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Die Beschlussmängelklage im deutschen, koreanischen und US-amerikanischen Recht

Zur Rechtsnatur und Beschränkungsmöglichkeit des Anfechtungsrechts des Aktionärs

von Sung-Eun Park (Autor:in)
©2019 Dissertation 496 Seiten

Zusammenfassung

Muss das Anfechtungsrecht des Aktionärs angesichts seines großen Missbrauchspotenzials oder nach dem Aktionär-Anleger-Konzept abgeschafft werden? Diese Frage verneint der Autor, indem er zuerst aus der Entwicklungsgeschichte und geltenden Regelungen ableitet, dass die Beschlussmängelklage im deutschen Aktienrecht nicht nur dem individuellen Rechtsschutz, sondern auch der öffentlichen Rechtmäßigkeitskontrolle dient. Er erinnert auch daran, dass die Gefahr des Missbrauchs nach der Einführung des Spruchs- und Freigabeverfahrens nicht mehr so groß ist. Anschließend zeigt sich durch einen sorgfältigen Rechtsvergleich, dass gegenüber dem Reformvorschlag zur Abschaffung des Anfechtungsrechts ein verbessertes Verfahren für die Klageabweisung nach Interessenabwägung in Einzelfällen bevorzugt wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Verzeichnis für koreanische Gesetze
  • Bezeichnung der koreanischen Rechtsprechung
  • A. Einführung
  • § 1. Die Beschlussmängelklage in der Reformdiskussion
  • I. Missbrauchsproblem und Konstruktionsmängel
  • II. Dilemma zwischen den institutionellen Zwecken der Beschlussmängelklage
  • III. Neigung zur Beschränkung des Anfechtungsrechts und Bedarf nach einer gründlichen Untersuchung
  • § 2. Untersuchungszweck und -gang
  • I. Untersuchungszweck und Schwerpunkte der Arbeit
  • II. Untersuchung der spezifischen Struktur der Anfechtungsklage des Aktionärs
  • III. Rechtsvergleich zwischen dem Deutschen, Koreanischen und US-amerikanischen Recht
  • B. Die systematische Stellung des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • § 1. Allgemeines
  • I. Besonderheit des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • 1. Befugnis zur Nichtigkeitsklage und zur Anfechtungsklage
  • 2. Unterschiedliche Rechtsnatur des Anfechtungsrechts je nach dem Befugten
  • II. Entwicklungsgeschichte des Anfechtungsrechts
  • III. Meinungsstand über die Rechtsnatur des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • IV. Fragestellung
  • § 2. Materielle Grundlage des Anfechtungsrechts
  • I. Verschärfung der Frage nach der materiellen Grundlage des Anfechtungsrechts
  • II. Der verbandsrechtliche Grundsatz, rechtswidrige Beschlüsse als nichtig zu sehen
  • III. Der Anspruch auf recht- und satzungsmäßige Tätigkeit der Gesellschaft
  • 1. Entwicklungsgeschichte
  • 2. Meinungsstand
  • 3. Kritik
  • IV. Der Anspruch auf recht- und satzungsmäßige Beschlussfassung
  • 1. Materielle Begründung
  • 2. Kritik
  • 2.1. Unvereinbarkeit mit der Entwicklungsgeschichte und dem geltenden Recht
  • 2.2. Kein allgemeiner Abwehranspruch aus dem Mehrheitsprinzip
  • 2.3. Kein Abwehranspruch bei einem Verstoß allein gegen die objektive Ordnung
  • 2.4. Widerspruch zwischen Aufhebungsanspruch und Gestaltungsrecht
  • 2.5. Das Anfechtungsrecht der Aktionäre ohne Stimmrecht
  • V. Zwischenergebnis: Doppelrechtsnatur des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • § 3. Der institutionelle Zweck der Anfechtungsklage des Aktionärs
  • I. Allgemeines
  • 1. Rechtmäßigkeitskontrolle als eine selbstständige Funktion
  • 2. Doppelrechtsnatur und Doppelfunktionalität der Anfechtungsklage
  • 3. Sinn und Zweck des Anfechtungsrechts als Kontrollrecht
  • II. Eigennützigkeit und Fremdnützigkeit der Anfechtungsklage
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Eigennützige Aspekte der Anfechtungsklage
  • 2.1. Die Form des Anfechtungsrechts als individuelles Recht
  • 2.2. Keine gesteigerte Treubindung
  • 2.3. Dispositionsbefugnis des Aktionärs und Fehlen der Anfechtungspflicht
  • 3. Fremdnützige Aspekte der Anfechtungsklage
  • 3.1. Kein Erfordernis der persönlichen Betroffenheit
  • 3.2. Der umfassende Anfechtungsgrund nach § 243 Abs. 1 AktG
  • 3.3. Die inter omnes-Wirkung des Anfechtungsurteils
  • 3.4. Anfechtungsrecht auch für den Vorstand
  • 3.5. Historische Betrachtung und Fehlen der staatlichen Kontrolle
  • 4. Nebeneinander der zwei Eigenschaften
  • III. Zwischenergebnis: der doppelte institutionelle Zweck der Anfechtungsklage
  • § 4. Rechtsform des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • I. Meinungsstand
  • II. Gestaltungsklage und Gestaltungsklagerecht
  • 1. Der Begriff des Gestaltungsrechts und die Kategorisierung der Gestaltungsklage
  • 2. Meinungsstreit um die Grundlage der gerichtlichen Gestaltung
  • 3. Argumente für das private Gestaltungsrecht
  • 3.1. Verwandtschaft mit materiell-rechtlichem Anspruch und Gestaltungsrecht
  • 3.2. Initiative des Klägers bei der Gestaltungsklage
  • 3.3. Gerichtlicher Ermessensspielraum bei Gestaltungsurteil
  • 3.4. Zusammenfassung
  • 4. Argumente für den publizistischen Gestaltungsanspruch
  • 4.1. Die Argumentation von Henckel aufgrund der Lehre vom Rechtsschutzanspruch
  • 4.2. Wertungen der einzelnen Argumente von Henckel
  • 4.2.1. Das Verhältnis zwischen dem materiell-rechtlichen Gestaltungsrecht und dem Gestaltungsurteil
  • 4.2.2. Die Unfähigkeit des Beklagten zur Erfüllung des Gestaltungsbegehrens
  • 4.2.3. Die Rechtsstellung des Gestaltungsklägers als Rechtsschutzanspruch
  • 4.3. Materiell-rechtlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den Staat
