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Strafvollzug an alten Gefangenen

von Stephanie Schwab (Autor:in)
©2020 Dissertation 148 Seiten

Zusammenfassung

Aufgrund des demographischen Wandels und der damit einhergehenden Alterung der Gesellschaft gewinnen Fragen im Zusammenhang mit dem Strafvollzug an lebensälteren Personen zunehmend an Bedeutung. Die vorliegende Dissertation setzt sich mit Aspekten des Strafrechts, des Strafverfahrensrechts und des Strafvollzugs auseinander. Durch Auswertung einer bei den Justizministerien und Justizsenatoren der einzelnen Bundesländer durchgeführten Anfrage wird die Vollzugspraxis im Hinblick auf lebensältere Gefangene dargestellt und herausgearbeitet, wie der Entwicklung Rechnung getragen werden kann, dass sich der Strafvollzug zunehmend mit älteren Inhaftierten konfrontiert sieht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Teil I: Einleitung und Problemstellung
  • Teil II: Alter – Kriminalität – Strafverfahren
  • A. Begriffsbestimmung „alte Menschen“
  • I. Allgemeines
  • II. Festlegung einer Altersgrenze
  • B. Alter und Kriminalität
  • I. Allgemeines
  • II. Alterskriminalität
  • 1. Kriminalitätsumfang
  • 2. Kriminalitätsstruktur
  • a. Die Gruppe der 60 Jahre alten und älteren im Rahmen der registrierten Tatverdächtigen der Polizeilichen Kriminalstatistik
  • b. Die Gruppe der 60 Jahre alten und älteren im Rahmen der Verurteiltenzahlen des Statistischen Bundesamtes
  • 3. Besonderheit: Altersspezifische Delikte
  • 4. Besonderheit: Alterskriminalität als Spätkriminalität
  • III. Theoretische Einordnung der Alterskriminalität
  • 1. Allgemeines
  • 2. Erklärungsansätze zur Alterskriminalität anhand allgemeiner Kriminalitätstheorien
  • 3. Erklärungsansätze zur Alterskriminalität anhand spezieller Alterskriminalitätstheorien
  • a. Alterskriminalität als Kriminalität der Schwäche
  • b. Weitere altersspezifische Erklärungsansätze
  • c. Stellungnahme
  • C. Alte Menschen im Strafverfahren
  • I. Allgemeines
  • II. Besonderheiten im Ermittlungsverfahren
  • III. Besonderheiten im Zwischenverfahren
  • IV. Besonderheiten im Hauptverfahren
  • 1. Besonderheiten im Hinblick auf die (verminderte) Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB
  • 2. Besonderheiten bei der Durchführung der Hauptverhandlung
  • 3. Besonderheiten bei Urteilsfindung und Strafzumessung
  • V. Besonderheiten im Strafvollstreckungsverfahren
  • 1. Möglichkeit der Strafunterbrechung
  • 2. Möglichkeit der Haftverkürzung
  • 3. Möglichkeit der Entlassung im Gnadenwege
  • VI. Exkurs: Altersstrafrecht
  • D. Alte Menschen, Strafe und Strafzwecktheorien
  • I. Allgemeines
  • II. Das Alter und die absoluten Strafzwecktheorien
  • III. Das Alter und die relativen Strafzwecktheorien
  • 1. Generalpräventive Gesichtspunkte im Hinblick auf alte Straftäter
  • 2. Spezialpräventive Gesichtspunkte im Hinblick auf alte Straftäter
  • Teil III: Alte Menschen im Strafvollzug
  • A. Allgemeines
  • I. Strafgefangene ab 60 Jahre im Vollzug der Freiheitsstrafe nach Geschlecht, Wohnsitz, Staatsangehörigkeit und Familienstand
