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Das Afrikabild in der visuellen Kommunikation von Entwicklungsorganisationen

von Alia Herz-Jakoby (Autor:in)
©2023 Dissertation 420 Seiten

Zusammenfassung

Die visuelle Kommunikation von Entwicklungsorganisationen ist geprägt von Spendenplakaten. Anhand einer eingängigen Bildsprache wird Aufmerksamkeit generiert. Mit einer postkolonialen Perspektive zeigt die Autorin auf, wie das vermittelte Afrikabild visuellen Stereotypen folgt, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen. So werden Personen und Landschaften entsprechend tradierter Muster dargestellt und rassistisch geprägtes visuelles Wissen reproduziert. In der Analyse der Bildmaterialien wendet die Autorin die Methodologie der Diskursanalyse, und hierbei eine wissenssoziologische Perspektive an. Über das Zusammenspiel von Form und Inhalt arbeitet sie visuelle Repräsentationspraktiken und darin manifeste Wissensordnungen heraus.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title
  • Copyright
  • About the author
  • About the book
  • This eBook can be cited
  • Inhalt
  • Bildverzeichnis
  • 1. Bilder von „Afrika“
  • 1.1. Klärung von Begriffen und Konzepten
  • 1.2. Forschungshaltung und Positionierung
  • 1.3. Gliederung der Arbeit
  • 2. FORSCHUNGSPERSPEKTIVE: Postkoloniale Theorien
  • 2.1. Verarbeitung Schwarzer Diskriminierungserfahrungen: du Bois, Fanon, Gilroy
  • 2.2. Konstruktion und Repräsentation der „Anderen“: Hall, Said, Spivak, Mudimbe
  • 2.3. Überwindung von binärem Denken: Bhabha, Chakrabarty, Randeria, Bhambra
  • 3. FORSCHUNGS(GEGEN)STAND: „Afrika“ und „Entwicklung“
  • 3.1. Das Afrikabild in Deutschland
  • 3.1.1. Historisch gewachsene Muster in der Repräsentation „Afrikas“
  • 3.1.1.1. „Afrika“ im Kolonialen Diskurs
  • 3.1.1.2. Visueller Kolonialismus
  • 3.1.1.3. Koloniale Repräsentationsmuster
  • 3.1.2. Gegenwärtige Afrikabilder in Deutschland
  • 3.1.2.1. Schulbücher
  • 3.1.2.2. Literatur und Film
  • 3.1.2.3. Tourismus- und Produktwerbung
  • 3.1.2.4. Mediale Berichterstattung und öffentlicher Diskurs
  • 3.2. Entwicklungskommunikation: Feld- und Gegenstandsbestimmung
  • 3.2.1. Was ist „Entwicklung“? Eine theoretische Rahmung
  • 3.2.1.1. Vom Kolonialdiskurs zum „klassischen Entwicklungsparadigma“
  • 3.2.1.2. Post-Development und Postkoloniale Perspektiven: Entwicklung als Diskurs
  • 3.2.1.3. Transformation des Entwicklungsdiskurses: Global Governance und Nachhaltigkeit
  • 3.2.2. Öffentliche Kommunikation von Entwicklungsorganisationen
  • 3.2.2.1. Entwicklungsorganisationen im Feld der Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit
  • 3.2.2.2. Visuelle Kommunikation und externe Organisationskommunikation
  • 3.2.2.3. Entwicklungskommunikation und Spendenwerbung
  • 3.2.3. Visuelle Repräsentationspraktiken in der Entwicklungskommunikation
