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Investorengespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis

Eine empirische Untersuchung zu Zulässigkeit und Grenzen

by Lukas Vossen (Author)
©2021 Thesis 472 Pages

Summary

Lukas Vossen untersucht Zulässigkeit und Grenzen von Investorengesprächen des Aufsichtsratsvorsitzenden im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft. Ausgehend von einer Literaturanalyse und Würdigung des rechtlichen status quo sind Alleinstellungsmerkmale seiner Arbeit der Zugriff auf empirisch arbeitende Nachbardisziplinen sowie eine eigene qualitativ empirische Interviewstudie mit zahlreichen Rechtsanwälten und Syndizi. Das Ergebnis ist ein rechtspraktischer Belastungstest des aktuellen rechtswissenschaftlichen Streit- und Forschungsstands. Ein besonderes Augenmerk liegt darüber hinaus auf dem Gedanken, zukünftig sogenannte Stewardship-Aktionäre im Rahmen der Abwägung des § 53a AktG beim Zugang zu Investorengesprächen zu privilegieren.

Table Of Contents

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort
  • § 1. Einführung und Gang der Untersuchung
  • Erster Teil. Rechtliche Würdigung
  • § 2. Bedeutung und Hintergründe der Aufsichtsratskommunikation mit Investoren
  • A. Betriebswirtschaftliche und kommunikationstheoretische Grundlagen
  • I. Freiwillige und persönliche Kommunikation
  • II. Strategische Relevanz für die Aktiengesellschaft
  • III. Investorengespräche mit (ausländischen) institutionellen Investoren
  • B. Stewardship institutioneller Investoren wirkt als Dialogtreiber
  • I. Begriffsverständnis und Abgrenzung zum Shareholder Activism
  • II. Codes of Conduct und Transparenzpflichten für mehr Aktionärsengagement
  • 1. Zunehmendes Aktivitätsniveau oder rationale Apathie?
  • 2. UK Stewardship Code als weltweites Vorbild
  • 3. Initiativen für mehr Stewardship-Verantwortung in Deutschland
  • a) Kodexoffizieller Programmsatz in der Präambel des DCGK
  • b) Publizitätspflichten für institutionelle Anleger und Vermögensverwalter
  • III. Investorenwunsch nach einem Gespräch ist vermehrt zu erwarten
  • 1. Erhöhter Bedarf an gesellschaftsinternen Informationen
  • 2. Effektives und flexibles Mittel der Einflussnahme
  • 3. ESG-Engagement erfordert den Investorendialog
  • 4. Zunehmendes Rechtfertigungsbedürfnis der Investoren
  • C. Aufsichtsratsgespräche mit Investoren in der Praxis
  • I. Druck, sich gesprächsoffen zu zeigen, ist neu
  • II. Kriterien für die Kommunikationsfrequenz des Aufsichtsrats
  • 1. Größe des Unternehmens
  • 2. Konkrete Unternehmenssituation
  • 3. Unternehmensspezifische Aktionärsstruktur
  • 4. Publizitätsfreude des Aufsichtsrats(vorsitzenden)
  • D. Zwischenfazit
  • § 3. Zulässigkeit von Investorenkontakten des Aufsichtsrats
  • A. Rechtlicher Ausgangspunkt: unternehmerische Entscheidung des Vorstands
  • B. Kein Kommunikationsrecht nach traditioneller Interpretation des Aktiengesetzes
  • I. Investorenkommunikation ist ausschließlich Geschäftsführungsaufgabe
  • II. Wirken des Aufsichtsrats richtet sich auf den Vorstand, nicht nach außen
  • 1. Bestätigung der Innenposition durch den Gesetzgeber
  • 2. Außenkommunikation nur als Ausnahme
  • a) Begrenzte Vertretungsbefugnisse für die Gesellschaft
  • b) Öffentliche Bekanntgabe von Aufsichtsratsbeschlüssen
  • c) Kommunikation im Zusammenhang mit der Hauptversammlung
  • d) Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG
  • e) Vergütungsbericht gemäß § 162 AktG
  • f) Stellungnahme nach § 27 WpÜG
  • g) Verfahrenserklärungen gegenüber Gerichten
  • h) Gesetzliche Auskunftspflichten gegenüber Behörden
  • 3. Zurückhaltung in der Rechtsprechung
  • a) BGH, Urteil vom 5. Juni 1975, II ZR 156/73
  • b) OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Mai 1990, 3 W 93/90
  • c) OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Februar 2012, 20 U 3/11
  • d) Würdigung der gerichtlichen Entscheidungen
  • III. Hauptversammlung wird faktisch entwertet
  • 1. Meinungsaustausch auf der Hauptversammlung wird obsolet
  • 2. Unterjähriger Rechtfertigungsdruck des Aufsichtsrats
  • 3. Nicht kontrollierbare Beziehungen zu einzelnen Kapitalgebern
  • IV. Verstoß gegen mitbestimmungsrechtliche Vorgaben
  • C. Zutreffende Neuinterpretation der aktienrechtlichen Grundlagen
  • I. Kompetenz kraft Rechtsfortbildung
  • 1. Keine im Aktiengesetz stillschweigend mitgeregelte Kompetenz
  • 2. Keine teleologische Reduktion der §§ 77 Abs. 1, 111 Abs. 4 S. 1 AktG
  • 3. Annexkompetenz nach dem Prinzip communication follows competence
  • 4. Investorenkommunikation als unternehmerische Entscheidung
  • a) Handeln auf angemessener Informationsgrundlage
  • b) Handeln zum Wohl der Gesellschaft
  • c) Keine sachfremden Einflüsse und Sonderinteressen
  • d) Gutgläubigkeit
  • e) Dokumentation der Rahmenbedingungen der Entscheidung
  • II. Argumente zugunsten eines eigenständigen Investorendialogs des Aufsichtsrats
  • 1. Hauptversammlung als einziges Diskussionsforum ungenügend
  • a) Aus Sicht der Verwaltung
  • b) Aus Sicht institutioneller Investoren
  • 2. Angelsächsische Dialogkultur erhält größeres Gewicht
  • a) Investorenkontakte im Vereinigten Königreich
  • b) Investorenkontakte in den USA
  • c) Einfluss auf das deutsche Aktienrecht
  • 3. Professionalisierung des Aufsichtsrats auch bei der Investorenkommunikation
  • a) Steigende strategische Verantwortung des Aufsichtsrats
  • aa) Überwachung und Beratung auch ex ante
  • bb) Veto-Position bei zustimmungspflichtigen Geschäften
  • cc) Verantwortlichkeit für die Vorstandsarchitektur
  • b) Höhere Anforderungen an die Qualifikation der Mandatsträger
  • c) Konsequenz: Wandel des Kommunikationsverhaltens
  • 4. Element guter Corporate Governance
  • a) Glaubwürdige Transparenz über Aufsichtsratsthemen
  • b) Steigerung der Überwachungsqualität des Aufsichtsrats
  • aa) Vorstandsunabhängige Informationsquelle
  • bb) Abgleich von Selbst- und professioneller Fremdeinschätzung
  • D. Zwischenfazit
  • § 4. Grenzen der selektiven Kommunikation mit Investoren
  • A. Aufsichtsratsspezifische Schranken
  • I. Inhaltliche Differenzierung nach Sachbefugnissen
  • 1. Vorstandsspezifische Gesprächsinhalte sind unzulässig
  • a) Keine Delegation an den Aufsichtsrat
  • b) Einzelne Aufsichtsratsmitglieder als Delegationsempfänger?
  • 2. Aufsichtsratsspezifische Themen sind zulässig
  • a) Personalkompetenz
  • aa) Zusammensetzung des Aufsichtsrats
  • bb) Personalpolitik des Vorstands
  • cc) Schwierigkeiten bei der Kommunikation über Personalfragen
  • b) Vergütungsentscheidungen
  • aa) Aufsichtsratsvergütung
  • bb) Vergütung des Vorstands
  • c) Innere Organisation des Aufsichtsrats
  • d) Kompetenzielle Gratwanderung in Zwischenbereichen
  • aa) Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats
  • (1) Prüfung der Abschlussunterlagen
  • (2) Prüfung der Abschlussprüferdokumente und Zusammenarbeit
  • (3) Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben
  • (4) Rechtsstreitigkeiten mit Vorstandsmitgliedern
  • bb) Beratende Mitwirkung im Strategieprozess
  • cc) Sachverhalte mit Zustimmungsvorbehalten gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG
  • dd) Aspekte der Unternehmensfinanzierung
  • ee) ESG-bezogene Kommunikation
  • ff) Allgemeine Entwicklungen und wirtschaftliche Themen
  • II. Organschaftliche Treuepflicht des Aufsichtsrats
  • 1. Einheitliche Außenkommunikation sicherstellen
  • 2. Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand
  • 3. Informationspflichten gegenüber dem Vorstand
  • III. Schutz des Aufsichtsratsgeheimnisses gemäß § 116 S. 2 AktG
  • B. Allgemeine gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Schranken
  • I. Verschwiegenheitspflicht der Verwaltung
