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Schuldnerschutz bei der Übertragung titulierter Sicherungsgrundschulden

von Christine Dolle (Autor:in)
©2015 Dissertation 235 Seiten

Zusammenfassung

Thema des Buches ist die rechtliche Analyse der Schuldnerschutzsituation: Schutzlücken sowie Verbesserungsmöglichkeiten werden von Christine Dolle aufgezeigt. Hintergrund ist die freie Übertragbarkeit der Sicherungsgrundschulden. Gutgläubige Erwerber sind an den zugrundeliegenden Sicherungsvertrag grundsätzlich nicht gebunden mit der Folge, dass Einreden ihnen gegenüber nicht erhoben werden können. Zwar sind seit 2008 durch Gesetz und Rechtsprechung Weichen für den Schuldnerschutz gestellt worden. Dennoch existieren nach wie vor Schutzlücken, die wirkungsvoll nur auf materiell-rechtlicher Ebene eingedämmt werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1. Kapitel: Einleitung
  • A. Problemaufriss, Gegenstand und Ziel der Untersuchung
  • B. Problembeschreibung / Wirtschaftlicher Hintergrund
  • I. Kreditsicherung durch Grundschulden in der Bankenpraxis
  • II. Freie Abtretbarkeit von Darlehensforderungen und zugehörigen Sicherheiten
  • 1. Interesse der veräußernden Banken
  • 2. Interessen der Erwerber
  • 3. Situation des Darlehensschuldners und Sicherungsgebers
  • III. Schuldnerrisiken
  • IV. Wesentliche Weichenstellungen für den Schuldnerschutz: § 1192 I a BGB und Entscheidung des BGH vom 30.03.2010 (XI. Zivilsenat)
  • V. Einschränkung des Schuldnerschutzes durch Entscheidungen des BGH vom 29.06.2011 (VII. Zivilsenat) und vom 25.10.2013 (V. Zivilsenat)
  • 2. Kapitel: Die Sicherungsgrundschuld als typisches Sicherungsmittel für Kreditforderungen
  • A. Rechtsnatur der Sicherungsgrundschuld als „fiduziarische Sicherheit“
  • I. Abstraktheit
  • II. Verknüpfung durch Sicherungsvertrag
  • 1. Parteien des Sicherungsvertrags
  • 2. Inhalt des Sicherungsvertrags
  • a. Bezeichnung der zu sichernden Forderungen
  • b. Rechte und Pflichten
  • 3. Beendigung des Sicherungsvertrages
  • B. Mögliche Einwendungen und Einreden des Sicherungsgebers gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld und deren grundsätzliche Geltendmachbarkeit auch gegenüber dem Erwerber der Grundschuld
  • I. Einwendungen gegen die dingliche Berechtigung
  • II. Einreden aus dem Sicherungsvertrag und dem Treuhandverhältnis: Nichteintritt des Sicherungsfalls
  • 1. Einrede wegen Nichteintritts des Sicherungszwecks / Einrede der Nichtvalutierung
  • 2. Einrede bei nicht fälliger Forderung
  • 3. Einrede wegen teilweisem oder endgültigem Wegfall des Sicherungszwecks
  • 4. Geltendmachbarkeit der sicherungsvertraglichen Einreden auch gegenüber dem Zessionar der Grundschuld
  • a. Ganz herrschende Meinung: § 1157 BGB auf sicherungsvertragliche Einreden anwendbar
  • b. Mindermeinung: Sicherungsvertragliche Einreden von § 1157 BGB nicht umfasst
  • c. Vermittelnde Ansicht: Anwendung von § 1157 BGB auf sicherungsvertragliche Einreden gewohnheitsrechtlich anerkannt
  • d. Stellungnahme
  • e. Zwischenergebnis
  • III. Einrede wegen Unwirksamkeit des Sicherungsvertrags
  • 3. Kapitel: Missbrauchsgefahr bei Unanwendbarkeit des Risikobegrenzungsgesetzes: Darstellung der Schulderschutzsituation in den sogenannten Altfällen
  • A. Abstrakte Darstellung der Schuldnerschutzsituation im Falle eines gutgläubigen einredefreien Grundschulderwerbs
  • I. Verlust der fiduziarischen Zweckbindung
  • II. Kein Schutz durch § 1192 I a BGB in „Altfällen“
