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Der digitale Nachlass und der postmortale Schutz personenbezogener Daten

Eine Untersuchung zur Erforderlichkeit eines postmortalen Datenschutzes

von Bastian Biermann (Autor:in)
©2021 Dissertation 256 Seiten

Zusammenfassung

Daten bilden einen zunehmenden Bestandteil eines Nachlassvermögens. Hierbei handelt es sich regelmäßig um ein Konglomerat aus vermögenswerten und personenebezogenen, ggf. persönlichkeitsrechtlich relevanten Daten. Der Autor untersucht im Rahmen dieses Werkes die Vererblichkeit von personenbezogenen Daten und die Möglichkeiten eines postmortalen Datenschutzes de lege lata und de lege ferenda. Hierbei geht der Autor insbesondere auf grundrechtliche, datenschutzrechtliche, telekommunikationsrechtliche sowie privatrechtliche Implikationen des digitalen Nachlasses ein und nimmt eine rechtsvergleichende Betrachtung anderer Rechtsordnungen vor. Er stellt zudem die nach derzeit geltendem Recht lebzeitigen Möglichkeiten des Erblassers zur Erreichung eines postmortalen Schutzes seiner personenbezogenen Daten dar.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright Page
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Dedication
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einführung
  • I. Anlass der Untersuchung
  • II. Ziel der Untersuchung
  • B. Terminologische Grundlagen und der rechtliche Umgang mit Daten
  • I. Digitaler Nachlass
  • II. Rechtliche Einordnung und Behandlung von Daten
  • 1. Der Datenbegriff
  • a) Offener Datenbegriff
  • b) Der Begriff der personenbezogenen Daten
  • 2. Rechte an Daten
  • a) Divergierende Auffassung in der Literatur
  • b) Weiterführender Ansatz
  • 3. Vererbbarkeit von Daten
  • a) Vererbbarkeit des Rechts auf Datenzugriff
  • (aa) Daten auf einem Speichermedium des Erblassers
  • (bb) Daten auf dem Server eines Providers
  • b) Übergang des Datennutzungsrechts auf die Erben
  • c) Exkurs: Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes auf digital in den Verkehr gebrachte Werkexemplare
  • (aa) Rechtsprechung des EuGH
  • (bb) Rechtsprechung nationaler Gericht
  • C. Die rechtliche Behandlung des digitalen Nachlasses de lege lata
  • I. Der digitale Nachlass im Lichte der Rechtsprechung
  • 1. Zugrunde liegender Sachverhalt
  • 2. Urteil des LG Berlin
  • 3. Urteil des Kammergerichts (Berufungsinstanz)
  • 4. Urteil des BGH (Revision)
  • 5. Rezeption des Urteils des BGH
  • a) Bewertung des Urteils des BGH vom 12.07.2018 durch den Gesetzgeber
  • b) Auswirkungen des Urteils des BGH auf die Rechtspraxis
  • II. Rechtliche Implikationen des digitalen Nachlasses
  • 1. Erbrechtliche Implikationen
  • a) Der digitale Nachlass im Lichte des § 1922 BGB
  • (aa) Der Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB)
  • (bb) Keine Sonderbehandlung des digitalen Nachlasses de lege lata
  • (cc) Genereller Ausschluss der Vererbbarkeit der Inhaberschaft eines Accounts bei einem Onlineprovider?
  • (dd) Vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche Rechtspositionen im Nachlass
  • (1) Grundsätzlich keine Trennung zwischen vermögens-​ und nichtvermögenswerten Rechtspositionen im Nachlass
  • (2) Gebotenheit einer anderweitigen Betrachtung bei sozialen Netzwerken?
  • (a) Die Besonderheit des überwiegend personenbezogenen Inhalts eines Profils bei einem sozialen Netzwerk
  • (b) Dogmatischer Ansatz: Inhalt der Daten als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Einordnung eines Rechtsverhältnisses als höchstpersönlich
