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Das Konzept «Pferd» in der Kinder- und Jugendliteratur

Fachwissensvermittlung in fiktionalen Kinder- und Jugendbüchern

von Hannah Caroline Willing (Autor:in)
©2019 Dissertation 390 Seiten

Zusammenfassung

Thema dieses Buches ist die Vermittlung von Fachwissen in fiktionalen Texten für Kinder und Jugendliche. Die interdisziplinäre Vorgehensweise verknüpft dabei die Themen ‚Wissen und Sprache‘ sowie ‚Wissen und Literatur‘. Die Autorin analysiert ein Korpus fiktionaler Kinder- und Jugendbücher hinsichtlich der fachlichen Wissensvermittlung, der Experten-Laien-Kommunikation und des Fachsprachengebrauchs. Am Beispiel des Fachs Pferd/Reiten zeigt sie, wie das fachliche Wissen altersangemessen repräsentiert wird. Ein abschließendes Modell verdeutlicht das für die Fachwissensvermittlung notwendige Zusammenspiel von sprachlichen und literarischen Gestaltungsmitteln. Darüber hinaus bietet die Studie methodische Anregungen für weitere Forschungen zum Wissenstransfer mithilfe fiktionaler Textsorten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Ãœber das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Dank
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Fragestellung der Untersuchung
  • 1.2 Aufbau und Vorgehensweise
  • 2 Wissen und Lernen – eine Betrachtung im Hinblick auf das Fach Pferd/Reiten
  • 2.1 Zur Frage der Definition von Wissen
  • 2.2 Wissenstransfer
  • 2.3 Textverstehen als Konstruktionsprozess
  • 2.3.1 Fachwissensvermittlung mit schriftlichen Texten
  • 2.3.2 Die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses
  • 2.3.3 Das Verstehen von Texten
  • 2.3.4 Kognitive Schemata und mentale Modelle
  • 2.3.5 Verstehen und Lernen mit (literarischen) Texten
  • 2.3.6 Zusammenfassung
  • 3 Wissen und Sprache – sprachwissenschaftliche Perspektiven auf das Fach Pferd/Reiten
  • 3.1 Fachsprache
  • 3.1.1 Eine definitorische Annäherung an den Begriff der Fachsprache
  • 3.1.2 Gliederung von Fachsprachen
  • 3.1.3 Fachwortschatz
  • 3.1.4 Fachphraseologie
  • 3.1.5 Fachjargon
  • 3.1.6 Fachsprache Pferd/Reiten
  • 3.1.7 Zusammenfassung
  • 3.2 Experten-Laien-Kommunikation
  • 3.2.1 Fachexterne Kommunikation
  • 3.2.2 Ebenen der Experten-Laien-Kommunikation
  • 3.2.3 Erstellung einer Experten-Laien-Skala des Fachs Pferd/Reiten
  • 3.3 Fachwissensvermittlung durch sprachliche Mittel
  • 3.3.1 Reduktion der Informationsfülle und Informationsdichte
  • 3.3.2 Vermittlung von Fachwörtern
  • 3.3.3 Strategien der Wissensvermittlung