  • III. Voraussetzungen für einen gutgläubigen einredefreien Erwerb
  • 1. Bösgläubigkeit schon bei Kenntnis des Sicherungscharakters
  • 2. Bösgläubigkeit nur bei kumulativem Wissen um Sicherungscharakter und die Existenz der konkreten Einrede zum Abtretungszeitpunkt
  • 3. Eigene Ansicht
  • a. Sicherungsvertragliche Einreden
  • b. Bereicherungsrechtliche Einreden
  • IV. Unzulässigkeit der Eintragung der Grundschuld als „Sicherungsgrundschuld“?
  • 1. Eintragung als „Sicherungsgrundschuld“ unzulässig
  • 2. Eintragung als „Sicherungsgrundschuld“ zulässig
  • 3. Eintragung zulässig kraft analoger Anwendung der §§ 1192 I, 1157 S. 2 BGB
  • 4. Eigene Ansicht
  • V. Möglichkeit der Eintragung eines die Sicherungsgrundschuld betreffenden Übertragungsverbots gem. §§ 413, 399 2. Alt.?
  • 1. § 399 2. Alt. BGB auf die Übertragung von Grundschulden nicht anwendbar
  • 2. Vereinbarung einer „dinglichen Vinkulierung“ möglich
  • 3. Eigene Ansicht
  • VI. Vertragliches Abtretungsverbot als Einrede gem. § 1157 BGB eintragbar?
  • 1. „Einrede des Abtretungsverbots“ über § 1157 BGB eintragbar
  • 2. Eintragung der Unterlassungspflicht als Einrede unzulässig
  • 3. Eigene Ansicht
  • VII. Zwischenergebnis
  • VIII. Mögliche Schadensersatzansprüche des Darlehensschuldners / Sicherungsgebers gegen die abtretende Bank
  • 1. Anspruch aus dem Sicherungsvertrag
  • 2. Anspruch wegen Verletzung des Bankgeheimnisses
  • 3. Deliktsrechtliche Ansprüche
  • a. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB
  • b. Anspruch aus § 826 BGB
  • 4. Rechtsfolgen
  • a. Darlegungs- und Beweisführungslast hinsichtlich der Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung
  • b. Darlegungs- und Beweisführungslast hinsichtlich des kausalen Schadens
  • 5. Konsequenzen für einen angemessenen Schuldnerschutz
  • 6. Zwischenergebnis
  • IX. Das besondere Risiko der Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung gem. § 794 Nr. 5 ZPO
  • B. Konkrete Darstellung: Abwicklungspraxis beim Kreditverkauf
  • I. Darstellung der Abläufe durch Schmelz („Exemplarische Fälle“)
  • II. Bestätigung durch Schulz- Henning und Reiter
  • III. „Gemäßigtere“ Darstellungen der Abläufe
  • IV. Reaktion der Schuldner
  • V. Stellungnahme: Grundproblem der Missbrauchsmöglichkeit
  • VI. Zwischenergebnis
  • C. Möglichkeiten zur Optimierung des Schuldnerschutzes in „Altfällen“
  • I. Unwirksamkeit der Abtretung von Darlehensforderungen?
  • 1. Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 25.04.2004 und Kritik der Literatur
  • 2. Entscheidung des BGH vom 27.02.2007
  • a. Keine stillschweigende Vereinbarung über Abtretungsausschluss
  • b. Kein vertragliches Abtretungsverbot aus dem Bankgeheimnis
  • c. Kein gesetzliches Abtretungsverbot gem. § 134 BGB
  • aa. Verstoß gegen das Bankgeheimnis kein Fall des § 203 I StGB
  • bb. Einordnung des Bankgeheimnisses als Gewohnheitsrecht begründet kein gesetzliches Verbot
  • cc. Keine Herleitung eines gesetzlichen Verbots aus dem Bundesdatenschutzgesetz
  • d. Kritik der Literatur an der BGH – Entscheidung vom 27.02.2007
  • aa. Vertragliches Abtretungsverbot gem. § 399 2. Alt. BGB
  • bb. Abtretungsverbot wegen Inhaltsänderung gem. § 399 1. Alt. BGB
  • 3. Beschluss des BVerfG vom 11.07.2007
  • 4. Bestätigung der BGH-Entscheidung vom 27.02.2007 durch BGH XI ZR 200/09 (Urteil vom 30.03.2010) und BGH XI ZR 256/10 (Urteil vom 19.04.2011)
  • 5. Eigene Ansicht
  • a. Abtretungsausschluss gem. § 399 2. Alt. BGB
  • b. Kein Abtretungsausschluss gem. § 399 1. Alt. BGB