  • 4.4. Von dem publizistischen Gestaltungsanspruch zur reinen Prozessführungsbefugnis
  • 4.5. Zusammenfassung
  • 5. Zwischenergebnis: Differenzierung der echten und der unechten Gestaltungsklage
  • III. Kategorisierung der aktienrechtlichen Anfechtungsklage als echte Gestaltungsklage
  • IV. Verfügungsbefugnis der Hauptversammlung und Anfechtungsrecht des Aktionärs
  • V. Zwischenergebnis
  • § 5. Zusammenfassung und Konsequenz des Untersuchungsergebnisses
  • I. Sinn und Zweck des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • II. Verfahrensrechtliche Regulierung der Anfechtungsklage als Popularklage
  • III. Missbrauch des Anfechtungsrechts unter dem Verständnis der Anfechtungsklage als Popularklage
  • C. Beschlussmängelklage im rechtsvergleichenden Überblick
  • § 1. Gewichtsverteilung zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Maßnahme der Verwaltungsorgane als Anfechtungsgegenstand
  • I. Die rechtliche Struktur der Aktiengesellschaft
  • 1. Im deutschen Recht
  • 2. Im US-amerikanischen Recht
  • 3. Im koreanischen Recht
  • II. Die Zuständigkeiten und die Herrschaftsmacht der Hauptversammlung
  • 1. Im deutschen Recht
  • 2. Im US-amerikanischen Recht
  • 3. Im koreanischen Recht
  • III. Primärer Anfechtungsgegenstand
  • 1. Unterschiedliche Hauptparteien der Interessenkonflikte
  • 2. Beschluss der Hauptversammlung oder der Verwaltung als Anfechtungsgegenstand
  • § 2. Rechtsbehelfe gegen mangelhafte Hauptversammlungsbeschlüsse
  • I. Die gesamten Klagemöglichkeiten im Gesellschaftsrecht
  • 1. Klage des Aktionärs und der Gesellschaftsorgane
  • 2. Klage des Aktionärs aus eigenem und abgeleitetem Recht
  • 3. Anfechtungsgegenstand bei der Klage aus eigenem Recht
  • 4. Art und Weise der Abhilfe bei der Klage aus eigenem Recht
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Beschlussmängelklage im deutschen Aktiengesetz
  • 1. Allgemeines
  • 1.1. Gesetzesaufbau
  • 1.2. Verhältnis zu den Regeln des BGB
  • 1.3. Differenzierung zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
  • 2. Nichtigkeitsklage
  • 2.1. Klagebefugnis
  • 2.2. Rechtsschutzinteresse
  • 2.3. Klagefrist
  • 2.4. Nichtigkeitsgründe
  • 3. Anfechtungsklage
  • 3.1. Klagebefugnis
  • 3.2. Rechtsschutzinteresse
  • 3.3. Klagefrist
  • 3.4. Anfechtungsgründe
  • 3.4.1. Verfahrensverstöße
  • 3.4.2. Inhaltsverstöße und die materielle Beschlusskontrolle
  • 3.4.3. Grenze der Anfechtbarkeit
  • 4. Positive Beschlussfeststellungsklage
  • 5. Spruchverfahren als Verfahren für die Änderung des unrechtmäßigen Beschlusses
  • 6. Sperrwirkung der Beschlussmängelklage und das Freigabeverfahren
  • III. Beschlussmängelklage im koreanischen HGB
  • 1. Allgemeines
  • 2. Anfechtungsklage
  • 2.1. Klagebefugnis
  • 2.2. Rechtsschutzinteresse
  • 2.3. Klagefrist
  • 2.4. Anfechtungsgründe
  • 3. Nichtigkeitsfeststellungsklage
  • 3.1. Klagebefugnis
  • 3.2. Rechtsschutzinteresse
  • 3.3. Klagefrist
  • 3.4. Nichtigkeitsgründe
  • 4. Klage auf Feststellung der Nichtexistenz des Beschlusses
  • 5. Klage auf Änderung des unrechtmäßigen Beschlusses
  • 6. Keine Sperrwirkung der Beschlussmängelklage
  • IV. Beschlussmängelklage im US-amerikanischen Recht
  • 1. Allgemeines
  • 1.1. Keine spezielle Regelung für die Beschlussmängelklage
  • 1.2. Wahlanfechtung
  • 1.3. Allgemeine Vorschrift über die Beschlussmängelklage im Bundesstaat Delaware
  • 2. Die gesellschaftsrechtlichen Klagen (corporate litigation)
  • 2.1. Klagearten: Direct action, Derivative action und Class action
  • 2.2. Abgrenzung zwischen Direct action und Derivative action
  • 2.3. Klage aus eigenem Recht (direct action)
  • 2.3.1. Parteien
  • 2.3.2. Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse (standing in court)
  • 2.3.3. Klagefrist (laches)
  • 2.3.4. Antragsgründe (cause of action)
  • 2.3.5. Art und Weise der Abhilfe
  • 2.4. Klage aus abgeleitetem Recht (derivative action)
  • 2.4.1. Funktion
  • 2.4.2. Rechtsnatur
  • 2.4.3. Parteien
  • 2.4.4. Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse (standing to sue)
  • 2.4.4.1. Allgemeines
  • 2.4.4.2. Kontemporärer Besitz einer Aktie
  • 2.4.4.3. Gerechte und angemessene Vertretung (fair and adequate representation)
  • 2.4.4.4. Klagebefugnis der nicht teilnehmenden Anteilseigner
  • 2.4.5. Klagefrist
  • 2.4.6. Das Erfordernis der Erschöpfung innergesellschaftlicher Abhilfe
  • 2.4.6.1. Allgemeines
  • 2.4.6.2. Demand on the board of directors
  • 2.4.6.3. Demand on shareholders
  • 2.4.7. Sicherheitsleistung für Prozesskosten (security for expenses)
  • 2.4.8. Antragsgründe (cause of action)
  • 2.4.9. Art und Weise der Abhilfe
  • 2.4.10. Spezielle Regelungen für Prozessvergleich und Klagerücknahme
  • 2.5. Sammelklage (class action)
  • 3. Die Klage gegen gesetz- und satzungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse
  • 3.1. Die zum Rechtsvergleich mit der Beschlussmängelklage geeigneten Rechtsbehelfe
  • 3.2. Declaratory judgment
  • 3.3. Injunction
  • 3.3.1. Rechtsnatur der Injunction
  • 3.3.1.1. Rechtsbehelfe im Deliktsrecht
  • 3.3.1.2. Verhältnis zwischen Schadensersatz und Injunction
  • 3.3.1.3. Rechtsgrundlage der Injunction
  • 3.3.1.4. Anwendungsbereich der Injunction
  • 3.3.1.5. Art und Weise der Injunction
  • 3.3.2. Voraussetzungen der endgültigen gerichtlichen Verfügung (permanent injunction)
  • 3.3.2.1. Entscheidungsermessen des Gerichts