  • II. Strafgefangene ab 60 Jahre im Vollzug der Freiheitsstrafe nach ihrer voraussichtlichen Vollzugsdauer
  • III. Strafgefangene ab 60 Jahre im Vollzug der Freiheitsstrafe nach Art der Straftat
  • B. Gesetzliche Regelungen
  • C. Vollzugsgestaltung im Alter
  • I. Allgemeines
  • II. Strafantritt, Aufnahmeverfahren, Behandlungsuntersuchung, Vollzugsplan
  • 1. Strafantritt
  • 2. Aufnahmeverfahren, Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan
  • III. Der Vollzugsablauf im Hinblick auf ältere Menschen
  • 1. Unterbringung
  • 2. Arbeit
  • 3. Freizeit und Freizeitbeschäftigung
  • 4. Kontakte mit der Außenwelt
  • 5. Gesundheitsfürsorge
  • 6. Soziale Hilfe
  • 7. Zwischenfazit
  • IV. Entlassungsvorbereitung und Entlassung
  • V. Exkurs: Gefahr der Viktimisierung älterer Strafgefangener
  • VI. Exkurs: Tod im Gefängnis
  • 1. Suizidalität
  • 2. Sterben und Sterbebegleitung
  • 3. Sterbehilfe
  • D. Situation der Vollzugspraxis im Hinblick auf lebensältere Gefangene
  • I. Allgemeines
  • II. Länderbefragung zum Altenstrafvollzug
  • 1. Baden-Württemberg
  • 2. Bayern
  • 3. Berlin
  • 4. Brandenburg
  • 5. Bremen
  • 6. Hamburg
  • 7. Hessen
  • 8. Mecklenburg-Vorpommern
  • 9. Niedersachsen
  • 10. Nordrhein-Westfalen
  • 11. Rheinland-Pfalz
  • 12. Saarland
  • 13. Sachsen
  • 14. Sachsen-Anhalt
  • 15. Schleswig-Holstein
  • 16. Thüringen
  • III. Ergebnisse
  • 1. Zu Punkt 1: Gibt es in dem Bundesland derzeit spezielle Einrichtungen oder Abteilungen für den Altenstrafvollzug? Sind solche ggf. geplant?
  • 2. Zu Punkt 2: Wodurch unterscheiden sich die speziellen Einrichtungen bzw. Abteilungen für den Altenstrafvollzug von den „normalen“ Einrichtungen? Gibt es Unterschiede bei der Gestaltung des Vollzugsalltags?
  • 3. Zu Punkt 3: Nach welchen Kriterien erfolgt eine Unterbringung von älteren Straftätern in die speziellen Einrichtungen des Altenstrafvollzugs?
  • 4. Zu Punkt 4: Gibt es auch Altenstrafvollzugseinrichtungen für weibliche Inhaftierte?
  • 5. Zu Punkt 5: Wie hoch ist die Zahl der Inhaftierten von 60 Jahren und älter, die derzeit in speziellen Einrichtungen oder Abteilungen des Altenstrafvollzugs untergebracht sind?
  • 6. Zu Punkt 6: Gibt es Erhebungen dazu, ob der spezielle Altenstrafvollzug von den betroffenen Inhaftierten als positiv oder negativ empfunden wird?
  • Teil IV: Bisherige Erkenntnisse
  • Teil V: Verbesserungsvorschläge und Alternativen
  • A. Allgemeines
  • B. Maßnahmen auf strafrechtlicher Ebene
  • I. Änderungen betreffend § 20, § 21 und § 46 StGB
  • II. Einführung einer Altenhilfe
  • III. Erweiterung des Rechtsfolgenkatalogs
  • 1. Allgemeines
  • 2. Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung
  • 3. Fahrverbot als Hauptstrafe
  • 4. Elektronisch überwachter Hausarrest und elektronische Aufenthaltsüberwachung312
  • C. Maßnahmen auf strafverfahrensrechtlicher Ebene: Hinzuziehung eines Sachverständigen
  • D. Maßnahmen auf strafvollzuglicher Ebene
  • E. Fazit
  • Literaturverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Reihenübersicht

