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Die portugiesisch-basierten Kreolsprachen Südostasiens im Sprachkontakt: Von Malakka nach Macau

von Mario Arndt (Autor:in)
©2020 Dissertation 314 Seiten

Zusammenfassung

Ein Ergebnis der interkulturellen Beziehungen in Südostasien sind die immer noch existierenden portugiesisch-basierten Kreolsprachen Papia Kristang und Macaísta, die zu Muttersprachen von Generationen von Menschen in Malakka und Macau geworden sind. Welche Faktoren bewirken den Sprachwandel dieser Idiome, und wie ist dieser erkennbar? Dieser Band beschäftigt sich nicht nur mit der Sprachdynamik der portugiesisch-basierten Kreolsprachen Südostasiens, sondern auch mit anderen wesentlichen Fragestellungen der Variationslinguistik. Als Basis dienen die Ergebnisse einer empirischen Datenerhebung, die insbesondere die Veränderungen im Sprachgebrauch dokumentieren. Darüber hinaus stellt der Autor neue Resultate hinsichtlich der Sprachidentifikationen vor, die nicht nur für die Kreolistik von Bedeutung sind, sondern auch fachübergreifend für das Interesse der allgemeinen Sprachwissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis / Terminologie
  • 1 Einleitung
  • 1.1. Ziele und Grundlagen der Arbeit
  • 1.2. Hinweise zum Aufbau der Arbeit
  • 1.3. Stand der Forschung: Portugiesisch-basierte Kreolsprachen
  • I Historischer Teil
  • 2 Der Ursprung der portugiesisch-basierten Kreolsprachen in Südostasien
  • 2.1. Historischer Hintergrund
  • 2.1.1. Das portugiesische Handelsreich
  • 2.1.2. Verbreitung und Einfluss der portugiesischen Handelssprache
  • 3 Theorien zur Kreolisierung
  • 3.1. Der Prozess der Kreolisierung
  • 3.1.1. Vom Pidgin zur Kreolsprache
  • 3.1.2. Monogenese oder Polygenese: Kreols in der Welt
  • 3.2. Theorien zur Kreolgenese
  • 3.2.1. Papia Kristang
  • 3.2.2. Macaísta
  • II Methodische Grundlagen der Untersuchung
  • 4 Sprachtheorie
  • 4.1. Zur Sprachtheorie Eugenio Coserius
  • 4.1.1. Die verschiedenen Ebenen des Sprechens
  • 4.1.2. Diachronie und Synchronie
  • 4.1.3. Die Architektur und Struktur einer Sprache
  • 4.1.4. System, Norm und Rede
  • 4.2. Die funktionale Analyse sprachlicher Variation nach Thomas Stehl
  • 4.2.1. Der vertikale Sprachkontakt
  • 4.2.2. Sprachliche Variation und Sprachwandel
  • 4.2.3. Gradation und Gradatum im vertikalen Sprachkontakt
  • 4.2.4. Beschreibungsebenen im vertikalen Sprachkontakt: Kompetenz der Variation, Pragmatik der Variation und Linguistik der Variation
  • III Empirischer Teil
  • 5 Gegenstände der Untersuchung und Datenerhebung
  • 5.1. Beschreibung der Untersuchungsgebiete und der Informanten
  • 5.1.1. Untersuchungsgebiet Malakka
  • 5.1.1.1. Bewertung der sprachlichen Situation in Malakka
  • 5.1.1.2. Informanten aus Malakka
  • 5.1.2. Untersuchungsgebiet Macau
  • 5.1.2.1. Bewertung der sprachlichen Situation in Macau
  • 5.1.2.2. Informanten aus Macau
  • 5.2. Erhebungsmethode und Konzept des Fragebogens
  • 5.2.1. Konzepte für Spracheinstellungen
  • 5.2.2. Einfluss der Sprachloyalität auf die Sprachverwendung
  • 5.2.3. Untersuchungsergebnisse aus Surinam
  • 5.3. Sprachentod
  • 5.4. Revitalisierung und Spracherhalt
  • 5.5. Hinweise zur Auswertung und Präsentation des Datenmaterials
  • 5.6. Fehleranalyse
  • 6 Sprache und Identität
  • 6.1. Kulturelle Identität als Faktor für die Sprachverwendung
  • 6.2. Eine südostasiatische Identität?
  • 6.3. Das portugiesische Erbe
  • 6.3.1. Portugiesische Wurzeln in Malakka
  • 6.3.2. Portugiesische Wurzeln in Macau
  • 6.4. Der Prestigegedanke als Faktor für die Sprachverwendung
  • 6.5. Einfluss der Religion und Bildung auf die Sprache
  • 6.6. Neuidentifikation: Wandel von Sprachidentitäten
  • 6.7. Modellhafte Darstellung von Sprachidentitäten
  • 7 Kompetenz der Variation
  • 7.1. Soziolinguistische Biographie der Interviewpartner
  • 7.1.1. Das Papia Kristang von Malakka
  • 7.1.2. Das Macaísta von Macau
  • 7.2. Sprachliche Kompetenz der Interviewpartner
  • 7.2.1. Das Papia Kristang von Malakka
  • 7.2.2. Das Macaísta von Macau
  • 7.3. Differenzen in den einzelnen Varietäten
