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Die «res extra commercium» im römischen Recht

von Gero Alvensleben (Autor:in)
©2019 Dissertation 192 Seiten
Reihe: Rechtshistorische Reihe, Band 477

Zusammenfassung

Der Begriff der res extra commercium im römischen Recht bezeichnet die Sachen, die dem freien Rechtsverkehr entzogen sind. Er verdient nähere Betrachtung, da er zumindest als Denkfigur noch heute Verwendung findet. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit seiner Bedeutung im römischen Recht. Sie verfolgt in drei Teilen das Ziel, die relevanten lateinischen Quellentexte systematisch zu ordnen und zentrale Vorstellungen deutlich zu machen. Der erste Teil enthält einen Überblick über die Quellenlage und benennt die res extra commercium. Es folgt die Darstellung der einzelnen res extra commercium. Der dritte Teil befasst sich mit ihrem rechtlichen Status und den daraus resultierenden Rechtsfolgen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung: Der Gegenstand der Untersuchung
  • Teil 1: Systematischer Überblick über die res extra commercium
  • I. Der Begriff res extra commercium in den Quellen
  • II. Die Einteilung der Sachen bei Gaius und im Corpus Iuris Civilis
  • 1. Res extra patrimonium
  • 2. Res quae nullius in bonis sunt
  • Teil 2: Die einzelnen res extra commercium
  • I. Die res divini iuris
  • 1. Die res sacrae
  • a) Der Begriff und die Voraussetzungen ihrer Entstehung
  • b) Gegenstände, die res sacrae werden können
  • 2. Die res religiosae
  • a) Der Begriff der res religiosae
  • b) Voraussetzungen einer Gründung eines religiösen Ortes
  • aa) Errichtung einer Grabinschrift
  • bb) Grabgründung durch den Berechtigten
  • cc) Genehmigungs- und Aufsichtspflicht der Pontifices
  • c) Die rechtmäßige Bestattung (nach Gai. Inst. 2,6)
  • aa) Die Bestattung des Leichnams einer Person
  • bb) Die Berechtigung zur Bestattung
  • d) Der Umfang des locus religiosus
  • e) Fälle, in denen kein locus religiosus begründet wird
  • aa) Der locus publicus
  • bb) Der Provinzialboden
  • cc) Der Fall der Umbettung
  • dd) Das monumentum
  • f) Der Verlust des Status als res extra commercium
  • 3. Die res sanctae
  • II. Die res humani iuris
  • 1. Der Begriff publicus
  • 2. Die res publicae nach dem CIC und den Institutionen des Gaius
  • 3. Die Unterscheidung der res publicae in D. 18,1,6 pr.
  • 4. Die einzelnen res publicae in usu publico
  • a) Abgrenzung zu den res in patrimonio fisci
  • b) Die beispielhaft erwähnten res publicae in usu publico
  • c) Die loca publica im Sinne von D. 43,7,1
  • aa) Die gemeinsame Kategorie der loca publica
  • bb) Die öffentlichen Straßen und Wege
  • d) Loca publica im Sinne von D. 43,8,2
  • aa) Publica loca im Sinne von D. 43,8,2,3
  • bb) Loca publica im Sinne von D. 43,2,9
  • cc) Loca publica im Sinne von D. 18,1,32
  • e) Die öffentlichen Gewässer
  • aa) Flüsse und Häfen (flumina publica et portus)
  • bb) Die Flussufer und Flussinseln
  • cc) Weitere öffentliche Gewässer: lacus, stagnum und fossa
  • dd) Aquaeductus und cloaca
  • ee) Quellen
  • 5. Res communes omnium
  • 6. Weitere res extra commercium
  • a) Venena mala und libri magicae artis
  • b) Res in patrimonium Caesaris
  • Teil 3: Die Rechtsfolgen der Extrakommerzialität
  • I. Das Kaufvertragsrecht (emptio venditio)
  • 1. Die Wirksamkeit des Kaufvertrags
  • 2. Die Ersatzansprüche des Käufers
  • II. Das Pfandrecht (pignus und obligatio)
  • III. Der Besitz
  • IV. Die Ersitzung (usucapio)
  • V. Das Recht der Dienstbarkeiten
  • VI. Der Nießbrauch
  • VII. Die Stipulation (stipulatio)
  • VIII. Das Vermächtnis (legatum)
  • IX. Das Eigentum
  • 1. Eigentum an den res divini iuris
  • 2. Eigentum an den res publicae in usu publico
  • 3. Eigentum an den Flussufern (ripae fluminis)
  • X. Der Schatzfund (thesaurus)
  • XI. Die res extra commercium im Strafrecht
  • Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Einleitung:  Der Gegenstand der Untersuchung