  • 3.2.3.1. Forschungsstand zu Bildmaterialien von Entwicklungsorganisationen
  • 3.2.3.2. Einordnung dominanter Konzepte und Motive: Wohltätigkeit und Mitleidsmoral
  • 3.2.3.3. Debatte um Bilder in der Spendenwerbung
  • 3.3. Forschungsinteresse: Verschränkung von Afrika- und Entwicklungsdiskurs
  • 4. Analysegegenstand und Methodologie
  • 4.1. Bilder als Analysegegenstand
  • 4.1.1. Was ist ein Bild? Eine kunsthistorische und philosophische Einordnung
  • 4.1.2. Fotografie im Kontext öffentlicher Kommunikation
  • 4.1.2.1. Fotografie als Forschungsgegenstand
  • 4.1.2.2. Das Plakat und Werbebilder
  • 4.1.3. Interpretation von Bildern
  • 4.1.3.1. Bildinterpretative Verfahren: Panofsky und Imdahl
  • 4.1.3.2. Sozialwissenschaftliche Bildanalysen
  • 4.2. Bilder und Diskurse
  • 4.2.1. Diskurse als Träger von Wissen
  • 4.2.1.1. Diskurstheoretische Perspektive und Diskursanalyse
  • 4.2.1.2. Diskursforschung und Wissenssoziologie: Wissenssoziologische Diskursanalyse
  • 4.2.2. Diskursanalyse des Visuellen
  • 4.2.2.1. Foucault und Bilder
  • 4.2.2.2. Visuelle Diskursanalyse und Bild-Diskurs-Analysen
  • 4.3. Forschungsfokus: Visuelles Wissen im Diskurs
  • 5. Forschungsinteresse, Design, Material und methodisches Vorgehen
  • 5.1. Forschungsdesiderat und Fragestellung
  • 5.2. Methodologie und methodisches Vorgehen
  • 5.2.1. Erstellung eines Materialkorpus
  • 5.2.2. Diskurselemente in Einzelbildinterpretationen und Gruppierungen
  • 5.2.3. Analysedossier und Sampling für (Fein-)Analysen
  • 6. Empirische Analyse
  • 6.1. Person/en im Fokus
  • 6.1.1. Darstellung von Personen
  • 6.1.1.1. Aussehen von Personentypen: Frau, Mann, Kind, Jugendliche:r
  • Exotisierende Darstellung von Frauen
  • Abschwächende Darstellung von Männern
  • Darstellung von Kindern
  • Ambivalente Darstellung von Jugendlichen
  • 6.1.1.2. Positionierung im Bild: Personen in ihrer Umgebung
  • 6.1.1.3. Mimik als Stimmung und leitender Blick
  • 6.1.1.4. Tätigkeit und Handlungsmächtigkeit
  • 6.1.2. Personenkonstellationen
  • 6.1.2.1. Personengruppen
  • 6.1.2.2. Zweierkonstellation von Kindern
  • 6.1.2.3. Beziehung Frau und Kind
  • 6.1.2.4. Schwarze und weiße Person
  • 6.1.3. Zwischenfazit: Handlungs(un)mächtigkeit
  • 6.1.4. Bezug zwischen Person im Bild und betrachtender Person
  • 6.2. Bildraum und Umgebung
  • 6.2.1. Räumlichkeit und Begrenzung im Bildraum
  • 6.2.2. Umgebung als Kontext
  • 6.2.2.1. Gesundheit/Krankheit
  • 6.2.2.2. Schule
  • 6.2.2.3. Landwirtschaft
  • 6.2.2.4. Wasser
  • 6.2.3. Zwischenfazit: Begrenzung und Zeitlosigkeit
  • 6.3. Atmosphärische Verdichtungen
  • 6.3.1. Not als „unangenehme“ Atmosphäre
  • 6.3.2. Fruchtbarkeit als Potential
  • 6.3.3. Zwischenfazit: zwei Diskursstränge
  • 6.4. Spezifische Adressierung der betrachtenden Person
  • 7. Fazit und Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Bildquellenverzeichnis
  • Anhang