  • 7.3.1. Das Papia Kristang von Malakka und Singapur
  • 7.3.2. Das Macaísta von Macau und Hongkong
  • 7.4. Auswertung des Rankings
  • 7.4.1. Sprachenvielfalt in Malakka und Singapur
  • 7.4.2. Sprachenvielfalt in Macau und Hongkong
  • 7.5. Bildung als Faktor der sprachlichen Differenzierung
  • 7.5.1. Malakka
  • 7.5.2. Macau
  • 7.6. Sprachliche Sicherheit und Bewertung der eigenen Sprachkompetenz
  • 7.6.1. Natürliche Sprachwahl
  • 7.6.1.1. Malakka
  • 7.6.1.2. Macau
  • 7.6.2. Interesse/ Desinteresse an Sprachen
  • 7.6.2.1. Situation in Malakka
  • 7.6.2.2. Situation in Macau
  • 8 Pragmatik der Variation
  • 8.1. Selektive Sprachverwendung
  • 8.1.1. Persönliche Sprachwahl
  • 8.1.1.1. Ausdruck von persönlichen Gefühlen
  • 8.1.1.2. Streitgespräche
  • 8.1.1.3. Kommunikation mit Fremden
  • 8.1.1.4. Gespräche mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens
  • 8.1.1.5. Politische Themen
  • 8.1.1.6. Erzählen von Geschichten, Sprichwörtern und Witzen
  • 8.1.1.7. Sprachwahl in der Freizeit (Hobby)
  • 8.1.1.8. Sprachwahl beim Ausgehen
  • 8.1.1.9. Sprachwahl beim Einkaufen
  • 8.1.1.10. Sprachwahl beim Arzt
  • 8.1.1.11. Sprachwahl im Geschäftsbereich
  • 8.1.1.12. Sprachwahl in der Kirche
  • 8.1.2. Sprachwahl in Kultur und Medien
  • 8.1.2.1. Literatur
  • 8.1.2.2. Theaterstücke
  • 8.1.2.3. Musik
  • 8.1.2.4. Radio: Musik, lokale Themen, Politik, Sport
  • 8.1.2.5. Zeitungsberichte und Kommentare
  • 8.1.2.6. TV-Programme
  • 8.1.3. Sprachwahl in Politik und Bildung
  • 8.1.3.1. Politische Reden und Kampagnen
  • 8.1.3.2. Lehrsprachen an der Universität und Sprachgebrauch auf interregionalen und internationalen Veranstaltungen
  • 8.1.4. Sprachwahl in der Schule
  • 8.1.4.1. Gespräche mit Kollegen
  • 8.1.4.2. Sprachverwendung während des Unterrichts
  • 8.1.4.3. Kommunikation mit dem Schulleiter
  • 8.1.4.4. Auflösen von Stresssituationen im Unterricht
  • 8.1.4.5. Verstehensprozesse erleichtern
  • 8.1.4.6. Förderung von Interesse und Mitarbeit im Unterricht
  • 8.1.4.7. Abwechslung im Unterricht schaffen und Langeweile verhindern
  • 8.1.4.8. Persönliche Gespräche
  • 8.1.4.9. Ermahnen und Rügen
  • 8.1.4.10. Disziplinieren und Kontrollieren
  • 8.1.4.11. Verwenden von Sprachen in einem besonderen Zusammenhang
  • 8.2. Fragen zum Sprachgebrauch
  • 8.2.1. Verwendung des Papia Kristang
  • 8.2.2. Verwendung des Macaísta
  • 8.3. Einstellung zum Spracherhalt
  • 8.3.1. Einstellung zum Spracherhalt gegenüber dem Papia Kristang
  • 8.3.2. Einstellung zum Spracherhalt gegenüber dem Macaísta
  • 9 Linguistik der Variation
  • 9.1. Interferenzen und Sprachwandel
  • 9.1.1. Interferenzen im Wortschatz
  • 9.1.2. Interferenzen syntaxgliedernder Elemente
  • 9.2. Sprachaufnahmen aus den Untersuchungsgebieten
  • 9.2.1. Portuguese Settlement in Malakka
  • 9.2.2. Macau
  • 9.3. Vergleich des Wortschatzes der Kreolsprachen
  • 9.3.1. Lehnwörter
  • 9.3.1.1. Lehnwörter aus dem Malaiischen
  • 9.3.1.2. Lehnwörter aus dem Indo-Portugiesischen und Malayo-Portugiesischen
  • 9.3.1.3. Lehnwörter aus dem Chinesischen
  • 9.3.1.4. Lehnwörter aus dem Englischen und Niederländischen
  • 9.3.2. Neologismen
  • 9.3.2.1. Papia Kristang
  • 9.3.2.2. Macaísta
  • 9.3.3. Ausgewählte Domänen des Sprachgebrauchs
  • 9.3.3.1. Speisen und Getränke
  • 9.3.3.2. Tiere
  • 9.3.3.3. Bekleidung
  • IV Ergebnisse und Schlussbetrachtung
  • 10 Schlussbetrachtung
  • 10.1. Faktoren für die Entstehung der Kreolsprachen in Südostasien
  • 10.2. Zur Kompetenz der Variation
  • 10.3. Zur Pragmatik der Variation
  • 10.4. Zur Linguistik der Variation
  • 10.5. Die Bedeutung der Sprachidentität für die Kreolsprachen
  • 11 Tendenzen der Entwicklung des Portugiesischen in Südostasien
  • Bibliographie
  • Anhang
  • Anhang 1 Darstellungsverzeichnis
  • Anhang 1.1 Tabellenverzeichnis
  • Anhang 1.2 Abbildungsverzeichnis
  • Anhang 2 Questionnaire for Linguistic Variation „Multilingualism in Malacca and Singapore: The Use of Papia Kristang“
  • Anhang 3 Questionnaire for Linguistic Variation „Multilingualism in Macau and Hong Kong: The Use of Portuguese and Macanese“
  • Reihenübersicht