  • 3.3.2.2. Kriterien für die Angemessenheit (appropriateness) der Injunction
  • 3.3.2.2.1. Allgemeines
  • 3.3.2.2.2. Adäquanz-Test (adequacy test)
  • 3.3.2.2.3. Doktrin der Härten-Ausbalancierung (the doctrine of the balance of hardship)
  • 3.3.2.2.4. Interessen von Dritten und der Öffentlichkeit
  • 3.3.2.2.5. Verzögerung und Fehlverhalten des Klägers als Einwand aus der Equity (equitable defenses)
  • 3.3.2.2.6. Praktikabilität und Nützlichkeit
  • 3.3.2.3. Beispiele für die Klage des Anteilseigners gegen die Gesellschaft
  • 3.4. Zusammenfassung
  • 3.4.1. Die Kombination aus einem Declaratory judgment und einer Injunction
  • 3.4.2. Vergleich mit der deutschen Beschlussmängelklage
  • § 3. Rechtsvergleichende Zusammenfassung
  • I. Praktische Bedeutung der Anfechtungsklage
  • II. Ausgestaltungen der Beschlussmängelklage
  • 1. Voraussetzungen für die Beschlussmängelklage des Aktionärs
  • 2. Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe
  • 3. Registersperre zugunsten einer Hebelwirkung der Beschlussmängelklage
  • D. Schranken des Anfechtungsrechts im rechtsvergleichenden Überblick
  • § 1. Feste Schranken des Anfechtungsrechts
  • I. Anteilsgröße (Mindestquorum)
  • II. Dauer des Aktienbesitzes
  • III. Klagefrist
  • IV. Widerspruch in der Hauptversammlung
  • V. Sicherheitsleistungspflicht
  • VI. Zustimmung der Verwaltung oder der übrigen Aktionäre
  • VII. Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse
  • VIII. Anfechtungsausschluss für bestimmte Arten des Beschlussmangels
  • § 2. Bewegliche Schranken des Anfechtungsrechts
  • I. Im deutschen Recht
  • 1. Erfordernis der Relevanz für Verfahrensmängel
  • 2. Treuepflicht des Aktionärs
  • 3. Analoge Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft
  • 4. Bestandsschutz des fehlerhaften Beschlusses im Freigabeverfahren
  • 4.1. Allgemeines
  • 4.2. Entwicklungsgeschichte
  • 4.3. Anwendungsbereich
  • 4.4. Voraussetzungen
  • 4.4.1. Formelle Voraussetzungen
  • 4.4.1.1. Klage gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses
  • 4.4.1.2. Antrag der Gesellschaft
  • 4.4.2. Materielle Voraussetzungen
  • 4.4.2.1. Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit der Klage
  • 4.4.2.2. Bagatellquorum: Kein Nachweis eines bestimmten Anteilsbetrages durch den Kläger
  • 4.4.2.3. Interessenabwägung: Überwiegendes Vorzugsinteresse der Gesellschaft
  • 4.4.2.3.1. Besonders schwerer Rechtsverstoß
  • 4.4.2.3.2. Interessenabwägung
  • 4.5. Verfahren
  • 4.5.1. Systematische Stellung des Freigabeverfahrens
  • 4.5.2. Besonderheiten des Freigabeverfahrens
  • 4.5.2.1. Eingangszuständigkeit des OLG
  • 4.5.2.2. Parteien
  • 4.5.2.3. Verhandlung
  • 4.5.2.4. Entscheidung des Gerichts
  • 4.6. Wirkung der Freigabeentscheidung
  • 4.6.1. Eintragungspflicht des Registergerichts
  • 4.6.2. Bestandsschutz des eingetragenen Hauptversammlungsbeschlusses
  • 4.6.3. Schadensersatz bei erfolgreicher Beschlussmängelklage
  • II. Im koreanischen Recht
  • 1. Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft und ihre entsprechenden Anwendungen
  • 2. Anfechtungsausschluss nach Ermessen des Gerichts nach § 379 korHGB
  • 2.1. Allgemeines
  • 2.2. Entwicklungsgeschichte
  • 2.3. Sinn und Zweck
  • 2.4. Voraussetzungen
  • 2.4.1. Formelle Voraussetzungen
  • 2.4.1.1. Kein Erfordernis eines Antrags der Gesellschaft
  • 2.4.1.2. Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage
  • 2.4.1.3. Unerhebliche Beschlussmängel im Verfahren oder Inhalt
  • 2.4.2. Materielle Voraussetzungen
  • 2.4.2.1. Interessenabwägung
  • 2.4.2.2. Kausalität und Relevanz
  • 2.4.2.3. Praktikabilität und Nützlichkeit der Beschlussanfechtung
  • 2.4.2.4. Gebot der zurückhaltenden Anwendung und die Schwere des Mangels
  • 2.5. Verfahren
  • 2.6. Wirkung der Klageabweisung nach § 379 korHGB
  • 2.6.1. Keine Urteilswirkung für und gegen alle
  • 2.6.2. Schadensersatzpflicht des Klägers und Prozesskostenverteilung
  • 2.6.3. Schadensersatzpflicht der beklagten Gesellschaft
  • III. Im US-amerikanischen Recht
  • 1. Erfordernis der Kausalität und Relevanz für Verfahrensmängel
  • 2. Doktrin der Härten-Ausbalancierung (doctrine of the balance of hardship)
  • 2.1. Allgemeines
  • 2.2. Theoretischer Hintergrund
  • 2.3. Abwägungsfähige Faktoren
  • 2.3.1. Nachteile der Parteien
  • 2.3.2. Verschulden der Parteien
  • 2.3.3. Weitere Faktoren
  • 2.4. Grenzen der Doktrin der Härten-Ausbalancierung
  • 2.5. Anwendung für die Beschlussmängelklage
  • § 3. Rechtsvergleichende Zusammenfassung
  • E. Schluss: Rechtsvergleichende Analyse und Hinweise für die Reform des Anfechtungsrechts
  • § 1. Die Besonderheiten des deutschen Beschlussmängelrechts
  • I. Der materielle Hintergrund und die Rechtsform des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • II. Doppelfunktionalität und Doppelrechtsnatur des Anfechtungsrechts des Aktionärs
  • III. Monopol der Beschlussmängelklage und Lücke im Rechtsschutz
  • IV. Strengere Voraussetzungen für die Anfechtungsklage
  • V. Registersperre und Freigabeverfahren
  • § 2. Hinweise für die Reformdiskussion im deutschen Recht
  • I. Allgemeines
  • II. Einführung eines Mindestquorums
  • III. Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche als Alternative zum Anfechtungsrecht
  • IV. Erfordernis der persönlichen Betroffenheit
  • V. Einrichtung eines Aktienamts statt der Anfechtungsklage des Aktionärs
  • VI. Flexibilisierung der Beschlussmängelfolgen
  • Literaturverzeichnis

