Umbau im baulichen Bestand – Fach- und Rechtsfragen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Baurechtliche Fragestellungen bei Werbeanlagen
- Abstract
- I. Einleitung
- II. Bauplanungsrecht
- a) Vorliegen eines Bebauungsplanes
- b) Werbeanlage im unbeplanten Innenbereich
- III. Bauordnungsrecht
- 1. Bauordnungsrechtliche Einordnung von Werbeanlagen
- 2. Verunstaltungsverbote
- 3. Häufungsverbot
- 4. Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
- 5. Örtliche Bauvorschriften
- IV. Verfahrensrechtliche Behandlung
- V. Behördliches Einschreiten gegen Werbeanlagen
- VI. Fazit
- Gemengelagen – zur Reichweite des Trennungsgrundsatzes
- Abstract
- I. Allgemeine Anforderungen des Trennungsgrundsatzes
- II. Reichweite des Trennungsgrundsatzes in Gemengelagen
- 1. Begriff der Gemengelage
- 2. Maßstäbe der Rechtsprechung zum Umgang mit dem Trennungsgrundsatz
- III. Zu unterscheidende Konstellationen
- 1. Vorhabengenehmigung in vorhandenen Gemengelagen
- 2. Überplanung vorhandener Gemengelagen
- a. Standortsicherung für emittierende Betriebe
- b. Neuansiedlungen
- c. Überplanung zum Schutz immissionsanfälliger Nutzungen gegen die Neuansiedlung weiterer emittierender Betriebe
- 3. Schaffung neuer Gemengelagen durch die Überplanung der „grünen Wiese“
- IV. Bedeutung der Bestandsaufnahme im Vorfeld der Planaufstellung
- 1. Bestandsaufnahme im Aufstellungsverfahren eines Bebauungsplans
- 2. Bestandsaufnahme im Genehmigungsverfahren
- Hochwasservorsorge im baulichen Bestand aus Sicht der Versicherungswirtschaft
- Abstract
- Zusammenfassung
- Probleme bei der planerischen Gebietsumwandlung
- Abstract
- Zusammenfassung
- Bestandsschutz im bebauten Bereich
- Abstract
- A. Einführung
- B. Der Begriff des Bestandsschutzes und seine Spielformen
- C. Rechtliche Verortung des baurechtlichen Bestandsschutzes
- D. Voraussetzungen des baurechtlichen Bestandsschutzes
- 1. Bisherige Auffassung
- 2. Neue Auffassung
- 3. Eigene Stellungnahme
- 4. Konsequenzen
- a. Nicht genehmigungsbedürftige Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung
- b. Genehmigungsbedürftige Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung
- E. Reichweite (Umfang) des passiven Bestandsschutzes
- 1. Grundsatz
- 2. Passiver Bestandsschutz im Bauordnungsrecht
- 3. Passiver Bestandsschutz im Bauplanungsrecht
- a. Überplanung von Bestand durch Bebauungsplan
- b. Veränderungssperre (§ 14 Abs. 3 BauGB)
- c. Städtebauliche Gebote (§§ 175 ff. BauGB)
- F. Reichweite und Umfang des aktiven Bestandsschutzes
- 1. Vorbemerkung
- 2. Aktiver Bestandsschutz im Bauplanungsrecht für bebaute Bereiche
- a. Einführung
- b. § 1 Abs. 10 BauNVO
- c. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB
- d. Aktiver Bestandsschutz nach § 34 Abs. 3a BauGB
- aa. Vorbemerkung
- bb. Voraussetzungen für die Abweichung
- G. Ende des Bestandsschutzes
- H. Abschlussfall
- Praxisberichte: Umbau im baulichen Bestand – Bericht aus Mainz
- Abstract
- Einführung
- Ein ehemaliges Kasernenareal entwickelt sich zum nachgefragten Wohnquartier ‚Martin-Luther-King-Park‘ in Innenstadtnähe
- Bilanz der Nachverdichtungsplanungen – aus stadtplanerischer/ bauleitplanerischer Perspektive:
- Ein Containerterminal wird zum neuen Stadtquartier: Arbeiten und Wohnen am Fluss
- Bausteine des Schallschutzkonzeptes
- Probleme/ Hindernisse/ Erfahrungen
- Innerstädtische Einkaufszentren – Herausforderung für Partizipation?