Teil I: Einleitung und Problemstellung

Während im Jahr 1960 der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung noch bei 17,4% liegt, ist dieser im Jahr 2015 bereits auf 27,4% angestiegen.1 Das bedeutet eine Zunahme in Höhe von 57,5%. Mit einem Rückgang des Anteils der über 60-Jährigen kann voraussichtlich nicht gerechnet werden. 2016 beträgt der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung 27,62%,2 stieg also weiter an.

Migration, Geburtenrate und Sterblichkeit sind die drei wesentlichen Faktoren, welche die demographische Entwicklung beeinflussen. Nach einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Januar 20163 ist ein deutlicher Trend zur zunehmenden Alterung der Bevölkerung erkennbar, der auch durch die hohe Zuwanderung der vergangenen Jahre nicht umgekehrt werden kann. Die Geburtenrate sank in den vergangenen Jahren deutlich. Während im Jahr 1960 in Deutschland 1 261 614 Kinder geboren wurden, waren es im Jahr 2015 nur noch 737 575 Kinder.4 Auch wenn die Geburtenrate zuletzt wieder leicht anstieg,5 kommen heute – bei gestiegener Lebenserwartung – weniger Kinder zur Welt als früher.

Seit der Veröffentlichung der ersten allgemeinen Sterbetafel von 1871/1881 lässt sich in Deutschland der Trend einer steigenden Lebenserwartung erkennen; die Lebenserwartung bei Geburt hat sich bei beiden Geschlechtern mehr als verdoppelt.6 Sie liegt in Deutschland laut den Ergebnissen der Sterbetafel 2015/2017 bei Männern bei 78,4 Jahren und bei Frauen bei 83,2 Jahren.7 Gründe für diesen Anstieg sind insbesondere Fortschritte in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie die verbesserten Arbeitsbedingungen und der gestiegene materielle Wohlstand.8

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Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass auch in Zukunft mit einer steigenden Lebenserwartung gerechnet werden kann, sodass im Jahr 2060 die Lebenserwartung bei Geburt bei Männern um rund sechseinhalb Jahre, bei Frauen um rund fünfeinhalb Jahre höher liegen könnte als noch 2015/2017.9

Diese demographische Entwicklung ist auch für das Strafrecht von Bedeutung, da in den nächsten Jahren immer mehr ältere Menschen Opfer und Täter von Straftaten sein werden. Die Gruppe der Lebensälteren wird deshalb im Rahmen der vorliegenden Arbeit in den Mittelpunkt gestellt. Im Hinblick auf Straftaten ordnet man alte Menschen herkömmlicherweise eher der Gruppe der Opfer als derjenigen der Täter zu.10 Besondere Aufmerksamkeit erlangen in der Öffentlichkeit z. B. immer wieder sog. Enkeltrickbetrügereien11, bei denen es den Tätern darum geht, altersbedingte Schwächen ihrer Opfer auszunutzen. In der jüngeren Vergangenheit kommen vermehrt Taten vor, bei denen sich die Täter als Polizisten oder Justizangehörige ausgeben und den Opfern vortäuschen, ihr Vermögen sei in Gefahr.12 Sofern alte Menschen in der Öffentlichkeit als Täter wahrgenommen werden, beschränkt sich eine solche Beachtung zumeist auf Sexual13- oder Straßenverkehrsdelikte.14

Die Kriminalitätsstatistiken zeigen, dass alte Menschen weniger kriminalitätsbelastet sind als Menschen der jungen bzw. der mittleren Generation. Von insgesamt 2 051 266 Tatverdächtigen im Jahr 2018 waren lediglich 155 832 60 Jahre und älter.15 Dies entspricht einem Anteil von 7,60%. Von den insgesamt 46 690 am 31.3.2018 in Freiheitsstrafe befindlichen Strafgefangenen waren 2 104 60 Jahre und älter.16 Der Anteil der 60-jährigen und Älteren beläuft sich hier demnach auf 4,51%.

Die oben dargestellte Verschiebung der Altersstruktur zeigt sich auch in den Kriminalitäts- und Strafverfolgungsstatistiken.

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Zum einen hat der Anteil der Lebensälteren an den Tatverdächtigen zugenommen.

Tabelle 1: Tatverdächtige in den Jahren 1998, 2008, 2018

Jahr

Straftaten insgesamt

Tatverdächtige insgesamt

Straftaten insgesamt

Tatverdächtige 60 Jahre und älter

1998

2 319 895

119 308 (5,14%)

2008

2 255 693

148 142 (6,57%)

2018

2 051 266

155 832 (7,60%)

Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, Tatverdächtige insgesamt nach Alter ab 1987, Tabelle 20.

Daneben ist auch deren Anteil an den in Freiheitsstrafe befindlichen Strafgefangenen angestiegen.

Tabelle 2: Im Vollzug der Freiheitsstrafe befindliche Strafgefangene in den Jahren 1998, 2008, 2018

Jahr

In Freiheitsstrafe befindliche Strafgefangene insgesamt

In Freiheitsstrafe befindliche Strafgefangene 60 Jahre und älter

1998

50 021

985 (1,97%)

2008

55 343

1 890 (3,42%)

Details

Seiten
148
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631815571
ISBN (ePUB)
9783631815588
ISBN (MOBI)
9783631815595
ISBN (Hardcover)
9783631804162
DOI
10.3726/b16676
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
Demographischer Wandel Strafvollzug Alte Menschen Vollzugspraxis Strafvollzugsgesetze der Länder Alterung der Gesellschaft Senioren
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 148 S., 2 s/w Abb.,21 Tab.

Biographische Angaben

Stephanie Schwab (Autor:in)

Stephanie Schwab studierte Rechtswissenschaft an der Universität Würzburg und absolvierte in Würzburg ihr Referendariat. Sie ist als Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Kriminologie und Strafrecht beschäftigt.

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