Verzeichnis für koreanische Gesetze

korHGB: Das (koreanische) Handelsgesetzbuch

[상법]

korHRG: Das (koreanische) Handelsregistergesetz

[상업등기법]

korKMG: Das (koreanische) Gesetz über Kapitalmarkt und Geldanlage

[자본시장과 금융투자업에 관한 법률 (자본시장법)]

korKMV: Die (koreanische) Verordnung zum Kapitalmarktgesetz

[자본시장과 금융투자업에 관한 법률을 위한 시행령]

korStempelG: Das (koreanische) Gesetz über die Stempelmarke unter anderem im Zivilprozessrecht

[민사소송 등 인지법]

korStempelV: Die (koreanische) Verordnung über die Stempelmarke unter anderem im Zivilprozessrecht

[민사소송 등 인지규칙]

korWpHG: Das (koreanische) Wertpapierhandelsgesetz

[증권거래법]

korZPO: Die (koreanische) Zivilprozessordnung

[민사소송법]

Bezeichnung der koreanischen Rechtsprechung

Die Entscheidungen von Koreanischen Gerichten sind in der vorliegenden Arbeit wie folgt bezeichnet:

[Gericht], [Entscheidungsart] vom [Entscheidungsdatum], [Aktenzeichen]

Beispiel für Entscheidung des Koreanischen Obersten Gerichtshofs

대법원 2003.07.11. 선고, 2001다45584 판결

→ KorOGH, Urteil vom 11.07.2003, 2001DA45584

Beispiel für Entscheidung eines Koreanischen Obergerichts

서울고법 1998.08.25. 선고, 98나5267판결

→ KorOG Seoul, Urteil vom 25.08.1998, 98NA5267

Beispiel für Entscheidung des Koranischen Verfassungsgerichtshofs

헌법재판소 전원재판부 2007.12.27. 선고, 2006헌바73

→ KorVerfGH Plenum, Entscheidung vom 27.12.2007, 2006HunBa73

Cf.) Beispiel für Entscheidung des Japanischen Obersten Gerichtshofs

일본최고재판소 소화 16.4.5 판결, 민집 20권 7호, 411

→ JapOGH, Urteil vom 05.04.16 (Sohwa), ZivilE Vol. 20 Nr. 7, 411

A. Einführung

§ 1. Die Beschlussmängelklage in der Reformdiskussion

I. Missbrauchsproblem und Konstruktionsmängel

Die Aktiengesellschaft hat als eine der wichtigsten Unternehmensformen eine große Bedeutung für die Volkswirtschaft und ihr Schicksal wird durch Beschlüsse der Hauptversammlung entschieden, die nicht nur das Interesse der dadurch betroffenen Aktionäre, sondern auch das Interesse zahlreicher Akteure wie z.B. Gläubiger, Organmitglieder und Arbeitnehmer der Gesellschaft beeinflussen können. Außerdem findet die aktienrechtliche Regelung über die Beschlussmängelklage als (fast) einzig existierende Regelung im ganzen Verbandsrecht auch bei anderen Gesellschaftsformen entsprechend Anwendung oder bietet zumindest ein Vorbild für die Ausgestaltung ihres eigenen Beschlussmängelrechts.1 Daher ist das „richtige“ aktienrechtliche Beschlussmängelrecht schon seit Jahrzehnten eines der wichtigen Themen im Verbandsrecht. In jüngster Zeit hat sich auch die Abteilung Wirtschaftsrecht des 72. Deutschen Juristentags in Leipzig (wieder) mit diesem Thema eingehend beschäftigt.2

Eine Reform der Beschlussmängelklage, insbesondere der Anfechtungsklage des Aktionärs, stand bisher immer im Zentrum praktischer sowie dogmatischer Diskussionen im Aktienrecht.3 Der stärkste Anlass zu einer so dynamischen Reformdiskussion ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Bekämpfung der sog. räuberischen Berufskläger immer wieder als eine der dringendsten Aufgaben des Aktienrechts betont wurde, seitdem die Anzahl der Anfechtungsklage in der Mitte der 80er Jahre drastisch stieg und festgestellt wurde, dass dabei Berufskläger eine große Rolle spielten.4 Früher konnte die Beschlussmängelklage in der Tat leicht zur Erpressung einer Aktiengesellschaft missbraucht werden, weil ein Aktionär durch die Erhebung einer Beschlussmängelklage der beklagten Gesellschaft eine beträchtliche Last auferlegen konnte.5 Insbesondere wegen der gesetzlichen ←29 | 30→und faktischen Registersperre, bei der das Registergericht bei der Rechtshängigkeit einer Beschlussmängelklage gegen einen eintragungsbedürftigen Beschluss dessen Eintragung aussetzt, konnte das Wirksamwerden dieses Beschlusses und somit auch seine Durchführungsmaßnahme bis zu einem endgültigen Urteil verhindert werden. Und dies war unabhängig davon möglich, ob die Klage begründet ist oder nicht.6 Mit Hilfe dieser Registersperre konnte ein Berufskläger ohne große Mühe die beklagte Aktiengesellschaft dazu zwingen, seine Beschlussmängelklage für einen sehr hohen Preis abzukaufen. Wegen dieser Gefahr haben sich bisherige Reformdiskussionen überwiegend auf das Problem des Missbrauchs des Anfechtungsrechts konzentriert.