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1 Einleitung

1.1. Ziele und Grundlagen der Arbeit

Die kolonialen Bestrebungen der Portugiesen gen Westen oder Osten begünstigten kulturelle Begegnungen unterschiedlicher Art, insbesondere Sprachkontakte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Aus dieser besonderen sprachlichen Situation konnten sich einzigartige sprachliche Phänomene herausbilden: die Kreolsprachen. Ein Ergebnis der interkulturellen Beziehungen in Südostasien sind die teilweise immer noch existierenden portugiesisch-basierten Kreolsprachen, die zu Muttersprachen von Generationen von Menschen in Malakka und Macau wurden.

Die beiden Untersuchungsgebiete Malakka und Macau liefern historisch bedingt unterschiedliche Voraussetzungen für Sprachkontaktsituationen. In Malakka existiert schon seit Jahrhunderten keine Verbindung mehr zum Standard-Portugiesischen, in Macau dagegen hat der Kontakt zur Standardsprache seit dem 20. Jahrhundert immer stärker zugenommen. Diese Rahmenbedingungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Vitalität, die Verwendung und letztendlich auf die Akzeptanz gegenüber den Kreolsprachen innerhalb der Sprachgemeinschaften. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, die aktuelle Sprachsituation dieser beiden Kreolsprachen in Südostasien empirisch zu untersuchen.