  • 1. Reichweite der Verschwiegenheitspflicht
  • 2. Dispens von der Verschwiegenheitspflicht
  • II. Gleichbehandlung und Nachinformation der Aktionäre
  • 1. Gleichbehandlungsgebot gemäß § 53a AktG
  • a) Keine Preisgabe neuer, nicht öffentlich bekannter Informationen
  • b) Vortrag eines substantiellen Informationsbegehrens
  • c) Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die Verwaltung
  • aa) Keine pauschale Vergleichsgruppenbildung
  • bb) Sachlich hinreichend differenzierte Rechtfertigung
  • d) Öffnung des Informationsflusses mit Stewardship-Aktionären
  • aa) Klares und transparentes Auswahlkriterium für die Verwaltung
  • bb) Abbau rechtlicher Informationsschranken für Stewardship-Aktionäre
  • cc) Zulässigkeit regelmäßig privilegierender Investorengespräche
  • dd) Keine generelle Bevorzugung aktivistischer Aktionäre
  • 2. Erweitertes Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 4 AktG
  • a) Anwendbarkeit auf Investorengespräche des Aufsichtsrats
  • b) Kein faktisches Informationsweitergabeverbot, sondern geringe praktische Bedeutung
  • 3. Regelungen des DCGK
  • a) Gleichbehandlungsgebot nach Grundsatz 20 DCGK 2020
  • b) Fair Disclosure nach Empfehlung F.1 DCGK 2020
  • 4. Freiwillige Transparenz über Investorengespräche
  • III. Kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlung von Investoren
  • 1. Gleichbehandlungsgebot gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 WpHG
  • 2. Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen gemäß Art. 14 lit. c) i.V.m. Art. 10 MMVO
  • IV. Allgemeines Gebot der inhaltlich richtigen Darstellung
  • C. Durchsetzung und Sanktion
  • I. Strafbarkeit der Organmitglieder
  • II. Zivilrechtliche Haftungsfolgen
  • 1. Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft
  • 2. Unmittelbare Außenhaftung
  • III. Interne Sanktionen gegen das Aufsichtsratsmitglied
  • IV. Kompetenzschutzklage des Vorstands
  • D. Zwischenfazit
  • § 5. Organinterne Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • A. Machtverteilung zwischen Aufsichtsratsvorsitz und Gremium
  • I. Willensbildung und Entscheidung nur durch das Kollegialorgan
  • II. Sonderstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Investorengesprächen
  • 1. Repräsentationsfunktion kraft Amtsstellung
  • 2. Kommunikative und koordinative Führungsrolle im Aufsichtsratsgremium
  • 3. Schranken der Kommunikation allein des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • 4. Gefahren und rechtliche Risiken dieses Vorschlags
  • III. Rechtsvorsorgliche Ermächtigung durch den Gesamtaufsichtsrat
  • 1. Einrichtung eines Kommunikationsausschusses
  • 2. Zuständigkeitsübertragung auf den Vorsitzenden
  • a) Kleine Lösung: Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat
  • b) Große Lösung: Kommunikationsordnung für die Verwaltung
  • B. Pflicht zur Nachberichterstattung an das Plenum
  • C. Zwischenfazit
  • Zweiter Teil. Empirische Prüfung
  • § 6. Über- und Rückblick über den empirischen Forschungsstand
  • A. Quantitative Erhebungen
  • I. Studie von DAI/McKinsey
  • II. Studie von Kienbaum/Flick Gocke Schaumburg
  • III. Studie des Audit Committee Institute
  • IV. Studie von Hengeler Mueller/Heiner Thorborg
  • V. Studie von Hammann
  • VI. Studie des Berlin Centre of Corporate Governance
  • B. Qualitative Interviewstudien
  • I. Studie von Heidrick & Struggles
  • II. Studie von Probst/Theisen
  • III. Studie von Köhler
  • IV. Studie von Nieber
  • V. Studie von Noerr/Hering Schuppener/v. Werder
  • C. Forschungslücke: juristische Problemsicht
  • § 7. Methodik
  • A. Erkenntnisinteresse und Leitthesen der Studie
  • B. Qualitative Methode: Experteninterviews
  • I. Auswahl der Experten
  • 1. Unternehmensexterne Rechtsanwälte
  • 2. Syndikusrechtsanwälte
  • 3. Ergänzende Experteninterviews
  • II. Durchführung der Experteninterviews
  • III. Dokumentation der Interviews
  • IV. Auswertungsprozess des Kommunikationsmaterials
  • § 8. Ergebnisse der eigenen Studie
  • A. Bewertungen aus Sicht unternehmensexterner Rechtsanwälte
  • I. Ergebnisse zu LT 1
  • 1. Praxis des Investorendialogs
  • 2. Kriterien für die Kommunikationsfrequenz des Aufsichtsrats
  • a) Unternehmensgröße
  • b) Konkrete Unternehmenssituation
  • c) Unternehmensspezifische Aktionärsstruktur
  • d) Persönlichkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • e) Verhältnis zum Vorstand bzw. Vorstandsvorsitzenden
  • 3. Ausblick auf die zukünftige Aufsichtsratspraxis
  • II. Ergebnisse zu LT 2
  • 1. Begrenzte (Annex-)Kompetenz des Aufsichtsrats
  • 2. Konkretisierung de lege ferenda?
  • III. Ergebnisse zu LT 3
  • 1. Rechtsunsicherheit über die inhaltliche Reichweite der Annexkompetenz
  • 2. Zurückhaltung des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • 3. Enge Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat
  • IV. Ergebnisse zu LT 4
  • 1. Gleichbehandlung der Aktionäre
  • 2. Nachinformation der übrigen Aktionäre
  • V. Ergebnisse zu LT 5
  • 1. Aufsichtsratsvorsitzender im driver seat
  • 2. Legitimation durch das Gesamtorgan
  • B. Bewertungen aus Sicht der Syndikusrechtsanwälte
  • I. Ergebnisse zu LT 1
  • 1. Praxis des Investorendialogs
  • 2. Kriterien für die Kommunikationsfrequenz des Aufsichtsrats
  • a) Unternehmensgröße
  • b) Konkrete Unternehmenssituation
  • c) Unternehmensspezifische Aktionärsstruktur
  • d) Persönlichkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • e) Verhältnis zum Vorstand bzw. Vorstandsvorsitzenden
  • 3. Ausblick auf die zukünftige Aufsichtsratspraxis
  • 4. Proaktive Aufsichtsratsgespräche mit Investoren
  • II. Ergebnisse zu LT 2
  • 1. Begrenzte (Annex-)Kompetenz des Aufsichtsrats
  • 2. Konkretisierung de lege ferenda?
  • III. Ergebnisse zu LT 3
  • 1. Rechtsunsicherheit über die inhaltliche Reichweite der Annexkompetenz
  • 2. Zurückhaltung des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • 3. Enge Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat
  • 4. Gemeinsam geführte Investorengespräche
  • 5. Erwartungsmanagement schärfen
  • IV. Ergebnisse zu LT 4
  • 1. Gleichbehandlung der Aktionäre
  • 2. Nachinformation der übrigen Aktionäre
  • V. Ergebnisse zu LT 5
  • 1. Aufsichtsratsvorsitzender im driver seat
  • 2. Legitimation durch das Gesamtorgan
  • C. Zusammenfassung der empirischen Studienergebnisse
  • § 9. Rückführung in den juristischen Kontext
  • A. Kritik der Regelungsinitiativen in Deutschland
  • I. Investorengespräche nach Anregung A.3 DCGK 2020
  • 1. DCGK-Konsultationsverfahren 2016
  • 2. Eigene Stellungnahme
  • a) Nur teilweise gelebte Dialogpraxis in Deutschland
  • b) Aktienrechtliche Zulässigkeit von Investorenkontakten
  • c) Grenzen des Investorendialogs des Aufsichtsrats
  • d) Organinterne Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • e) Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis
  • II. Expertenkreis Developing Shareholder Communication: Acht Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat
  • III. FEA – Leitlinie zur Praxis des Dialogs zwischen Investoren und Aufsichtsrat
  • IV. Arbeitskreis Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung
  • B. Implikationen für die Berufspraxis
  • I. Geschärfte Kommunikationskompetenz des Aufsichtsratsvorsitzenden
  • II. Vorbereitung und Beratung durch Experten der Investor Relations und Rechtsberater
  • C. Perspektiven für die nachfolgende rechtswissenschaftliche Forschung
  • I. Fortgeschrittener Stand der rechtlichen Diskussion
  • II. Überlegungen de lege ferenda
  • III. Weiterführende empirische Durchdringung
  • Dritter Teil. Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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§ 1. Einführung und Gang der Untersuchung