  • 3.3.4 Fachwissensvermittlung durch Formen der Textgestaltung – Vertextungsmuster als Vermittlungshilfe
  • 3.4 Illustrationen als Bereicherung der Wissensvermittlung in Texten
  • 3.5 Sprachliche Bilder – eine interdisziplinäre Sonderstellung im Wissenstransfer
  • 4 Wissen und Literatur – literaturwissenschaftliche Perspektiven auf das Fach Pferd/Reiten
  • 4.1 Eine definitorische Annäherung an den Begriff der Fiktionalität
  • 4.2 Fiktionalität und Wissen
  • 4.3 Erzähltextanalyse
  • 4.3.1 Darstellung des Erzählten
  • 4.3.2 Erzählte Welt
  • 5 Wissen und junge Leser – kinder- und jugendliterarische Perspektiven auf das Fach Pferd/Reiten
  • 5.1 Eine definitorische Annäherung an den Begriff der Kinder- und Jugendliteratur
  • 5.2 Die Kinder- und Jugendliteratur in ihrer historischen Entwicklung
  • 5.3 Literarische Gestaltung der Kinder- und Jugendbücher
  • 5.4 Wissen in Kinder- und Jugendbüchern
  • 5.5 Das Pferdebuch für kindliche und jugendliche Leser
  • 5.5.1 Pferd und Reitsport aus aktueller Perspektive
  • 5.5.2 Mädchen und Pferde
  • 5.5.3 Bedeutung des Pferdes für die Kinder- und Jugendbuchliteratur
  • 6 Analyse – Kinder- und Jugendbücher zum Thema Pferd/Reiten
  • 6.1 Methodische Grundlagen
  • 6.2 Auswahlkriterien für das Korpus
  • 6.3 Zusammensetzung des Korpus
  • 6.3.1 Grundlegende Aussagen zum Korpus
  • 6.3.2 Kurzvorstellung der einzelnen Titel
  • 7 Ergebnisse der Korpusanalyse
  • 7.1 Auswertung einzelner Analysekategorien
  • 7.1.1 Auswertung der Vertextungsmuster
  • 7.1.2 Auswertung des belegten Fachwissens
  • 7.1.3 Auswertung der Bezüge auf Quellen fachlichen Wissens
  • 7.1.4 Auswertung der verwendeten Fachsprache
  • 7.1.5 Auswertung der Textbelege für die Verwendung sprachlicher Bilder
  • 7.1.6 Auswertung der Figurendarstellung und Einordnung der Figuren in die Experten-Laien-Skala
  • 7.1.7 Auswertung der Fachwissensvermittlung durch Experten
  • 7.1.8 Auswertung der Textbelege für Laienmeinung
  • 7.1.9 Auswertung der dargebotenen Erzählsituationen
  • 7.1.10 Auswertung der Darstellung des Raumes der erzählten Welt
  • 7.1.11 Auswertung der verwendeten Illustrationen
  • 7.2 Zusammenfassung der sprachwissenschaftlichen Ergebnisse
  • 7.3 Zusammenfassung der literaturwissenschaftlichen Ergebnisse
  • 8 Rückschlüsse für ein Modell der Fachwissensvermittlung in fiktionalen Kinder- und Jugendbüchern zum Thema Pferd/Reiten
  • 9 Fazit und Ausblick
  • Anhang
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis
  • a.   Primärliteratur
  • b.   Sekundärliteratur