  • (3) Schlussfolgerung und Zwischenergebnis
  • b) Die Bedeutung des gesetzlichen Erbrechts des Staates nach § 1936 BGB
  • (aa) Tatbestandsvoraussetzungen des § 1936 BGB und Rechtsfolge
  • (bb) Erbenermittlung durch den Staat
  • (cc) Bedeutung des § 1936 BGB für den digitalen Nachlass
  • (dd) Die Interessenlage von Bund und Ländern in Bezug auf den digitalen Nachlass
  • 2. Grundrechtliche Implikationen
  • a) Die Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG
  • b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine Bedeutung für den digitalen Nachlass
  • (aa) Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (1) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Abwehrrecht
  • (2) Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (bb) Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (cc) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und seine Reichweite
  • (1) Reichweite des Schutzbereichs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung über den Tod einer Person hinaus?
  • (2) Vererbbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?
  • (a) BGH: Vererbbarkeit nur vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (b) Vererbbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Ganzes?
  • (i) Abweichende Entscheidungen in der Rechtsprechung
  • (ii) Anerkennung eines „Persönlichkeitsgüterrechts“?
  • (iii) Dogmatischer Ansatz: Übertragung der Grundsätze der Vererbbarkeit des sog. Urheberpersönlichkeitsrechts
  • (iv) Argumente für die Aufrechterhaltung einer dualistischen Betrachtungsweise
  • (3) Postmortale Fortwirkung der lebzeitigen Ausübung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung?
  • (a) Auffassung in der Literatur
  • (b) Eigene Auffassung
  • c) Die Bedeutung des postmortalen Persönlichkeitsrechts für den digitalen Nachlass
  • (aa) Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts
  • (bb) Gewährleistung eines postmortalen Datenschutzes durch das postmortale Persönlichkeitsrecht?
  • (1) Bestehende Ansätze in der Literatur
  • (2) Eigene Auffassung
  • (a) Postmortales Persönlichkeitsrecht kann einer generellen Vererbbarkeit personenbezogener Daten nicht entgegenstehen
  • (b) Vererbbarkeit personenbezogener Daten kann sowohl im Interesse des Erblassers als auch der Erben liegen
  • (c) Vermeidung der Schaffung eines „Datenfriedhofes“
  • d) Das Fernmeldegeheimnis in Art. 10 GG
  • (aa) Erstreckung des Schutzbereichs des Art. 10 GG auf sog. „ruhende Nachrichten“?
  • (bb) Grundrechtsbindung privater Unternehmen
  • 3. Datenschutzrechtliche Implikationen
  • a) Europarechtliche Verankerung des Datenschutzrechts
  • b) Das Datenschutzrecht als Ausprägung des grundrechtlich verankerten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
  • c) DSGVO und nationale Datenschutzgesetze
  • (aa) Verdrängung der Regelungen des TMG durch die DSGVO?
  • (bb) Auswirkungen der DSGVO und des BDSG auf den digitalen Nachlass
  • (1) Kein Schutz von Daten verstorbener Personen nach der DSGVO und dem BDSG
  • (2) Recht auf Vergessenwerden (Art. 17 DSGVO)
  • (3) Datenschutz der noch lebenden Kommunikationspartner des Erblassers
  • (a) Auffassung der Rechtsprechung
  • (b) Auffassung in der Literatur
  • (c) Eigene Auffassung
  • (i) Begriff der „Verarbeitung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO
  • (ii) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO
  • (iii) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO
  • (iv) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO
  • (v) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO
  • (vi) Verarbeitung sensibler Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO
  • d) Telemediengesetz (TMG)
  • e) Ausblick: die ePrivacy-​Verordnung
  • 4. Telekommunikationsrechtliche Implikationen: Das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG)
  • a) Das TKG als Umsetzung der ePrivacy-​Richtlinie
  • b) Das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG)
  • (aa) Schutzbereich des § 88 TKG
  • (1) Persönlicher Schutzbereich
  • (2) Sachlicher Schutzbereich
  • (bb) Zeitliche Reichweite des Fernmeldegeheimnisses
  • (cc) Verpflichtete im Sinne des § 88 TKG
  • (1) Anbieter von Cloud-​Computing
  • (a) Cloud-​Computing als Telekommunikationsdienstleistung im Sinne des § 88 TKG?
  • (b) Anwendbarkeit des § 88 TKG über § 7 Abs. 3 TMG?
  • (2) Anbieter von E-​Mail-​Dienstleistungen
  • (3) Anbieter sozialer Netzwerke
  • (dd) Zwischenergebnis
  • (ee) Ausschluss der Vererbbarkeit digitaler Inhalte des Nachlasses durch das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 Abs. 3 TKG?
  • (1) Der Erbe als „anderer“ im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG
  • (a) Befürwortende Ansicht
  • (b) Eigene Auffassung
  • (i) Beteiligung am Kommunikationsvorgang ist kein tatbestandsausschließendes Kriterium
  • (ii) Der Erbe rückt in rechtlicher Hinsicht an die Stelle des Erblassers
  • (iii) Möglichkeit der Auflösung des zwischen dem Erb-​ und dem Datenschutzrecht bestehenden Spannungsverhältnisses?
  • (iv) Differenzierte Betrachtungsweise im Hinblick auf § 1936 BGB?
  • (2) Datenweitergabe „im für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderlichen Maß“ an Dritte möglich?
  • (a) Die allgemeinen Leistungspflichten eines Providers gegenüber Account-​Inhabern
  • (b) §§ 91 ff. TKG als Obergrenze für das zulässige Maß der Datenübermittlung?
  • (3) Schutz des Fernmeldegeheimnisses der noch lebenden Kommunikationspartner des Erblassers
  • (a) Unerheblich: Einwilligung des Erblassers
  • (b) Einwilligung der Kommunikationspartner des Erblassers
  • (i) Meinungsstand in der Rechtsprechung
  • (ii) Meinungsstand in der Literatur
  • (iii) Eigene Stellungnahme
  • c) Zwischenergebnis
  • 5. Privatrechtliche Implikationen: Postmortaler Datenschutz durch Allgemeine Geschäftsbedingungen?
  • a) Auswahl an Allgemeinen Geschäftsbedingungen marktführender Provider
  • (aa) Facebook
  • (bb) Xing
  • (cc) Yahoo & eBay
  • (dd) Google
  • (ee) GMX & Dropbox
  • (ff) Microsoft-​Dienste
  • b) Wirksamkeit der AGB der Provider
  • (aa) Zulässigkeit der privatautonomen Regelung des postmortalen Schicksals eines Accounts
  • (bb) Allgemeiner Prüfungsmaßstab
  • (cc) Einbeziehungskontrolle
  • (dd) Keine überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB
  • (ee) Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB
  • (1) Regelung von Facebook zum sog. Gedenkzustand als bloße Leistungsbeschreibung?
  • (2) Prüfungsmaßstab im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB
  • (a) Löschung des Accounts eines verstorbenen Nutzers
  • (b) Zugriffsverweigerung gegenüber den Erben und Löschung der Inhalte eines Accounts nach dem Ableben eines Nutzers
  • (c) Besondere Legitimationsklauseln
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Grundrechtliche Verankerung eines postmortalen Datenschutzrechts
  • I. Notwendigkeit eines postmortalen Datenschutzes
  • 1. Zur grundrechtlichen Relevanz eines postmortalen Datenschutzrechts
