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Karl Peters (1904 – 1998)

Verantwortung und Anspruch eines Juristen

von Hannah Andres (Autor:in)
©2021 Dissertation 468 Seiten
Reihe: Rechtshistorische Reihe, Band 496

Zusammenfassung

Dieses Buch zeichnet das Leben und Wirken des bedeutenden Strafrechtswissenschaftlers Karl Peters nach, wobei ein Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus liegt. Als Staatsanwalt seit 1932 tätig, auf Grund seiner
katholischen Konfession erst 1942 zum Ordinarius in Greifswald ernannt, von 1946 bis 1962 Professor in Münster und sodann bis 1972 in Tübingen tätig. Peters‘ Wirken beeindruckt durch seine Bandbreite. Neben einer intensiven
Auseinandersetzung mit dem Strafprozess, -vollzugs- und Jugendstrafrecht forschte er in den Bereichen dermKriminologie, Soziologie, Psychologie, Medizin und Pädagogik. Getragen von christlichen Grundanschauungen stellte Peters hohe Anforderungen an sich und den (Straf-)Juristen. Die Beschäftigung mit Justizirrtümern und dem Wiederaufnahmeverfahrensrecht wurde zu seinem Hauptanliegen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I. Forschungsstand
  • II. Untersuchungsziel
  • III. Vorgehensweise
  • IV. Quellenlage
  • V. Methodik
  • 1. Biographik
  • 2. Rechtsgeschichtlicher Ertrag
  • B. Karl Peters – Eine Lebensbeschreibung
  • I. Familiärer Hintergrund
  • 1. Groß- und Urgroßeltern
  • 2. Vater Franz Peters
  • 3. Bruder Hans Peters
  • a) Ausbildung und Zeit im Verwaltungsdienst
  • b) Wissenschaftliche Laufbahn
  • c) „Politischer Professor“
  • II. Karl Peters‘ Jugendjahre (1904 – 1922)
  • 1. Koblenzer Zeit
  • 2. Schulzeit in Münster
  • 3. Kriegs- und Nachkriegsjahre
  • III. Juristenausbildung in der Weimarer Republik
  • 1. Studium (1922 – 1925)
  • 2. Referendariat (1925 – 1929)
  • IV. Erste Berufsjahre (1929 – 1932)
  • 1. Assessorenzeit: Hilfsarbeiter bei der Staatsanwaltschaft
  • 2. Beginn der wissenschaftlichen Laufbahn
  • a) Promotion
  • b) Habilitation
  • c) Privatdozentur
  • 3. Heirat und Familiengründung
  • V. Beruflicher Werdegang während der NS-Zeit und in der Nachkriegszeit 1945/46
  • 1. Deutungsmuster „nationalsozialistisches Recht“
  • a) „Perversionsansatz“ und Kritik
  • b) Alternative Ansätze
  • c) Abschließende Bemerkungen
  • 2. Kölner Jahre: Weg bis zum Ersten Staatsanwalt und Beitrag „zum kommenden Strafrecht“
  • a) Strafrecht im Nationalsozialismus
  • aa) Rechtsentwicklung
  • (1) Vorkriegszeit, 1933 bis 1938
  • (2) Kriegszeit, 1939 bis 1945
  • bb) Erwartungen: „Nationalsozialismus und Strafrecht“ und „Aufgaben der Rechtsanwendung im Strafrecht“
  • cc) „Das gesunde Volksempfinden“
  • dd) „Zur Neuordnung des Strafverfahrens“
  • (1) Stellung des Richters und Staatsanwalts im Strafprozess
  • (2) Karl Peters‘ Vorstellungen
  • b) Kölner Justizapparat im Nationalsozialismus
  • aa) Machtwechsel
  • bb) Personalpolitik und Parteibuch
  • c) Staatsanwalt am Kölner Landgericht (1932 – 1941)
  • aa) Buchstabendezernat
  • bb) Umgang mit Verfahrenseinstellungen
  • (1) Der Fall „Dumm“
  • (2) Der Fall „Werner Beinhauer“
  • cc) Meineidskomplex: Anfänge der Fehlerquellenforschung
  • (1) Sonderdezernat für Straftaten wegen Meineid
  • (2) „Zeugenlüge und Prozeßausgang“
  • dd) Referendarausbildung
  • ee) Jugenddezernat
  • (1) Jugendstrafrecht als eigenständiges Rechtsgebiet
  • (2) Jugendstrafrecht im Nationalsozialismus
  • (3) Reformbestrebungen und Reform im Jugendstrafrecht
  • (4) Jugendgerichtsgesetz (RJGG) von 1943
  • (5) Kommentierung zum Jugendgerichtsgesetz
  • (6) Profil des Jugendstaatsanwalts
  • (7) Handhabung des Jugendgerichtsgesetzes
  • d) Staatsanwalt am Kölner Oberlandesgericht (1941 – 1942)
  • e) Abschließende Bemerkungen
  • 3. Weg zum Ordinariat
  • a) Nationalsozialistische Hochschul- und Berufungspolitik
  • b) Lehrstuhlvertretungen in Bonn und Jena
  • c) Weitere Berufungsverfahren
  • d) Berufung nach Greifswald
  • e) Abschließende Bemerkungen
  • 4. Professor in Greifswald (1942 – 1946)
  • a) Persönliches Umfeld
  • aa) Erich Molitor
  • bb) „Ersatzfamilie“ Peters
  • b) Die Universität im Krieg
  • aa) Universitätsbetrieb
  • bb) Lehre und Forschung
  • c) Die katholische Gemeinde und der Fall Wachsmann
  • d) Kriegsende
  • 5. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre (1945/46)
  • a) Entnazifizierungsverfahren
  • aa) In der sowjetischen Besatzungszone
  • bb) In der britischen Besatzungszone
  • b) Tätigkeit für den Deutschen Caritasverband
  • 6. Bewertung von Mitgliedschaften in der NSDAP und ihren Gliederungen
  • a) NSDAP und SA
  • aa) Hoffnung und Enttäuschung
  • bb) Opportunität und Konformität
  • b) NS-Rechtswahrerbund
  • c) Sonstige Mitgliedschaften
  • 7. Abschließende Bewertung zu Peters‘ in der Zeit des Nationalsozialismus
  • VI. Münster (1946 – 1962)
  • 1. „Stunde Null“: Der Wiederaufbau
  • 2. Lehrbetrieb
  • 3. Forschung
  • a) Institut für Strafprozeßrecht und Strafvollzug
  • b) Forschungsreisen, Tagungen, Mitgliedschaften
  • c) Akademische Schüler
  • 4. Wilhelm Sauer
  • 5. „Kampf dem Atomtod“
  • 6. Der Fall „Hagemann“
  • 7. Wendepunkte: Arthur Wegner
  • VII. Tübingen (1962 – 1972)
  • 1. Ruf an die Eberhard Karls Universität in Tübingen