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1 Einleitung

1.1 Fragestellung der Untersuchung

Die restliche Reitstunde vergeht ohne weitere Stürze.

Aber nicht ohne etliche Verbesserungen von Frau Wickert: „Nicht an den Zügeln festhalten, Nadine! Du hast kein Lenkrad in der Hand, sondern ein empfindliches Pferdemaul! – Knieschluss, Sara, Knieschluss!“

„Was ist das, Knieschluss?“, fragt Fiona Jule.

„Man muss die Knie fest unten an den Sattel legen“, erklärt Jule leise, „das ist sozusagen die einzige Stelle des Körpers, mit der man sich festhalten darf.“

„Uff“, sagt Fiona noch mal. So schwer hat sie sich das Reiten nicht vorgestellt. (FP:38)1

Wissensvermittlung ist integraler Bestandteil unseres Lebens. Von Kindesbeinen an nimmt man aktiv an der Vermittlung von Wissen teil: das Binden einer Schleife, der Schulbesuch bis hin zum Schulabschluss, die Vorbereitung auf die Führerscheinprüfung – vielfältige Situationen, in denen man theoretisches und praktisches Wissen erwirbt. Um Wissen erwerben zu können, muss eine Quelle für dieses Wissen vorhanden sein, sei es in Form eines Lehrers oder eines Fachtextes. Wissenserwerb ist zudem Ausdruck eines Wissensgefälles: Während auf der einen Seite der Lernende steht, der seinen Wissensbestand ausbauen möchte, steht auf der anderen Seite der Lehrende, der sein Wissen – direkt oder indirekt – vermittelt. Wissenserwerb ist kein Kennzeichen der Jugend, sondern ein fortdauernder Prozess. In der Alltags- und Berufswelt entstehen immer wieder Kommunikationssituationen, die ein Wissensgefälle aufweisen. Die unterschiedlichen Wissensniveaus stellen dabei eine Herausforderung dar. Fachexterne Kommunikation – also die Kommunikation zwischen Experten und Laien – findet in nahezu allen Lebensbereichen statt und kann zu kommunikativen Hürden führen. Eine Ursache dafür ist die Verwendung von Fachsprache durch den Experten. Am häufigsten geschildert wird dieses Problem im Bereich der Arzt-Patienten-Kommunikation. Zahlreiche Publikationen zu diesem Thema liegen ←13 | 14→vor und es hat verschiedene Ansätze gegeben, um diese kommunikative Barriere zu beheben. Dennoch existiert das Problem weiterhin, wie in der Tagespresse zu lesen ist: Vielfach verstehen Patienten die Diagnose oder den Arztbrief nicht und wenden sich dann an ‚Dr. Google‘. Es besteht Bedarf an effektiver Aufklärung und ‚Übersetzung‘ der Fachsprache in eine für Laien verständliche Darstellung des Problems (vgl. Becker 2016). Die Kommunikation bzw. die Begegnung zwischen Arzt und Patient wird vonseiten der Ärzte verstärkt überdacht und verbessert, nicht zuletzt durch den Einsatz von Kommunikationsberatern (vgl. Menkens 2017).

Doch nicht nur im Bereich der Medizin stellt Fachsprache eine kommunikative Hürde oder sogar Barriere dar. Immer häufiger wird man zum Laien, ob im Berufsleben oder im privaten Bereich, beispielsweise im Sport. Auch hier stellt Fachsprachenverwendung den Laien vor Verständnisprobleme. Wer sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzt, ganz gleich ob aus beruflichem oder privatem Interesse, kommt an Fachsprache nicht vorbei. Je tiefer in die fachliche Materie eingedrungen wird, desto fachwissenschaftlicher und – damit einhergehend – fachsprachlicher wird die Beschäftigung mit dem Thema. Gerade Gespräche mit Experten oder das Rezipieren schriftlicher Fachtexte können zu Verständnisproblemen führen, wenn man selbst nicht Experte auf dem entsprechenden Gebiet ist. Daher muss eine ‚Vereinfachung‘ stattfinden, die sich in den Dienst der Vermittlung stellt. Zu Recht stellt Niederhauser (1999:232) fest, dass „ohne Popularisierung […] wissenschaftliche Literatur kaum zugänglich [ist]“ und dass,

um wissenschaftliches Wissen in eine fachexterne Öffentlichkeit zu transferieren, […] die wissenschaftlichen Inhalte aus dem wissenschaftlichen Kommunikationszusammenhang ausgegliedert und gemäß den Gepflogenheiten der Welt der Öffentlichkeit dargestellt werden [müssen].

Dies gilt nicht nur für die Auseinandersetzung Erwachsener mit Fachwissen, sondern ganz besonders für Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche. Diese fachexterne Kommunikation und die mit ihr verknüpfte Vermittlung von Fachwissen an eine interessierte, aber – zumindest in Teilen – nur laienhaft informierte Leserschaft steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit, die sich mit der Vermittlung von Fachwissen in Kinder- und Jugendbüchern zum Thema Pferd/Reiten beschäftigt.