Corporate Governance-Strukturen börsennotierter Aktiengesellschaften1 wurden in den letzten Jahrzehnten in Deutschland vielseitig gestärkt. Der nichtöffentliche Dialog des Aufsichtsrats bzw. regelmäßig des Vorsitzenden2 des Aufsichtsrats mit ausgewählten aktuellen und potenziellen Aktionären (im Folgenden durchgehend als Investoren bezeichnet) war dabei lange Zeit unbeachtet. Er rückte hierzulande zur Weiterentwicklung guter Corporate Governance erst vor einigen Jahren in den Blickpunkt der Forschung3 und in den Fokus rechtlich unverbindlicher Regelungsinitiativen. Besonderes Gewicht hat die entsprechende Kodex-Anregung der Regierungskommission DCGK aus dem Jahr 2017, mit der das in Deutschland für Themen der Corporate Governance wohl einflussreichste Gremium Investorenkontakte des Aufsichtsratsvorsitzenden befürwortet.4 Daneben empfehlen bereits seit 2016 die Leitsätze des privaten Expertenkreises Developing Shareholder Communication sowie die FEA mit ihrer Leitlinie zum ←23 | 24→Dialog zwischen Aufsichtsrat und Investor ein entsprechendes Dialogverhalten des Aufsichtsratsvorsitzenden. Seit 2018 empfiehlt erneut ein privater Arbeitskreis, der sich mit Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung beschäftigte, den regelmäßigen Dialog des Aufsichtsratsvorsitzenden mit Investoren speziell über dieses Thema.5 Trotz prominenter Befürworter ist der rechtliche Rahmen dieser ganz besonderen Form der Investorenkommunikation mangels Rechtssicherheit bietender Regelung im Aktienrecht oder gefestigter Rechtsprechung umstritten und die Diskussion im Fluss. Die Vielzahl der zu diesem Thema bislang veröffentlichten rechtswissenschaftlichen Beiträge legt insofern ein beredtes Zeugnis davon ab, mit welcher Intensität hier gegensätzliche Meinungen und Auslegungen der aktienrechtlichen Grundlagen aufeinanderprallen.6

Maßgebend für die Debatte sind die nicht abschließend geklärten Fragen, ob und wenn ja, in welchen Grenzen und durch wen der Aufsichtsrat im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft zur Kommunikation in Investorengesprächen befugt ist. Antworten sind in einer umfassenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang noch nicht präzise genug aufgearbeitet.7 In der vorliegenden Untersuchung wird versucht, diese Lücke methodisch unter Zugriff auf empirisch arbeitende Nachbardisziplinen zu schließen. Gegliedert ist sie in drei Teile:

Im ersten Teil gilt es nach einer Einführung zu der Bedeutung und den Hintergründen der Aufsichtsratskommunikation mit Investoren (dafür § 2), den gegenwärtigen Forschungsstand zu einer ganzen Reihe von Gefahren und ←24 | 25→Störungen, die mit Investorenkontakten des Aufsichtsrats de lege lata entstehen, zusammenzutragen und rechtlich einzuordnen. Diese scheinen zunächst mit dem zentralen Element der verbandsrechtlichen Struktur der deutschen Aktiengesellschaft, der Verteilung der Leitungs- und Kontrollfunktion auf zwei Organe, einerseits auf den Vorstand als eigenverantwortliches Geschäftsführungsorgan, andererseits auf den Aufsichtsrat als designiertes Kontrollorgan, unvereinbar zu sein. Jedenfalls wurde die vertrauliche Kommunikation mit Investoren in diesem Kompetenzsystem innergesellschaftlich lange Zeit ausschließlich als Vorstandsaufgabe behandelt, dem Aufsichtsrat dagegen eine entsprechende Zuständigkeit abgesprochen. Obwohl sich die aktienrechtlichen Grundlagen nicht geändert haben, hat sich dieses Verhältnis inzwischen gewandelt.8 In Auseinandersetzung mit der ablehnenden Ansicht wird für die Neuinterpretation der aktienrechtlichen Grundlagen argumentiert und die Zulässigkeit von inhaltlich auf Aufsichtsratsthemen beschränkten Investorengesprächen des Aufsichtsrats im Rahmen einer in Rechtsfortbildung konstruierten Annexkompetenz begründet (hierzu § 3). Im Detail ist jedoch weiterhin ungeklärt, wie weit das Kommunikationsrecht des Aufsichtsrats inhaltlich reicht und aktien- und kapitalmarktrechtliche Schranken selektive Informationsweitergaben des Aufsichtsrats in Investorengesprächen begrenzen.9 Es soll daher versucht werden, die hier in der wissenschaftlichen Aufarbeitung bestehenden Lücken aufzuzeigen und sie zu schmälern. Nach einer differenzierten Darstellung über die rechtlich zulässigen Handlungsspielräume des Aufsichtsrats und zu Durchsetzung und Sanktion eines Verstoßes gegen die rechtlichen Grenzen sucht man bisher jedenfalls vergeblich (eingehend § 4). Schließlich droht beim Investorendialog allein durch den Aufsichtsratsvorsitzenden seine Rolle in der Aktiengesellschaft überstrapaziert, ←25 | 26→die Rolle des Plenums dagegen vernachlässigt zu werden.10 Streitpunkt beim Thema Investorenkommunikation ist also nicht nur das sich wandelnde Machtverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, sondern auch die Machtverteilung innerhalb des Aufsichtsratsgremiums selbst (weitergehend § 5).

Der zuvor aggregierte Streitstand wird im zweiten Teil der Untersuchung unter Rückgriff auf eigene qualitative empirische Forschungsergebnisse einem rechtspraktischen Belastungstest unterzogen. Eine ausschließlich juristische Problemsicht hat in der empirischen Forschung zum Investorendialog des Aufsichtsrats in Deutschland bislang zumindest keine Beachtung gefunden (zur Forschungslücke § 6). Von besonderem Interesse ist deshalb die zusammengetragene Bandbreite der aus reicher Berufserfahrung gespeisten Stellungnahmen von 21 Rechtsanwälten und Syndizi aus der Beratungs- und Unternehmenspraxis. Dank ihrer Bewertungen ist es möglich, sich dem Thema Investorengespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden und den entsprechenden Rechtsfragen nicht nur theoretisch, sondern auch aus der Sicht der in der Praxis arbeitenden Rechtsberater zu nähern (dazu §§ 7 und 8). Sie sind schließlich die Akteure, die sich sehr sorgfältig mit den rechtlichen Risiken des Aufsichtsratsdialogs wie auch den Möglichkeiten, sie zu reduzieren, befassen (müssen). Die empirischen Ergebnisse werden anschließend in den juristischen Kontext zurückgeführt. Einen Schwerpunkt bildet dafür ein kritischer Vergleich der eigenen Forschungsergebnisse mit den vier bereits angesprochenen Regelungsinitiativen, durch die in Deutschland seit 2016 eine effektive Finanzkommunikation auch durch das Aufsichtsratsorgan etabliert und gefördert werden soll. Sodann werden für Aufsichtsratsvorsitzende wie auch ihre (rechtlichen) Berater Einsichten für die Berufspraxis abgeleitet und zuletzt Perspektiven für die nachfolgende rechtswissenschaftliche Forschung und die Diskussion über den Investorendialog des Aufsichtsrats formuliert (siehe § 9).

Die Arbeit endet im dritten Teil mit der Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse.


1 Diese Untersuchung behandelt ausschließlich die börsennotierte Aktiengesellschaft gemäß § 3 Abs. 2 AktG. Die weitreichenden Vorgaben des – weitgehend europäisierten – Kapitalmarktrechts sind somit erfasst.

2 Zur besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

3 Zu den ersten Beiträgen: Im Jahr 2006 Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 231 f., 262, 382-386; früh auch Smend, ZCG 2008, 53 (57); im Jahr 2009 Seibt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 391 (402); Buhleier/Splinter, BOARD 2011, 26 (27); Roth, ZGR 2012, 343 (365 ff.); Börsig/Löbbe, in: Krieger/ Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking 2013, 125 (145). Roth, Fordham Journal of Corporate & Financial Law 18.4 (2013), 751 (807) fasst zusammen: „such contact is rarely discussed in Germany“. Zutreffend sieht Hippeli, wistra 2018, 409 (410) das Thema Investorenkommunikation des Aufsichtsrats entwicklungstypologisch seit 2016 im Mittelpunkt des Interesses der Wissenschaft. Der DIRK diskutierte aber bspw. schon im Sommer 2011 über eine neue Rolle des Aufsichtsrats in der Kapitalmarktkommunikation, hierzu Schulz, in: Hölscher/Altenhain, Hdb. Aufsichts- und Verwaltungsräte, 489 (495).

4 Siehe Anregung A.3 DCGK 2020, zuvor Ziffer 5.2 Abs. 2 DCGK 2017. Populär wurde die Initiative durch eine Pressemitteilung der Regierungskommission DCGK vom 25. Juni 2014, S. 2.

5 Zu den vier Regelungsinitiativen ausführlich in § 9.A dieser Untersuchung.

6 Zum Streitstand beispielhaft Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht 2016, 135 (136): „im deutschen Recht ungeklärt“; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2017, 57 (59): „Rechtsfrage (...), die umstrittener kaum sein könnte“; Hopt, ZGR 2019, 507 (525) charakterisiert den Streit um den Investorendialog des Aufsichtsrats als „geradezu erbittert“; Hopt/Leyens, ZGR 2019, 929 (951): „kontrovers“; Spindler, in: Bergmann/Hoffmann-Becking/Noack, FS Seibert 2019, 855 (865): „nach wie vor umstritten“. Von der Brisanz des Themas zeugte darüber hinaus das DCGK-Konsultationsverfahren im Jahr 2016 mit zahlreichen Stellungnahmen, dazu § 9.A.I.1 dieser Untersuchung. Auch wurde sich auf einer Vielzahl von Tagungen und Vortragsveranstaltungen mit dem Thema beschäftigt, Nachweise bei Roth, ZHR 178 (2014), 638 (669 mit Fn. 230); Durstberger/Nicolussi, GesRZ 2016, 304 (305); Hippeli, GmbHR 2017, R113 (R113).

7 Monographisch bislang Hein, Die Stewardship-Verantwortung, S. 250 ff.; Reutershahn, Außenkommunikation des Aufsichtsratsvorsitzenden, S. 17 ff.; Landsittel, Investorenkommunikation, S. 121 ff.; Gröntgen, Operativer shareholder activism, S. 253 ff.; Ebrahimzadeh, Investorendialog des Aufsichtsrats, S. 39 ff.