  • 2. „Universitätsalltag“
  • a) Lehre und wissenschaftlicher Nachwuchs
  • b) Publikationen und Forschungsstelle für Strafverfahren und Strafvollzug
  • c) Studentenunruhen 1968
  • 3. Tätigkeit in der Strafrechtspflege
  • 4. Emeritierung
  • VIII. „Ruhestand“
  • 1. Wissenschaftliches und literarisches Wirken
  • 2. Ehrenamtliches Engagement
  • 3. Ehrungen und Würdigungen
  • 4. Abschied
  • C. Wirken von Karl Peters nach 1945
  • I. Grundanschauungen und Leitlinien
  • 1. Christliches Menschenbild
  • 2. Rechtsverständnis
  • a) Grundlagen
  • b) Recht und Sittlichkeit
  • aa) Rechtspflichten und sittliche Pflichten
  • bb) Verhältnis von Recht und Sittlichkeit
  • cc) Wertungsharmonie
  • c) Strafrecht
  • aa) Sichtbarmachung der sittlichen Grundordnung
  • bb) Straftat als Versagen
  • cc) Täter-Tatstrafrecht
  • dd) Schuldstrafrecht
  • ee) Willensfreiheit
  • ff) Strafzwecke
  • gg) Strafe
  • 3. Eintreten für die Zeugen Jehovas
  • a) Sachverhalt und Rechtsprobleme
  • b) Peters‘ Lösungsansatz
  • II. Rechtspolitik
  • 1. Das Reformzeitalter
  • a) Die Bundesrepublik der Nachkriegsjahre
  • b) Die Große Strafrechtsreform
  • aa) Kritik am E 1962
  • (1) Aufgabe des Strafgesetzgebers
  • (2) Sanktionssystem
  • (3) Dogmatik und Gesetzestechnik
  • bb) Reform in Raten
  • c) Weitere Strafrechtsentwicklung
  • d) Peters‘ Thesen zur Reform des Strafrechts
  • aa) Sittliche Fundierung
  • bb) Gesamtheit und Einheitlichkeit der Reform
  • cc) Konzept zur Strafrechtsbeschränkung
  • (1) Begründungsansatz
  • (2) Entbehrlichkeit materieller Straftatbestände
  • (3) Tatbestandsformulierung und Auslegung
  • (4) Prozessuale Instrumente
  • (5) Personelle Veränderungen
  • (6) Resonanz, Wertung und Diskussionsstand
  • 2. Debatte um gesellschafts- und rechtspolitische Themen
  • a) Schwangerschaftsabbruch
  • aa) Stimmungslage
  • bb) Peters‘ Haltung zum Schwangerschaftsabbruch
  • cc) Juristische Konstruktion
  • dd) Gesetzliche Regelung
  • b) Sittlichkeitsdelikte
  • aa) Kritik am AE
  • bb) Homosexualität
  • c) Todesstrafe
  • 3. Abschließende Bemerkungen
  • III. Strafverfahrensrecht
  • 1. Strafprozess: Strafprozesslehre und Strafprozessrecht
  • a) Begrifflichkeiten
  • b) Zielsetzung
  • c) Methodik der Fehlerquellenforschung
  • d) Systematisierung des Strafprozesses
  • e) Resonanz in der Forschung
  • 2. Lehrbuch „Strafprozeß“
  • a) Konzeption
  • b) Resonanz
  • 3. Strafrechtsgestaltende Kraft des Strafprozesses
  • a) Zielsetzung
  • b) Beispiel 1: Der Tatbegriff
  • aa) Prozessuale Tat und Prozessgegenstand
  • bb) Einheitsstrafe und Konkurrenzlehre
  • c) Beispiel 2: Sozialadäquanz
  • 4. Beweislehre und Lehre von den Fehlerquellen
  • a) Ermittlungsverfahren: Sachverhaltsermittlung
  • aa) Kriminalistik
  • bb) Umfang der Sachverhaltsermittlung
  • cc) Anklageerhebung
  • b) Beweisverbote
  • aa) Systematisierung
  • bb) Zielkonflikte
  • (1) Polygraph
  • (2) Tonband- und Tagebuch-Entscheidung
  • c) Beweisaufnahme
  • aa) Umfang und Durchführung der Beweisaufnahme
  • bb) Psychologie des Strafverfahrens
  • (1) Ansatz
  • (2) Forschungsstand
  • cc) Rollenproblematik
  • (1) Rollenverteilung
  • (2) Rollenverknüpfung und Rollendenken
  • (3) Abblock-Verhalten
  • (4) Rollenvertauschung
  • (a) Rolle des verdeckten Ermittlers
  • (b) Beschuldigter und Zeugenrolle
  • dd) Aussagepsychologie
  • (1) Aussage als Persönlichkeitsleistung
  • (2) Aussageanalyse
  • ee) Sachverständigenbeweis
  • d) Beweiswürdigung
  • aa) Maßstab
  • bb) „Vorsichtsregeln“
  • 5. Wiederaufnahme des Strafverfahrens
  • a) Grundlagen
  • b) Ursachen für das Scheitern von Wiederaufnahmeverfahren
  • c) Reformvorschläge
  • aa) Zulässigkeit
  • bb) Begriff der „Tatsache“
  • cc) Beibringung neuer Beweise und Tatsachen
  • dd) Zuständigkeit
  • 6. Abschließende Bemerkungen
  • IV. Jugendstrafrecht
  • 1. Ansatz
  • 2. Jugendgerichtsgesetz von 1953
  • 3. Rechtsstaatsmodell vs. Wohlfahrtsmodell
  • a) Jugendkonfliktrecht
  • aa) Ausgangslage: Hineinwachsen des Jugendlichen in die Rechtsordnung
  • (1) Fähigkeit zu Einsicht und Willensbildung
  • (2) Werterleben
  • bb) Folgerungen
  • b) Änderungsvorschläge
  • c) Weitere Rechtsentwicklung
  • 4. „Innere Reform“
  • a) Diversion
  • b) Etikettierung und Normalität von Kriminalität
  • 5. Abschließende Bemerkungen
  • V. Strafvollzug
  • 1. Ausgangslage
  • a) Rechtslage seit 1871 und Große Strafrechtsreform
  • b) Kriminalpolitischer Wandel
  • c) Rechtsstellung der Strafgefangenen
  • 2. Kriminalpädagogik
  • a) Begriff und Einordnung
  • b) Kriminalpädagogik vs. Resozialisierung
  • c) „Fremderziehung zur Selbsterziehung“
  • 3. Diskussion um das Strafvollzugsziel
  • 4. Ausgestaltung des Behandlungsvollzugs
  • a) Behandlungsgrundsatz der Kooperation und Aktivität
  • b) Vollzugsplan: Klassifizierung und Individualisierung
  • c) Erziehungsvorgang und Erziehungsbeteiligte
  • 5. Abschließende Bemerkungen
  • D. Zusammenfassende Betrachtungen zum Leben und Wirken von Karl Peters
  • I. Juristenausbildung und Berufsethik
  • II. Bilanz
  • Anhang
  • Doktoranden
  • Habilitanden
  • Bibliographie
  • Quellenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