  • 6. Zwischenergebnis
  • II. Unwirksamkeit der Grundschuldübertragung gem. § 399 BGB?
  • III. Unwirksamkeit der formularmäßigen Unterwerfungserklärung nach AGB-Recht?
  • 1. Keine Vereinbarkeit mit § 307 I BGB
  • 2. Zustimmungserfordernis gem. § 305 c II BGB
  • 3. Unterwerfungserklärung mit AGB-Recht vereinbar
  • a. BGH- Entscheidung vom 30.03.2010
  • aa. Keine Unwirksamkeit der Übertragung gem. § 399 1. Alt. BGB
  • bb. Kein Verstoß gegen § 307 I S. 1 BGB
  • b. Literatur
  • c. Eigene Ansicht
  • d. Konsequenzen für den Schuldnerschutz
  • 4. Zwischenergebnis
  • IV. Zwangsvollstreckung als unzulässige Rechtsausübung? Entscheidung des OLG München vom 26.06.2008
  • V. Erfordernis eines Eintritts des Zessionars in die sicherungsvertraglichen Pflichten?
  • 1. Entscheidung des BGH vom 30.03.2010
  • a. Inhaltskontrolle der formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfungserklärung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB
  • aa. Kundenfeindlichste Auslegung
  • bb. Kundenfreundlichste Auslegung
  • b. Zwischenfazit: Vom XI. Senat geforderter Schutzstandard
  • 2. Verbleibende Unklarheiten
  • 3. Höchstrichterliche Klarstellungen
  • a. Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 19.04.2011
  • b. Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 29.06.2011 und des V. Zivilsenats vom 11.05.2012
  • aa. Entscheidung des VII. Senats: Widerspruch zu BGH XI ZR 200/09
  • bb. Entscheidung des V. Senats vom 11.05.2012
  • 4. Konsequenzen der Entscheidungen für den Schuldnerschutz
  • a. Keine Prüfungspflichten des Notars
  • b. Eintritt in den Sicherungsvertrag nach wie vor Vollstreckungsvoraussetzung
  • c. Klage gegen die Vollstreckungsklausel
  • aa. Anforderungen an den „Eintritt“ in den Sicherungsvertrag
  • (1) Kein Eintrittserfordernis bei Abtretung aufgrund Umschuldung oder Neuvalutierung
  • (2) Eintritt in den Sicherungsvertrag auch bei Übertragung aufgrund Spaltung?
  • (3) Materiell-rechtliche Anforderungen an den „Eintritt“
  • (4) Darlegungs- und Beweisführungslast
  • (a) Darlegungs- und Beweisführungslast obliegt dem Kläger
  • (b) Darlegungs- und Beweisführungslast obliegt dem Beklagten
  • (c) Stellungnahme
  • bb. Zwischenergebnis
  • 5. Klagemöglichkeit gem. § 1147 BGB?
  • 6. Stellungnahme / Kritische Betrachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des XI., des VII. und des V. Senats
  • VI. Zwischenergebnis: Erfordernis eines umfassenderen Schuldnerschutzes in Altfällen
  • VII. Auslegung der Grundschuldbestellungsurkunde: Eingeschränktes, stillschweigendes Abtretungsverbot
  • VIII. Zwischenergebnis
  • 4. Kapitel: Rechtslage ab dem 19.08.2008 bis heute: Die Schuldnerschutzsituation in den sog. „Neufällen“
  • A. § 1192 I a BGB
  • I. Schutz bei gutgläubigem Zwischenerwerb vor dem Stichtag?
  • 1. BGH – Entscheidung vom 25.10.2013: Darstellung und Kritik
  • 2. Konsequenzen für den Schuldnerschutz: Erfordernis des Eintritts in den Sicherungsvertrag
  • II. Schutz auch bei Grundschuldübergang kraft Gesetzes?
  • III. Interzessionsfälle
  • IV. Bereicherungsrechtliche Einrede umfasst?
  • V. Zwischenergebnis
  • B. § 1193 II S. 2 BGB
  • C. § 491 a BGB
  • D. § 496 II S. 1 BGB
  • E. § 498 BGB
  • I. Diskussion um die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts in Interzessionsfällen
  • II. Stellungnahme
  • F. § 354 a II BGB
  • G. § 769 I S. 2 ZPO
  • H. § 799a ZPO
  • 5. Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbemerkung
  • Literaturverzeichnis

