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Partizipation, Vermittlung und Ästhetik im (Musik-)Theater für Kinder und Jugendliche

Diskurse zwischen Wissenschaft und Praxis

von Julia Lind (Band-Herausgeber:in) Clara-Franziska Petry (Band-Herausgeber:in) Laura Brechmann (Band-Herausgeber:in)
©2022 Sammelband 174 Seiten

Zusammenfassung

Der Band vereint vierzehn Beiträge zu Theorie und Praxis im zeitgenössischen (Musik-)Theater für Kinder und Jugendliche. Neben WissenschaftlerInnen kommen ExpertInnen aus der Theaterpraxis wie Oper- und TheaterpädagogInnen, SchauspielerInnen und TheaterverlegerInnen zu Wort. Die Beiträge geben Einblick in Produktions- und Vermittlungsprozesse an Theaterhäusern wie der Oper Frankfurt, dem Staatstheater Mainz sowie in Kulturprojekten an Schulen und im öffentlichen Raum. Die Abhandlungen diskutieren kulturelle Teilhabe und Partizipation, Formen kultureller und ästhetischer Bildung sowie aktuelle Inszenierungen. Mit Blick auf die Corona-Krise stellt das Buch auch Möglichkeiten des digitalen Theaters für Kinder und Jugendliche vor.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort. Ein Symposium zwischen Wissenschaft und Praxis (Clara-Franziska Petry)
  • Über die Relevanz von kultureller Teilhabe, die Brisanz von internationalem Austausch und die Substanz von ästhetischer Bildung. Zum Paradigmenwechsel im Kinder- und Jugendtheater (Wolfgang Schneider)
  • I Partizipation
  • Gesellschaftlicher Auftrag, Bildungsprojekt oder Kunstform: Was heißt Partizipation im Theater? (Joscha Schaback)
  • Wer spricht und wer entscheidet? Impulse aus der theaterpädagogischen Praxis für den Wandel der Staats- und Stadttheater (Katrin Maiwald)
  • Die Deubel-Schule: Partizipation in der Elementaren Musikpädagogik und -vermittlung für die Bühne (Clara-Franziska Petry)
  • „Wir wissen schon wie wir es machen wollen, halt noch nicht was.“ Zur Autorschaft von Kindern in Eigenproduktionen. Ein Erfahrungsbericht (Markus Kubesch)
  • II Vermittlung
  • Von der Begegnung zur Vermittlung. Oder: Wir arbeiten alle in die gleiche Richtung (Marina Andrée / Heike Mayer-Netscher / Nikola Schellmann)
  • Kinder- und Jugendtheater in der Lehre. Ein Erfahrungsbericht (Julia Lind)
  • Oper mit wachen Sinnen besuchen – Die Methode der Szenischen Interpretation von Musik und Theater (Iris Winkler)
  • KlaWIR am Bahnhof am Hauptbahnhof Mainz (Clara-Franziska Petry / Mona Heiler)
  • III Ästhetik
  • Sinnliche Erfahrung im Musiktheater für junges Publikum (Christiane Plank-Baldauf)
  • Praxiseinblicke in die Entwicklung neuer Libretti im Jungen Musiktheater (Brigitte Korn-Wimmer)
  • Die Inszenierung von Extremismus. Unsichtbares Präventionstheater zu gewaltbereitem Islamismus (Fabian Riemen)
  • Praxiseinblick in das mobile Musiktheater ZWEIEINANDER (Anselm Dalferth)
  • „Im Zweifel für den Zweifel“ – Anarchische Erfahrungen im Theater mit den Allerkleinsten (Judith Franke)
  • Autor/innenverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Clara-Franziska Petry

Vorwort.