8 Vgl. Bommer/Steinbach, BOARD 2013, 219 (219): „Im deutschen Sondersystem der Checks-and-Balances fungierte der Aufsichtsrat lange als reines Kontrollgremium und trat als solches öffentlich kaum in Erscheinung. Tempi passati!“; von einem „Wandel im Grundverständnis der Kompetenzordnung“ schreibt v. Werder, DB 2017, 977 (983); deutlich auch Koch, AG 2017, 129 (130): „Anlass für die Neupositionierung [ist] nicht so sehr bessere juristische Einsicht oder eine Verschiebung der Rechtslage (...), sondern das, was man in lockerer Anlehnung an Georg Jellinek als die normative Kraft des Faktischen bezeichnen kann. Investoren erwarten eine solche Kommunikation und da Investitionen in deutschen Aktiengesellschaften erwünscht sind, will man diesen Wünschen entsprechen.“

9 Hopt/Leyens, ZGR 2019, 929 (951) betonen ausdrücklich, dass die Grenzen des Investorendialogs für seine rechtliche und praktische Akzeptanz zentral sind.

10 Bspw. bezeichnet auch Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht 2016, 135 (172) dies als „wunden Punkt“.

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§ 2.Bedeutung und Hintergründe der Aufsichtsratskommunikation mit Investoren

Zu Beginn der Untersuchung sollen nichtöffentliche Gespräche zwischen börsennotierten Aktiengesellschaften und einzelnen Kapitalgebern als besondere Form der Investorenkommunikation in den größeren Zusammenhang der Investor Relations eingeordnet werden (dazu Abschnitt A). Im Fokus steht danach die Frage, warum das international wie auch national vermehrt regulatorisch geforderte Stewardship-Engagement institutioneller Investoren den Wunsch dieser Prinzipalgruppe nach informellen Gesprächen mit der Verwaltung verstärkt (siehe Abschnitt B). Daraufhin gilt es die aktuelle Dialogpraxis speziell zwischen dem Aufsichtsrat und Investoren näher zu beleuchten und Kriterien herauszuarbeiten, die die Häufigkeit von Investorengesprächen des Aufsichtsrats bestimmen können (siehe Abschnitt C). Diese von den Rechtsfragen der Untersuchung zunächst unabhängige Darstellung soll zum einen belegen, dass es sich beim Investorendialog des Aufsichtsrats um ein höchst aktuelles Thema mit steigender Bedeutung für Unternehmen wie auch institutionelle Investoren handelt. Zum anderen gilt es, die Grundlagen für die folgende rechtliche Untersuchung und im Besonderen die sich in § 3 anschließende Frage nach der aktienrechtlichen Zulässigkeit des Dialogs zwischen Aufsichtsrat und Investoren zu schaffen. Auf die vorgetragenen Stewardship-Aspekte wird zudem in § 4.B.II dieser Untersuchung im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Aktionäre gemäß § 53a AktG und der Frage nach einer informationellen Privilegierung von Aktionären, die mit einem Stewardship-Anliegen an die Gesellschaft herantreten, zurückzukommen sein.

A. Betriebswirtschaftliche und kommunikationstheoretische Grundlagen

Zahlreiche Beziehungen börsennotierter Unternehmen werden nach außen durch Kommunikation begleitet, koordiniert und heute vermehrt zielorientiert gesteuert.11 Die Investor Relations sind im Grundsatz ein Ausschnitt ←29 | 30→dieser generellen Öffentlichkeitsarbeit, obwohl sie sich zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt haben.12 Zu ihren Aufgaben gehört der strategisch angelegte, kommunikative und vertrauensschaffende Informations- und Meinungstransfer im Vertikalverhältnis zwischen Emittent und vorhandenen wie ←30 | 31→potenziellen Anlegern.13 Dafür wird nicht selten auf den Investorendialog als Kommunikationsinstrument zurückgegriffen. Bei dieser Form der Kommunikation sind die folgenden Besonderheiten für die weitere Untersuchung zu vermerken.

I. Freiwillige und persönliche Kommunikation

Zum einen finden Investorengespräche grundsätzlich ohne Rechts- und Antwortpflicht der Verwaltung und damit auf freiwilliger Basis statt.14 Sie grenzen sich von regel- oder anlassbezogenen Pflichtveröffentlichungen des Unternehmens ab, bei denen Informationsgegenstand wie auch Informationsweg gesetzlich vorstrukturiert sind.15 Unternehmen können durch Investorengespräche somit ein über das Abarbeiten gesetzlicher Publizitätspflichten hinausgehendes Maß an Unternehmenstransparenz zeigen, indem – innerhalb eines aktien- und kapitalmarktrechtlich dicht regulierten Umfelds16 – nicht nur bislang ←31 | 32→unbekannte Inhalte über die Angelegenheiten der Gesellschaft veröffentlicht, sondern auch bereits öffentlich bekannte Pflichtinformationen der Gesellschaft vertiefend erklärt und erläutert werden.17

Zum anderen zeichnet sich der Investorendialog in den Investor Relations als besondere Form der Kommunikation wegen des direkt persönlichen Kontakts der Gesprächspartner aus.18 Im Gegensatz zu unpersönlichen Kommunikationsinstrumenten, durch die Informationen über ein Massenmedium an einen mehr oder weniger unbestimmten Personen- bzw. Anlegerkreis vermittelt werden, stehen bei Investorengesprächen zielgruppenfokussierte Informationsweitergaben und eine individuelle Betreuung im Fokus.19 Dafür werden die Informationsempfänger vor einem Kommunikationsvorgang selektiv ausgewählt. Möglich sind Einzelgespräche, sogenannte one-on-ones, mit nur einem Gesprächspartner, aber auch Gesprächsrunden mit mehreren Investoren.20 Der persönliche Gesprächskreis tagt meist ohne öffentliches Bekanntwerden in geschlossen Dialogrunden außerhalb der (Hauptversammlungs-)Öffentlichkeit.21 Hierdurch ←32 | 33→entsteht ein ungezwungener, nicht formalisierter, gleichzeitig jedoch intensiver Kontakt, der einen vertraulichen und produktiven Austausch der Dialogpartner zulässt.22

II. Strategische Relevanz für die Aktiengesellschaft

Für Unternehmen ergeben sich aus eingehenden Investorengesprächen vielfältige Vorteile. Zum einen können wichtige Kapitalgeber persönlich davon überzeugt werden, der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelstelle (künftig weiter) Geld zur Verfügung zu stellen, sodass diese Form der Kommunikation ein stark wertschöpfender Faktor sein kann.23 Durch einen offenen Meinungsaustausch sowie Langfristigkeit und Stetigkeit des persönlichen Kontakts wird zum anderen danach gestrebt, eine besonders enge, wechselseitige Vertrauensbasis zu schaffen.24 Unterstützt werden somit nicht nur ökonomische, sondern auch dem wirtschaftlichem Erfolg vorgelagerte kommunikationspolitische Ziele der jeweils unternehmensspezifischen Investor Relations-Strategie.25 Dabei geht ←33 | 34→man zunehmend davon aus, dass der Kapitalmarkt Unternehmen mit einer klaren, konsistenten und informativen Offenlegungspolitik mit positiven Kapitalmarktreaktionen belohnt.26