- Praxisberichte: Umbau im baulichen Bestand – Bericht aus Bonn
- Abstract
- 1. Ausgangssituation
- 2. Flächennutzungsplanung und ökologische Anforderungen
- 3. Demografischer Wandel und Wohnungsbaukonzept
- 3.1 Regionale Wohnungsmarktuntersuchung
- 3.2 Der Modellversuch der Budgetierung der Landesmittel zur Wohnungsbauförderung
- 3.3 Erlass des MSWKS
- 3.4 Verwaltungsvereinbarung
- 3.5 Regionales Handlungskonzept Wohnen 2020
- 4. Regionaler Aktionsraum und lokale Handlungsebene
- 5. Resümee
- Abbruch von Schrottimmobilien111
- Abstract
- Zusammenfassung
- I. Anlässe für eine Änderung des § 179 BauGB
- 1. Ursprüngliche Funktion der Vorschrift
- 2. Geringe praktische Bedeutung
- II. Zur Bedeutung der städtebaulichen Gebote
- 1. Funktion der städtebaulichen Gebote
- 2. Rückbau- und Entsiegelungsgebot in der Praxis
- a) Die gesetzlichen Fallgestaltungen
- b) Rückbau wegen städtebaulicher Missstände oder Mängel
- c) Gefahrenabwehr
- d) Voraussetzungen für die Anordnung des Gebotes
- e) Entschädigung
- III. Die Änderung des § 179 BauGB durch die BauGB Novelle 2013
- 1. Überblick
- 2. Zur Neuregelung im Einzelnen
- IV. Bewertung
- Bauordnungsrechtliche Anforderungen beim Umbau im baulichen Bestand
- Abstract
- 1. Einleitung
- 2. Was sind Umbauten?
- 3. Anforderungen des formellen Bauordnungsrechtes
- a) Prüfung der Verfahrensfreiheit
- b) Prüfung der Verfahrensfreiheit bei Gesamtvorhaben
- c) Prüfung der Genehmigungsfreistellung
- d) Prüfung der Genehmigungspflicht
- e) Prüfung der Bauvorlageberechtigung
- f) Ablauf des Genehmigungsverfahrens
- 4. Materielle Anforderungen des Bauordnungsrechtes
- a) Bestandsschutz
- b) Maßgeblichkeit des Gesamtvorhabens
- c) Anpassung bestehender Anlagen
- d) Beachtung des Abstandsflächenrechts
- e) Prüfung des Brandschutzes
- 5. Welche Besonderheiten ergeben sich aus der MBO 2012?
- Rechts- und Fachfragen der Zwischennutzung
- Abstract
- I. Ausgangslage
- II. Eingrenzung
- 1. Begriff
- 2. Auslöser und Formen von Zwischennutzungen
- III. Akteure
- 1. Zwischennutzer
- 2. Eigentümer
- 3. Standortkommune
- 4. Öffentlichkeit
- IV. Instrumente zur Zulassung und Steuerung
- 1. Ordnungsrechtliche Instrumente
- 1.1 Nutzungsuntersagung, Beseitigung und Duldung
- 1.2 Befreiungen im Bauordnungsrecht
- 1.3 Befristete Baugenehmigung
- 2. Bauplanungsrechtliche Instrumente
- 2.1 Informelle Instrumente
- 2.2 Befristete und bedingte Festsetzungen im Bebauungsplan
- 2.2.1 Anwendungsvoraussetzungen
- 2.2.2 Aufstellungsverfahren
- 2.2.3 Planungsschadensrecht
- 2.3 Vorhabenbezogener Bebauungsplan
- 2.4 Plansicherung
- 2.5 Ausnahmen und Befreiungen im Bauplanungsrecht
- 2.5.1 Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans
- 2.5.2 Im unbeplanten Innenbereich
- 2.5.3 Im Außenbereich
- 3. Konsensuale Instrumente
- 3.1 Duldungsverträge
- 3.2 Gestattungsvereinbarung
- 3.3 Miet- und Pachtverträge
- 3.4 Städtebauliche Verträge
- 3.4.1 Allgemeines Städtebaurecht
- 3.4.2 Besonderes Städtebaurecht
- 3.5 Ergänzende Regelungen
- 3.5.1 Bürgschaften
- 3.5.2 Haftungs- und Versicherungsregelungen
- V. Fazit
- Klimaschutz und Baukultur – Rechtliche Grenzen der energetischen Gebäudesanierung besonders erhaltenswerter Gebäude
- Abstract
- Einführung
- 1. Zielkonflikt
- 2. Gesetzliche Grundregel
- 3. Ausnahmen für besonders erhaltenswerte Gebäude
- 4. Beeinträchtigung der Substanz oder des Erscheinungsbildes
- 5. Städtebaulicher Ensembleschutz
- 6. Milieuschutzgebiet