Warum werden gerade Pferdebücher analysiert? Kinder und Jugendliche lesen nach wie vor gerne und viele Bücher über oder mit Pferden. Sie werden nicht nur von einzelnen Interessierten gelesen, sondern von großen Gruppen, wie die Zahlen der meistverkauften Kinderbücher für das Jahr 2015 belegen: Auf ←14 | 15→den Plätzen 2, 8, 10, 11 und 12 finden sich mit den Ostwind- oder Bibi & Tina-Titeln Bücher, in denen Pferde eine große Rolle spielen (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2016). Fünf Titel unter den 25 – genauer sogar unter den 12 – meistverkauften Büchern: Ein Schnitt, der die ungehemmte Begeisterung für das Pferd in der Kinder- und Jugendliteratur deutlich zeigt. Auch aktuell steht mit einem Band der Ostwind-Reihe ein Pferdebuch auf Platz 1 der meistverkauften Titel im Zeitraum September 2016 bis August 2017 (vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2017). Allerdings ist diese Begeisterung zumeist eine weibliche Angelegenheit: Rund einer Million Reiterinnen in Deutschland stehen gerade einmal rund 140.000 Reiter gegenüber (vgl. Bähr 2016). Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ein Großteil der Bücher des ausgewählten Themas Pferd/Reiten an Mädchen richtet. Dies zeigt sich auch daran, dass es sich zumeist um Protagonistinnen handelt und Jungen – wenn überhaupt – inhaltlich eine Nebenrolle zufällt. Die Begeisterung für das Pferd scheint bei den Mädchen ungebrochen zu sein, wie Uta Helkenberg von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung mitteilt (vgl. Bock 2016).

Doch fiktionale Kinder- und Jugendbücher zum Thema Pferd/Reiten liefern nicht nur Stoff für Mädchenträume, sondern zeigen auch auf, dass die natürlichen Bedürfnisse eines Pferdes eben doch ein bisschen mehr umfassen als es immerfort zu liebkosen.2 Wer reiten will, muss viel über das Pferd wissen. Auch aus diesem Grund sind Pferdebücher ausgewählt worden, da das Fach neben Aspekten der reinen Sportausübung auch Aspekte der Haltung und des Umgangs umfasst und damit eine große Themenvielfalt bereitstellt. Ob und wie diese in den Kinder- und Jugendbüchern angesprochen werden, ist interessant zu untersuchen.

Dass Fachsprache des Fachs Pferd/Reiten eine kommunikative Herausforderung darstellt, zeigt sich immer wieder in der Berichterstattung im Fernsehen. Werden Pferdesportveranstaltungen übertragen und kommentiert, fällt eine Diskrepanz zwischen begeisterter Kommentierung durch einen Experten und Verständlichkeit für Laien auf: „So stimmt’s von der Insertierung, so stimmt’s nicht von der Distanz her, er nimmt deutlich auf, das Pferd rennt ihm weg, er muss deutlicher aufnehmen, tja und dann kommt er nicht mehr zum Reiten ←15 | 16→wirklich, das war der Grund für die Verweigerung.“3 Die Fachsprache Pferd/Reiten stellt eine Hürde für denjenigen dar, der sie nicht beherrscht. Diese Erkenntnis ist nicht neu und immer wieder wird sich dem Thema auch in den Medien gewidmet, wie unlängst ein Beitrag im NDR-Fernsehen zeigte (vgl. NDR 2017). Dabei zeigte sich aber auch ein anderes bekanntes Problem: Experten tun sich schwer damit, Laien ihre Fachsprache zu erklären.4

Zentraler Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Fachwissen in Kinder- und Jugendbüchern zum Thema Pferd/Reiten. Die übergeordnete Fragestellung lautet: Kann in fiktionalen Texten für Kinder und Jugendliche reales Fachwissen vermittelt werden? Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, durch die Auswertung von 20 Kinder- und Jugendbüchern zum Thema Pferd/Reiten eine Antwort darauf zu erhalten. Daran schließen sich weitere Arbeitsfragen an:

Wenn Fachwissen vermittelt werden kann, auf welche Art und Weise erfolgt diese Wissensvermittlung?

Handelt es sich bei dem vermittelten Fachwissen um korrektes reales Fachwissen?

Welcher Art ist das vermittelte Fachwissen?

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Gibt es in der Fachwissensvermittlung Unterschiede bezüglich der verschiedenen Altersstufen?

Welche Rolle spielen die Figuren, aber auch der Erzähler bei der Fachwissensvermittlung?