←18 | 19→

Abkürzungsverzeichnis

a.D.

außer Dienst

AG

Amtsgericht

AE

Alternativentwurf

APuZ

Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift)

a.o. Prof.

außerordentlicher Professor

ArchKrim

Archiv für Kriminologie (Zeitschrift)

BA Berlin

Bundesarchiv Berlin

BBG

Berufsbeamtengesetz

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BJM

Bundesjustizministerium

BNSDJ

Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

CDU

Christliche Demokratische Union Deutschlands

DBG

Deutsches Beamtengesetz

DEWV

Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung

Diss.

Dissertation

DJ

Deutsche Justiz (Zeitschrift)

DJZ

Deutsche Juristen-Zeitung (Zeitschrift)

DR

Deutsches Recht (Zeitschrift)

d.R.

der Reserve

DRiZ

Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift)

DStR

Deutsches Strafrecht (Zeitschrift)

E

Entwurf

EG

Erinnerungsgabe

Fak.

Fakultät

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift)

FG

Festgabe

FS

Festschrift

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift)

Gestapo

Geheime Staatspolizei

GS

Gedächtnisschrift

GStA

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

GenStA

Generalstaatsanwaltschaft/-anwalt←19 | 20→

OGH

Oberste Gerichtshof (für die Britische Besatzungszone, bestehend von März 1948 bis September 1950)

OLG

Oberlandesgericht

OStA

Oberstaatsanwaltschaft/Oberstaatsanwalt

PDA

Personal- und Dienstakte

PrMfWKV

Preußischer Minister/Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (Bezeichnung 1918 – 1933)

REM

Reichsminister/Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Bezeichnung 1933 – 1945)

Rewi. Fak.