1. Bilder von „Afrika“

Bei einem Besuch in London schlenderte ich am sogenannten Kulturufer der Themse entlang, als mein Blick auf eine kleine Ansammlung von Menschen vor einer Art Zelt fiel. Im Näherkommen konnte ich erkennen, dass dort kein Zelt, sondern eine „afrikanische Rundhütte“ aufgebaut war. Zunächst dachte ich an eine Kunstinstallation, einen Kunsthandwerkermarkt oder eine kulturelle Darbietung. Am Ufer der Themse wirkte diese Art der Darstellung eines Wohnhauses irritierend. Mir kam ein unangenehmes Gefühl auf mit dem Gedanken an die im vorigen Jahrhundert stattfindenden Völkerschauen, in welchen Einblicke in „exotische Lebenswelten“ gegeben wurden und sogar ganze Dörfer aus verschiedenen Weltregionen aufgebaut, und deren vermeintliche Bewohner:innen zur Schau gestellt wurden. Bei näherer Betrachtung der Ansammlung von Menschen und der Aufbauten wurde mir schließlich klar, dass es sich um eine Spendenaktion handelte. Einige Personen konnte ich anhand ihrer T-Shirts mit dem Logo einer bekannten internationalen Entwicklungsorganisation zuordnen. Als ich am Eingang des provisorisch errichteten Hauses ankam, wurde ich aufgefordert einzutreten – #step into Africa. Im Inneren wurde ich von Fotografien von Kindern und Textafeln zu unterschiedlichen Aspekten des Lebens in einem afrikanischen Land empfangen. „Einfache“ Verhältnisse und Hinweise auf alltägliche Schwierigkeiten informierten mich über die Lebensumstände der Menschen „vor Ort“ und die Arbeit der NGO.

#step into Africa – der Slogan einer Kampagne der internationalen Entwicklungsorganisation World Vision fordert auf, sich ein Bild von „Afrika“ über die Lebensumstände der dort lebenden Menschen, insbesondere von Kindern zu machen. Folgen kann man diesem Aufruf, indem man sich auf eine virtuelle Reise begibt, oder direkt in die eigens aufgebaute sogenannte „Rundhütte“1 eintritt. „World Vision leads the way in bringing new and exciting ways to connect with our causes and our supporters. It is vital that we take you on a journey, to feel, hear and see the work we accomplish and why the need is there.“2 An diesem Beispiel kann vieles abgelesen werden, was im Folgenden näher betrachtet werden soll. So fungiert das Wohnhaus in Rundbauweise als eindeutige Zuordnung zum Bild eines ländlich geprägten „Afrika“. Die Aufforderung, sich über den Eintritt in das Haus einen Eindruck über Lebensumstände zu machen, verspricht eine anschauliche und authentische Erfahrung und ist zugleich charakteristisch für eine Homogenisierung des Kontinents. Zum Vergleich – ist eine Aufforderung #step into Asia oder #step into Europe über diese Art der Inszenierung vorstellbar? Welches Bild von „Afrika“ und welche Vorstellungen von „Entwicklung“ werden hiermit transportiert? Assoziationen mit Rückständigkeit und Bedürftigkeit sind nur zwei Aspekte eines Afrikadiskurses, welche nachfolgend aus einer postkolonialen Perspektive und hinsichtlich kolonialer Kontinuitäten dargelegt werden. Mit Blick auf die Art der Repräsentation ist weiter zu fragen, welche Form der Kommunikation hier stattfindet und welches Wissen über „Afrika“ visuell vermittelt wird.