  • 2. Vergleichbarkeit analoger und digitaler Kommunikation und ihre Grenze
  • a) Die Besonderheiten der digitalen Kommunikation
  • b) Erklärungsdefizite entgegenstehender Parallelwertungen zum analogen Nachlass
  • (aa) Vergleich zum Postgeheimnis (§ 39 PostG)
  • (bb) Keine vergleichbare Gefährdungslage im Hinblick auf die analoge Kommunikation
  • 3. Keine ausreichenden Schutzvorkehrungen seitens der Provider
  • a) Grundsätzlich keine Möglichkeit individueller Vereinbarungen
  • b) Das Problem der Reaktivierung von Accounts
  • 4. Die Bedeutung der chilling effects für den rechtlichen Umgang mit dem digitalen Nachlass
  • a) Begriffsbestimmung
  • b) Bedeutung der digitalen Persönlichkeitsentfaltung
  • c) Die Wahrnehmung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im digitalen Raum
  • (aa) Informationsmängel als Hauptursache
  • (bb) Gesamtschau neuer Regelungen
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Systematische Einordnung eines postmortalen Datenschutzrechts in das Grundgesetz
  • 1. Allgemeines zum postmortalen Schutz des Grundgesetzes
  • 2. Recht auf postmortalen Datenschutz unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG?
  • 3. Recht auf postmortalen Datenschutz als weitere Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • a) Voraussetzungen für die Erweiterung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
  • (aa) Einwand einer unübersichtlichen Grundrechtskasuistik
  • (bb) Feststellung einer Schutzlücke
  • (1) Notwendigkeit einer Anpassung des Grundrechtsschutzes an gesellschaftliche Entwicklungen
  • (2) Kein ausreichender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • (a) Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung endet mit dem Ableben einer Person
  • (b) Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerfG zum Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
  • b) Schutzbereich des Rechts auf postmortalen Datenschutz
  • (aa) Personaler Schutzbereich
  • (bb) Sachlicher Schutzbereich
  • (1) Weite Auslegung des sachlichen Schutzbereichs
  • (2) Zeitliche Beschränkung des Rechts auf postmortalen Datenschutz
  • 4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in das Recht auf postmortalen Datenschutz?
  • 5. Abwehr und Schutzfunktion des Rechts auf postmortalen Datenschutz
  • III. Zwischenergebnis
  • E. Der digitale Nachlass de lege ferenda
  • I. Rechtsvergleichende Betrachtung des digitalen Nachlasses
  • 1. Sinn und Zweck der Rechtsvergleichung für die Rechtsfindung
  • a) Rechtsvergleichung als „Inspirationsquelle“ für die nationale Rechtsordnung
  • b) Methode der Rechtsvergleichung
  • 2. Untersuchung internationaler Regelungen zum digitalen Nachlass
  • a) Europäischer Raum
  • (aa) Schweiz und Österreich
  • (1) Schweiz
  • (2) Österreich
  • (3) Bewertung
  • (bb) Romanische Rechtsordnungen am Beispiel von Frankreich, Italien und Spanien
  • (1) Frankreich
  • (a) Systematik des französischen Erbrechts
  • (b) Gesetz Nr. 78-​17 vom 6. Januar 1978 über Datenverarbeitung, Dateien und Freiheiten
  • (i) Analyse
  • (ii) Bewertung
  • (2) Italien
  • (a) Systematik des italienischen Erbrechts
  • (b) Novellierung des italienischen Datenschutzgesetzes
  • (i) Analyse
  • (ii) Bewertung
  • (3) Spanien
  • (a) Systematik des spanischen Erbrechts
  • (b) Novellierung des spanischen Datenschutzgesetzes
  • (i) Analyse
  • (ii) Bewertung
  • b) USA
  • (aa) Systematik des US-​amerikanischen Erbrechts