Rechtswissenschaftliche Fakultät

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RJGG

Reichsjugendgerichtsgesetz (von 1943)

RJM

Reichsjustizminister/Reichsjustizministerium (Bezeichnung 1919 – 1945)

RSHA

Reichssicherheitshauptamt

RSW Fak.

Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

RWW Fak.

Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

RuP

Recht und Politik (Zeitschrift)

SA

Sturmabteilung

SchwZStrW

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift)

SMAD

Sowjetische Militäradministration

Habil.

Habilitation

HdK

Handwörterbuch der Kriminologie

HdS

Handbuch der Sozialerziehung

HRG

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte

IKV

Internationale Kriminalistische Vereinigung

i.H.v.

in Höhe von

i.V.m.

in Verbindung mit

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JMBl.

Justiz-Ministerial-Blatt

Jur. Fak.

Juristische Fakultät

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JW

Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

JZ

Juristische Zeitschrift (Zeitschrift)

KE

Kommissionsentwurf

KPD

Kommunistische Partei Deutschlands←20 | 21→

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

KSSVO

Kriegssonderstrafrechtsverordnung

LG

Landgericht

LdP

Lexikon der Pädagogik

LPD

Liberal-Demokratische Partei Deutschlands

LThK

Lexikon für Theologie und Kirche

MdB

Mitglied des Deutschen Bundestages

MschKrimBiol

Monatsschrift für Kriminalbiologie

MschrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (Zeitschrift)

NDB

Neue Deutsche Biographie

NSD-Dozentenbund

Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NSRB

Nationalsozialistische Rechtswahrerbund

NSV

Nationalsozialistische Volkswohlwahrt

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

o. Prof.

ordentlicher Professor

SoSe

Sommersemester

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SS

Schutzstaffel

StA

Staatsanwaltschaft/Staatsanwalt

StraFO

Strafverteidiger Forum (Zeitschrift)

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

ThVM

Thüringisches Volksbildungs-ministerium

uk-gestellt

Unabkömmlichstellung

VG

Verwaltungsgericht

VjZ

Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (Zeitschrift)

WS

Wintersemester

ZAkdR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (Zeitschrift)

ZDRW

Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaften (Zeitschrift)

ZBl.JR

Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Zeitschrift)

ZNR

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (Zeitschrift)

ZRG GA

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (Zeitschrift)

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)←21 | 22→

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift)

Die Abkürzung „a.a.O.“ steht, wenn in einer Anmerkung auf einen zuvor genannten Fundort oder eine zuvor genannte Quelle verwiesen wird. „Ebd.“ steht, wenn auf eine zuvor genannte Quelle und die gleiche Seite bzw. das gleiche Blatt verwiesen wird.

←22 | 23→

A. Einleitung

I. Forschungsstand

Ein Gesamtwerk über Leben und Schaffen von Karl Peters sowie dessen Kritik und Würdigung bis hin zur Bedeutung für unsere heutige Zeit fehlen bisher. Vorhanden sind ein Eintrag in ein Personenlexikon1, akademische Ehrungen2 bzw. öffentliche Geburtstagsgratulationen3, Laudationes4, zwei Festschriften – eine aus der Wissenschaft5, die andere aus der anwaltlichen Praxis6 –, ein Sammelband mit ausgewählten Schriften7, diverse Nachrufe8. In Kommentaren und Lehrbüchern findet Peters noch vielfältige Berücksichtigung, wenn auch häufig mit dem Hinweis, dass er eine andere Ansicht vertritt. Schließlich finden sich in Dissertationen und Monographien über die Universitätsgeschichte bzw. die Geschichte der Juristischen Fakultäten Berichte über Peters‘ Wirken an der jeweiligen Universität9.

Die Erforschung der jeweiligen Universitäts-, Fakultäts- sowie Wissenschaftsgeschichte während des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit ist weit ←23 | 24→fortgeschritten. In der biographischen Forschung liegt ein Hauptaugenmerk nicht mehr nur auf Juristen, die während des Nationalsozialismus zu den führenden Persönlichkeiten gehörten und nach 1945 einflussreich geblieben sind. In den Blick genommen werden nunmehr auch die übrigen Akteure in der Rechtswissenschaft, wodurch das Bild vervollständigt wird. Zu einem weiteren Feld der NS-Forschung gehört die Erforschung des Justizwesens. Die hierzu erschienenen Studien konzentrieren sich neben der Rechtsprechungspraxis des Reichsgerichts10, des Volksgerichtshofs11 und der Sondergerichte12 auch auf die ordentliche Gerichtsbarkeit an den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten13 sowie auf die Richterpersönlichkeiten14. Neben der Erfassung der Richterschaft während des Nationalsozialismus wird verstärkt – häufig aber immer noch mehr am Rande – auch ein Fokus auf die Rolle der Staatsanwaltschaft und Polizei geworfen15. Insbesondere die Untersuchungen über den Bezirk des OLG ←24 | 25→Köln im Rahmen des Verbundprojekts „Justiz im Krieg“ der Universität zu Köln geben Auskunft über die Rahmenbedingungen von Karl Peters‘ Tätigkeit als Staatsanwalt16.