Vorwort

Die Arbeit ist die überarbeitete und ergänzte Fassung meiner Dissertation, die nach zweijähriger Entstehungsdauer im Wintersemester 2013/2014 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld angenommen wurde. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand April 2015.

Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Markus Artz als meinem Doktorvater und Erstgutachter sowie Herrn Prof. Dr. Ansgar Staudinger als Zweitgutachter. Weiterhin danke ich meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Eva-Maria und Dr. jur. Detlev Dolle und meinem Mann Torsten Scheffer, die mich während der Entstehungszeit auf unterschiedlichste Weise unterstützt und ermuntert haben, an meinem Ziel festzuhalten, sowie meinem Bruder Dr. jur. Hanno Naumann, der mir zudem den entscheidenden Anstoß zur Themenfindung gegeben hat. Ihnen und meiner Tochter Josefine ist diese Arbeit gewidmet.

1.  Kapitel: Einleitung

A. Problemaufriss, Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Sicherungsgrundschulden sind aufgrund ihrer abstrakten Rechtsnatur grundsätzlich frei auf Dritte übertragbar. Dadurch kann für den Sicherungsgeber, also denjenigen Schuldner, der die Grundschuld zur Sicherung eines gegen ihn bestehenden Anspruchs zugunsten des betreffenden Gläubigers bestellt hat, eine risikobehaftete Situation entstehen: Denn der Erwerber der Grundschuld als „neuer“ Grundschuldgläubiger ist grundsätzlich in der Lage, aus der Sicherungsgrundschuld auch dann die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu betreiben, wenn dies nach der sicherungsvertraglichen Vereinbarung, die der Grundschuldbestellung zugrunde liegt, nicht gestattet sein soll. Weil der Sicherungsvertrag regelmäßig nur denjenigen verpflichtet, mit dem er geschlossen wurde, ist der Zessionar der Sicherungsgrundschuld ohne ausdrückliche Übernahme der sicherungsvertraglichen Verpflichtungen nicht daran gebunden. Es ist also im Falle eines gutgläubigen Erwerbs der Sicherungsgrundschuld beispielsweise möglich, dass der neue Gläubiger aus ihr vollstreckt, obwohl der Sicherungsgeber seiner schuldrechtlichen Verpflichtung (die in der Praxis zumeist in der pünktlichen Zahlung von Darlehensraten liegt) stets nachgekommen ist.

Mittelpunkt dieser Arbeit ist die rechtliche Analyse dieser Problematik und der sich aus ihr ergebenden konkreten Schutzlücken und Risiken für die betroffenen Schuldner und Sicherungsgeber. Im Fokus stehen dabei zunächst solche Fälle, für die das im Jahre 2008 in Kraft getretene Risikobegrenzungsgesetz und vor allem der im Zuge dessen eingeführte § 1192 I a BGB nicht gilt (sog. Altfälle). Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, dass und warum bestimmte Fallkonstellationen, auf die das Risikobegrenzungsgesetz in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist (sog. Neufälle), ebenfalls von dem oben beschriebenen Risiko betroffen sein können.

Ziel dieser Untersuchung ist es also zunächst, unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsnatur der Grundschuld und des Sicherungsvertrages herauszuarbeiten, welche konkreten Schutzlücken bei der Übertragung titulierter Sicherungsgrundschulden für die betroffenen Schuldner bzw. Sicherungsgeber sowohl in Alt- als auch in Neufällen bestehen.