Diesen Fragestellungen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Fasst man sie zusammen, so bleibt am Ende eine Frage übrig, die im Grunde alle anderen Fragen einschließt, nämlich die nach einem Modell, das zeigt, wie reales Fachwissen in Kinder- und Jugendbüchern vermittelt wird.

1.2 Aufbau und Vorgehensweise

Zentrales Anliegen der Arbeit ist eine interdisziplinäre Herangehensweise, die sprachwissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Perspektiven integriert. Da das Korpus aus literarischen Texten besteht, ist diese Vorgehensweise notwendig und erscheint vielversprechend.

Der erste Teil der Arbeit versteht sich als theoretische Einführung in die für die Arbeit relevanten unterschiedlichen Disziplinen sowie deren Forschungsstand. Dabei wird zunächst der Begriff des Wissens betrachtet, woran sich eine Auseinandersetzung mit den kognitionspsychologischen Aspekten anschließt. An diese Überlegungen zum Wissen schließt sich ein Kapitel mit sprachwissenschaftlichen Aspekten der Fachwissensvermittlung an. Die Untersuchung der Fachwissensvermittlung aus sprachwissenschaftlicher Sicht stellt den Schwerpunkt der späteren Analyse dar und ist aufgrund des Umfangs der beteiligten Forschungsbereiche sehr umfassend. Dabei wird auf die Problematik der Fachsprachendefinition ebenso eingegangen wie auf die Forschungsfelder der Fachsprache, der Experten-Laien-Kommunikation sowie der Fachwissensvermittlung mit sprachlichen Mitteln. Anschließend wird die Rolle von Abbildungen in Texten thematisiert. Ein interdisziplinäres Feld aus Sprach- und Literaturwissenschaft bildet den Übergang zwischen dem sprachwissenschaftlichen und dem literaturwissenschaftlichen Kapitel: der Bereich der Bildlichkeit, der für die vorliegende Arbeit nicht unerheblich ist.

Auf das Kapitel Wissen und Sprache folgt das Kapitel Wissen und Literatur, in dem nun aus literaturwissenschaftlicher Sicht relevante Forschungsgebiete vorgestellt und in ihrer Bedeutung für das Untersuchungskorpus dargestellt werden. An die Annäherung an den Begriff der Fiktionalität schließt sich eine Auseinandersetzung mit der Problemstellung des Lernens mit und aus fiktionalen Texten an. In der Folge wird auf wichtige Aspekte der Erzähltextanalyse eingegangen, unterteilt in Darstellung des Erzählten sowie Erzählte Welt. In den ←17 | 18→Bereich der Darstellung fallen die Punkte der Zeit, des Modus sowie der Stimme. Zur Erzählten Welt gehören Betrachtungen der Figur und des Raumes der dargestellten Welt. Die Bedeutung dieser Punkte für den Leser wird in den jeweiligen Kapiteln thematisiert.

In der Folge widmet sich ein Kapitel der Kinder- und Jugendliteratur aus literaturwissenschaftlicher und didaktischer Forschungsperspektive. Integriert in die Abhandlung über das Pferdebuch als Kinder- und Jugendbuch ist eine Darstellung der Bedeutung von Pferd und Reitsport in heutiger Zeit. Daran anschließend wird das Untersuchungskorpus vorgestellt: Zunächst werden die methodischen Grundlagen dargelegt, bevor die Zusammensetzung des Korpus und die einzelnen Kinder- und Jugendbücher des Korpus inhaltlich vorgestellt werden. Das Korpus umfasst 20 Kinder- und Jugendbücher, die hinsichtlich der Vermittlung von Fachwissen an den Leser untersucht worden sind. Die Auswertung der Korpustexte steht im Mittelpunkt des anschließenden Kapitels und umfasst unter anderem eine Analyse des dargestellten Fachwissens ebenso wie der Verwendung von Fachsprache, ergänzt um eine Analyse von Erzählsituation und Figurenkonstellation. Abschließend werden die Ergebnisse aus sprachwissenschaftlicher sowie literaturwissenschaftlicher Sicht zusammengefasst. In einem letzten Schritt erfolgt eine Zusammenführung dieser Ergebnisse und ein Modell der Fachwissensvermittlung in Kinder- und Jugendbüchern zum Thema Pferd/Reiten wird vorgestellt.

Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit der vorangegangenen Untersuchung, das die Ergebnisse im Hinblick auf daran anschließende weitere Forschungsarbeit darlegt und hinsichtlich ihrer Bedeutung bewertet.

Hinweise zur Gestaltung des Textes

Bereits in den theoretischen Ausführungen werden gelegentlich Belegstellen aus dem Analysekorpus angeführt. Diese dienen der Veranschaulichung. Die Quellenangabe erfolgt mit Kurztiteln sowie mit Siglen und Seitenzahlen. Auf die Buchtitel, die Autoren und inhaltliche Details wird ab Kapitel 6.3.2 ‚Kurzvorstellung der einzelnen Titel‘ eingegangen.

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich das generische Maskulinum verwendet, das die feminine Form einschließt.

Die umfangreichen Überblicksdarstellungen der ausgewerteten Textbelege befinden sich im digitalen Anhang dieser Arbeit. Auf eine analoge Präsentation wird wegen des großen Umfangs der einzelnen Kategorien verzichtet.

Wenn Beispiele nummeriert werden, beginnt die Nummerierung in jedem Kapitel neu.

1 Mueller, Dagmar H. (2010): Fiona im Ponyglück. Köln: SchneiderBuch. Im Folgenden zitiert mit der vorangestellten Sigle ‚FP‘ und Seitenzahl in Klammern direkt im Fließtext.

2 Bereits in Kinderbüchern für junge Leser wird die Verantwortung für das Lebewesen Pferd betont (vgl. Simoni 2011).

3 Kommentar Carsten Sostmeier, Berichterstattung beim CHIO Aachen, 16.07.2016, Übertragung des WDR.

4 Der Springreiter Gilbert Böckmann versucht, den Begriff rückwärtsrichten zu erklären: „Rückwärtsrichten und rückwärtsreiten ist ein großer Unterschied. Rückwärtsrichten ist, dass das Pferd rückwärts geht und rückwärts reiten ist, wenn du eine Distanz hast, die fünf Galoppsprünge ist, die aber eng ist, so, dann muss ich diese fünf Galoppsprünge rückwärts reiten. So würde ich das übersetzen.“ Dass diese Erklärung dem Laien gar nicht oder nur bedingt weiterhilft, liegt auf der Hand. Beim Rückwärtsrichten handelt es sich um eine Lektion, mit der der Reiter überprüfen kann, ob das Pferd ihm gehorcht und ob seine Einwirkungsmöglichkeiten auf das Pferd funktionieren. In freier Wildbahn würde ein Pferd nicht rückwärts treten, da es nicht nach hinten gucken kann. Es handelt sich also um eine Überprüfung des Gehorsams gegenüber dem Reiter. Rückwärts reiten bedeutet, dass der Reiter versucht, das Pferd in der Gangart Galopp kleinere Schritte machen zu lassen. Dies ist im Springparcours von Bedeutung, da dort teilweise zwischen den Hindernissen festgelegte Abstände sind (entspricht der erwähnten Distanz). Um dann keinen Fehler an einem Sprung zu machen, muss das Pferd sozusagen kürzere Schritte machen, um dennoch optimal den Absprung für das Hindernis zu finden.

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2 Wissen und Lernen – eine Betrachtung im Hinblick auf das Fach Pferd/Reiten

Abstract: Chapter 2 summarises the various definitions of knowledge und presents how text comprehension is understood as a constructional process. In this context the workings of the human memory as well as conception of schemata and mental models are outlined. Furthermore, the chapter expands on the particular characteristics of learning with (literary) texts.