II. Untersuchungsziel

Das Denken und Wirken von Peters nicht in Vergessenheit geraten zu lassen ist ein Grundgedanke dieser Arbeit17. Insofern gilt es eine Lücke zu schließen und eine zusammenfassende Arbeit über die Person und das Besondere seines Wirkens in Form einer biographischen Abhandlung zu verfassen. Darüber hinaus wird eine Ergänzung und Fortführung der vorhandenen Untersuchungen zur Rechtswissenschafts-, Universitäts- und Justizgeschichte vor und nach 1945 geliefert.

Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit besteht darin, dass Peters‘ Arbeit an Aktualität und Bedeutung nichts verloren hat. Neben der Grundfrage nach der Verantwortung des Juristen ist im Zusammenhang mit Peters‘ Untersuchung zu den Fehlerquellen im Strafprozess auf extreme Fälle von Justizirrtümern in der jüngeren Geschichte zu verweisen, die beispielsweise mit den Namen Horst Arnold, Ulvi Kulac, Norbert Kuß, Gustl Mollath oder Harry Wörz verbunden sind18.

Peters verstand sich nicht nur auf die Verbindung von Theorie und Praxis, sondern war auch gegen eine trennende Betrachtung von materiellem und formellem Recht. In seinen Arbeiten war er bemüht, die ganze Bandbreite verschiedener Themenbereiche und Disziplinen wie Kriminologie, Soziologie, Psychologie, Medizin und Pädagogik bis hin zu moralisch-ethischen Fragen zu erfassen. Dieses Spektrum beschreibt zugleich eine Herausforderung dieser Arbeit. So bemerkt Peters‘ Schüler Jürgen Baumann: „Eine Würdigung des wissenschaftlichen Werkes von Karl Peters begegnet wegen der Weitgespanntheit ←25 | 26→seiner Interessen nicht geringen Schwierigkeiten“19. In dieser Abhandlung bleibt daher kaum ein Bereich unberücksichtigt, der nicht im Zusammenhang mit der Gesamtthematik des Strafrechts steht. Unerlässlich ist eine Begrenzung, indem auf einzelne Bereiche nur in Grundzügen aus Peters‘ Sicht eingegangen werden kann. Neben einer Darstellung von Leben und Wirken steht die Herausarbeitung Peters‘ christlich-humanistischen Ansatzes im Vordergrund, denn „gleich, welches Gebiet man ansieht“, wird dieser Ansatz „überall erkennbar“20.

III. Vorgehensweise

Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Lebensweg. Ein chronologisches Vorgehen bietet sich an, da wesentliche Lebensabschnitte mit rechtlichen, politischen, gesellschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Umbrüchen zusammentreffen. Untersucht werden das Verhalten und Handeln Peters‘ in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus, in der Besatzungs- und Nachkriegszeit und in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei geht es insbesondere um die Anforderungen und die Integrität eines Juristen während der NS-Zeit. Speziell geht es bei Peters um ein Verständnis für die Person, deren Charakter und Grundanschauungen sowie um die Nachzeichnung des akademischen und beruflichen Werdegangs als Jurist. Dabei stellt sich die Frage, ob Peters in der Zerrissenheit des totalitären NS-Systems seinem moralischen Anspruch gerecht geworden ist. Aus Gründen der Darstellbarkeit und wegen des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Lebensumständen und Werk in den Jahren 1933 bis 1945 erfolgt bereits im biographischen Teil dieser Arbeit eine Auseinandersetzung mit Peters‘ wissenschaftlichem Wirken während der Weimarer Republik und der NS-Zeit.

Der zweite Teil wird sich mit der wissenschaftlichen Arbeit und dem Wirken von Peters nach 1945 auseinandersetzen. Dabei soll eine Antwort auf folgende Fragen gefunden werden: Welchen Einfluss hatte Peters‘ Wirken auf Gesetzgebung, (Strafrechts-)Wissenschaft und Praxis? In welchen Forschungsdiskurs ist seine Arbeit einzuordnen? War Peters ein Reformer und moderner Strafrechtler? Wie veränderten sich seine Ansätze und sein Denken im Laufe der Zeit? Welche Kritikpunkte und Forderungen sind auch heute noch aktuell? Den einzelnen Themenbereichen wird ein Leitfaden, das „Programm“ für Peters‘ Handeln und Denken vorangestellt (C. I.). Neben der ganzheitlichen Betrachtungsweise ←26 | 27→wird es in diesem Zusammenhang um das christlich-humanistische Fundament von Peters gehen. Es folgt ein Kapitel zur Rechtspolitik in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1990 (C. II.). Hierbei wird es um die Reformdiskussion zur Großen Strafrechtsreform und die wesentlichen Entwicklungen im Straf- und Strafverfahrensrecht gehen, ergänzt durch eine Darstellung konkreter rechts- und gesellschaftspolitischer Themen. Ein zweiter Schwerpunkt der Abhandlung bildet das Strafverfahrensrecht (C. III.). Aus der Untersuchung zu den Fehlerquellen im Strafprozess hat Peters wichtige Folgerungen für das Beweisverfahren und das Wiederaufnahmerecht gezogen. Es folgt eine Auseinandersetzung mit Peters‘ Beitrag zum Jugendstrafrecht (C. IV.) und zum Strafvollzugsrecht (C. V.).