In den heutigen Kommentaren und Lehrbüchern zum Sachenrecht wird im Zusammenhang mit dem Sachbegriff die Einteilung der Sachen in unbewegliche und bewegliche, teilbare und unteilbare, vertretbare und unvertretbare Sachen dargestellt, wie es nach §§ 90 f. BGB der geltenden Rechtslage entspricht.1 Zugleich fällt auf, dass in diesem Kontext eine Kategorie von Sachen thematisiert wird, die in den §§ 90 ff. BGB nicht ausdrücklich geregelt sind: Sie werden mit dem lateinischen Ausdruck res extra commercium bezeichnet.2 Die heutige Literatur unterteilt diese so genannten res extra commercium in öffentliche Sachen, Sachen im öffentlichen Gebrauch, allen gemeinsame Sachen, heilige Sachen und sakrale Sachen.3 Ihnen ist gemeinsam, dass sie dem Privatrechtsverkehr zwischen Privatleuten entzogen sein sollen,4 zum Teil in einem besonderen, sogenannten „öffentlichen Eigentum“, also nicht-zivilrechtlichen Eigentum stehen sollen.5

Diese Erwähnung und Erläuterung der res extra commercium in der heutigen Kommentierung ist auf den ersten Blick verwunderlich, denn die Väter des BGB haben sich bei dessen Entstehung bewusst gegen eine Aufnahme der Kategorie der res extra commercium entschieden.6 Es gibt dort keine Einteilung der Sachen in verkehsfähige und verkehrsunfähige. Warum wird also in der Literatur an dem Ausdruck res extra commercium festgehalten? Die vorhandene Kommentierung zeigt, dass ein Bedürfnis nach einer solchen Kategorie noch heute besteht und die römisch-rechtliche Vorstellung der res extra commercium jedenfalls als Denkfigur noch immer von Interesse ist.7 Es sind immer wieder Ansätze erkennbar, bestimmte Sachen als res extra commercium zu bezeichnen oder einem besonderen Schutz zu unterstellen, um sie dem freien Privatrechtsverkehr zu entziehen oder auf Grund ihrer Einzigartigkeit der Allgemeinheit zugänglich ← 11 | 12 → zu halten. Die Motive mögen dabei unterschiedlicher Natur sein, so können sie zum Beispiel religiös bedingt sein oder sich aus der Besonderheit der betreffenden Sachen ergeben.8 Manche Vorstellungen knüpfen dabei an überlieferte römisch-rechtliche Beispiele an.9 Andererseits wurden in der Literatur auch immer wieder neue Gegenstände als res extra commercium diskutiert.10 Das macht den Begriff zum Gegenstand rechtsgeschichtlichen Interesses. Es stellt sich die Frage nach Umfang und Bedeutung des Begriffs im antiken römischen Recht. Die letzten, relativ knappen Abhandlungen hierzu stammen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.11 Mit Ausnahme eines kurzen Überblicks über die diesbezüglichen römisch-rechtlichen Quellentexte in der Dissertation von Weidner gibt es jedoch keine neuere Untersuchung, die sich dieses rechtsgeschichtlichen Themas annimmt.12

Die vorliegende Arbeit befasst sich daher mit den Quellentexten zu dem Begriff der res extra commercium im römischen Recht. Die römischen Juristen selbst benutzten diesen Begriff allerdings so nicht. Vielmehr wurden verschiedene Ausdrücke verwandt, die heute üblicherweise unter dem Begriff der res extra commercium zusammengefasst werden. So waren bei den römischen Juristen die Redewendungen res extra patrimonium13, res cuius non est commercium14 und res nullius in bonis esse15 gebräuchlich, um diesen Status einer Sache zu beschreiben, wobei – wie sich zeigen wird – die Redewendungen extra patrimonium und nullius in bonis nicht exakt dieselbe Bedeutung haben wie der Ausdruck extra commercium.

Diese Arbeit untersucht die res extra commercium anhand der römisch-rechtlichen Quellen, insbesondere des Corpus Iuris Civilis und der Institutionen des Gaius, umfassend und systematisch. Die Untersuchung hat das Ziel, den lateinischen Originalwortlaut vor Augen zu stellen und zu erschließen und durch ← 12 | 13 → ihre systematische Zusammenordnung einerseits zentrale Vorstellungen hervortreten zu lassen, andererseits unterschiedliche Rechtspositionen sichtbar zu machen.