  • (bb) Revised Uniform Fiduciary Access to Digital Assets Act (RUFADAA)
  • (1) Analyse
  • (a) Ratio legis des RUFADAA
  • (b) Persönlicher Schutzbereich
  • (c) Sachlicher Schutzbereich
  • (d) Maßgeblicher Regelungsinhalt des RUFADAA
  • (2) Bewertung
  • c) Kanada
  • (aa) Systematik des kanadischen Erbrechts
  • (bb) Uniform Access to Digital Assets by Fiduciaries Act (UADAFA)
  • (1) Analyse
  • (2) Bewertung
  • 3. Zusammenfassender Vergleich der einzelnen hier untersuchten Rechtsordnungen
  • a) Deutschsprachiger Raum
  • b) Romanische Rechtsordnungen
  • c) USA & Kanada
  • II. Leitlinien für eine gesetzliche Regelung des digitalen Nachlasses auf nationaler Ebene
  • 1. Ziel einer Kodifizierung des digitalen Nachlasses auf einfachgesetzlicher Ebene
  • 2. Gesetzessystematische Verankerung einer Regelung zum digitalen Nachlass
  • a) Regelung zum digitalen Nachlass im Rahmen der §§ 1922 ff. BGB (Buch 5: Erbrecht)
  • (aa) Reformbedürftigkeit der §§ 1922 ff. BGB im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung
  • (bb) Systematische Verortung innerhalb des Regelungssystems der §§ 1922 ff. BGB
  • (1) Regelung im Buch 5, Abschnitt 3 (§§ 2064 ff. BGB)
  • (a) Allgemeine Übersicht zu dem Buch 5, 3. Abschnitt des BGB
  • (b) Eignung des Abschnitts 3 zur Verortung einer Regelung zum digitalen Nachlass
  • (2) Regelung im 5. Buch, Abschnitt 1 (§§ 1922 ff. BGB)
  • b) Regelung des digitalen Nachlasses im Rahmen des TKG
  •  
  •  
  • (a) § 88 Abs. 3 TKG beinhaltet grundsätzlich ein postmortales Kenntnisverschaffungsverbot
  • (b) Eingriffsvorbehalt gemäß § 88 Abs. 3 S. 3 TKG
  • (c) Gesetzesvorschlag des Deutschen Anwaltsvereins
  • c) Etablierung eines postmortalen Datenschutzes im Rahmen des BDSG
  • (aa) Allgemeine Erweiterung des Anwendungsbereichs des BDSG auf verstorbene Personen
  • (1) Klarstellung im Rahmen des § 1 BDSG
  • (2) Regelung zur Durchsetzung datenschutzrechtlicher Rechte im BDSG
  • (bb) Recht zur lebzeitigen Vereinbarung zum Umgang mit personenbezogenen Daten nach dem Tod
  • (cc) Neutrale Kontrolle der Umsetzung des postmortalen Datenschutzes
  • III. Abschließende Betrachtung und Bewertung
  • F. Der digitale Nachlass in der erbrechtlichen Praxis
  • I. Datenschutz zu Lebzeiten durch Ende-​zu-​Ende-​Verschlüsselung („Zero Knowledge“)
  • 1. Begriff der Ende-​zu-​Ende-​Verschlüsselung
  • 2. Technische Hintergründe der Ende-​zu-​Ende-​Verschlüsselung
  • 3. Grenzen der Schutzmöglichkeiten durch Ende-​zu-​Ende-​Verschlüsselungen
  • II. Lebzeitige Vorsorgemöglichkeiten des Erblassers
  • 1. Interessenlage der Beteiligten
  • 2. Anlage einer digitalen Vorsorgemappe
  • 3. Regelung des digitalen Nachlasses im Rahmen von letztwilligen Verfügungen
  • a) Teilungsanordnung und Vermächtnis
  • b) Anordnung von Testamentsvollstreckung
  • 4. Regelung des digitalen Nachlasses im Rahmen von Vorsorgevollmachten
  • 5. Grundsätzliche Trennung geschäftlicher und persönlicher Kommunikation
  • III. Sonderfall: Kryptowährungen
  • IV. Durchsetzung des Rechts der Erben auf Zugangsverschaffung gegenüber dem Provider
  • 1. Nachweis der Erbenstellung gegenüber dem Provider
  • 2. Durchsetzung des Anspruchs der Erben auf Zugangsverschaffung
  • a) Anwendbares Recht und Gerichtsstand
  • b) Vollstreckung eines titulierten Zugangsverschaffungsanspruchs
  • (aa) Divergierende Auffassungen in der Rechtsprechung
  • (bb) Eigene Auffassung
  • G. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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A. Einführung