Enden wird die Abhandlung mit einer abschließenden Betrachtung. Als Ergänzung und Zusammenfassung wird es dabei um Peters‘ Anspruch an die Juristenausbildung gehen. Peters‘ Lebensweg soll mit seinen prägenden Zeitgeschehnissen und Erkenntnisstufen skizziert werden. Als Anhang ist ein Verzeichnis der von Peters betreuten Promotionen und Habilitationen und eine Bibliographie beigefügt.

IV. Quellenlage

Ausgangspunkt ist die Auswertung der Archivalien im Bundesarchiv Berlin, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Westfalen und in den Archiven der universitären Wirkstätten, namentlich Köln, Jena, Greifswald, Münster und Tübingen. Im Zusammenhang mit der Familiengeschichte wurde Aktenmaterial in dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Rheinland, dem Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin und in dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz ausgewertet. Eine Anfrage bei der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen war unergiebig; es existieren jedoch Unterlagen über den Bruder Hans Peters. Ein weiterer Zugang zu Peters hat sich durch Gespräche mit Zeitzeugen (Tochter, Schüler und Kollegen) eröffnet.

Wichtigste Quelle und Informationsgrundlage bieten Peters‘ Schriften und sein Nachlass im Tübinger Universitätsarchiv, in dem sich insbesondere das unveröffentlichte Manuskript „Aus meinem Leben. Euer Vater und Großvater“ – eine Mischung aus Autobiographie und Lebenserinnerungen – befindet. Bezeichnend ist, dass Peters in seinen Veröffentlichungen – egal ob Aufsatz, Lehrbuch oder Monographie – den Leser klar und deutlich an eigenen Erfahrungen, Ansichten und (Wert-)Vorstellungen teilhaben lässt. Dadurch wird er oft selbst zu Wort kommen.

←27 | 28→

V. Methodik

1. Biographik

Die Biographie im geschichtswissenschaftlichen Sinne bezeichnet „eine individuelle Lebensgeschichte, die sowohl den äußeren Lebensablauf als auch die geistige und psychische Entwicklung umfasst. Als historiographisches Genre stellt sie das Leben eines Individuums in seinem historisch-sozialen und kulturellen Kontext dar“21. Moderne Biographien, die sich nicht mehr nur mit großen Persönlichkeiten von historischer Bedeutung befassen22 und sich hinsichtlich Methodik und Fragestellungen breiter aufstellen, liefern Beiträge zur Alltags-, Wissenschafts-, Kultur-, Sozial- oder Mentalitätsgeschichte23 und stellen so den Zusammenhang zwischen dem Einzelnen und sozialen, kulturellen oder politischen Umständen her. Diese Untersuchung soll einerseits einen Beitrag zur (Rechts-)Wissenschaftsgeschichte leisten. Dabei soll es um das Verständnis für die Rechtswissenschaft und Praxis Anfang der 1920er bis Anfang der 1990er Jahre gehen. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den rechtswissenschaftlichen Diskursen. Andererseits ist die Alltagsgeschichte berührt. Da diese Arbeit von einer Juristin mit rechtsgeschichtlicher Ausrichtung verfasst ist, steht die Lebensgeschichte des Juristen in seiner Zeit und deren Rechtssystem im Mittelpunkt der Betrachtung. Gleichwohl wird der gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Kontext erfasst.

Neben den allgemein in der Biographie zu stellenden Fragen, wie etwa nach dem familiären Hintergrund und dessen Einfluss sowie der Bedeutung von Ethik und Religion im Leben und Wirken, stellt sich bei einem Juristen die Frage nach dem Zusammenhang von persönlicher Biographie und Recht sowie der persönlichen Idee von Gerechtigkeit und Recht. Daher gilt es das Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis von Peters herauszuarbeiten. Vor allem soll der Frage nachgegangen werden, woher der bei Peters tiefverwurzelte Gerechtigkeitssinn stammte: War dieser eher aus einem grundsätzlichen Charakterzug, der Erziehung oder aus erlebter Ungerechtigkeit erwachsen?

Wissenschaftlicher Maßstab für eine Biographie bilden Objektivität, Faktengenauigkeit und Authentizität durch eine kritische Quellenauswertung und ←28 | 29→unter Berücksichtigung möglichst persönlicher, primärer Quellen24. Dabei ist zu beachten, dass eine Biographie nicht eine bloße Beschreibung von vermeintlich Vorgefundenem ist, sondern in einer sprachlichen Gestaltung besteht, in der erst durch den Biographen Handlungen und historische Realitäten gefunden und rekonstruiert würden25. Der Biographie darf daher weder das Konzept eines geradlinig oder sinnvoll verlaufenden Lebens und Werdegangs zugrunde gelegt werden26, noch dürfe ein „bürgerlicher Entwicklungsroman“ oder eine lückenlose Aneinanderreihung biographischer Details verfasst werden27. Die Biographie als Teil der Geschichtswissenschaft kann nur ein Interpretationsangebot machen. Ein weiteres methodisches Problem stellt die Herstellung eines angemessenen Verhältnisses von individueller Lebensbeschreibung, Werk und Einordnung in den allgemeinen historischen Kontext dar28. Als Lösung biete sich die Darstellung der geistigen Strömungen und des Gesamtzusammenhangs anhand einer Gegenfigur an29, wie sie hier der Bruder Hans Peters stellenweise darstellt. Jedenfalls muss die Biographie von Peters – vor allem im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus – mit anderen Biographien von Juristen verglichen werden. Nur so lassen sich biographische Tatsachen sachgerecht einordnen und bewerten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Peters eher als Repräsentant seiner Zeit, als Gesinnungsüberzeugter, als Mitläufer oder als nicht Angepasster und Kritiker zu charakterisieren ist. Schließlich gilt es zu betonen, dass ein weiteres wesentliches Problem in der Qualität und Quantität der verfügbaren (archivierten) Quellen besteht30.