- 7. „Dynamisierung“ des Störungsbegriffs
- 8. Ausnahmeermessen
- 9. Verfahren
- 10. Ausblick
- Grenzen energetischer Sanierungspflichten bei Gebäuden – Rechts- und Fachfragen
- Abstract
- I. Einleitung
- II. Anforderungen an bestehende Gebäude im geltenden Recht
- III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Beschränkung des Bestandsschutzes aus Klimaschutzgründen
- 1. Anlassbezogene Pflichten bei bestehenden Gebäuden
- 2. Nicht anlassbezogene Pflichten bei bestehenden Gebäuden
- 3. Verhältnis von anlassbezogenen und nicht anlassbezogenen Pflichten
- IV. Fazit
- Anforderungen an die Überschreitung der Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung (§ 17 Abs. 2 BauNVO)
- Abstract
- I. Stärkung der Innenentwicklung
- II. Struktur der Vorschrift und systematischer Zusammenhang
- III. Allgemeines und frühere Fassungen der BauNVO
- 1. Die BauNVO von 1962
- 1.1 Wortlaut der Vorschrift
- 1.2 Einzelne Aspekte
- 2. Die BauNVO von 1968
- 2.1 Wortlaut der Vorschrift
- 2.2 Einzelne Aspekte
- 3. Die BauNVO von 1977
- 3.1 Wortlaut der Vorschrift
- 3.2 Einzelne Aspekte
- 4. Die BauNVO von 1990
- 4.1 Wortlaut der Vorschrift
- 4.2 Einzelne Aspekte
- IV. Anwendungsbereich
- V. Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung (Abs. 1)
- 1. Überblick
- 2. Funktion
- VI. Anforderungen an das Überschreiten der Obergrenzen
- 1. Zur bisherigen Rechtslage
- 2. Zur neuen Rechtslage
- 2.1 Überschreitung aus städtebaulichen Gründen
- 2.2 Ausgleich der Überschreitung
- a. Ausgleichsumstände und Ausgleichsmaßnahmen
- b. Ausgleichszwecke
- aa. Gewährleistung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse
- bb. Keine nachteiligen Umweltauswirkungen
Baurechtliche Fragestellungen bei Werbeanlagen
Der Beitrag behandelt bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Fragestellungen bei der Genehmigung von Werbeanlagen. Mittels örtlicher Bauvorschriften können die Gemeinden auf die Verbreitung bestimmter Werbeanlagen in ihrem Gebiet Einfluss nehmen.
The contribution discusses aspects in planning law and building regulations for installation of advertising equipment. Municipalities can influence the dissemination of these installations through local building guides.
Werbung beinhaltet die Verbreitung von Informationen in der Öffentlichkeit oder an ausgesuchte Zielgruppen. Sie dient der Bekanntmachung, Verkaufsförderung oder Imagepflege meist gewinnorientierter Unternehmen bzw. deren Produkte und Dienstleistungen, manchmal aber auch der Bekanntmachung unentgeltlicher, nicht gewinnorientierter Dienste oder Informationen.1 Werbetreibende wollen durch das Darbieten von Botschaften Aufmerksamkeit erregen, um Einstellungen und Handlungen von Personen zu beeinflussen.2 Mit den Worten von Generalanwalt Jacobs bringt Werbung „mehr Veränderung und Mobilität in die Wirtschaft und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Ein Werbeverbot führt zur Verfestigung bestehender Verbrauchsgewohnheiten, zur Erstarrung der Märkte ← 1 | 2 → und zur Erhaltung des Status quo.“3 Werbung ist aus unserem heutigen Alltag kaum mehr wegzudenken.4 Traditionelle Plakate, Litfaßsäulen und Wartehäuschen gibt es zwar noch, zunehmend werden aber auffälligere Methoden eingesetzt, wofür beispielhaft beklebte Fahrzeuge, elektronische Plakate sowie digitale Technologie an Gebäudewändaen als urbane Anzeigetafeln dienen.5 Werbung geht mit der Zeit. Sie zeichnet sich durch Formenvielfalt und Einfallsreichtum aus.