I. Anlass der Untersuchung

Das Internet ist aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken: 90 % der deutschen Bevölkerung nutzen es; 68 % hiervon kommunizieren elektronisch (bspw. über Messengerdienste wie WhatsApp, Facebook oder per E-Mail) und 55 % sind Mitglied eines sozialen Netzwerkes.1 Zudem haben sich viele Bereiche zunehmend vollumfänglich aus der analogen in die digitale Welt verlagert.2 Die fortschreitende Digitalisierung3 beeinflusst das Leben der Menschen und deren Verhalten aufgrund der Vielseitigkeit der Nutzungsmöglichkeiten des Internets.4 Deren Nutzer geben hierbei – dies zeigt insbesondere das Nutzerverhalten in Bezug auf soziale Netzwerke oder sog. Mikroblogging-Dienste wie etwa Twitter – ihre Privatheit in weiten Bereichen auf.5 Hierdurch gelangen – teilweise sensible – persönliche Daten in den Herrschaftsbereich der Anbieter von Onlinedienstleistern (sog. Provider).6 Mit Zunahme gespeicherter personenbezogener Daten entstehen digitale Identitäten von Personen, welche wegen der grundsätzlich nicht gegebenen Vergänglichkeit von Daten das Ableben einer Person überdauern.7 Die mit dem Internet einhergehende Entgrenzung von Raum und Zeit8 stellt den maßgeblichen Unterschied zur analogen Welt dar: Dort werden persönliche Informationen über eine Person (z.B. Tagebücher, Briefe etc.) in der ←23 | 24→Regel in privaten Räumlichkeiten aufbewahrt und befinden sich im jederzeitigen Zugriffs- und Kontrollbereich der betreffenden Person. Im Hinblick auf die mit einer Person verbundenen Daten lässt sich nach einer gewissen Zeit indes kaum mehr nachvollziehen, wo diese noch gespeichert sind und wer hierauf zugreifen kann. So hinterlässt ein Mensch während seines Lebens eine Vielzahl an digitalen Fußspuren, verbunden mit der Preisgabe personenbezogener Daten.9 Der digitale Nachlass macht nach alledem einen bedeutenden Teil des Nachlasses einer verstorbenen Person aus.

Vor dem Hintergrund, dass der digitale Nachlass nicht nur personenbezogene, sondern auch vermögenswerte Daten (elektronisch gespeicherte Vertragsdokumente, Onlinebanking-Accounts etc.) enthält, hat dieser für die Erben über den ideellen Wert hinaus auch einen materiellen Wert. An dieser Stelle wird die Problematik des rechtlichen Umgangs mit dem digitalen Nachlass deutlich. Während sowohl die Erben als auch der Erblasser ein Interesse an einer uneingeschränkten Vererbbarkeit vermögenswerter Daten haben werden, liegt die Interessenlage hinsichtlich personenbezogener Daten ohne Vermögenswert regelmäßig anders: Für den, der sich nicht bewusst dazu entscheidet, über seinen Tod hinaus in Erinnerung zu bleiben,10 sind Internetmedien nur ein Mittel der Spontankommunikation, deren Nutzfunktion sich im Zweck effizienter Informationsübermittlung und der Kommunikation in der Gegenwart erschöpft.11 Das Hinterlassen von digitalen Fußspuren und die Gefahr einer posthumen Erstellung des Persönlichkeitsbildes sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Familien- oder Bekanntenkreis möchten die überwiegenden Internetnutzer verhindern.12 Zudem treten im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass noch die Interessen Dritter, nämlich der Kommunikationspartner des Erblassers, an der Geheimhaltung von persönlichen Kommunikationsinhalten hinzu. Der digitale Nachlass steht damit in einem Spannungsfeld zwischen dem Erbrecht, insbesondere dem fundamentalen Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB)13, und dem persönlichkeitsrechtlich – und damit ←24 | 25→verfassungsrechtlich – geprägten Datenschutzrecht, einschließlich des Telekommunikationsrechts.14 Diese stellen unterschiedliche Rechtsgebiete dar, deren Regelungen und zugrundeliegende Wertungen miteinander in Einklang zu bringen sind.15