Entwickeln kann sich durch einen optimierten Informationsfluss in Investorengesprächen auch ein besseres Krisenmanagement. Akute Unternehmenskrisen ←34 | 35→können kommunikativ begleitet werden, um erratische Kurs- und Reputationsverluste „abzufedern“.27 Um künftige Krisen des Unternehmens ganz oder teilweise abzuwenden, sind eine im Investorengespräch zuvor aufgebaute gute Reputation des Unternehmens28 wie auch das Aktionärsvertrauen zudem ein wichtiger Schutz.29 Der Investorendialog ist deshalb bspw. auch besonders geeignet, mit Angriffen aktivistischer Aktionäre30 richtig umzugehen und sie bestmöglich abzuwenden.31

←35 | 36→

Überdies können Unternehmen Kapitalmarkt- und Investorenanforderungen im Investorengespräch aufnehmen und anschließend versuchen, diese in einer Art bottom-up-Prozess in das eigene Unternehmen zu transformieren.32 Etwa können Anregungen der Investorenseite Eingang in vertiefende Diskussionen innerhalb der jeweiligen Gremien finden und dort Grundlage zukünftiger Entscheidungen sein.33 Insbesondere werden professionelle Investoren als wertvolle Gesprächspartner gewürdigt, weil sie wegen ihres hohen Unternehmens- und Marktverständnisses, ihrer methodisch-analytischen Fähigkeiten und ihrer Erfahrung vielfältige, auch für Unternehmen erkenntnisreiche Einsichten präsentieren können.34 Ihre Impulse begrenzen sich in der Regel auch nicht nur auf Pauschalanregungen, sondern zeichnen sich durch hohe Flexibilität und Passgenauigkeit im Hinblick auf das jeweilige Unternehmen und dessen konkrete Situation am Markt aus.35 Das persönliche Gespräch ermöglicht der Unternehmensseite im Gegensatz zu anderen Kommunikationsformen außerdem, an die Gesprächspartner unmittelbar Rückfragen zu stellen oder bei kritischen Punkten nachzuhaken.36

←36 | 37→

III. Investorengespräche mit (ausländischen) institutionellen Investoren

In den letzten Jahrzehnten sind Investorengespräche in Deutschland besonders mit der wirtschaftlich einflussstarken Prinzipalgruppe der institutionellen Investoren37 wichtig geworden.38 Weltweit ist ihr Anlagevolumen wie ←37 | 38→auch Anteilseigentum in dieser Zeit stark gewachsen.39 In Deutschland steigt ihre wirtschaftliche Bedeutung vor allem seit der Auflösung des Beteiligungsgeflechts der sogenannten „Deutschland AG“ zum Ende der 1990er Jahre an.40 Heute befinden sich die Aktien der DAX-Gesellschaften größtenteils in ihren Händen (ca. 60%), was gleich mehrere Analysen der Aktionärsstruktur des Leitindexes bestätigen.41 Bei nicht wenigen DAX-Gesellschaften spielen sie wegen ←38 | 39→ihres hohen Anteilsbesitzes eine ganz erhebliche Rolle.42 Institutionellen Investoren kommt deshalb insgesamt eine große Bedeutung für den Kapitalmarkt wie auch börsennotierte Aktiengesellschaft zu.43 Auffällig ist zudem, dass der deutsche Aktienmarkt in die globalen Finanzmärkte integriert ist und in vielen Fällen ausländische, vor allem anglo-amerikanische, institutionelle Investoren den diversifizierten Aktionärskreis deutscher Publikumsgesellschaften wegen ihres großen Stimmgewichts dominieren.44 Investorengespräche finden deshalb ←39 | 40→typischerweise auch mit institutionellen Investoren statt, deren Zulassungsort bzw. Sitz nicht in Deutschland liegt. Zu Privatinvestoren oder anderen Stakeholdern wird hingegen oft nur mittels der Gesellschaftsforen oder den allgemeinen Kommunikationskanälen – bspw. über die Wirtschaftspresse – Kontakt gehalten.45

B. Stewardship institutioneller Investoren wirkt als Dialogtreiber

In Folgenden richtet sich der Fokus auf das im Vereinigten Königreich geprägte, aber inzwischen international wie auch national verstärkt regulatorisch geforderte Stewardship-Engagement institutioneller Investoren,46 das für diese ein Treiber ist, von sich aus noch stärker das Investorengespräch mit den Mitgliedern der Verwaltung zu suchen. Dafür wird zunächst der Begriff Stewardship und das damit verbundene Engagement institutioneller Investoren erläutert und von dem Phänomen des Shareholder Activism ←40 | 41→abgegrenzt. Anschließend werden die zunehmende weltweite Verbreitung des Stewardship-Gedankens durch Kodizes und erhöhte Transparenzpflichten für institutionelle Investoren am Beispiel des UK Stewardship Code und ähnliche, vergleichsweise junge Entwicklungen in Deutschland betrachtet. Auf dieser Grundlage kann sodann untersucht werden, warum Stewardship den Investorenwunsch nach einem Gespräch mit der Verwaltung beeinflusst.

I. Begriffsverständnis und Abgrenzung zum Shareholder Activism

Obwohl sich zu dem Begriff Stewardship noch kein einheitliches Begriffsverständnis etabliert hat,47 wird darunter die verantwortungsbewusste Eigentümerschaft institutioneller Investoren in ihren Portfoliogesellschaften verstanden, um langfristigen Wert für Endanleger zu schaffen und nachhaltige Vorteile für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu ermöglichen.48 Erwartet wird von institutionellen Investoren, sich dafür aktiv und auf Dauer in den Willensbildungsprozess der Gesellschaft im Sinne einer Strategie des „Kaufens und Kümmerns“ einzubringen und als kritischer Wächter und Kontrollinstanz auf eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung hinzuwirken.49 Als Einflussnahmemittel kommt zunächst der ←41 | 42→Einsatz von formellen, nach außen sichtbaren Investitionskontrollrechten in Betracht.50 Wesentlich ist als Mittel der Einflussnahme darüber hinaus die Pflege eines informellen, nichtöffentlichen Dialogs mit den Organmitgliedern.51 Für das Interesse institutioneller Investoren an einer stärkeren Investitionskontrolle und Teilhabe an der Willensbildung der Aktiengesellschaft ←42 | 43→wird darüber hinaus häufig auf den Begriff voice-Strategie zurückgegriffen.52 Diese grenzt sich ab von passiven Verhaltensweisen solcher Aktionäre, die schlechte unternehmerische Performance ausschließlich durch den Verkauf ihrer Anteile sanktionieren (exit statt voice).53 Darüber hinaus prägte in Europa die Aktionärsrechterichtlinie 2017 den in der Regel wie auch in dieser Untersuchung synonym zu Stewardship zu verstehenden Begriff des Shareholder Engagement.54