Werbeanlagen stoßen nicht bei jedem auf Gefallen und beschäftigen deshalb immer wieder die Gerichte. Sie werfen u. a. eine Reihe von baurechtlichen Fragen auf. So können Anlagen der Außenwerbung bodenrechtliche Spannungen erzeugen, ästhetischen Belangen zuwiderlaufen und infolge ihrer Ablenkungswirkung Gefahrensituationen hervorrufen. Schon früh hat das BVerwG entschieden, dass Werbeanlagen als solche weder dem Regelungsbereich des Bauplanungs- noch des Bauordnungsrechts vorbehalten sind, „sondern in dem Maße, in dem sie überhaupt unter baurechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sind, je nach der gesetzgeberischen Zielsetzung sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich [sind].“6
Zwar ergibt sich aus dem Grundsatz der Gewerbefreiheit (§ 1 GewO) sowie der grundgesetzlich verbürgten Eigentums- und Berufsfreiheit die grundsätzliche Zulässigkeit von Werbung.7 Weil Werbung aber zu einer Beeinträchtigung anderer Rechte und Belange führen kann, unterliegt sie einer Reihe gesetzlicher Beschränkungen.8 Im nachfolgenden Beitrag sollen häufig auftretende baurechtliche Probleme von Werbeanlagen behandelt werden. Dabei wird sich zeigen, dass deren Beantwortung letztlich immer ← 2 | 3 → von den Umständen des Einzelfalls abhängt, d. h. der Art der Werbeanlage einschließlich ihres Umfelds. Unabhängig davon, ob eine Werbeanlage genehmigungspflichtig ist, muss sie den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.9
Mangels spezieller Regelungen zu Werbeanlagen im BauGB richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer (geplanten) Anlage der Außenwerbung nach den allgemeinen Vorschriften. Eine Werbeanlage unterfällt nur dann den §§ 29 ff. BauGB, wenn sie die Kriterien einer baulichen Anlage i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB erfüllt. Aus den unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen des Landes für das Bauordnungsrecht (Art. 70 Abs. 1 GG) sowie des Bundes für das Bodenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) und den daraus erkennbaren unterschiedlichen Regelungszwecken folgt, dass der Anlagenbegriff in § 29 Abs. 1 BauGB bundesweit einheitlich sein muss. Deshalb darf nicht der Anlagenbegriff der jeweiligen Landesbauordnung(en) herangezogen werden, auch wenn beide Anlagenbegriffe in der Praxis oftmals übereinstimmen mögen.10
Um das Vorliegen einer baulichen Anlage i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB bejahen zu können, sind zwei Komponenten zu prüfen. Unter dem verhältnismäßig weiten Merkmal des „Bauens“ versteht man das Schaffen von Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Boden verbunden sind.11 Im Hinblick auf die vorzunehmende bautechnische Betrachtungsweise genügt eine mittelbare Verbindung mit dem Erdboden.12 Diese ist bei einer an einem Gebäude angebrachten oder mit dem Gebäude ← 3 | 4 → verbundenen Werbetafel, z. B. einer Videowall gegeben.13 Auf der anderen Seite muss die Anlage bodenrechtliche Relevanz entfalten. Dafür ist zu prüfen, ob die fragliche Anlage auch und gerade in ihrer unterstellten Häufung Belange des § 1 Abs. 5, 6 BauGB in einer Weise berührt oder berühren kann, weshalb ein Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorgerufen wird.14 Kleinere, unauffällige Werbeanlagen, wie das Praxisschild eines Rechtsanwalts, sind nach diesem Maßstab bodenrechtlich irrelevant.15 Für die städtebauliche Relevanz einer Werbeanlage sind ihre Höhe, die Größe und insbesondere die Auffälligkeit der Werbefläche, etwa infolge des Sendens beweglicher Werbebotschaften, ausschlaggebend.16 Eine Videowall, die großflächig und über hundert Meter hinweg gut sichtbar ist, und auf der laufend neue Werbebotschaften eingespielt werden, kann sich auf die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) unter Umständen auch auf den Denkmalschutz oder das Ortsbild (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) sowie auf den in § 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. a BauGB erwähnten Belang der Wirtschaft auswirken. Deshalb entfaltet sie bodenrechtliche Relevanz und stellt eine bauliche Anlage i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB dar.17
a) Vorliegen eines Bebauungsplanes
Befindet sich die aufzustellende Werbeanlage im Bereich eines einfachen oder qualifizierten Bebauungsplanes, ist bei der rechtlichen Beurteilung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes auszugehen (§ 30 Abs. 1, 3 BauGB).18 ← 4 | 5 → Möglicherweise stellt die jeweilige Werbeanlage eine Nebenanlage i. S. d. § 14 Abs. 1 BauNVO dar. Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO sind in den Baugebieten nach §§ 2 ff. BauNVO auch „untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen“ zulässig, sofern sie dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen sowie seiner Eigenart nicht widersprechen und die Gemeinde nicht von der ihr nach Satz 3 eröffneten Abwahlmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Mit anderen Worten muss für § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO die infrage stehende Anlage sowohl in ihrer Funktion als auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der im Baugebiet gelegenen Grundstücke sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet sein.19 Es ist also ein Funktionszusammenhang oder eine zubehörähnliche Hilfsfunktion zwischen Neben- und Hauptanlage notwendig. Mithin muss – so das OVG Münster – ein Mindestmaß an sachlicher Zusammengehörigkeit zwischen Haupt- und Nebenanlage bestehen,20 damit diese Nutzung als mitfestgesetzt gelten kann.