Eine zentrale Aufgabe des Forschungsprojektes besteht vor allem darin herauszufinden, welche Faktoren den Sprachwandel der portugiesisch-basierten Kreolsprachen Papia Kristang und Macaísta bewirken und wie dieser Sprachwandel erkennbar ist. Dafür sollen durch die Datenerhebungen und Sprachaufnahmen ausführliche Hinweise geliefert werden. Das aufgrund der Untersuchung gewonnene Datenmaterial soll Aufschluss über die Weiterentwicklung der beiden Kreolsprachen geben. Für beide Kreolsprachen wurde bereits in den 1970er (Hancock) und 1980er Jahren (Baxter) der nahende Sprachentod vorausgesagt. Folglich soll deshalb analysiert werden, inwieweit sich Veränderungen im Sprachgebrauch eingestellt haben, die eine solche Entwicklung begünstigen oder aufhalten. Im empirischen Teil dieser Arbeit werden Fragen gestellt, die helfen sollen, die Kompetenzen der Sprecher zu bewerten oder die es ermöglichen, die Verbreitung der Idiome in den einzelnen Domänen der Alltagskommunikation festzustellen. Solche Fragestellungen sind u. a.: Wie gut sind die Fertigkeiten der Sprecher hinsichtlich Hörverständnis und Sprachvermögen entwickelt, welche ←19 | 20→Domänen sind von den Kreolsprachen aktuell besetzt oder werden schon von Prestigesprachen eingenommen.

Als Grundlage für diese Arbeit dient eine empirische Datenerhebung, für die in Anlehnung an die Fragebögen aus der Masterarbeit ein umfassender Fragenkatalog vorbereitet wurde. Eine Orientierung waren dabei für beide Arbeiten die Fragebögen von Stehl (cf. Questionario 1990) und Mühleisen (2002). In jedem Untersuchungsgebiet wurde jeweils eine eigene Version eingesetzt, die an die speziellen Gegebenheiten der Sprachgemeinschaften angepasst wurde. In Malakka und Macau konnten Sprecher unterschiedlichen Alters und Geschlechts befragt werden. Weil die Verwendung der portugiesischen Varietäten im Schulalltag ein Kriterium des Fragebogens von Macau ist, wurde ein großer Teil der Interviews mit Lehrkräften durchgeführt. Obwohl das Hauptaugenmerk der Untersuchung auf der heutigen Verwendung der Kreolsprachen liegt und nicht auf einer systemlinguistischen Analyse, die sich umfassend mit deren Phonetik, Syntax oder Lexik befasst, wird sprachliches Material nicht völlig vernachlässigt. Um linguistische Beweise einfließen zu lassen, war die Durchführung von Sprachaufnahmen notwendig. Diese sind ein authentisches Beispiel für den Sprachwandel unter dem Druck von Prestigesprachen. Es ist nicht davon auszugehen, dass aufgrund der unterschiedlichen Sprachkontaktsituationen in den Untersuchungsgebieten ähnliche Interferenzerscheinungen auftreten. Ein besonderes Augenmerk gilt daher der Analyse der unterschiedlichen Interferenzen. Die Dominanz der Prestigesprachen hat auch Einfluss auf die lexikalische Ebene; deshalb soll der Wortschatz der beiden Kreolsprachen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede überprüft werden.

Mit dem kontaktlinguistischen und funktional variationslinguistischen Hintergrund des Themas, dessen Gegenstand die unterschiedlichen Sprachdynamiken in speziellen Gebieten Südostasiens sind, bedarf es eines besonderen Modells. Der Ansatz der funktionalen Variationslinguistik nach Stehl (2012) ermöglicht eine fundierte Analyse des Phänomens. Das Fundament für dieses Modell bilden die sprachtheoretischen Grundlagen Coserius (2007) und Lausbergs (1969). Mithilfe des Ansatzes der funktionalen Variationslinguistik nach Stehl kann der vertikale Sprachkontakt zwischen dem Macaísta und dem Portugiesischen in Macau beleuchtet werden. Im Fall des Papia Kristang besteht der Kontakt nicht zur ehemaligen Standardsprache, dem Portugiesischen, sondern zum Englischen. Dennoch erweist sich der theoretische Ansatz nach Stehl als optimale Basis für einen variationslinguistischen Vergleich. Die Untersuchung der drei Dimensionen: Kompetenz der Variation, Pragmatik der Variation und Linguistik der Variation (cf. hierzu etwa Stehl 2012) stellen somit drei wichtige Säulen dieser Arbeit dar.