Der Fokus einer Reformdiskussion sollte aber nicht mehr auf das Missbrauchsproblem gesetzt werden. Denn das Missbrauchspotenzial ist mittlerweise mit Hilfe des Spruchverfahrens und des Freigabeverfahrens zum großen Teil reduziert worden. Der Gesetzgeber hat speziell für Streitigkeiten um die Festsetzung einer angemessenen Kompensation für außenstehende Aktionäre bei Strukturmaßnahmen die Möglichkeit zur Erhebung einer Anfechtungsklage aufgehoben und das Spruchverfahren zur Verfügung gestellt. Bei diesem Verfahren wird die Wirksamkeit des betroffenen Beschlusses nicht berührt, damit es auch nicht zu einer Registersperre kommt. Außerdem führt eine mangelhafte Auskunft, welche zu den leicht geltend zu machenden und damit zu den am häufigsten hervorgebrachten Anfechtungsgründen zählt, nach § 243 Abs. 4 S. 2 AktG nicht mehr zur Beschlussanfechtung, soweit es um „die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder über sonstige Kompensationen“ geht.7 Die Zahl der Anfechtungsklagen ist aber insbesondere nach der Einführung des Freigabeverfahrens in § 246a AktG durch das UMAG8 und seiner Konkretisierung durch das ARUG9 deutlich gesunken.10 Das Freigabeverfahren zielt auf die Beseitigung der gesetzlichen und faktischen Registersperre für jede Art von Anfechtungsgründen ab.11 So hat das Missbrauchsproblem des Anfechtungsrechts des Aktionärs ←30 | 31→im Wesentlichen an praktischer Bedeutung verloren.12 Ein anderer Grund für den Fokuswechsel liegt in der inzwischen verbreiteten Erkenntnis, dass das deutsche Beschlussmängelrecht erhebliche Konstruktionsmängel aufweist, die bisher durch mehrere Reformen zur Bekämpfung missbräuchlicher Anfechtungsklagen entstanden sind. Beispielsweise konnte die komplexe Renovierung durch das UMAG und ARUG zwar das Missbrauchsproblem lindern, hat aber gleichzeitig auch Inkonsistenzen im Beschlussmängelrecht verursacht.13 Nach allem sollte sich die Diskussion zu einer Reform des Beschlussmängelrechts losgelöst von der Problematik der räuberischen Anfechtungsklage vielmehr mit der systematischen Überarbeitung des Beschlussmängelrechts beschäftigen.14

II. Dilemma zwischen den institutionellen Zwecken der Beschlussmängelklage

Bei einer möglichen Reform des Beschlussmängelrechts besteht Einigkeit über den Grundsatz, dass der Minderheitsschutz und die Rechtssicherheit gleichzeitig zu gewährleisten sind.15 Das heißt, dass eine aktienrechtliche Reform einerseits den Schutz der Kleinaktionäre vor dem Machtmissbrauch dominierender Großaktionäre verbessern und andererseits das Rechtsschutzsystem zur Vermeidung unnötiger Kosten sowie des Missbrauchs des Rechtsbehelfs seitens der Kleinaktionäre anpassen soll. Im Gesetzgebungsverfahren und in der Literatur sind bisher verschiedene Lösungen teils für die Verstärkung der Aktionärsrechte und teils ←31 | 32→für die Bekämpfung missbräuchlicher Aktionäre vorgeschlagen worden, wovon einige schon durch mehrere Aktienrechtsnovellen im Gesetz verankert worden sind: Hierbei hervorzuheben sind neben der Modernisierung und Verbesserung der Informationsrechte für Aktionäre börsennotierter Gesellschaften, welche die deutsche Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie der EU16 darstellt, vor allem die Einführung der Aktionärsklage gegen Vorstand und Aufsichtsrat, die Einrichtung des Freigabeverfahrens und die Verallgemeinerung des Spruchverfahrens.17

Dieser Grundsatz für eine Reform des Beschlussmängelrechts bereitet ein unlösbares Dilemma, weil der Minderheitsschutz und die Rechtssicherheit größtenteils zueinander in Widerspruch stehen können. Für einen besseren Schutz der Minderheitsaktionäre und zur Verstärkung der Rechtmäßigkeitskontrolle wird vor allem eine Erweiterung der Anfechtungsbefugnis des Aktionärs erwartet. Dagegen wird eine Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs gefordert, um das Missbrauchspotenzial und die durch die Beschlussmängelklage entstehende Unsicherheit des Rechtsverkehrs zu reduzieren. Bei diesem Dilemma kann man nicht einfach die eine oder die andere Richtung einschlagen, sondern muss durch eine Interessenabwägung nach einer ausgewogenen Antwort suchen. Denn es geht hier um die Konkurrenz zwischen unverzichtbaren Interessen. Daher ist auch bei Reformdiskussion ganz unabhängig von der Problematik missbräuchlicher Beschlussmängelklagen die Frage entscheidend, ob und wieweit das Anfechtungsrecht des Aktionärs noch weiter beschränkt werden soll. Dementsprechend wird auch in der heutigen Zeit eine angeblich zu weitgehende Befugnis zur Beschlussanfechtung immer wieder in Frage gestellt, obwohl die Gefahr einer übermäßigen Anzahl von missbräuchlichen Beschlussmängelklagen inzwischen nicht groß ist.

III. Neigung zur Beschränkung des Anfechtungsrechts und Bedarf nach einer gründlichen Untersuchung

Zwar sprechen sich einige Stimmen in der Literatur auch für eine Verbesserung des Aktionärs- sowie Anlegerschutzes und der Rechtmäßigkeitskontrolle über Aktivitäten der Aktiengesellschaft aus. Bei den aktuellen Reformdiskussionen könnte man aber auch den Eindruck gewinnen, dass überwiegend nur eine weitere Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs befürwortet wird.18 Dies ←32 | 33→könnte daran liegen, dass der Gedanke verbreitet ist, dass Aktionäre im geltenden Aktienrecht, zumindest im Rahmen des Beschlussmängelrechts, schon mit ihrem umfassenden Anfechtungsrecht eine unverhältnismäßig große Macht haben. Für fragwürdig gehalten wird insbesondere die Gesetzeslage, dass ein Aktionär auch allein mit einem sehr geringen Kapitalanteil mit Hilfe der Beschlussmängelklage die Durchführung einer mehrheitlich getroffenen, grundlegenden Entscheidung der Gesellschaft verhindern kann. Dies gilt sogar auch für den Fall, dass diese Entscheidung nicht unmittelbar die eigenen Rechte des Aktionärs verletzt. Denn eine persönliche Betroffenheit ist für die Zulässigkeit einer Beschlussmängelklage nicht erforderlich.19 Außerdem wird ein gesetzes- oder satzungswidriger Beschluss im geltenden Aktienrecht, abgesehen von wenigen Ausnahmen, immer mit einer Kassation sanktioniert. Die Rechtsfolgen sind nämlich nicht je nach der Schwere des gerügten Beschlussmangels ausdifferenziert. Das heißt, dass ein Hauptversammlungsbeschluss auch bei einem geringfügigen Mangel immer für nichtig erklärt werden muss. Dies wird häufig als unverhältnismäßig angesehen und bietet einen Anlass für eine weitere Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs.20