Überträgt man diese Maßstäbe auf Werbeanlagen, kann eine solche, eine Nebenanlage sein, wenn für eine/n an der Stätte der Leistung befindlichen Betrieb bzw. vorhandene Einrichtung geworben wird.21 Nach dem Gesetzeswortlaut ist es aber auch genügend, wenn die Außenwerbung dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Baugebiet selbst dient.22 Sollte es sich um eine derartige Eigenwerbung handeln, kann dennoch nicht auf § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO rekurriert werden, wenn die jeweilige Anlage gegenüber der Hauptanlage nicht untergeordnet ist. Dafür ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Das VG des Saarlandes kam bei einer 4,60 m hohen, aufgeständerten und ← 5 | 6 → doppelseitigen Werbeanlage zu dem Schluss, dass diese nach ihrem optischen Erscheinungsbild nicht mehr gegenüber der vorhandenen Bebauung untergeordnet ist.23 In der Mehrzahl der Fälle dürfte § 14 Abs. 1 BauNVO bei Werbeanlagen nicht einschlägig sein, weil diese der Fremdwerbung für Produkte, Dienstleistungen, Einrichtungen und Veranstaltungen ohne Bezug zum Baugebiet dienen.24
Dies bedeutet aber nicht, dass nicht als Nebenanlagen einzustufende Werbeanlagen mangels dienender Funktion bauplanungsrechtlich generell unzulässig sind. Vielmehr sind derartige Vorhaben anhand der allgemeinen Bestimmungen der §§ 2 ff. BauNVO zu beurteilen:25 „Eine Werbeanlage, welche als Anlage im erörterten bautechnischen Sinne anzusehen ist und Fremdwerbung zum Gegenstand hat, stellt bauplanerisch eine eigenständige ‚Hauptnutzung’ dar.“26 Diese Rechtsprechung von der eigenständigen Hauptnutzung lässt sich ohne weiteres bei den selbstständigen, also freistehenden Werbeanlagen nachvollziehen.27 Wie ist aber zu verfahren, wenn die Werbeanlage z. B. an einem Wohnhaus angebracht ist? Ist dann von einer reinen Wohn- oder gar Mischnutzung auszugehen? Richtigerweise ist dies zu verneinen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Werbeanlage als Fremdwerbung ihren Charakter als eigenständige Hauptnutzung nicht wegen ihrer bautechnischen Verbindung mit einer anderen Anlage verliert. Da jede der beiden Hauptnutzungen unabhängig von der konkreten bautechnischen Gestaltung ihre eigene städtebaurechtliche Bedeutung hat, ist die Zulässigkeit der Werbeanlage losgelöst von der anderen Nutzung zu beurteilen.28
Bei der Beurteilung der allgemeinen oder ausnahmsweisen Zulässigkeit von Werbeanlagen im jeweiligen Baugebiet ist zu beachten, dass die Rechtsprechung Werbeanlagen bauplanungsrechtlich als Gewerbebetrieb ← 6 | 7 → einstuft,29 Anlagen für gewerbliche Zwecke mithin wie Gewerbebetriebe behandelt.30 Zwar ist eine Anlage der Außenwerbung nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch kein „Betrieb“. Trotzdem hält das BVerwG eine Subsumtion unter diese Begrifflichkeit für möglich. Denn mit dem in der Baunutzungsverordnung verwendeten „Gewerbebetrieb“ habe man nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen umschreiben wollen, um diese von anderen Nutzungsweisen sinnvoll abzugrenzen.31 Unter Rekurs auf Sinn und Zweck wird also das Wort „Gewerbebetrieb“ erweiternd ausgelegt.
In einem reinen Wohngebiet sind gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur Läden und nicht störende Handwerksbetriebe zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Gebietsbewohner sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zulässig. Soweit Werbeanlagen keine Nebenanlagen i. S. d. § 14 Abs. 1 BauNVO sind, hält die Rechtsprechung sie/diese dort für unzulässig.32 In einem allgemeinen Wohngebiet, in dem zur Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe allgemein zulässig sind (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), können gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise „sonstige nicht störende Gewerbebetriebe“ und damit auch Werbeanlagen zugelassen werden. Ein nicht störender Gewerbebetrieb ist gebietsverträglich. Mit der Gebietsverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Vorhabens nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung gemeint.33 An dieser Gebietsverträglichkeit wird es in aller Regel bei optisch aufdringlichen Werbeanlagen fehlen, die aufgrund ihrer Anbringungshöhe und ← 7 | 8 → Beleuchtung als von der Wohnbebauung abweichend ins Auge springen.34 Demgegenüber hat das VG Augsburg bei zwei unbeleuchteten, nur von einer Bundesstraße wahrnehmbaren und auf diese ausgerichteten Plakattafeln eine optische Aufdringlichkeit verneint.35 Alles in allem hängt also die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Werbeanlage in einem allgemeinen Wohngebiet wesentlich von ihrer Größe, ihrer optischen Aufdringlichkeit sowie ihrem Anbringungsort ab.36