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Sowohl das Papia Kristang als auch das Macaísta zeigen überschneidende Charakteristika, die eine Verwandtschaft vermuten lassen. Aus diesem Grund besteht ein weiteres Ziel der Untersuchung darin, über die allgemeine Entstehungsgeschichte der Kreolsprachen hinaus die Verwandtschaftsbeziehungen dieser speziellen Idiome zu überprüfen. Dabei ist es erforderlich aufzuzeigen, ob das Handelsportugiesische als ein Pidgin an der Kreolgenese beteiligt war oder ob es bereits ein gefestigtes Protokreol aus anderen portugiesischen Besitzungen gab, das an der Entwicklung mitgewirkt hat. Hierzu werden im Vergleich verschiedene Genesetheorien herangezogen.

Während der Studie kristallisierten sich ungleiche Voraussetzungen für den Spracherhalt in den Untersuchungsgebieten heraus, die in Verbindung mit separaten historischen Entwicklungen in den ehemaligen Kolonien stehen. Auch geschichtliche und politische Vorgänge seit dem 20. Jahrhundert beeinflussen den Wandel der sprachlichen Identitäten und führen zu Neuidentifikationen. Alte Traditionen, Werte und Normen werden durch neue ersetzt. Das verändert das kulturelle Selbstbild einer Sprachgemeinschaft und bedingt dadurch ihr Sprachverhalten gegenüber den Kreolsprachen als Minderheitensprachen. Die interaktiven Prozesse im Zusammenspiel von Sprache und Identität sind für den Spracherhalt nicht unbedeutend. Diese Thematik wurde in Zusammenhang mit den portugiesisch-basierten Kreolsprachen bisher vernachlässigt. Das Phänomen soll daher modellhaft am Beispiel der beiden portugiesisch-basierten Kreolsprachen dargestellt werden. Beide Sprachgemeinschaften verfügen über eine gewachsene kulturelle Identität, mit der sie sich von ihrem Umfeld abheben. Infolgedessen soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit eine Sprachwahl in spezifischen Alltagssituationen die Sprecheridentität langfristig verändern kann.

Im Globalisierungsprozess stehen politische und wirtschaftliche Veränderungen an, die auch Auswirkungen auf den Spracherhalt haben. Aus diesem Grund muss berechtigterweise nach den Chancen für die hier untersuchten Kreolsprachen gefragt werden. Welche Funktion haben sie heute noch und welche Bedeutung werden diese Minderheitensprachen in zwanzig oder dreißig Jahren haben? Was geschieht mit dem Portugiesischen und all seinen kulturellen Spuren in Südostasien?

Bisher wurde Fragestellungen zum Sprachwandel portugiesisch-basierter Kreolsprachen unter dem Druck ihrer Prestigesprachen wenig Beachtung geschenkt. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, neue Erkenntnisse innerhalb der Kontaktlinguistik in Bezug auf die Kreolsprachen zu liefern. Es ergeben sich darüber hinaus neue Resultate hinsichtlich des Sprachgebrauchs und der Sprachidentifikationen, die nicht nur in der Kreolistik Anwendung finden, ←21 | 22→sondern auch fachübergreifend in der allgemeinen Sprachwissenschaft von Bedeutung sein können.

1.2. Hinweise zum Aufbau der Arbeit

Die Dissertation gliedert sich nach der Einleitung in drei Teile: einen historischen, einen methodologischen und einen empirischen Teil.

Im historischen Teil wird auf die Entstehung des portugiesischen Handels- reiches eingegangen, das die Grundlage für die Verbreitung der portugiesischen Kultur und der lusophonen Varietäten bildete, die später am Prozess der Kreolgenese beteiligt waren. In diesem Teil werden nicht nur die historischen Bedingungen genannt, die zu den Migrationen von Europa nach Asien und den daraus resultierenden Sprach- und Kulturkontakten führten, sondern vor allem die Prozesse dargestellt, die für die Entstehung von Kreolsprachen im Allgemeinen verantwortlich sind. In Hinblick auf die historisch bedingte Präsenz der Kreolsprachen in Südostasien werden zwei grundlegende Genesetheorien betrachtet und miteinander verglichen. Es soll untersucht werden, ob das Modell der Monogenese oder das der Polygenese anwendbar ist oder ob womöglich andere Theorien genauere Erklärungsmodelle für die Entstehung des Papia Kristang und des Macaísta liefern.