Es stellt aber im Verbandsrecht schon seit langem ein Prinzip dar, einen gesetzes- oder satzungswidrigen Beschluss der Mitgliederversammlung grundsätzlich als nichtig anzusehen. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der konsensualen ←33 | 34→Willensbildung in einem Verband ist dieses Prinzip in der Regel nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Daher bedarf die Beschränkung des Anfechtungsrechts, die speziell im Aktienrecht gefordert wird, neben den oben genannten, für alle Gesellschaftsformen geltenden Argumenten noch einer weiteren Begründung. Solch eine spezielle Grundlage für die Beschränkung oder Abschaffung des Anfechtungsrechts im Aktienrecht ergibt sich heute hauptsächlich aus dem veränderten Charakter des Aktionärs, während früher das primäre Argument dafür das große Missbrauchspotenzial des Anfechtungsrechts war. Nach dem sog. Aktionär-Anleger-Konzept habe eine umfassende Anfechtungsbefugnis in der Hand einzelner Kleinaktionäre zwar früher mit den Besonderheiten der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft gerechtfertigt werden können, sei aber unter Berücksichtigung der Vorgänge im heutigen Kapitalmarkt nicht mehr vertretbar. Die Kleinaktionäre würden sich nämlich in letzter Zeit regelmäßig nur für den Gewinn durch Schwankungen des Marktpreises von Aktien interessieren21 und sollten sich deswegen auch bei einem mangelhaften Beschluss lediglich mit einer Geldabfindung oder einem monetären Schadensersatz zufriedengeben. Wegen dieses Aspekts müsse das Anfechtungsrecht des Aktionärs stärker als im geltenden Recht beschränkt werden.

Das Aktionär-Anleger-Konzept beruft sich zwar auf ein nicht zu leugnendes Phänomen. Ein tendenzielles Verhalten der möglichen Rechtsträger in der Praxis ist aber lediglich einer von verschiedenen Faktoren, die bei der Ausgestaltung eines subjektiven Rechts berücksichtigt werden sollten. Obwohl es in der Regel empfehlenswert ist, ein subjektives Recht an seinen praktischen Ausübungsverhältnissen anzupassen, kann auf solch ein Interesse gegebenenfalls zugunsten eines wichtigeren institutionellen Zwecks verzichtet werden. Daher kann die bloße Tatsache, dass sich die meisten Kleinaktionäre wegen ihrer rationalen Apathie nicht mehr für die Mitwirkung an der Geschäftsführung der Gesellschaft interessieren, nicht unmittelbar die normative Entscheidung begründen, ihnen das Anfechtungsrecht zu entziehen. In diesem Zusammenhang wäre es voreilig, beispielsweise einen Reformvorschlag zur Einführung eines Mindestquorums nur deswegen zu akzeptieren, weil dieser in Einklang mit dem Aktionär-Anleger-Konzept steht. Darüber hinaus bezieht sich dieses Konzept auf eine Reform des gesamten Aktienrechts. Angesichts des einheitlichen Rechtssystems darf es nicht auf das Beschlussmängelrecht beschränkt vorgenommen werden, Kleinaktionäre als Anleger zu behandeln. Daher können sich einzelne Reformvorschläge zur Beschränkung des Anfechtungsrechts nur dann auf das Aktionär-Anleger-Konzept stützen, wenn sie in Verbindung mit einem Verzicht auf die traditionelle Mitgliedschaftslehre in allen Teilbereichen des Aktienrechts berücksichtigt werden.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass es sich bei der Ausgestaltung und Grenzziehung des Anfechtungsrechts des Aktionärs um eine umfassende rechtspolitische ←34 | 35→Entscheidung handelt, welcher zahlreiche dogmatische sowie wertende Erwägungen vorgehen müssen. Ein erhebliches Missbrauchspotenzial des Anfechtungsrechts und der von der traditionellen Mitgliedschaft abweichende Charakter der Kleinaktionäre können zwar auf einen Reformbedarf des Beschlussmängelrechts hindeuten, aber nicht ohne weiteres die Notwendigkeit einer weiteren Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs begründen. Angesichts des oben genannten Bedarfs nach einer systematischen Überarbeitung des Beschlussmängelrechts und des unlösbaren Dilemmas bei der Bestimmung der angemessenen Reichweite der Anfechtungsbefugnis des Aktionärs wird wiederum eine gründliche Untersuchung des Beschlussmängelrechts gefordert.

§ 2. Untersuchungszweck und -gang

I. Untersuchungszweck und Schwerpunkte der Arbeit

Es ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, eine Richtschnur für die gesetzgeberische Entscheidung über eine neue Ausgestaltung des deutschen Beschlussmängelrechts zu bieten. Hierfür befasst sich die vorliegende Arbeit zunächst mit der systematischen Stellung des Anfechtungsrechts des Aktionärs im deutschen Aktienrecht (B.). Dadurch könnte man weiterhin den Sinn und Zweck der Anfechtungsklage des Aktionärs genau erfassen und darauf basierend einen Ausgangspunkt für eine Reformdiskussion zu einem einheitlichen System des Beschlussmängelrechts finden. Anschließend soll ein rechtsvergleichender Überblick auf die Klagemöglichkeiten gegen gesetzes- oder satzungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse herausgearbeitet werden (C. und D.), der Aufschluss darüber geben könnte, ob das Anfechtungsrecht des Aktionärs im deutschen Aktienrecht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen allzu weitreichend gestaltet ist.

Um einzuschätzen, ob Forderungen nach einer weiteren Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs nachvollziehbar sind, muss jedenfalls zuvor geklärt werden, vor welchem materiellen Hintergrund das Anfechtungsrecht einzelnen Aktionären zusteht und welchem institutionellen Zweck die Anfechtungsklage hauptsächlich dienen soll. Anhand des so festgelegten materiellen und rechtspolitischen Hintergrunds kann man erst erkennen, ob die Reichweite der Anfechtungsklage im geltenden Recht zu weit oder zu eng gefasst ist. Beispielsweise könnte auch die Deutung des Begriffs „Missbrauch des Anfechtungsrechts“ davon abhängig sein, ob die Anfechtungsklage an sich von eigennütziger oder fremdnütziger Natur ist. Deshalb kann ein bloßer Befund, dass das Missbrauchspotenzial oder die Anzahl der missbräuchlichen Anfechtungsklagen groß ist, zwar einen Reformbedarf des Beschlussmängelrechts begründen, aber nicht unmittelbar zur Beschränkung des Anfechtungsrechts führen. Bei der Problematik der Missbrauchsgefahr muss man eher zunächst untersuchen, woraus sich diese Problematik ergibt, und ob diese Gefahr so ungewöhnlich groß ist, dass sie auch nicht zugunsten des institutionellen Zwecks der Anfechtungsklage hingenommen werden kann. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung sollte auch die Art und Weise ←35 | 36→einer Beschränkung oder Erweiterung des Anfechtungsrechts bestimmt werden, da ansonsten eine Gesetzesreform unerwartete Lücken mit sich bringen oder das einheitliche Rechtssystem beschädigen könnte.