Das Erbrecht wurde über lange Zeit von den Herausforderungen der Digitalisierung nicht tangiert. Der digitale Nachlass ist erst (beginnend mit dem grundlegenden Beitrag von Hoeren16) seit dem Jahr 2005 Gegenstand kontroverser Diskussionen in der juristischen Literatur17 und seit 2015 auch in der Rechtsprechung18 Thema geworden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das vorgenannte Spannungsfeld mit seinem Urteil vom 12.7.201819 schließlich zugunsten des Erbrechts aufgelöst und damit zunächst eine klare Rechtslage hinsichtlich des digitalen Nachlasses geschaffen.20 Für die Rechtspraxis ist dies zwar erfreulich; die Annahme einer uneingeschränkten Vererbbarkeit des digitalen Nachlasses auch in Bezug auf personenbezogene Daten stößt indes mit Blick auf einen damit außer Acht gelassenen Persönlichkeitsschutz des Erblassers auf Bedenken. Dies vor dem Hintergrund, dass eine Person mit dem Wissen um die Tatsache, dass sämtliche personenbezogenen Daten nach ihrem Ableben der Möglichkeit eines Zugriffs der Erben ausgesetzt sind, ihr Internet- und Kommunikationsverhalten entsprechend anpasst. Damit geht wiederum die Gefahr der Behinderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit zu Lebzeiten einher:21 Das Wissen um den Umgang mit Daten nach dem Tod beeinflusst den lebzeitigen Umgang mit diesen.

←25 | 26→

II. Ziel der Untersuchung

Im Rahmen des rechtstheoretischen Umgangs mit dem digitalen Nachlass wird persönlichkeitsrechtlichen Aspekten sowohl in der Rechtsprechung als auch der überwiegenden Literatur nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen. Der Umgang mit dem digitalen Nachlass wirft hingegen nicht lediglich datenschutzrechtliche Bedenken auf, sondern tangiert auch das grundrechtlich verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) des Erblassers.22

Die Frage nach dem Bestehen oder der Schaffung eines postmortalen Datenschutzes wird im derzeitigen rechtswissenschaftlichen Diskurs nur rudimentär behandelt.23 Anders als andere Länder, sowohl in Europa als auch die USA24, hat der nationale Gesetzgeber bislang davon abgesehen, gesonderte Regelungen zum digitalen Nachlass zu treffen. Dies trotz ausdrücklicher Empfehlungen sowohl aus dem Kreis der Politik25 als auch der Rechtswissenschaft.26

Im Rahmen der vorliegenden Abhandlung wird die vom BGH nachgezeichnete Rechtslage zum Umgang mit dem digitalen Nachlass zum Anlass genommen, Möglichkeiten eines postmortalen Datenschutzes herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu untersuchen, ob ein solcher bereits aus geltendem Recht hergeleitet werden kann.27 Ist dies nicht der Fall, ist es Ziel der Arbeit, ein postmortales Datenschutzrecht verfassungsrechtlich herzuleiten und schließlich auf einfachgesetzlicher Ebene zu etablieren.28

1 Statistisches Bundesamt, Stand 1. Quartal 2020, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/IT-Nutzung/_inhalt.html [zuletzt abgerufen am 7.9.2020].

2 Vgl. insoweit etwa die Ausführungen bei Falk, CR 2017, 480 ff. und Härtel, LKV 2019, 49 (54); Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, S. 3; Seidler, Der digitale Nachlass, S. 8.

3 Hierzu instruktiv Härtel, LKV 2019, 48 ff.

4 Vgl. hierzu Süddeutsche Zeitung: „Wie die Digitalisierung unsere Welt verändert“: https://www.sueddeutsche.de/thema/Digitales_Morgen [zuletzt abgerufen am 5.9.2020].

5 Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 79.

6 Vgl. Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 79 f.

7 Vgl. Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 16; Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 79 mit dem prägenden Begriff des „digitalen Abziehbildes einer Person“; Schröder, JZ 2019, 953 ff.