←43 | 44→

Stewardship-Strategien institutioneller Investoren sind von dem Phänomen des Shareholder Activism55 zu unterscheiden.56 Zwar ist eine trennscharfe Abgrenzung zwischen den hinter diesen Begriffen stehenden active und activist shareholders oft schwierig,57 etwa weil bei beiden klassischerweise die Steigerung ←44 | 45→des shareholder value im Mittelpunkt der Anlageinteressen steht und sie deshalb gleichgesinnt gegenüber der Gesellschaft auftreten können.58 Trotzdem kann danach differenziert werden, dass aktivistische Aktionäre – ggf. nach dem Versuch, die Mitglieder der Verwaltung „friedlich“ zu überzeugen59 – nicht vor einer öffentlichen Eskalation als Machtmittel absehen, um den Druck auf die Unternehmensleitung zur Durchsetzung der eigenen Interessen zu erhöhen.60←45 | 46→Regelmäßig suchen aktivistische Aktionäre dafür gezielt nach passenden Titeln und anfälligen Zielgesellschaften (sogenannten targets).61 Im Gegensatz hierzu beschränkt sich ein (bloß) aktives Handeln im Rahmen des Stewardship wegen des von aktivistischen Strategien abweichenden Geschäftsmodells typischerweise auf eine weniger eingriffsintensive Form der Mitwirkung und Interessendurchsetzung mit einer deutlich höheren Hemmschwelle zur offenen und aggressiven Konfrontation.62 Dieser Unterschied hat nicht zu unterschätzende Folgen, denn bei Bekanntwerden eines Konflikts zwischen Aktivisten und Unternehmen droht eine verunsicherte (Markt-)Öffentlichkeit und die Gefahr sich (erratisch) ←46 | 47→verschlechternder Aktienwerte.63 Nicht nur deshalb, sondern auch wegen des häufig nur kurzfristigen Anlagehorizontes aktivistischer Aktionäre wie bspw. von Hedgefonds64 wurde ihr Handeln aus Unternehmenssicht und am Kapitalmarkt als unwillkommen oder sogar ungehörig empfunden.65 Außerdem wird – trotz unsicherer empirischer Grundlage – vertreten, dass ihre Maßnahmen zwar kurzfristig ertragreich, auf Dauer aber wertvernichtend wirken bzw. das Wohl der ←47 | 48→Gesellschaft gefährden.66 Stewardship-Aktionäre zeichnen sich im Gegensatz dazu typologisch durch eine längerfristige Verbundenheit zur Gesellschaft aus, für die Grundlage bspw. eine auf Dauer angelegte, konsensorientierte Kommunikation in einem friedlichen Rahmen ist.67 Wegen ihrer langfristigen Interessen sind sie oft von der Unternehmensseite, den übrigen Stakeholdern sowie nicht nur vom europäischen, sondern auch vielen nationalen Gesetzgebern geschätzte Aktionäre.68 Befindet sich die Gesellschaft in einer Krise, die auch Aktivisten ←48 | 49→auf den Plan rufen kann, können langfristig orientierte Stewardship-Aktionäre zudem einen gewichtigen Gegenpol zu aktivistischen Aktionären bilden.69

II. Codes of Conduct und Transparenzpflichten für mehr Aktionärsengagement

Im Folgenden soll nach einem Überblick über die bisherigen Erfahrungen und wirtschaftlichen Hintergründe zum Stewardship-Engagement institutioneller Investoren kurz der weltweit als Vorbild ausgezeichnete UK Stewardship Code vorgestellt werden, mit dem versucht wird, institutionelle Investoren zu mehr Interesse an einem aktiven Aktionärsengagement zu drängen. Anschließend wird der Blick auf ähnliche regulatorische Stoßrichtungen in Deutschland gerichtet. Erst danach wird verständlich, warum zukünftig auch in Deutschland von einem stärkeren Stewardship-Engagement institutioneller Investoren auszugehen ist.70

←49 | 50→
1. Zunehmendes Aktivitätsniveau oder rationale Apathie?

Wird ein Stewardship-Engagement verfolgt, erfordert es von institutionellen Investoren die erhöhte Investition in Mitwirkungs- und Überwachungstätigkeiten gegenüber den Gesellschaftsorganen. Notwendig wird es, sich mit den relevanten Themen des konkreten Unternehmens intensiv auseinanderzusetzen, selbst Marktforschungen anzustellen, Unternehmensdaten anzufordern und auszuwerten und sich bei einer formellen Einflussnahme wie auch den informellen Beratungen entsprechend einzusetzen.71 Einige institutionelle Investoren bilden hierfür in jüngerer Zeit eigene active ownership practices, d.h. spezialisierte Teams, denen die aktive Ausübung der Eigentumsrechte sowie die Kontaktpflege mit der Verwaltung obliegt.72

Trotz dieser Entwicklungen ist als bisherige praktische Erfahrung festzustellen, dass institutionelle Investoren jeweils in sehr unterschiedlichem Maße aktiv werden und Aktionärsverantwortung in ihren Portfoliogesellschaften übernehmen (wollen).73 Anstatt eines aktiven Stewardship-Engagements ist jedenfalls auch die Passivität institutioneller Investoren weit verbreitet.74 Gegen ein aktives ←50 | 51→Stewardship-Engagement institutioneller Investoren sprechen vor allem wirtschaftliche Erwägungen, die im Schrifttum unter dem Stichwort „rationale Apathie“ diskutiert werden.75 Rational ist ihre Passivität, weil sich viele institutionelle Investoren nach dem Gebot wirtschaftlicher Vernunft unter Berücksichtigung der vorliegenden Markt- und Wettbewerbsstruktur und einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse dazu entscheiden, von einem aktiven Engagement abzusehen.76←51 | 52→Die sorgfältige Vorbereitung und Durchführung von Stewardship-Maßnahmen ist jedenfalls kostspielig wie auch vor dem Hintergrund begrenzter personeller Kapazitäten zeit- und ressourcenaufwendig, sodass entsprechende Maßnahmen – insbesondere bei stark diversifizierten Portfolios – außer Verhältnis zu einem potenziellen Ertrag aus der gehaltenen Beteiligung stehen.77 Mangels eines eindeutig zu führenden Kausalitätsnachweises kommt verschärfend hinzu, dass nicht zuverlässig zu beweisen ist, ob ein aktives Stewardship-Engagement tatsächlich zu einem Nutzen, regelmäßig also der erhofften Wertsteigerung der Beteiligungsunternehmen, führt.78 Eine bloß zurückhaltende Stewardship-Mitwirkung ohne Rückgriff auf die Eskalationsmittel aktivistischer Kampagnen, bei denen die Interessendurchsetzung durch den Druck der Öffentlichkeit quasi erzwungen wird, erscheint überdies wegen des geringen politischen Einflusses ←52 | 53→der eigenen Minderheitsbeteiligung wenig erfolgsversprechend.79 Angeheizt wird die Passivität institutioneller Investoren durch den Kostendruck der in Konkurrenz stehenden Institutionen.80 In diesem Zusammenhang behindert zudem das Kollektivhandlungsproblem in Aktiengesellschaften ein aktiveres Engagement institutioneller Investoren, weil jeder Aktionär stets zum Teil oder sogar ganz auf das Engagement eines anderen Aktionärs spekulieren wird, um Kosten zu sparen.81 Nicht zu unterschätzen sind darüber hinaus Spannungen, die aus der internen, meist auf Kurzfristigkeit basierenden Leistungsbewertung der jeweiligen Fondsmanager entstehen.82 Die Entscheidung für oder gegen ein ←53 | 54→aktives Engagement wird schließlich beeinflusst durch vielfältige Konfliktpotenziale, die aus der Doppelrolle institutioneller Investoren als Prinzipale im Verhältnis zu ihren Portfoliogesellschaften und zugleich Agenten gegenüber ihren eigenen Begünstigten und ihren übrigen geschäftlichen Beziehungen folgen können.83