Ein Symposium zwischen Wissenschaft und Praxis

Theaterwissenschaft kann man betreiben, ohne sich mit Musik beschäftigen zu müssen. Musik ist ohne theaterwissenschaftliche Begriffe, Geschichts- und Theoriebildung nicht vorstellbar. Musik und ihre Vermittlung lebt von der Aufführungssituation, und da ist er schon, der Begriff der Aufführung und damit die Theaterwissenschaft! Es wundert nicht, wie viele Musikvermittler ein theaterwissenschaftliches Grundstudium absolviert haben. Zwischen Dramentext und Aufführung des Dramas zeichnet sich das Fach durch ein breites Forschungsfeld aus, das von den typischen Sparten des Stadttheaters von Oper, Musical, Schauspiel, Ballett (etc.) bis zu theatralen Phänomenen im World Wide Web oder im (Stadt)Alltag überall dort Forschungsmaterial findet, wo Individuen aufeinandertreffen und in irgendeiner Form zum Akteur werden. Während meiner Promotion im Fach Theaterwissenschaft durfte ich durch meine Arbeit in der Musikvermittlung am Konzerthaus Glocke in Bremen erleben, wie Konzertsäle aussehen, in denen das Nachwuchspublikum fehlt und der Musikvermittler trotz allem immer wieder für seine Sichtbarkeit kämpfen muss.1 Die Stellensituation an den Universitäten bringt dabei eine doppelte Berufstätigkeit in Praxis und Wissenschaft mit sich. Immer häufiger entsteht hier in Biografien ein flexibler Wechsel: Praktiker gehen zurück an die Universität, zum Beispiel, um zu promovieren, Wissenschaftler gehen nach Ablauf des ←7 | 8→Wissenschaftszeitgesetzes in die Praxis. Auf Tagungen, Konferenzen oder Symposien begegnet man trotzdem selten einer Vermischung von Wissenschaft und Praxis, obwohl viele der Referenten beides in ihrer Biografie abdecken, weshalb es uns ein besonderes Anliegen war, die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis programmatisch ins Zentrum zu setzen. Denn Keynotes, gehalten von Künstlern, die sich bereits einen Namen gemacht haben, kennt man zwar, die Breite des Feldes wird jedoch nur auf Festivals oder Veranstaltungen ohne Wissenschaftler repräsentiert. Als wir unseren Call for Paper im November 2019 durch die bewährten Verteiler schickten, lösten wir gemischte Gefühle aus. Promovierende Wissenschaftler waren begeistert von der Möglichkeit des Austausches, habilitierte Wissenschaftler eher enttäuscht über den zugegeben konservativ formulierten Call for Paper („Es muss doch mal über eine Bestandsaufnahme hinausgehen“) und im Bereich der Praxis kam zunächst heftiger Gegenwind auf. Grund für die anfänglichen Kommunikationsprobleme sind hier die unterschiedlichen Strukturen von Wissenschaft und Praxis. Während es in der Wissenschaft selbstverständlich ist, über Verteiler auf Call for Papers aufmerksam zu werden, ist man in der Praxis eine persönliche Einladung gewohnt. Während in der Wissenschaft Konferenzgebühren selbstverständlich sind, ist man in der Praxis dazu geneigt, völlig berechtigt ein Honorar zu fordern. Allein die Förderinstitutionen finanzieren keine Honorare. Wie kommt man also zusammen? Durch unsere Zusammenarbeit mit Katrin Maiwald, 2020 noch Dramaturgin des Mainzer Staatstheaters, und unsere Kooperation mit der Oper Frankfurt durch Opernpädagogin Iris Winkler war der Grundstein für die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis gelegt, doch die Nachfragen blieben bis zum Schluss: Was genau heißt die Anweisung „Einblick in die Praxis“? Ein Vortrag aus der Praxis im Hauptprogramm? Gibt es da kein Nebenprogramm? Schlaglichter als Inspiration für die Praxisbeiträge wurden formuliert,2 doch was blieb, war das Gefühl: Was wollen denn die Wissenschaftler von uns?←8 | 9→

Das Feld des Kinder- und Jugend-(Musik-)Theaters hätte eine Zusammenarbeit von mindestens fünf Fächern verdient, betrifft es doch sowohl die Theater-, Musik-, Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaft als auch die Praxisfelder all der genannten Disziplinen. Doch wie kann die Praxis, so vielfältig wie die des Kinder- und Jugend-(Musik-)Theaters, in ihrer Breite abgebildet werden? Welchen Stellenwert hat hier die Wissenschaft? Und warum ist hier die Musik in Klammern gesetzt? Das Fach Musikvermittlung als akademische Disziplin ist relativ neu. Dennoch wird der Instrumentalpädagoge immer noch mit dem Musikvermittler verwechselt, ein Problem, das die Theaterpädagogik nicht hat, oder doch? Viele Theaterpädagogen können sich nicht mehr mit dem Pädagogikbegriff identifizieren und begreifen sich vielmehr als Theatervermittler. Doch was haben Theatervermittler mit Musik zu tun? In der Praxis begegnet man immer wieder z. B. Opernaufführungen für Kinder, deren vermittelndes Konzept, von einem Theaterpädagogen vorgenommen, die Musikvermittlung vollends ausblendet. Die Musik, die hier im Titel des Symposiums in Klammern steht, ist also keineswegs als sekundäres Betrachtungsfeld zu verstehen. Ziel des Symposiums war es, ganz klar Musiktheater und Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche aus dem Theater bzw. aus der Theaterwissenschaft heraus zu denken. Das Selbstbewusstsein des Kinder- und Jugendtheaters darf sicherlich mit dem Vorkämpfer Wolfgang Schneider in Verbindung gebracht werden, der 1989 das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland gründete, 1997 das Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim und für sein Engagement 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Auch in seinem Eröffnungsvortrag fordert er für kulturelle Bildung die Vernetzung von Kultur- und Bildungseinrichtungen in der Kommunalpolitik, da kulturelle Bildung den Bezug auf die Künste brauche.3 Dabei versteht er kulturelle Bildung vor allem als ästhetische Bildung.4 Auch wenn Schneider für eine Reform der Schule plädiert, bei der kulturelle Bildung nicht nur als „curriculares Element, das dem bestehenden Stunden- und Fächerplan bloß hinzugefügt werden kann“ zählt, möchte ich hier einleitend auch die Universität als Bildungseinrichtung in die Verantwortung mit einbeziehen ←9 | 10→und dabei explizit auch die Zusammenarbeit von Kultureinrichtungen und Universitäten ansprechen.