8 Vgl. Kutscher, Der digitale Nachlass, S. 16; Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 79.

9 So treffend Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 79; Seidler, Der digitale Nachlass, S. 8; Wunderlin/Bielajew, IPRB 2014, 223.

10 Vgl. den öffentlichen Kampf gegen den Tod der US-amerikanischen Bloggerin Jessica Joy Rees, https://www.livenet.ch/themen/people/216899_wie_die_12jaehrige_jessica_joy_rees_zum_vorbild_wurde.html [zuletzt abgerufen am 8.9.2020].

11 Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 80.

12 Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 80; Seidler, Der digitale Nachlass, S. 8.

13 Hierzu Leipold, MüKoBGB, § 1922 Rn. 3; Müller-Christmann, BeckOK, BGB, § 1922 Rn. 15; Uhrenbacher, Digitales Testament und digitaler Nachlass, S. 165; Sorge, MMR 2018, 372 (373).

14 Vgl. hierzu Biermann, ZErb 2017, 210.

15 So auch Bock, AcP 2017, 371 (372).

16 Hoeren, NJW 2005, 2113.

17 Vgl. nur Alexander, K&R 2016, 30; Biermann, ZErb 2017, 210; Bock, AcP 2017, 371; Brisch/Müller-ter Jung, CR 2013, 446; Budzikiewicz, AcP 218, 558; Deusch, ZEV 2014, 2; Deusch, ZEV 2016, 189; Herzog, NJW 13, 3745; Hoeren, NJW 2005, 2113; Gloser, DNotZ 2013, 497; Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473; Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125; Pruns, ZErb 2017, 217 ff.; Preuß, NJW 2018, 3146; Raude, ZEV 2017, 433; Salomon, NotBZ 2016, 324; Sorge, MMR 2018, 372.

18 LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15; KG, Urt. v. 31. Mai 2017 – 21 U 9/16; BGH, 12.07.2018 – III ZR 183/17 (= BGHZ 219, 243) und daran anknüpfend: LG Berlin, 13.02.2019 – 20 O 172/15; KG, 03.12.2019 – 21 W 11/19; BGH, 27.08.2020 – III ZB 30/20.

19 BGHZ 219, 243.

20 Hierzu ausführlich unter C.I.4.

21 Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 102; Martini, JZ 2012, 1145 (1149).

22 Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 102; Martini, JZ 2012, 1145 (1149).

23 Ausführlich, soweit ersichtlich, nur Martini, in: Hill/Martini/Wagner, Facebook, Google und Co., S. 102; Martini, JZ 2012, 1045.

24 Hierzu unter E.I.

25 BT-Drs. 19/14044; kritisch hierzu Lieder/Berneith, ZRP 2020, 87; Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12.3.2018, Zeile 6175 f.

26 Deutscher Anwaltsverein, Stellungnahme zum digitalen Nachlass, Nr. 34/2013, S. 6 ff.; Biermann, ZErb 2018, 210; Bräutigam, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, nach § 1922 Rn. 19; Kuntz, jM 2016, 190 (191); Leeb, K&R 2014, 693 (699); Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125 (127, 130); Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 157 (159); Martini, JZ 2012, 1145 (1154 ff.); Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291 (295).

27 Hierzu unter C.II.

28 Hierzu unter D. und E.

Details

Seiten
256
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631866337
ISBN (ePUB)
9783631866344
ISBN (MOBI)
9783631866351
ISBN (Paperback)
9783631863732
DOI
10.3726/b18986
DOI
10.3726/b19017
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (September)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 256 S.

Biographische Angaben

Bastian Biermann (Autor:in)

Bastian Biermann studierte Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und absolvierte das Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Er ist Rechtsanwalt und spezialisiert auf die Vermögens-, Unternehmens- und Nachfolgeplanung vermögender Privatpersonen und die Beratung von Familienunternehmen und deren Gesellschafter.

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Titel: Der digitale Nachlass und der postmortale Schutz personenbezogener Daten
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