Ein Dorfgebiet dient ausweislich der Gebietsumschreibung in § 5 Abs. 1 S. 1 BauNVO der Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe. Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO sind dort – vorbehaltlich der Gebietsverträglichkeit – „sonstige Gewerbebetriebe“ allgemein zulässig. Das VG Regensburg bejahte die Zulässigkeit einer unbeleuchteten Fremdwerbetafel im Dorfgebiet. Dies gelte nach den gesetzlichen Regelungen selbst dann, wenn im Dorfgebiet bislang nur kleinteilige Eigenwerbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorhanden sei.37 Weil in § 5 Abs. 1 BauNVO die Gewerbebetriebe als „nicht wesentlich störend“ ausgewiesen werden, kann eine auffällig beleuchtete Werbeanlage mit Bildwechsel möglicherweise die Gebietsverträglichkeitsgrenze überschreiten. In Mischgebieten, in denen das Wohnen und nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden, gehören sonstige Gewerbebetriebe (s. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) und damit auch Werbeanlagen zu den allgemein zulässigen Bauvorhaben.38 Entsprechendes gilt für die Gewerbegebiete zur Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, wo gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art allgemein zulässig sind.39 Je mehr die gewerbliche Nutzung für den jeweiligen Baugebietstyp prägend ist, umso weniger stößt die Anbringung ← 8 | 9 → auch auffälliger Werbeanlagen auf Bedenken und desto weniger wird die Gebietsverträglichkeit entgegenstehen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine Gemeinde die Zuordnung von Anlagen zu den allgemein oder ausnahmsweise oder gar nicht zulässigen Anlagen nach § 1 Abs. 5, 9 BauNVO ändern kann. Will eine Gemeinde nur die Zuordnung von Werbeanlagen, nicht aber generell die gewerbliche Nutzung modifizieren, kommt dafür nach dem VG München nur der Weg über § 1 Abs. 9 BauNVO in Betracht, weil Werbeanlagen für Fremdwerbung lediglich eine Unterart möglicher gewerblicher Nutzungen sind.40
Auch wenn eine Werbeanlage nach den §§ 2 ff. BauNVO zulässig ist, kann sie immer noch wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 1 BauNVO im Einzelfall unzulässig sein. Die Unzulässigkeit kann einerseits daraus folgen, dass die Werbeanlage nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung mit der Eigenart des Baugebiets inkompatibel ist (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO). Andererseits ist eine bauliche Anlage unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets in diesem selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Diese Regelung enthält eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar.41 § 15 Abs. 1 BauNVO zielt darauf ab, Nutzungen, die zur Hervorrufung von Spannungen und Störungen geeignet sind, einander so zuzuordnen, dass es zu keinen Konflikten kommt.42 „Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.“43 Gefordert ist eine Gesamtabwägung, bei welcher die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise (un) zumutbar ist, in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen sind.44 ← 9 | 10 →
Vor allem Werbeanlagen mit Lichteffekten können unter dem Aspekt des Rücksichtnahmegebots Probleme bereiten. Auf Menschen einwirkendes Licht gehört zu den Immissionen (§ 3 Abs. 2 BImSchG). § 22 Abs. 1 Nrn. 1, 2 BImSchG geben für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen vor, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu unterlassen oder sonst auf das unvermeidbare Mindestmaß zu beschränken sind.45 Gem. § 3 Abs. 1 BImSchG ist eine Umwelteinwirkung schädlich, wenn die Immissionen nach Art, Ausmaß oder Dauer Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeiführen können. Mangels rechtsverbindlicher Vorschriften zur Bestimmung der Erheblichkeit von Lichtimmissionen46 müssen die Gerichte im Streitfall ihre Zumutbarkeit in jedem Einzelfall47 unter Zugrundelegung des Empfindens eines normalen Durchschnittsmenschen48 beurteilen.