2. Rechtsgeschichtlicher Ertrag

Neben der Biographik berührt diese Arbeit Fragen der Rechtsgeschichte. Die Konkretisierung des rechtshistorischen Erkenntnisgegenstandes ist nicht ←29 | 30→unproblematisch. Anders als die das 19. Jahrhundert beherrschende Historische Rechtsschule, die sich die Erarbeitung des geltenden Rechts mittels Geschichte zum Ziel machte, sieht sich heutige rechtshistorische Forschung der Sinnfrage ausgesetzt31. Die heutige Rechtswissenschaft sei eine grundsätzlich anwendungs- und praxisbezogene Disziplin. Da der Rechtsgeschichte demgegenüber die Verknüpfung zum geltenden Recht fehle, ist sie eine Wissenschaft des vergangenen Rechts32.

Festzuhalten ist, dass sich rechtsgeschichtliche Forschung neben einer traditionellen Untergliederung in Romanistik, Germanistik und Kanonistik und einer zeitlichen Untergliederung (Römische Rechtsgeschichte, germanische und fränkische Zeit, Mittelalter, Neuere und Neueste Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte33) auch im Hinblick auf ihren Forschungsgegenstand untergliedern lässt: einerseits die Rechtsgeschichte des Privatrechts, Strafrechts und öffentlichen Rechts; andererseits die Rechtsgeschichte im abstrakten Sinne als Fokussierung auf die Entwicklung von Rechtsordnungen, -normen und -institutionen sowie im individuellen Sinne als Auseinandersetzung mit rechtlich bedeutsamen Einzelerscheinungen und -ereignisse, wie Juristenbiographien34.

Als Wert für sich trägt Rechtsgeschichte zum reinen Erkenntnisgewinn bei und erfüllt dadurch eine Bildungsfunktion35. Indem Rechtsgeschichte die Selbstbeobachtung und Reflexion über Recht zu ihrem Gegenstand macht, ermöglicht sie eine Erweiterung des Blickwinkels und regt zum Nachdenken über Grundfragen des Rechts an36. Dazu gehört, dass geschichtliches Denken „die Einsicht in die Relativität der Gegebenheiten“37 lehrt und sich die Endlichkeit, Fehlbarkeit und Offenheit der Geschichte vergegenwärtigen lässt38. Das geltende Recht beinhaltet eben keinesfalls selbstverständliche Regelungen, sondern ist ←30 | 31→Produkt politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umstände39. Die auch von Peters vor allem in den 60er und 70er Jahren vorangetriebene Fortentwicklung des Strafrechts muss daher in dessen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt werden. Mit einem distanzierten Blick der individuellen Rechtsgeschichte kann in der Person Karl Peters‘ dessen Verständnis für die Rechtswissenschaft nachvollzogen werden: Als ein ganzheitliches und andere Wissenschaftsdisziplinen berücksichtigendes Fach sowie als eine Wissenschaft, die stets den einzelnen Menschen in den Vordergrund stellen sollte. Peters‘ rechtswissenschaftliches Grundverständnis findet dabei insbesondere Ausdruck in seinen Forderungen an die juristische Ausbildung.

Zugleich trägt Rechtsgeschichte zum besseren Verständnis des geltenden Rechts bei und kann als Hilfe bei dessen Auslegung sowie Neugestaltung herangezogen werden40. Zum einen wird dadurch eine kritische Auseinandersetzung und Bewertung in Bezug auf Versäumnisse und Fehler des gegenwärtigen Rechts möglich41. Bezogen auf Peters gilt es – vor allem im Hinblick auf seine Untersuchungen zu den Fehlerquellen im Strafprozess –, das Archiv seiner Erkenntnisse, Forderungen und Rechtsideen zu aktivieren und einen Grundstein dafür zu legen, an seine Arbeit anzuknüpfen, um die Zahl auch heutiger Justizirrtümer zu verringern. Zum anderen hat die Zeit des Nationalsozialismus gezeigt, welche Folgen es haben kann, wenn sich Juristen einem diktatorischen System unterwerfen und sich zu Erfüllungsgehilfen des Gesetzgebers machen. Damit betrifft Rechtsgeschichte grundsätzliche Fragen des Rechts, nämlich nach der Verantwortlichkeit von Juristen42. So schrieb Heinrich Mitteis 1947 unter dem Eindruck der Nachkriegserfahrungen, dass „die ständige Durchsetzung der Gerechtigkeit, der Kampf geistiger Macht gegen brutale Gewalt und den Zwang unrechten Rechtes […], kurz: Der Gang der Rechtsidee durch die Geschichte“ einer der großartigsten Vorgänge der Rechtsgeschichte sei43. In der rechtsgeschichtlichen Forschung darf daher der Gerechtigkeitsaspekt nicht unberücksichtigt bleiben. Da die Rechtsgestaltung und -anwendung maßgeblich durch ihre Akteure bestimmt wird, eignet sich in diesem Zusammenhang ←31 | 32→besonders eine Juristenbiographie, die sich am Beispiel von Karl Peters mit dem persönlichen und berufsständischen Verständnis von Gerechtigkeit und Moral auseinandersetzt.