Durch unterschiedliche Aspekte hat sich im Rahmen dieses Symposiums gezeigt, dass Wissenschaft und Praxis im Feld des Kinder- und Jugend-(Musik-)Theaters ein Nebeneinander leben, das zwar von gegenseitigem Interesse und Respekt geprägt ist, jedoch wenig von gegenseitigem Austausch. Neben der ästhetischen Reflexion praktischer Arbeiten kann die Wissenschaft über kulturpolitische Forderungen hinaus auch nützlich sein, wenn es um den Vergleich unterschiedlicher Praxisansätze geht. Der Wissenschaftler kann hier auch als Vermittler zwischen Praktikern auftreten und sollte als solcher auch in Betracht gezogen werden. Wissenschaft kann behilflich sein, den Praxisansatz zu reflektieren, die Praxis kann dazu dienen, die Wissenschaft zu befruchten. So ist bisweilen die Forderung nach mehr Stücken mit partizipativem Ansatz, wie er in einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen verhandelt wird, von vielen Stimmen aus der Praxis problematisiert worden, da man vor allem in der Arbeit mit Jugendlichen oftmals eher als Motivationstrainer denn als Theaterpädagoge arbeite. Vor allem im Rhein-Main-Gebiet ist man in der Praxis relativ verwöhnt, was das junge Publikum angeht. Statistiken über das fehlende Nachwuchspublikum, die in der Wissenschaft längst vorliegen und die in anderen Städten neben den Kulturzentren längst spürbar sind, müssen an alle Vorgesetzte von Theater- und Musikschaffenden kommuniziert werden, damit Musik- und Theatervermittler endlich die ihnen zustehende Akzeptanz und Unterstützung bekommen. Gleichzeitig sind die Strukturen an Stadttheatern oftmals so festgefahren, dass Projekte, die zur Gewinnung eines jungen Nachwuchspublikums nötig wären, gar nicht umgesetzt werden können. Das Kinder- und Jugend-(Musik-)Theater braucht also einen Austausch von Wissenschaft und Praxis und dazu soll dieser Sammelband einen Beitrag leisten.

Kooperation und Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis

Details

Seiten
174
Jahr
2022
ISBN (PDF)
9783631874004
ISBN (ePUB)
9783631874011
ISBN (Hardcover)
9783631862544
DOI
10.3726/b19454
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (März)
Schlagworte
Opernpädagogik Kulturelle Bildung Digitales Theater Kinder- und Jugend-(Musik-)Theater Theatervermittlung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 174 S., 9 farb. Abb., 2 s/w Abb.

Biographische Angaben

Julia Lind (Band-Herausgeber:in) Clara-Franziska Petry (Band-Herausgeber:in) Laura Brechmann (Band-Herausgeber:in)

Clara-Franziska Petry (geb. Plum) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Neben ihrer abgeschlossenen Promotion war sie in der Musikvermittlung tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte und Publikationen setzen an den Schnittstellen von Theaterwissenschaft, Musik und Soziologie an. Julia Lind ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, an der sie als Stipendiatin der Stipendienstiftung RLP ihre Promotion abschloss. Ihre Forschungsgebiete umfassen Inszenierung von Geschichte, zeitgenössisches Drama und Theater in der DDR. Laura Brechmann ist Theaterwissenschaftlerin und Performerin in Deutschland, Österreich und Tschechien. Sie ist Projektmitarbeiterin an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und erforscht den «Schwindel» im Rahmen des PEEK-Projekts «Gemeinsam durch den Taumel».

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