Dass sich institutionelle Investoren gegen eine aktive Einflussnahme in ihren Beteiligungsgesellschaften entscheiden, wurde im Rahmen der theoretischen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise in Wissenschaft und Praxis kritisiert.84 International wie national wird seitdem ein verantwortungsbewusstes Aktionärsengagement institutioneller Investoren in ihren Beteiligungsgesellschaften als Idealbild und wichtige Säule der Corporate Governance bewertet.85 Verbunden ←54 | 55→ist damit die Hoffnung, langfristigen Wert für Endanleger zu schaffen und nachhaltige Vorteile für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu ermöglichen.86 Mittlerweile kommt es deshalb zu einem stärkeren rechtspolitischen Druck gegenüber institutionellen Investoren, Aktionärsverantwortung ernst zu nehmen und mehr Interesse an einer aktiven Mitwirkung in ihren Beteiligungsgesellschaften zu zeigen.87 Dafür wurden in vergleichsweise jungen Regelungsansätzen zum einen Verhaltensmaßstäbe in der Form von Kodizes88 etabliert, die institutionelle Investoren incentivieren wie auch disziplinieren (sollen), eine Schlüsselposition in der Corporate Governance ihrer Beteiligungsunternehmen zu übernehmen und mit Unternehmen langfristig zusammenzuarbeiten.89 Zum anderen wird ←55 | 56→mehr Transparenz über die Anlagestrategien und Mitwirkungspolitiken institutioneller Investoren gefordert, um nicht nur die Rechenschaftspflicht gegenüber ihren eigenen Interessenträgern, den Stakeholdern und der Zivilgesellschaft weiter auszubauen, sondern auch Endanlegern zu ermöglichen, informierte Anlageentscheidungen zu treffen.90

2. UK Stewardship Code als weltweites Vorbild

Der erstmals im Juli 2010 vom FRC91 verabschiedete, im Oktober 2012 und zuletzt im Jahr 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 überarbeitete UK Stewardship Code92 gilt als erster Kodex seiner Art, nachdem die Forderung nach einer ←56 | 57→rechtlich geregelten Mitverantwortung von institutionellen Investoren nach der Finanzmarktkrise im Vereinigten Königreich mit großem politischen Druck verfolgt wurde.93 In der aktuellen Fassung porträtieren zwölf Prinzipien in einer Art behavioral bible for shareholders bestmögliches Stewardship-Verhalten für asset owners und asset managers.94 Dennoch wird nicht zwingend ein einziger Stewardship-Ansatz vorgegeben, sondern institutionellen Investoren95←57 | 58→ermöglicht, Stewardship-Erwartungen in einer Weise zu erfüllen, die auf das eigene Geschäftsmodell ausgerichtet ist.96 Neu hinzugekommen ist mit dem UK Stewardship Code 2020 insbesondere, dass institutionelle Investoren auch Verantwortung für die Umwelt wahrnehmen sollen.97 Dafür wird im UK Stewardship Code 2020 ausdrücklich hervorgehoben, dass Umweltaspekte, insbesondere der Klimawandel, und soziale Faktoren sowie die Governance für Investoren zu wesentlichen Themen geworden sind.98 Berichtet werden muss über die einzelnen Prinzipien des Kodex im Rahmen eines apply and explain-Mechanismus, wofür der Kodex entsprechende reporting expectations bereithält, um einer unzureichenden Berichtsqualität zuvorzukommen.99

Trotz teils scharfer Kritik mit Blick auf sein Erfolgspotenzial100 hatte der UK Stewardship Code seit seinem Entstehen weltweit Modellcharakter und diente in zahlreichen Jurisdiktionen als Vorbild für nationale Stewardship-Regelungen.101←58 | 59→Darüber hinaus haben sich supranationale Kodizes zu Stewardship-Prinzipien institutioneller Investoren entwickelt, die über einen bloß national verstandene Stewardship-Verantwortung hinausgehen und teilweise von privaten, von staatlichen oder halbstaatlichen Einrichtungen veröffentlicht werden.102

3. Initiativen für mehr Stewardship-Verantwortung in Deutschland

Für die zunehmende rechtliche Integration von institutionellen Investoren in das Corporate Governance-Modell in Deutschland existiert bisweilen kein eigenes Regelwerk ähnlich dem UK Stewardship Code.103 Im Aktienrecht werden ←59 | 60→die Aktionärspflichten gemäß §§ 54 ff. AktG im Grunde nur auf die Leistung der Einlage begrenzt, was die Aktie attraktiv und verkehrsfähig macht.104 Jedem Aktionär steht somit das – aktienrechtlich ungeschriebene – Recht auf eigene Passivität zu.105 Auch vor dem Hintergrund des Art. 14 GG wäre es nicht zu ←60 | 61→rechtfertigen, Aktionäre auf ein verstärktes Stewardship-Engagement oder auf den langfristigen Unternehmenserfolg zu verpflichten.106 Konkret bestimmt werden kann die tatsächliche Stewardship-Mitwirkung eines institutionellen Investors in Deutschland deshalb nicht anhand des Aktienrechts, sondern nur anhand des investoreneigenen Geschäftsmodells und den Interessen seiner Kunden.107 Zwei aktuelle Entwicklungen haben den Stewardship-Gedanken aber auch in Deutschland in den Fokus gerückt.

Details

Pages
472
Year
2021
ISBN (PDF)
9783631860465
ISBN (ePUB)
9783631860472
ISBN (Softcover)
9783631857687
DOI
10.3726/b18885
DOI
10.3726/b18643
Language
German
Publication date
2021 (September)
Keywords
Corporate Governance Experteninterviews Aktionärsgleichbehandlung Investorendialog Aufsichtsrat Investor Relations Institutionelle Investoren Stewardship
Published
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 472 S., 3 Tab.

Biographical notes

Lukas Vossen (Author)

Lukas Vossen, geboren 1994 in Düsseldorf; 2012-2017 Studium der Rechtswissenschaft und Fachspezifische Fremdsprachenausbildung Common Law in Münster mit Aufenthalten in Hilo, Hawaii (USA) und Perugia (Italien); 2021 Promotion durch die Juristische Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt a.M. nach Promotionsstudium bei Prof. Dr. Katja Langenbucher mit Forschungsaufenthalt am Commercial Law Centre der University of Oxford; seit 2021 Rechtsreferendar am Kammergericht Berlin.

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Title: Investorengespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis
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