Innerhalb der Grenzen, die durch diese rechtssystematischen Überlegungen gezogen werden, hängen die Richtung und das Ausmaß der Gesetzesreform aber von der freien Entscheidung des Gesetzgebers ab. Bei dieser rechtspolitischen Entscheidung über die Beschränkung des Anfechtungsrechts müssen zahlreiche verschiedene Faktoren berücksichtigt werden wie z.B. die rechtliche und tatsächliche Herrschaftsstruktur der Aktiengesellschaft, typische Vorgänge bei der Anfechtungsklage, die Häufigkeit der missbräuchlichen Anfechtungsklage und die praktische Bedeutung des Anfechtungsrechts für den individuellen Rechtsschutz und die öffentliche Rechtmäßigkeitskontrolle. Eine allgemeine, abstrakte Logik oder ein bloßer Befund können daher dabei keine entscheidende Richtschnur sein. Ein tendenzielles Verhalten der Kleinaktionäre auf dem Markt kann z.B. weder von allein noch unmittelbar zum Ergebnis führen, dass ihre Befugnis, die ideell mit dieser Tendenz nicht vereinbar ist, eingeschränkt oder abgeschafft werden muss. Es ist auch nicht der Zweck der vorliegenden Arbeit, auf die Frage der Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs eine bestimmte Antwort zu geben.

Zwar könnte eine verfassungsrechtliche Prüfung auch noch in Betracht kommen, um der gesetzgeberischen Entscheidung weitere Grenzen zu ziehen. Sie kann aber im Ergebnis auch keinen sinnvollen Hinweis geben. Denn nicht nur die Beschränkung, sondern sogar auch die Abschaffung des Anfechtungsrechts des Aktionärs veranlasst wahrscheinlich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit ein anderer Rechtsbehelf wie vor allem der Schadensersatz an seiner Stelle einen angemessenen Rechtsschutz bieten kann.22 Das Bundesverfassungsgericht hatte bislang noch nie unmittelbar zur Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs entschieden. In seiner Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1 GG hat es zwar erklärt, dass die Mitgliedschaftsrechte der Minderheitsaktionäre vor Eingriffen der Mehrheit geschützt werden müssen und dass ein wirksamer Rechtsbehelf dafür auch gewährt werden muss.23 Man kann aber daraus ←36 | 37→kein bestimmtes Ergebnis für oder gegen die Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs ableiten. Das BVerfG hat andererseits ausdrücklich judiziert, dass die materielle Beschlusskontrolle des BGH am Maßstab eines Sachgrunderfordernisses verfassungsrechtlich nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG geboten ist.24 Es hat darüber hinaus auch den Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre durch die Mehrheit (Squeeze-out) insoweit nicht als verfassungswidrig angesehen, als der Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll entschädigt wird.25 Zwar wurde in dieser Entscheidung die Frage offengelassen, ob die Freigabe bei der wahrscheinlich begründeten Anfechtungsklage nach § 319 Abs. 6 S. 2 Alt. 3 AktG, die im Ergebnis zum Bestandsschutz des mangelhaften Beschlusses und somit auch zur wesentlichen Einschränkung des Anfechtungsrechts führt, verfassungskonform ist.26 Aus dem bisherigen Gesichtspunkt des BVerfG könnte man aber vermuten, dass auch die monetäre Entschädigung anstelle der Anfechtungsklage vielmehr als verfassungskonform akzeptiert würde. Denn es ist der Meinung, dass sogar die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre gegen Geldabfindung entzogen werden kann, und danach könnte es auch nicht verfassungswidrig sein, das Anfechtungsrecht als Rechtsbehelf zum Schutz der Mitgliedschaft bloß durch einen monetären Schadensersatz zu ersetzen.

Es kommt deshalb überwiegend darauf an, was für ein Leitbild der Gesetzgeber hat, nämlich ob er entweder der effizienten Unternehmensführung der Aktiengesellschaft oder dem Schutz der Mitgliedschaft sowie der Rechtmäßigkeitskontrolle Vorschub leisten will. Wenn er z.B. überwiegend die schwache Stellung der Kleinaktionäre und die Gefahr des Machtmissbrauchs der Mehrheits- oder Großaktionäre problematisiert, bevorzugt er tendenziell die Aufgabe des Minderheitsschutzes vor dem Erfordernis der Verminderung des Missbrauchspotenzials der Aktionärsrechte und verweigert folgerichtig eine weitere Beschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs. Wenn er sich dagegen auf die wirtschaftlichen Nachteile der Aktiengesellschaften sowie der ganzen Volkswirtschaft wegen einer (womöglich) überflüssigen Beschlussmängelklage fokussiert, spricht er sich wahrscheinlich für eine weitere Beschränkung oder sogar für eine Abschaffung des Anfechtungsrechts des Aktionärs aus.27 Hier ←37 | 38→könnte ein Blick auf andere Rechtsordnungen zwar nicht zwingend, aber sinnvollerweise einige Hinweise geben. Insbesondere in der heutigen Zeit stellt die Globalisierung des Kapitalmarkts sowohl eine unvermeidbare Tendenz als auch eine dringende Aufgabe des aktienrechtlichen Gesetzgebers dar. Daher ist es auch von Bedeutung, die Gesetzeslage des Aktienrechts im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen sicherer und attraktiver zu machen. Der Rechtsvergleich könnte insoweit eine mittelbare Richtschnur für das Ausmaß der Beschränkung des Anfechtungsrechts bieten. Damit könnte das Anfechtungsrecht des Aktionärs anhand des internationalen Niveaus angemessen gestaltet werden. Ein anderer Vorteil des Rechtsvergleichs liegt darin, dass der Sinn und Zweck des Anfechtungsrechts des Aktionärs nicht nur nach der gewöhnlichen Systematik des deutschen Verbandsrechts, sondern auch aus dem Blickwinkel anderer Rechtsordnungen beleuchtet wird, damit eine neue, besser zu verallgemeinernde Erkenntnis erworben werden kann.28