In der vorliegenden Arbeit wird daher der Fokus auf visuelle Repräsentation von „Afrika“ gelegt und der spezifischen Konstruktion von Afrikabildern nachgegangen. Das Afrikabild in Deutschland ist stark geprägt von einer öffentlichen Wahrnehmung als Kontinent der Krisen, Konflikte und Katastrophen. Die Konstruktion dieses defizitären Bildes weist dabei koloniale Kontinuitäten auf, in der Art wie afrikanische Menschen und „Afrika“ visuell repräsentiert werden. Mit dem Ende des Kolonialismus hat sich das Konzept von „Entwicklung“ durchgesetzt, welches bis heute Nord-Süd-Beziehungen mit Entwicklungszusammenarbeit und -politik verbindet. Auch und gerade hier wird Wissen über „Afrika“ konstruiert. So lassen sich etwa auf Spendenplakaten bestimmte wiederkehrende Muster in der Bildsprache ausmachen. Neben groß angelegten Kampagnen, welche mit interaktiven Elementen eine Art Erlebniswelt aufbauen, wie sie eher von Museen oder Tourismusmarketing bekannt sind, stellen Plakate oder Flyer, wie sie im öffentlichen Raum vorzufinden sind einen wesentlichen Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Entwicklungsorganisationen. Die öffentliche Kommunikation ist hier auf ein möglichst breites Zielpublikum ausgerichtet. Die Botschaften der Plakate sollen quasi im Vorbeigehen verstanden werden und eine Anschlusshandlung evozieren (spenden). Dabei spielt der visuelle Reiz zum Teil eine übergeordnete Rolle gegenüber der Textbotschaft, insofern über gestalterische Mittel Aufmerksamkeit erzeugt werden kann und ein Bild vergleichsweise schnell zu erfassen ist.

Es wird im Folgenden analysiert, wie im visuellen Material der Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit (Plakate, Flyer, Werbeanzeigen) deutscher Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit „Afrika“ visuell repräsentiert wird. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass das Feld der Entwicklungszusammenarbeit wesentlich dazu beiträgt, Wissen über „Afrika“ zu erzeugen. Dies wird in der visuellen Kommunikation von Entwicklungsorganisationen sichtbar. Um der Komplexität des Forschungsinteresses gerecht werden zu können, werden verschiedenen Perspektiven kombiniert: eine postkoloniale Perspektive wird als Forschungshaltung angewandt und im Weiteren dargelegt. Hinsichtlich der Analyse der Öffentlichkeitsmaterialien wird die Methodologie der Diskursanalyse, und hierbei eine wissenssoziologische Perspektive angewandt. Es wird dabei sowohl auf inhaltlicher Ebene analysiert was dargestellt wird, als auch auf ästhetischer bildsprachlicher Ebene wie bestimmte Anliegen präsentiert werden. In der Analyse der visuellen Repräsentationen wird untersucht, welche Vorstellungen und welches Wissen über „Afrika“ hergestellt bzw. reproduziert werden und wie Repräsentationsregime des globalen Nordens die öffentliche Wahrnehmung und das Wissen über den globalen Süden prägen. Um die visuellen Materialen in den Blick zu nehmen, dient zudem die Perspektive der visuellen Kommunikationsforschung, um sowohl den visuellen Charakter der Materialien, als auch den kommunikativen Aspekt der Bilder zu berücksichtigen. Im Zusammenbringen dieser Perspektiven kann ein umfassendes Bild der Wissensproduktion über Afrika in der Entwicklungskommunikation über visuelle Repräsentationen beschrieben werden.

Bevor die theoretische Perspektive sowie die beiden Hauptstränge des Forschungsgegenstandes „Afrika“ und „Entwicklung“ dargelegt werden und damit der Rahmen für die Analyse gegeben wird, ist es an dieser Stelle notwendig die Verwendung einiger Begriffe und Konzepte zu erläutern sowie die eigene Positionierung als weiße Autorin zu verdeutlichen.