Der Gang der Darstellung vollzieht sich in drei Stufen: Zunächst wird ein Überblick über die Quellenlage gegeben und auf dessen Grundlage bestimmt, welche Sachen und Gegenstände unter den res extra commercium tatsächlich zu verstehen sind. In einem zweiten Schritt werden diese dann einzeln betrachtet und dargestellt. In einem dritten Schritt wird auf den besonderen rechtlichen Status dieser Sachen und auf die daraus resultierenden Rechtsfolgen eingegangen. ← 13 | 14 →


1 Zum Sachbegriff und zur Einteilung der Sachen vgl. Wieling, S. 53 ff.; Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 BGB, Rn. 1 ff. ; MüKo-Stresemann, § 90 BGB Rn. 1 ff.

2 So etwa Wieling, S. 62; Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 40.

3 Wieling, S. 62 ff.; ebenso ausführlich Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 40 ff.

4 Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 40.

5 Vgl. hierzu Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 51 m.w.N.; MüKo-Stresemann, § 90 Rn. 34; Wieling, S. 66.

6 HKK-Rüfner, S. 322; Jakobs/Schubert, S. 426 und S. 431 ff.; Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 40.

7 Siehe nur MüKo-Stresemann, § 90 Rn. 24 ff. zu „Sonderfällen“ und Rn. 35 ff. zur eingeschränkten Verkehrsfähigkeit von Sachen.

8 Vgl. beispielsweise die Dissertation von Weidner zur Frage, ob bzw. wie Kulturgüter als res extra commercium besonders geschützt werden könnten. Zum Meeresstrand als res communes omnium in der heutigen Rechtsprechung vgl. Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 46 m. w. N.; Wieling, S. 68.

9 Etwa die der res sacrae und res religiosae, siehe Wieling, S. 69 f.; Staudinger-Jickeli/Stieper, § 90 Rn. 55 ff.

10 Beispiele bei HKK-Rüfner, S. 306 ff., sind etwa der Strom und der Leichnam.

11 Dies sind die Monographien von Kollath (1894), Kaufmann (1887) und Wappäus (1867).

12 Vgl. nur die Literaturempfehlungen bei Kaser/Knütel, S. 112.

13 Gai. Inst. 2,1.

14 Vgl. Inst. Iust. 2,20,4; D. 18,1,6 pr.

15 So etwa Gai. Inst. 2,9 und Gai. Inst. 2,11.

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Teil 1:  Systematischer Überblick über die res extra commercium

I.  Der Begriff res extra commercium in den Quellen

Auf der Suche nach einem systematischen Überblick über die res extra commercium wird man in den verschiedenen juristischen Quellentexten nicht fündig, wenn nur die Textstellen betrachtet werden, in denen der gesamte Begriff verwendet wird. Eine zentrale Begriffsbestimmung oder Behandlung des Begriffs der res extra commercium erscheint in keiner der römischen Quellen, obwohl es dort verschiedene Einteilungen der Sachen gibt.16

Der Begriff res, für sich genommen, kommt in unterschiedlicher Bedeutung in den juristischen Texten vor. Zum einen kann res im weitesten Sinne als jedes Ereignis, jeder Zustand oder jede rechtliche Beziehung verstanden werden. Res ist dann einfach der Gegensatz zu persona.17 Zuweilen ist res aber auch als Gesamtvermögensmasse zu verstehen. Res hat dann die gleiche Bedeutung wie bona.18 Gewöhnlich wird der Begriff aber enger verstanden. Res bedeutet dann einen Gegenstand, der greifbar ist. Res kann dann als eine einzelne abgrenzbare Sache verstanden werden.19

Das Wort commercium taucht nur vereinzelt und an den unterschiedlichsten Stellen in den juristischen Quellen auf. In den Digesten findet sich das Wort commercium insbesondere in den folgenden Fragmenten:

D. 18,1,6 pr. Pomponius libro quinto ad Sabinum:
Sed Celsus filius ait hominem liberum scientem te emere non posse nec cuiuscumque rei si scias alienationem <prohibitam>
20 esse: ut sacra et religiosa loca aut quorum commercium non sit, ut publica, quae non in pecunia populi, sed in publico usu habeantur, ut est campus Martius.

Details

Seiten
192
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631769300
ISBN (ePUB)
9783631769317
ISBN (MOBI)
9783631769324
ISBN (Hardcover)
9783631768280
DOI
10.3726/b14906
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juli)
Schlagworte
Extrakommerzialiät Sachenrecht Kaufrecht Unmöglichkeit Rechtsverkehr Verkehrsunfähigkeit
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 186 S.

Biographische Angaben

Gero Alvensleben (Autor:in)

Gero von Alvensleben studierte Rechtswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 2014 bestand er das zweite juristische Staatsexamen.

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