Die Judikative kann sich dabei aus eigener Überzeugung heraus bei ihrer Bewertung an den Hinweisen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen vom 13.9.201249 orientieren.50 Danach sind die beiden maßgeblichen Parameter für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lichtimmissionen die Raumaufhellung und Blendung.51 Eine Raumaufhellung liegt vor, ← 10 | 11 → wenn infolge der in der Nachbarschaft vorhandenen Beleuchtungsanlage der Wohnbereich (insbesondere Schlaf- und Wohnzimmer, Terrasse und Balkon) aufgehellt und seine Nutzung eingeschränkt wird.52 Zu einer psychologischen Blendung kann es auch ohne nennenswerte Aufhellung des Wohnbereichs kommen. Sie beruht darauf, dass die Blickrichtung ständig und ungewollt hin zur Lichtquelle abgelenkt wird.53 Ausweislich des aktuellen LAI-Beschlusses gibt es bis dato kein gesichertes Verfahren zur Ermittlung des Wechsellichtfaktors z. B. bei LED-Videoinstallationen.54 Intensiv farbigem Licht soll eine besondere Störwirkung zukommen.55 Beleuchtungsanlagen für Werbezwecke sollten in den späteren Nachtstunden abgeschaltet werden, zumal sie wegen des fehlenden oder geringeren Publikums ohnehin nur eine eingeschränkte Wirksamkeit entfalten könnten.56
Um die nötige Einzelfallbeurteilung vornehmen zu können, ist ggf. eine Ortsbesichtigung durchzuführen und zu klären, inwieweit durch die Werbeanlage der Wohnbereich aufgehellt wird57 oder in welchem Ausmaß die Anlage von den Räumlichkeiten aus sichtbar ist.58 Des Weiteren ist einzustellen, inwieweit den Betroffenen Eigenschutzmaßnahmen, etwa durch Vorhänge, Gardinen oder Jalousien, zumutbar sind.59 Schließlich ist für die Gesamtabwägung die tatsächlich bestehende Eigenart der näheren Umgebung in den Blick zu nehmen, was bei einer durch Immissionen bereits vorbelasteten Situation bedeutsam sein kann.60 Grundsätzlich sind in einem Dorfgebiet höhere Lichtimmissionen hinzunehmen als in einem ← 11 | 12 → reinen oder allgemeinen Wohngebiet.61 Möglicherweise lassen sich Unzumutbarkeiten einer geplanten Rund-um-die-Uhr-Beleuchtung durch Nebenbestimmungen zu den Betriebszeiten der Anlage ausräumen.62
b) Werbeanlage im unbeplanten Innenbereich
Befindet sich der Anbringungsort für die Werbeanlage innerhalb eines „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“,63 für den es keinen Bebauungsplan gibt, beurteilt sich die Zulässigkeit der Anlage für die Außenwerbung am Maßstab des § 34 BauGB.64 Dafür ist u. a. zu klären, ob sich das Vorhaben nach seiner Art in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (s. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO, handelt es sich mithin um ein faktisches Baugebiet, sind gem. § 34 Abs. 2 BauGB „allein“ die Vorgaben der BauNVO für die Beurteilung maßgeblich, ob die Werbeanlage allgemein oder ausnahmsweise zulässig ist (s. zuvor).65 Lässt sich die nähere Umgebung dagegen nicht eindeutig einem der Baugebiete der BauNVO zuordnen, ist für die Zulässigkeit der Anlage nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB zu bestimmen, ob sie sich ihrer Art nach in die nähere Umgebung einfügt.66
Für die Bestimmung der „näheren Umgebung“ ist zum einen darauf abzustellen, inwieweit sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen darauf, inwieweit die Umgebung den bodenrechtlichen Charakter des Grundstücks prägt, auf dem die Werbeanlage angebracht werden soll.67 Aus diesem Grund beschränkt sich die nähere Umgebung nicht auf die in unmittelbarer Nachbarschaft vorhandene Bebauung, sondern sind andere auf das Grundstück einwirkende Baulichkeiten oder ← 12 | 13 → umgekehrt in die Betrachtung einzubeziehen.68 Wie groß der Bereich der näheren Umgebung ausfällt, lässt sich nicht schematisch, sondern nur anhand der jeweiligen tatsächlichen Situation bestimmen.69 Bei einer in über 100 m Entfernung gut sichtbaren Videowall reicht die nähere Umgebung weiter als bei einer kleinen, nur von wenigen Grundstücken aus wahrnehmbaren Plakattafel.70
Eine Anlage der Außenwerbung verstößt nur dann nicht gegen § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB, wenn sie sich in die zuvor festgestellte nähere Umgebung ihrer Art nach einfügt. Darüber hinaus muss das Einfügen auch in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche zu bejahen sein. Um sich in die nähere Umgebung einzufügen, muss sich die (geplante) Anlage innerhalb des aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens halten.71 Letzteres ist zu bejahen, wenn die jeweilige Nutzung in der maßgeblichen Umgebung bereits vorhanden ist.72 Nicht notwendig ist, dass in der näheren Umgebung bereits eine Werbeanlage exakt so vorhanden ist, wie sie jetzt errichtet werden soll. Sonst würden Anlagen der Außenwerbung in einer speziellen Form zu einer besonderen Nutzungsart verselbständigt.73 Vielmehr ist für die Betrachtung von der Qualifizierung des Vorhabens als Anlage für eine gewerbliche Nutzung auszugehen. Ein Einfügen nach der Art kann daher bejaht werden, wenn in der näheren Umgebung Gewerbebetriebe und/oder andere gewerbliche Nutzungen auszumachen sind.74 Eine beleuchtete, ständig mit Werbebotschaften bespielte, Videowall fügt sich in eine durch starke Geschäftstätigkeit geprägte Umgebung ein, in der auch ← 13 | 14 → nachts mehrere beleuchtete Anlagen anzutreffen sind.75 Was das Maß der Nutzung anbetrifft, sind bei der Würdigung alle vorhandenen baulichen Anlagen zu berücksichtigen. Das BVerwG hatte an dem Einfügen einer Außenwerbeanlage für Fremdwerbung keine Bedenken, wenn sie die bei den Gebäuden üblichen Maße einhält und sich auch ihre Flächengröße im Rahmen der Flächengröße von Bauteilen anderer baulicher Anlagen in der näheren Umgebung hält.76