Die weitere Intention liegt in der Klärung der Folgefrage, ob – und wenn ja in welcher konkreten Form – jeweils rechtliche Möglichkeiten einer Optimierung des Schuldnerschutzes existieren. ← 15 | 16 →

B. Problembeschreibung / Wirtschaftlicher Hintergrund

I. Kreditsicherung durch Grundschulden in der Bankenpraxis

Der für den Schuldner risikoreichen Übertragung einer titulierten Sicherungsgrundschuld liegt folgende typische Situation zugrunde:

Der deutsche Immobiliarkredit ist in der Regel auf eine lange Dauer angelegt von im Durchschnitt 25–30 Jahren1. Nur diese lange Laufzeit ermöglicht dem durchschnittlichen Verbraucher den Erwerb einer Immobilie, da er so das ihm von der Bank aufgrund des Darlehensvertrages gewährte Darlehen in relativ kleinen bzw. für ihn zahlbaren Raten zurückgewähren kann2. Die Kreditinstitute verlangen von dem Darlehensnehmer als Sicherheit für das gewährte Darlehen allerdings, ein Sicherungspaket zu stellen.

Aufgrund dieses Sicherungsbedürfnisses der Kreditinstitute wird in der Bankenpraxis zur Sicherung von gewährten Darlehen durch den Schuldner regelmäßig zu Gunsten der Bank eine Sicherungsgrundschuld mit notarieller Urkunde bestellt3. Neben der Verpflichtung zur Grundschuldbestellung wird die Darlehensgewährung bei Identität zwischen Darlehensnehmer und Sicherungsgeber grundsätzlich zusätzlich davon abhängig gemacht, dass der Darlehensnehmer „für einen Betrag, der der Grundschuld samt Nebenleistung und Zinsen entspricht“, die persönliche Haftung übernimmt, also ein „Sicherungsschuldanerkenntnis“ gem. §§ 780, 781 BGB gewährt.

Darüber hinaus unterwirft sich der Schuldner regelmäßig zugleich wegen aller Ansprüche, die der Bank als Gläubigerin aus der Grundschuld und aus dem Schuldanerkenntnis zustehen, unter Bezugnahme auf den der Grundschuld zugrunde liegenden Sicherungsvertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung gem. § 794 Nr. 5 ZPO in das Grundstück und in sein gesamtes Vermögen und schafft damit einen Titel gegen sich selbst. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ← 16 | 17 → die Unterwerfungserklärung in Verbindung mit dem Schuldanerkenntnis auch durch einen Verbraucher möglich4.

Die persönliche Haftungsübernahme stellt dabei lediglich eine Verstärkung des Sicherungswertes der Grundschuld dar5. Es entspricht mittlerweile ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Gläubiger aus Grundschuld und Schuldanerkenntnis bzw. Schuldversprechen insgesamt nur einmal in Höhe der gesicherten Summe vorgehen darf, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche gegenteilige Vereinbarung vor6.

In der Grundschuldbestellungsurkunde wird der Notar üblicherweise angewiesen, der Bank als Sicherungsnehmerin eine vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zu erteilen, sodass nach Zustellung des Vollstreckungstitels an den Sicherungsgeber gem. § 750 I ZPO und nach Abwarten einer zweiwöchigen Frist gem. § 798 ZPO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück und wegen der persönlichen Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung auch in das sonstige Vermögen des Schuldners/Sicherungsgebers eingeleitet werden kann7.

Da die Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld regelmäßig gem. § 800 ZPO auch gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks (relevant in erster Linie in den Fällen, in denen dieser nicht mit dem Darlehensschuldner identisch ist, sog. Interzession) zulässig ist und dies auch im Grundbuch eingetragen wird8, ist der dingliche Anspruch aus der Grundschuld sofort durchsetzbar, ohne dass zuvor Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus § 1147 BGB erhoben und der Titel gegebenenfalls einem neuen Grundstückseigentümer zugestellt werden müsste.