Schließlich gilt es das sprachliche und verständnisbedingte Problem der Rekonstruktion historischer Sachverhalte anzusprechen: Das heutige Rechtsverständnis dürfe nicht in das damalige gepresst werden44. Es ist zwar unvermeidbar, dass zeitgenössische Vorstellungen, Bedingungen und Probleme bei der Bewertung des Vergangenen Einfluss haben. Umso mehr gilt daher, sich um ein (vorurteilsfreies) Verstehen der in Frage stehenden Generation zu bemühen und vor allem bei der Übertragung historischer Situationen auf heutige äußerst vorsichtig und sorgfältig zu sein45.


1 K. Tiedemann, Peters, Karl, in: NDB 20 (2001), S. 241 f.

2 J. Baumann, Glückwunsch. Karl Peters 70 Jahre, JZ 1974, S. 66 f.; ders., Glückwunsch. Karl Peters 80 Jahre, JZ 1984, S. 81 f.; K. Tiedemann, Karl Peters zum 80. Geburtstag, NJW 1984, S. 161 f.; J. Baumann, Karl Peters zum 85. Geburtstag, NJW 1989, S. 210 f.; K. Tiedemann, Karl Peters zum 90. Geburtstag, NJW 1994, S. 237.

3 FAZ vom 23. Jan. 1984, Nr. 19, S. 4; FAZ vom 22. Jan. 1994, Nr. 18, S. 4.

4 J. Baumann, in: Kriminologische Aktualität, S. 21 – 27; C. Richter II, FS Koch (1989), S. 299 (301 – 303).

5 J. Baumann/K. Tiedemann (Hrsg.), Einheit und Vielfalt des Strafrechts. FS für K. Peters zum 70. Geburtstag, Tübingen 1974; vgl. dazu H. Tröndle, JR 1974, S. 221 ff.

6 K. Wasserburg/W. Haddenhorst (Hrsg.), Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren. Festgabe für Karl Peters aus Anlaß seines 80. Geburtstages, Heidelberg 1984.

7 W. Küper/K. Wasserburg (Hrsg.), Karl Peters. Strafrechtspflege und Menschlichkeit. Ausgewählte Schriften, Heidelberg 1988.

8 K. Tiedemann, NJW 1998, S. 2956 f.; K. Rehbein, MschrKrim 1998, S. 377 ff.; U. Weber, JZ 1998, S. 892 f.; Gestorben, in: Der Spiegel, Nr. 29, 1998, S. 186; K. Wasserburg, StV 1999, S. 176 ff.; K. Tiedemann, JZ 2000, S. 139 ff.

9 H. Eberle, „Ein wertvolles Instrument”, S. 406 – 411; S. Felz, Recht zwischen Wissenschaft und Politik, insbes. S. 168 – 172; M. Heghmanns, in: Hoeren (Hrsg.), Münsteraner Juraprofessoren, S. 112 – 129; L. Steveling, Juristen in Münster, insbes. S. 561, 605 – 607, 704 f.; I. Vorholz, Greifswald, insbes. S. 153 – 161.

10 F. K. Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Bd. IV (1933-1945), Glashütten 1971; G. Pauli, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen zwischen 1933 und 1945 und ihre Fortwirkung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Berlin-New York 1992.

11 K. Marxen, Das Volk und sein Gerichtshof. Eine Studie zum nationalsozialistischen Volksgerichtshof, Frankfurt a. M. 1994; ders./H. Schlüter, Terror und „Normalität“.

12 Untersuchungen gibt es u.a. zu den Sondergerichten in Sachsen und Schleswig-Holstein, Altona/Kiel, Bayreuth, Berlin, Bielefeld, Bonn, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt a. M., Freiburg, Halle, Hannover, Köln, Mannheim, München, Salzburg.

Details

Seiten
468
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631871904
ISBN (ePUB)
9783631872871
ISBN (MOBI)
9783631872888
ISBN (Hardcover)
9783631853849
DOI
10.3726/b19403
DOI
10.3726/b19447
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Dezember)
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 468 S.

Biographische Angaben

Hannah Andres (Autor:in)

Hannah Andres, geboren 1988 in Potsdam, studierte von 2007 bis 2012 Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach ihrem Ersten Juristischen Staatsexamen war sie u.a. wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Verwaltungsrecht, insbesondere Regulierungs- und Infrastrukturrecht der Universität Potsdam und verfasste von 2014 bis 2018 ihre rechtshistorische Doktorarbeit. Am Kammergericht absolvierte sie ihr Rechtsreferendariat und das Zweite Juristische Staatsexamen im Jahr 2020. Seit 2020 ist sie juristische Referentin im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg.

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Titel: Karl Peters (1904 – 1998)
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