Innerhalb des Merkmals des Sich-Einfügens erlangt das Gebot der Rücksichtnahme Bedeutung. Auch wenn sich ein Vorhaben innerhalb des vorgegebenen Rahmens hält, fehlt es am Sich-Einfügen, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die übrige Bebauung vermissen lässt.77 Dies spiegelt sich auch in § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB wider, wonach die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben müssen. Mit den Worten des BVerwG bezweckt das Rücksichtnahmegebot, „einander abträgliche Nutzungen in rücksichtsvoller Weise zuzuordnen sowie Spannungen und Störungen zu vermeiden. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, namentlich davon, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.“78 Bei einer Werbeanlage mit Lichtimmissionen ist hier also – vergleichbar dem Vorgehen bei § 15 Abs. 1 BauNVO – zu prüfen, ob diese der Nachbarschaft zumutbar sind.79
Sehr häufig wird gegen Werbeanlagen vorgebracht, dass sie das Ortsbild i. S. d. § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BauGB beeinträchtigen würden. Aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Bodenrecht bezieht sich diese Regelung nur auf solche Beeinträchtigungen, die bodenrechtliche Spannungen erzeugen können.80 Dabei geht das Ortsbild in § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ← 14 | 15 → BauGB über die in Satz 1 erwähnte nähere Umgebung hinaus.81 Wegen der Beschneidung der Eigentumsfreiheit legt das BVerwG den Begriff Ortsbild restriktiv aus. So ist das Ortsbild nicht allein deshalb schützenswert, weil es eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder einzelner Elemente von ihr aufweist.82 Vielmehr muss es eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit und einen besonderen Charakter besitzen, „die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht.“83 Weil sich Werbeanlagen angesichts ihres gewerblichen Charakters regelmäßig nur in eine nähere Umgebung mit bereits vorhandener gewerblicher Nutzung einfügen, dürften die strengen Kriterien für eine Beeinträchtigung des Ortsbildes selten erfüllt sein.84 Beispielsweise verneinte das VG Augsburg eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch eine Werbeanlage, weil seine Baulichkeiten optisch wenig ansprechend seien und über keine besonderen architektonischen, städtebaulichen oder sonstigen Besonderheiten verfügen würden.85 Das VG Ansbach hat dagegen unter Berücksichtigung des Umstands, dass Werbeanlagen nach ihrer Zielsetzung auffallen sollen, eine Beeinträchtigung der Ortsbildgestaltung im Hinblick auf eine historische Stadtmauer bejaht. „Insbesondere aber bei der geplanten Größe und dem erhöhten Anbringungsort und […] auf Grund der Beleuchtung stellt die Werbeanlage einen derart massiven Eingriff in das Ortsbild und eine derart auffällige Beeinträchtigung der insbesondere durch die historischen Baudenkmäler geprägten Umgebung dar, dass dies auch von dem hier maßgeblichen fiktiven Betrachter nicht hingenommen werden würde.“86 § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BauGB wird demzufolge vor allem bei solchen Werbeanlagen relevant, die aus weiter Entfernung ← 15 | 16 → noch gut sichtbar sind. Man denke etwa an große Videowalls oder riesengroße, an einem Gebäude angebrachten Werbeplakate.87
Das Bauordnungsrecht enthält zum einen formelle Regelungen zur Zuständigkeit, dem Verfahren und der Organisation der Bauaufsichtsbehörden einschließlich ihrer Einschreitensbefugnisse.88 Zum anderen enthält es materielle Anforderungen für bauliche Anlagen. Denn nach dem Baurechtsgutachten des BVerfG sind die Länder sowohl für das Baupolizeirecht als auch hinsichtlich ästhetischer Gesichtspunkte regelungsbefugt.89
Details
- Seiten
- VIII, 248
- Erscheinungsjahr
- 2015
- ISBN (PDF)
- 9783653052015
- ISBN (MOBI)
- 9783653970258
- ISBN (ePUB)
- 9783653970265
- ISBN (Paperback)
- 9783631658727
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05201-5
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Januar)
- Schlagworte
- BauGB-Novelle 2013 Lärmschutz Gemengelagen Gebietsumwandlung Schrottimmobilien Innenentwicklung
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. VIII, 248 S., 15 s/w Abb., 4 Tab.