2.1 Zur Frage der Definition von Wissen

Wissen und vor allem der Wissenserwerb sowohl des Einzelnen als auch der Gesellschaft sind zentrale Merkmale einer Wissensgesellschaft. Wissen wird als Begriff viel genutzt und in seiner Verwendung ständig variiert. Trotz der Präsenz des Begriffs scheint immer unklarer zu werden, was eigentlich damit gemeint ist (vgl. Konerding 2015:57f.).

Was ist Wissen? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Jahrzehnten Forscher diverser Fachgebiete, vorrangig der Philosophie und der Kognitionspsychologie. Der Begriff des Wissens umfasst ein weites Feld. Dieses Feld in seiner Gänze hier abzubilden, ist weder möglich noch nötig. Zunächst stellt sich vor allem die Frage, ob es überhaupt das Wissen gibt oder ob es nicht sinnvoller ist, „von verschiedenen Wissensformen zu sprechen“ (Reinmann-Rothmeier/Mandl 2000:276). In der Gegenwartsphilosophie besteht grundlegend Einigkeit darin, „dass Wissen eine bestimmte Form von wahrer Überzeugung ist“ (Gottschalk-Mazouz 2007:3). Die philosophische Erkenntnistheorie bringt Wissen auf die kurze Formel „S weiß, dass p“ (Baumann 2006:30), das auch als propositionales Wissen bezeichnet wird. Diese Definition ist kritisch diskutiert worden und erscheint für psychologische Fragestellungen ungeeignet (vgl. Appel 2005:49).

Wissen ist nicht mit Information gleichzusetzen. Antos (2005:343) führt dazu aus, dass es sich „am vorsichtigsten […] so umschreiben [lässt], dass Wissen als eine ‚Information einer höheren Reflexivitätsstufe‘ verstanden wird.“ Will man die Begriffe Zeichen, Daten, Informationen und Wissen in ein Verhältnis zueinander setzen, wird gerne das Bild einer Pyramide verwendet:

Abb. 1: Begriffs-Pyramide nach Weinreich (2010:21)

Demnach stehen in der Hierarchie Zeichen ganz unten, ganz oben findet sich das Wissen. Das Bild der Pyramide bietet sich an, da die einzelnen Ebenen aufeinander aufbauen (vgl. Weinreich 2010:20). Wissen basiert auf Informationen, entsteht aber als dynamischer Prozess im Kopf und ist damit „an Personen gebunden“ (Weinreich 2010:21). Wichtig ist, zwischen Informationen und Wissen zu ←19 | 20→unterscheiden, denn „aus Informationen entsteht erst dann Wissen, wenn sie zu einem bestimmten Zweck […] zusammengeführt werden“ (Busch 2001:87). Ballod ergänzt diese Reihe an Begriffen noch um den Begriff der Erkenntnis bzw. Bildung, die auf Wissen aufbaut und beruht (vgl. Ballod 2004:107).

Wissen kann ganz grundsätzlich beschrieben werden

als Gesamtheit von begründeten (bzw. begründbaren) Kenntnissen, die innerhalb kultureller Systeme durch Beobachtung und Mitteilung, also durch Erfahrungen und Lernprozesse erworben sowie weitergegeben werden und einen reproduzierbaren Bestand von Denk-, Orientierungs- und Handlungsmöglichkeiten bereitstellen. (Klausnitzer 2008:12 [Herv. i. O., H.W.])

Details

Seiten
390
Erscheinungsjahr
2019
ISBN (PDF)
9783631776797
ISBN (ePUB)
9783631776803
ISBN (MOBI)
9783631776810
ISBN (Hardcover)
9783631776162
DOI
10.3726/b15319
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Fachwissen Fachsprache Reitsport Experten-Laien-Kommunikation Wissenserwerb Fiktionalität Mädchenliteratur
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 386 S., 11 farb. Abb., 21 s/w Abb., 2 farb. Tab., 47 Tab. s/w

Biographische Angaben

Hannah Caroline Willing (Autor:in)

Hannah Caroline Willing studierte Deutsche Philologie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen. An ihr Studium schloss sich eine Promotion am dortigen Seminar für Deutsche Philologie an. Seit der Promotion ist sie freiberuflich tätig.

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