Die (in den überwiegenden Fällen formularmäßige) Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung hat damit die Funktion, eine initiative Verwertung der Sicherheit zu ermöglichen9.

Weil ein vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt, ist darüber hinaus die Anfechtungsmöglichkeit nach dem Anfechtungsgesetz eröffnet, wenn der Schuldner eine dort normierte, den Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung ← 17 | 18 → vornimmt10. Denn § 2 AnfG berechtigt denjenigen Gläubiger zur Anfechtung einer ihn benachteiligenden Rechtshandlung, der einen vollstreckbaren Titel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen nicht zur vollständigen Befriedigung geführt hat oder die Annahme besteht, dass sie nicht dazu führen würde.

II. Freie Abtretbarkeit von Darlehensforderungen und zugehörigen Sicherheiten

Darlehensforderungen, zugehörige Sicherheiten und das Recht zur sofortigen Zwangsvollstreckung können nach ständiger Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Meinung in der Literatur grundsätzlich frei an beliebige Dritte abgetreten bzw. auf sie übertragen werden11. Verkauft eine Bank ihre Darlehensforderung gegen den Schuldner an einen Dritten, ist sie im Zweifel sogar ohne vertragliche Vereinbarung zur gleichzeitigen Übertragung der Grundschuld an den Erwerber verpflichtet12. ← 18 | 19 →

Das berechtigte Interesse eines Darlehensnehmers, für die gesamte Laufzeit des Darlehensvertrages ausschließlich das darlehensgebende Kreditinstitut, also die Bank seines Vertrauens, als seinen Vertragspartner und Gläubiger der Sicherungsgrundschuld zu behalten, unterliegt – wie noch näher aufzuzeigen ist – keinem rechtlichen Schutz13.

1. Interesse der veräußernden Banken

Für Banken stellt der Verkauf von Darlehensverträgen bzw. stellen die Abtretungen von Darlehensforderungen ein wesentliches Instrument zur Risikodiversifizierung und zur Refinanzierung dar14. Die ursprünglichen Darlehensgeber (sog. Originatoren) warten also in diesen Fällen nicht auf die vollständige Rückzahlung der gewährten Darlehen, sondern scheiden durch den Verkauf der Forderungen an Dritte (in vielen Fällen Finanzinvestoren = Zweckgesellschaften) vorzeitig aus dem Vertrag mit dem Darlehensnehmer aus15.

Dadurch wird die Bank von der ihr gem. § 10 KWG auferlegten Pflicht frei, das mit der Darlehensgewährung einhergehende Ausfallrisiko mit vorhandenem Eigenkapital abzusichern16. Das Bonitätsrisiko wird auf den Erwerber verlagert17.

Darüber hinaus kann durch den Verkauf an eine „Zweckgesellschaft“, die als „Nichtbank“18 selbst solchen Eigenkapitalvorhalteregelungen nicht unterliegt und die mangels bankrechtlicher Zulassung selbst auch keine Kredite gewähren darf19, Eigenkapital freigesetzt werden20, das neuen Investitionen dient21. Dadurch wird die Möglichkeit höherer Eigenkapitalrendite geschaffen22, die Bank erhöht ihre Liquidität im Sinne von §§ 10 ff. KWG23.

Unter den verkauften Forderungen befinden sich zumeist in erster Linie solche, die für die abtretende Bank ein besonderes Risiko darstellen, also wegen Zahlungsverzugs des Schuldners, dessen Vermögensverfall oder anderen ← 19 | 20 → Gründen bereits gekündigte oder wegen einer Vertragsverletzung zumindest kündbare Darlehen (sog. „notleidende Darlehen“ / „non-performing loans“)24.

Aber auch ordnungsgemäß bediente Darlehen, sog. „performing loans“ und lediglich störanfällige Darlehen (sog. „sub-performing loans“) werden einschließlich der seitens des Darlehensnehmers gestellten Sicherheiten veräußert25. Denn auch der Verkauf von Forderungen, die für die Bank kein (erhöhtes) Risiko darstellen, kann Vorteile wie Liquiditätsgewinnung und/oder Gewinnung von aufsichtsrechtlichem Eigenkapital schaffen26. ← 20 | 21 →

Im Rahmen dieser „Risikoausplatzierung“ übernimmt also der neue Gläubiger die laufende Verwaltung der Kredite einschließlich des Zahlungseinzugs und der Sicherheitenverwertung27.