Schließlich soll bei der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit zwar das gesamte Beschlussmängelrecht in Betracht gezogen werden, der wesentliche Schwerpunkt soll aber auf der Anfechtungsklage des Aktionärs liegen. Denn bei Reformdiskussionen wird über die Nichtigkeitsklage sehr wenig diskutiert, abgesehen von einigen Reformvorschlägen, die überwiegend auf die Beschleunigung des Verfahrens abzielen. Der Grund liegt darin, dass die Nichtigkeitsklage wegen begrenzt vorgesehener Nichtigkeitsgründe in der Praxis nicht so oft erhoben wird wie die Anfechtungsklage, die demgegenüber wegen der weitreichenden Regelung über die Anfechtungsgründe bei den meisten Beschlussmängeln in Betracht kommt. Außerdem ist die materielle Grundlage der Klagebefugnis für die Nichtigkeitsklage rechtspolitisch sowie dogmatisch kaum zu bezweifeln, weil diejenigen Hauptversammlungsbeschlüsse, die wegen deutlicher und schwerer Verstöße gegen gesetzliche Regelungen mangelhaft sind, auch ohne eine Nichtigkeitsklage schon nach den allgemeinen Grundsätzen nichtig sind. Bei der Anfechtungsklage dagegen kommt das Unwirksamwerden oder die Nichtigkeit eines Beschlusses erst durch die Ausübung des Anfechtungsrechts in Betracht. Darüber hinaus ist es immer rechtspolitisch fragwürdig, ob ein bestimmter Mangel als Anfechtungsgrund zählen sollte, wenn er z.B. nur geringfügig ist oder keine Auswirkung auf das Ergebnis der Beschlussfassung hatte. Daher wird das Anfechtungsrecht des Aktionärs bei Reformdiskussionen immer wieder in Frage gestellt. Dementsprechend soll auch in der vorliegenden Arbeit der wesentliche Schwerpunkt auf der Anfechtungsklage des Aktionärs liegen.

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II. Untersuchung der spezifischen Struktur der Anfechtungsklage des Aktionärs

Weil die spezifische Struktur der Beschlussmängelklage viele anspruchsvolle dogmatische Probleme bereitet, soll das erste Ziel der vorliegenden Arbeit darauf liegen, die systematische Stellung des Anfechtungsrechts des Aktionärs aufzuklären. Die Anfechtungsklage des Aktionärs zeigt nämlich viele Besonderheiten auf, die bei anderen regulären zivilrechtlichen Klagen nicht auftreten:

Nach einer weit verbreiteten Meinung in der Literatur und in der Rechtsprechung ist eine persönliche Betroffenheit des klagenden Aktionärs, wie schon oben geschrieben, für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage nicht erforderlich. Nach allgemeiner Ansicht liegt der Grund hierfür darin, dass die Anfechtungsklage als die einzige Möglichkeit für die Vernichtung rechtswidriger Beschlüsse dazu dient, die Beschlusstätigkeit der Gesellschaft an Gesetz und Satzung zu binden.29 Das heißt, dass die Verletzung individueller Rechte des klagenden Aktionärs keine unmittelbare Grundlage für seine Anfechtungsbefugnis darstellt. Dies führt zur Fragestellung, ob die Anfechtungsklage nicht nur dem individuellen Rechtsschutz, sondern als eine Art Popularklage dem allgemeinen Interesse an der Rechtmäßigkeitskontrolle dient. In demselben Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob das Anfechtungsrecht des Aktionärs entweder eine ausschließlich eigennützige Befugnis, welche auf eigenen Mitgliedschaftsrechten beruht, oder zugleich auch ein fremdnütziges Kontrollrecht darstellt, das der Gesetzgeber zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle einzelnen Aktionären als Funktionär der Rechtsordnung erteilt hat. Je nach Antwort sind die Rechtsnatur des Anfechtungsrechts und die Rechtsstellung des klagenden Aktionärs unterschiedlich zu erfassen.

Noch zu erwähnen ist, dass sich die Anfechtungsklage nicht gegen die Gesamtheit der Aktionäre richtet, die tatsächlich an der Hauptversammlung teilgenommen und für den angefochtenen Beschluss gestimmt haben, sondern gegen die Aktiengesellschaft selbst. Ein Beschluss der Hauptversammlung wird zwar im Ergebnis rechtlich der Aktiengesellschaft zugerechnet.30 Die Gestaltungsverfügung über den Beschluss steht aber nach der Kompetenzordnung nur der Hauptversammlung zu, die wiederum von den rechtlich von der Aktiengesellschaft unabhängigen Aktionären besetzt wird und mehrheitlich entscheiden soll. Die Verwaltungsorgane, die als Vertretung der Gesellschaft den Anfechtungsprozess führen sollen, können ←39 | 40→insoweit auch nicht über den angefochtenen Beschluss verfügen.31 Mit anderen Worten haben weder der Kläger noch der Beklagte der Anfechtungsklage eigentlich – abgesehen von der Anfechtungsbefugnis – eine Verfügungsbefugnis über den angefochtenen Beschluss.32 Daher geht es bei der Anfechtungsklage nicht um eine gewöhnliche Streitigkeit zwischen tatsächlichen Parteien, sondern um eine zwischen gesetzlich bestimmten normativen Parteien.33 All dies könnte Zweifel daran erwecken, ob der Anfechtungsklage des Aktionärs überhaupt ein materiell-rechtliches subjektives Recht zugrunde liegt. Dieser Zweifel bezieht sich auch auf die gerade oben gestellte Frage nach der Rechtsnatur und dem institutionellen Zweck des Anfechtungsrechts des Aktionärs.

Details

Seiten
496
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631796566
ISBN (ePUB)
9783631796573
ISBN (MOBI)
9783631796580
ISBN (Paperback)
9783631787977
DOI
10.3726/b15911
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Aktionär Hauptversammlungsbeschluss Anfechtungsrecht Aktionärsklage Prozessführungsbefugnis Gestaltungsklagerecht Aktienrecht Freigabeverfahren Spruchverfahren Rechtsvergleich
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 496 S.

Biographische Angaben

Sung-Eun Park (Autor:in)

Sung-Eun Park studierte Rechtswissenschaften an der Seoul-National-Universität in Korea, wo er auch seinen Magisterkurs für das Zivilprozessrecht absolvierte. In Deutschland erlangte er nach einem LL.M. seine Doktorwürde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

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Titel: Die Beschlussmängelklage im deutschen, koreanischen und US-amerikanischen Recht
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