Der theoretische Teil umfasst die methodologischen Grundlagen dieser Untersuchung sowie die theoretischen Grundlagen des Sprachkontakts. Ein Fundament bilden hier wissenschaftliche Methoden aus der Sprachkontakt- und Varietätenforschung, die u. a. von Eugenio Coseriu begründet wurden. Seine sprachtheoretischen strukturell-funktionalen Konzepte sind die Basis für die Funktionale Variationslinguistik von Thomas Stehl (2012) und für die Beschreibungsebenen dieser empirischen Untersuchung. Zu den drei Dimensionen, die hier erläutert werden, gehören die Kompetenz der Variation, Pragmatik der Variation und Linguistik der Variation. Da Sprache eng an Kultur und die damit verbundenen Identitäten geknüpft ist, gibt dieser Teil auch Raum für ein noch wenig erforschtes Feld des Zusammenspiels von Sprache und Identität. Es wird ein Modell aufgestellt, das dazu dient, den Zusammenhang des Sprach- und Identitätswandels darzustellen. Eine Orientierung für die Entwicklung des Modells boten die Ausführungen von Achimbe (2011).

Für den empirischen Teil als Schwerpunkt dieser Arbeit sind die sprachliche Kompetenz der Sprecher, deren Sichtweise auf die Kreolsprachen sowie die heutige Verwendung der Kreolsprachen die zu untersuchenden Kriterien. Außerdem soll geklärt werden, ob am Erhebungsort eine Diglossie bzw. ein Bilingualismus oder Multilingualismus vorherrscht. Des Weiteren werden die ←22 | 23→Erhebungsmethode und das Konzept des Fragebogens vorgestellt sowie das Wesen und der Einfluss von Spracheinstellungen, die für den effektiven Einsatz des Questionnaires notwendig sind. Forschungsergebnisse der Masterarbeit aus Surinam (Arndt 2010) werden beispielhaft herangezogen. Begriffe wie Revitalisierung, Spracherhalt und Sprachentod werden erläutert und in Verbindung mit den Kreolsprachen gesetzt. Die Analyse der Daten erfolgt in drei Teilschritten analog zu den methodologischen Grundlagen. Daraus ergibt sich eine Aufteilung in drei Kapitel: Kompetenz der Variation (Kapitel 7), Pragmatik der Variation (Kapitel 8) und Linguistik der Variation (Kapitel 9). In den Kapiteln 7 und 8 werden die Ergebnisse der Interviews vorgestellt und bewertet, die Auskunft über das metasprachliche Wissen und die selektive Sprachverwendung der Informanten geben. In Ergänzung dazu werden in Kapitel 9 die Sprachaufnahmen analysiert und sprachliche Charakteristika der produzierten Diskurse herausgearbeitet, die den Sprachwandel dokumentieren.

Der Schlussteil der Arbeit enthält eine zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse und einen Ausblick auf die Weiterentwicklung und Bedeutung der Kreolsprachen und des Portugiesischen in Südostasien.

Im Anhang befinden sich zwei Questionnaires: eine Version für die Datenerhebung in Malakka und eine weitere für die Feldarbeit in Macau. Integriert sind ebenfalls ein Tabellen- und ein Abbildungsverzeichnis.

Details

Seiten
314
Erscheinungsjahr
2020
ISBN (PDF)
9783631825709
ISBN (ePUB)
9783631825716
ISBN (MOBI)
9783631825723
ISBN (Hardcover)
9783631824658
DOI
10.3726/b17106
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (November)
Schlagworte
Kreolistik Sprachkontakt Variationslinguistik Portugiesische Kreolsprachen Kreolsprachen Südostasiens
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 314 S., 122 s/w Abb., 44 Tab.

Biographische Angaben

Mario Arndt (Autor:in)

Mario Arndt, promovierter Sprachwissenschaftler, studierte Spanisch und Englisch an der Universität Potsdam. Er unterrichtete Deutsch als Zweit- und Fremdsprache (DaZ/DaF) in Bangkok und leitete ein Team von DaZ-LehrerInnen in Potsdam.

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Titel: Die portugiesisch-basierten Kreolsprachen Südostasiens im Sprachkontakt: Von Malakka nach Macau