Nach Erhebungen der deutschen Kreditwirtschaft sind allein im Zeitraum von 2002 bis 2008 Kreditforderungen in Höhe von 35 bis 40 Mrd. Euro veräußert worden28. Davon betrug allein im Jahre 2005 nach Auskunft des Zentralen Kreditausschusses der Verkaufsumfang von notleidenden Krediten 12 Milliarden Euro29. Nach einer Studie einer großen deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wiesen deutsche Banken im europaweiten Vergleich im Jahre 2009 mit 213 Milliarden Euro das größte Volumen an notleidenden Krediten auf30, was die entsprechende Summierung der Verkaufszahlen vermuten lässt.

Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass neben Genossenschaftsbanken und privaten Kreditinstituten auch öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen zur Abtretung berechtigt sind31.

2. Interessen der Erwerber

Die Motive des Erwerbers bestehen – jedenfalls dann, wenn es sich um einen Finanzinvestor handelt – darin, Gewinne zu erzielen z.B. durch professionelles Management, Weiterveräußerung oder Abwicklung der (notleidenden) Darlehensforderungen, die durch intensive Bearbeitung der säumigen Darlehensschuldner oder durch Einsetzen von Sanierungskonzepten, die die Bonität der Kreditnehmer und damit den Marktwert des Kredits steigern sollen, erfolgt32.

Hauptmotiv kann allerdings auch die schnelle und günstige Verwertung der Kreditsicherheit, also der Grundschuld, sein33: Viele dieser Geschäfte sind gerade darauf ausgerichtet, primär die mit den Sicherungsgrundschulden belasteten ← 21 | 22 → Grundstücke zu verwerten und nur sekundär die Darlehensforderungen beizutreiben34.

3. Situation des Darlehensschuldners und Sicherungsgebers

Für den Schuldner des Darlehens, der in den meisten Fällen zugleich Eigentümer des mit der Sicherungsgrundschuld belasteten Grundstücks und damit Sicherungsgeber ist, bedeutet die Abtretung der Forderung und die Übertragung der sie sichernden Grundschuld – gleich auf welchem tatsächlichem Grund diese im Einzelfall beruht und gleich ob Forderung und Sicherungsgrundschuld zusammen abgetreten wurden oder die Sicherungsgrundschuld isoliert von der Forderung übertragen wurde -, allerdings, dass er einem neuen Gläubiger gegenübersteht, den er sich selbst nicht hat aussuchen können35 und der aufgrund der abstrakten, d.h. nicht akzessorischen Rechtsnatur der Grundschuld nicht ohne weiteres an den Sicherungsvertrag zwischen der ursprünglichen Vertragspartnerin bzw. Gläubigerin und dem Schuldner gebunden ist.

Da auch das Recht zur sofortigen Zwangsvollstreckung unabhängig von den schuldrechtlichen Beschränkungen des Sicherungsvertrags gem. §§ 795, 727 ZPO auf den Grundschulderwerber übergeht, erhöht sich für den Darlehensschuldner die Gefahr, seines Grundstücks verlustig zu werden:

Details

Seiten
235
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (PDF)
9783653053999
ISBN (MOBI)
9783653971194
ISBN (ePUB)
9783653971200
ISBN (Paperback)
9783631660584
DOI
10.3726/978-3-653-05399-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Sicherungsvertrag Gutgläubige Erwerber Schuldnerschutzsituation Schutzlücken
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 235 S.

Biographische Angaben

Christine Dolle (Autor:in)

Christine Dolle studierte Rechtswissenschaften an der Universität Münster. Nach dem ersten Staatsexamen absolvierte sie ihr Referendariat mit Ausbildungsstationen in Münster, Düsseldorf, Köln und Speyer. Das zweite Staatsexamen erfolgte vor dem Landesjustizprüfungsamt NRW. Die promovierte Juristin (Universität Bielefeld) arbeitet als Rechtsanwältin in Arnsberg.

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