1.1. Klärung von Begriffen und Konzepten

Im Gebrauch gängiger Begriffe und Konzepte werden Positionierungen und Machtstrukturen manifest. So wird insbesondere in der Auseinandersetzung mit Postkolonialen Theorien deutlich, dass vielen in den Sozialwissenschaften verwendeten Begrifflichkeiten normative Grundhaltungen zu Grunde liegen und hierüber epistemische Gewalt ausgeübt wird (Mudimbe 1988; Brunner 2020). Deshalb ist es für die vorliegende Arbeit wichtig, einige Begriffe und Konzepte in ihrer Verwendung zu beschreiben und damit ein Bewusstsein für eine epistemologische Voreingenommenheit einer vermeintlich unvoreingenommenen Wissenschaft deutlich zu machen. Dies beginnt mit der Zuordnung des Kontinents Afrika zum globalen Süden in Abgrenzung zum globalen Norden. Diese Bezeichnung wird gewählt, um die Unterscheidung hinsichtlich kollektiver Unterdrückungserfahrungen zu fassen und stereotyp konnotierte Begriffe wie „Entwicklungsländer“ oder „3. Welt-Länder“ zu vermeiden. Dennoch wird auch hier eine Zweiteilung der Welt mit formuliert. Mit dem Fokus auf visuelle Materialien der Entwicklungszusammenarbeit ist der Begriff und das dahinterliegende Konzept von „Entwicklung“ wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Es wird im Folgenden davon ausgegangen, „Entwicklung“ als einen Diskurs zu fassen „der historisch entstanden und durch gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und Interessen geprägt ist“ (Ziai 2006a: 16). Um eine kritische Haltung gegenüber dem Konzept „Entwicklung“ auszudrücken, plädiert Ziai (2010) dafür, den Begriff in Anführungszeichen zu verwenden. Auch „Afrika“ als Teil des Forschungsgegenstandes wird im Folgenden in Anführungszeichen geschrieben, um den konstruktiven Charakter dessen, was auch als Afrikabilder oder Afrikadiskurs bezeichnet wird deutlich zu machen. Mit „Afrika“ ist entsprechend die Konstruktion eines Kontinents und darin eingeschlossen die Repräsentation der hier lebenden Menschen gemeint. Geht es weiterhin in der vorliegenden Arbeit um die Repräsentation von Personen, wird mit der Kenntlichmachung in der Bezeichnung von Schwarzen Personen und weißen Personen auf die Konstruiertheit dieser Unterscheidung verwiesen und die adjektivische Zuordnung als analytische Kategorisierung verstanden. Gefolgt wird hier der Perspektive der Kritischen Weißseinsforschung, auch die Positioniertheit von „Weißsein“ zu markieren und zugleich eine rassialisierende Zuschreibung der „Andersheit“ zu vermeiden, sondern vielmehr mit „Schwarzsein“ eine politische Ermächtigung zu betonen (Eggers et al. 2005; Arndt & Hornscheidt 2009; Kelly 2016). So legen auch Kiesel und Bendix (2010) dar:

„Schwarz und weiß verstehen wir nicht als biologistische oder kulturalistische Bezeichnungen, sondern als gesellschaftliche und politische Konstrukte. Wir verwenden sie als analytische Kategorien, um Rassismus und koloniale Kontinuitäten benennen und untersuchen zu können. Die Großschreibung von Schwarz weist zudem auf eine Strategie der Selbstermächtigung hin“ (S. 482).

Mit Blick auf die Bild-Materialien der Entwicklungsorganisationen wird die visuell-diskursive Konstruktion von Wissen untersucht. Dabei wird mit dem Begriff „Re-Produktion“ verdeutlicht, dass Wissen nicht von Grund auf unvoreingenommen und „neu“ erzeugt wird, sondern vielmehr an bestehende Wissensbestände anknüpft und gerade auch dominante Wissensstrukturen reproduziert und somit aktualisiert werden.

