stehen, also auf vor- und nachgelagerten Märkten agieren, spricht man von einem vertikalen Zusammenschluss.17 Ein Beispiel ist der Zusammenschluss von einem Fernsehveranstalter und einem ← 22 | 23 → TV-Produktionsunternehmen. In der dritten Zusammenschlussvariante, der konglomeraten bzw. cross-medialen, schließen sich Unternehmen zusammen, die sich weder als Wettbewerber auf dem gleichen Markt gegenüberstehen, noch auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen der Wertschöpfungskette agieren.18 Ein Beispiel für diese Zusammenschlussform ist der Zusammenschluss eines Rundfunkunternehmens mit einem Presseverlag wie im Fall Axel Springer/ProSiebenSat.119. Ein zweites Beispiel ist die Errichtung einer Video on Demand Plattform im Internet durch zwei Fernsehsenderfamilien wie im Fall Amazonas20.

II.  Begriff der cross-medialen Verflechtung

Für einen Zusammenschluss der eben genannten dritten Form, bei der Medienunternehmen aus unterschiedlichen Märkten beteiligt sind oder Wettbewerber eines Marktes auf einem anderen Markt ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, haben sich im Schrifttum unterschiedliche Begriffe entwickelt. Diese gilt es einzuordnen. Diese Fusionsform kann zunächst als konglomerater oder auch diagonaler Zusammenschluss bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um einen kartellrechtlich vorgeprägten Begriff. Bei einem konglomeraten Zusammenschluss wird wettbewerbsrechtlich nur der ökonomische Markt berücksichtigt. Publizistische Besonderheiten, wie insbesondere die Sicherung der publizistischen Vielfalt, bleiben bei der Bewertung außer Acht. Gerade der publizistische Wettbewerb darf bei Zusammenschlüssen im Medienbereich nicht ignoriert werden. Im Medienbereich sind im Weiteren Kombinationen aus den drei Zusammenschlussformen zu beobachten. Die einzelnen Zusammenschlussvorgänge lassen sich zwar in Horizontal-, Vertikal- oder Diagonalverflechtung einordnen. Damit kann aber die langfristige Unternehmensstrategie, die Bildung eines diversifizierten Medienunternehmens, nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der kartellrechtliche Begriff der konglomeraten oder diagonalen Verflechtung ist deshalb für die Belange dieser Arbeit zu eng.

Teilweise werden solche Zusammenschlüsse auch als „Multimedia“ bezeichnet. Multimedia ist ein Terminus, der aus dem Bereich der Computertechnik stammt. Es beschreibt in seiner Ursprungsbedeutung die „Kombination von Texten, Graphiken, bewegten Bildern und Tönen in einem Medium“21. Im allgemeinen ← 23 | 24 → Sprachgebrauch sind bei der Verwendung des Begriffs Multimedia überwiegend aber die „Neuen Medien“ im Internet gemeint. „Neue Medien“ sind elektronische Kommunikationstechniken, die sich die Digitalisierung zunutze machen.22 Die Bezeichnung Multimedia eignet sich nicht für die Verwendung in dieser Arbeit.

In den USA werden Verflechtungen von Unternehmen der Medienbranche, die auf unterschiedlichen Medienteilmärkten agieren, als „Cross-Media-Ownership“ bezeichnet. Der Terminus „Cross-Media-Ownership“ erfasst die ökonomischen und die publizistischen Aspekte eines solchen Zusammenschlusses.23 In der deutschen Medienpraxis hat sich dieser Begriff bzw. die adjektivische Ableitung cross-medial etabliert. Die Arbeit wird somit den Begriff der cross-mediale Verflechtung verwenden.

III.  Digitalisierung und Konvergenz

Die Digitalisierung hat zu einer weitreichenden Veränderung der Medienwelt geführt, denn durch sie hat ein Konvergenzprozess stattgefunden.

Details

Seiten
228
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631725986
ISBN (ePUB)
9783631725993
ISBN (MOBI)
9783631726006
ISBN (Hardcover)
9783631725030
DOI
10.3726/b11310
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Mai)
Schlagworte
Medienkartellrecht Cross-media Ownership Rundfunkstaatsvertrag KEK Cross-mediale Effekte Reform
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 228 S.

Biographische Angaben

Nadine Fiedler (Autor:in)

Nadine Fiedler studierte Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg und an der Universität Leiden (Niederlande). Das Referendariat absolvierte sie am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht. Sie arbeitet als Volljuristin in einem Medienunternehmen.

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Titel: Cross-mediale Zusammenschlüsse
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