1.2. Forschungshaltung und Positionierung

Mit dem Fokus auf die Re-Produktion von Afrikabildern in Materialien der Öffentlichkeitsarbeit von Entwicklungsorganisationen wird zum einen auf die hegemoniale Konstruktion von Wissen über „Afrika“ im globalen Norden eingegangen. Zum anderen wird die visuelle Kommunikation von Entwicklungsorganisationen untersucht und diese als wesentliches Element einer eurozentristischen Gestaltung von Nord-Süd-Beziehungen reflektiert. So dient die vorliegende Arbeit als kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Darstellungs- und darin eingeschriebenen Sichtweisen. Als weiße Wissenschaftlerin, die in einer weißen Universitäts- und Wissenschaftslandschaft sozialisiert wurde, sehe ich mich gleichwohl als Teil von im globalen Norden re-produzierten Wissensbeständen. Jedoch blicke ich in meiner Forschung nicht auf „Afrika“ oder Menschen afrikanischer Herkunft, sondern auf deren Repräsentation in der deutschen, weißen Entwicklungskommunikation. Im Bewusstsein, dass diese in Wirkungskontexte und Machtverhältnisse eingebettet ist, geht es mir darum, Muster von Repräsentationspraktiken und machtvoller Wissensproduktion sichtbar zu machen und diese mit Hilfe einer postkolonialen Perspektive zu reflektieren. So nehme ich die postkoloniale Perspektive als Ausgangspunkt, um die Bedingtheit des Wissens und der Wissensproduktion zu hinterfragen und bestehende Machtstrukturen in Frage zu stellen (Kelly 2016). Zudem ermöglicht eine postkoloniale Perspektive bestehende Afrikabilder und Vorstellungen von Entwicklung in historisierender Absicht zu kontextualisieren (Bendix 2015).

Die vorliegende Arbeit gab mir als weiße Wissenschaftlerin die Gelegenheit, meine eigene Positioniertheit zu hinterfragen und die machtvolle Konstruktion von Wissen zu reflektieren. Gleichwohl bin ich nicht davor gefeit, Machtverhältnisse in der Wissensproduktion zu reproduzieren. Zugleich profitiere ich in einem weiß geprägten Wissenschaftssystem von der Forschung insofern die vorliegende Dissertation als Qualifizierungsarbeit dient. Auch kann ich von der vorliegenden Arbeit nicht behaupten, konsequent einen dekolonialen Anspruch verfolgt zu haben, da eine wesentliche Auseinandersetzung mit postkolonialen Perspektiven erst in der Phase der Bearbeitung erfolgte. So stellt dies vielmehr einen Versuch dar, mit der Hinzunahme einer postkolonialen Perspektive und der Offenlegung von Machtstrukturen und Wissensproduktionsweisen Ansatzpunkte zu schaffen, um diese weiter zu hinterfragen und zu bearbeiten. Dabei wird an bestehende Auseinandersetzungen angeschlossen. So etabliert sich auch im deutschsprachigen Raum eine postkoloniale Perspektive in den gesellschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, mit Arbeiten, die Stereotypisierungen und hegemoniale Diskurse von der Kolonialzeit bis hin zu neokolonialistischen Strukturen in der Gegenwart thematisieren, (Castro Varela & Dhawan 2005; Arndt 2001; Bechhaus-Gerst & Gieseke 2006; Zeller 2010).

Details

Seiten
420
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631892824
ISBN (ePUB)
9783631892831
ISBN (Hardcover)
9783631892817
DOI
10.3726/b20347
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Januar)
Schlagworte
Rassismus Entwicklungszusammenarbeit Diskursanalyse Postkoloniale Perspektive Wissenssoziologie NGO Plakat Spendenwerbung Öffentlichkeitsarbeit
Erschienen
Lausanne - Berlin - Bruxelles - Chennai - New York - Oxford, 2023. 420 S., 146 farb. Abb., 1 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Alia Herz-Jakoby (Autor:in)

Alia Herz-Jakoby studierte Angewandte Afrikawissenschaften (B.A.) und Soziologie (M.A.). Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim tätig. Im Rahmen des dort angesiedelten DFG-Graduiertenkollegs „Transnationale Soziale Unterstützung" verfasste sie ihre Doktorarbeit.

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