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Der Hamburger Theaterskandal von 1801

Eine Quellendokumentation zur politischen Ästhetik des Theaters um 1800

von Martin Schneider (Band-Herausgeber:in)
©2017 Andere 333 Seiten

Zusammenfassung

Der Herausgeber dokumentiert, kommentiert und analysiert erstmals den Hamburger Theaterskandal von 1801. Damals kam es zu einer offenen Rebellion des Publikums gegen die fünf Direktoren der Bühne. Lautstark forderten die Zuschauer ein Mitspracherecht bei künstlerischen Entscheidungen. Sie zeigten damit, dass das Theater um 1800 als öffentlicher Verhandlungsort politischer und ästhetischer Konflikte zu begreifen ist. Dieses Buch dokumentiert den Hamburger Theaterskandal anhand historischer Pressetexte. Dabei macht der Herausgeber deutlich, welche Rolle die Medien bei der Eskalation des Streits und seiner Bewältigung in der Öffentlichkeit spielten. Die hier zum ersten Mal edierten und kontextualisierten Quellen des Skandals erlauben neue Erkenntnisse über die Funktionsweise von Theaterskandalen überhaupt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort des Herausgebers
  • 1. Quellendokumentation
  • 1.1. Vor dem Skandal
  • 1. Garlieb Merkel: Briefe über Hamburg und Lübek. Leipzig: Johann Friedrich Hartknoch 1801, S. 344–348.
  • 2. Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde. Hrsg. v. Carl Lebrün. Erster Jahrgang. Hamburg: Perthes, Besser & Mauke 1841, S. 214–217, S. 221–222.
  • 3. Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer: Friedrich Ludwig Schröder. Beitrag zur Kunde des Menschen und des Künstlers. Bd. 2/1. Hamburg: Hoffman und Campe 1819, S. 163–165.
  • 4. Annalen des Theaters. Erstes Stück. Freytag den 9. Januar 1801, S. 1–9.
  • 5. Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. Erstes Stück. Sonnabends, den 4ten October 1800, S. 3–9.
  • Inveni portum! – Spes, et Fortuna, valete!
  • 6. Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. [Zweites Stück. Sonnabends 11. Oktober 1800], S. 19–23, S. 31–32.
  • 7. Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. Fünftes Stük. Sonnabends, den 1sten November 1800, S. 77–80.
  • 8. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Sechszehnter Band. Jahrgang 1801. Februar. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1801, S. 99–100.
  • 9. Hamburgischer Briefträger. Nr. 16. Hamburg, den 25sten April, 1801, S. 247–252.
  • 10. Annalen des Theaters. Zweytes Stück. Freytag den 16. Januar 1801, S. 17–24.
  • 11. Annalen des Theaters. Achtes Stück. Freytag den 27. Februar 1801, S. 141–144.
  • 12. Annalen des Theaters. Zweytes Stück. Freytag den 16. Januar 1801, S. 32.
  • 13. Hamburgischer Briefträger. Nr. 2. Hamburg, den 10ten Januar, 1801, S. 23–27.
  • 14. Annalen des Theaters. Zweytes Stück. Freytag den 16. Januar 1801, S. 31.
  • 15. Annalen des Theaters. Sechstes Stück. Freytag den 13. Februar 1801, S. 107–109.
  • 16. Annalen des Theaters. Siebentes Stück. Freytag den 20. Februar 1801, S. 113–115.
  • 17. Annalen des Theaters. Sechstes Stück. Freytag den 13. Februar 1801, S. 97–104.
  • 18. Annalen des Theaters. Achtes Stück. Freytag den 27. Februar 1801, S. 129–132.
  • 19. Annalen des Theaters. Neuntes Stück. Freytag den 6. März 1801, S. 148–149.
  • 20. Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. Zweyundzwanzigtes Stük. Freytags, den 6. März 1801, S. 129–137.
  • 21. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Sechszehnter Band. Jahrgang 1801. May. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1801, S. 272–274.
  • 22. Annalen des Theaters. Zehntes Stück. Freytag den 13. März 1801, S. 170–172, S. 175–176.
  • 23. Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. Fünfundzwanzigtes Stük. Freytags, den 27. März 1801, S. 179–192.
  • 24. Annalen des Theaters. Zwölftes Stück. Freytag den 27. März 1801, S. 199–202, S. 205, S. 208.
  • 25. Hamburgischer Briefträger. Nr. 14. Hamburg, den 11ten April 1801, S. 214–216.
  • 26. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Anno 1801. Nr. 60. Mittewochen, den 15 April 1801 [Beylage]. Hamburg 1801 [o. S.].
  • 1.2. Der Skandal
  • 27. Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde. Hrsg. v. Carl Lebrün. Erster Jahrgang. Hamburg: Perthes, Besser & Mauke 1841, S. 223–232.
  • 28. Annalen des Theaters. Vierzehntes Stück. Freytag den 17. April 1801, S. 238–239.
  • 29. Extra=Beylage zu den Annalen des Theaters. Vierzehnten Stücks, S. 241–256.
  • 30. Annalen des Theaters. Funfzehntes Stück. Freytag den 24. April 1801, S. 257–259.
  • 31. Annalen des Theaters. Achtzehntes Stück. Freytag den 15. May 1801, S. 320.
  • 32. Annalen des Theaters. Neunzehntes Stück. Freytag den 22. May 1801, S. 336.
  • 33. Annalen des Theaters. Funfzehntes Stück. Freytag den 24. April 1801, S. 267–268.
  • 34. Raisonnirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg. Achtundzwanzigtes Stük. Freytags, den 24 April 1801, S. 17–32.
  • 35. Hamburgischer Briefträger. Nr. 17. Hamburg, den 2ten May, 1801, S. 266–269.
  • 36. Zeitung für die elegante Welt. Erster Jahrgang. Nr. 53. Sonnabend, 2. May 1801. Leipzig: Voß und Compagnie 1801, Sp. 432.
  • 37. Zeitung für die elegante Welt. Erster Jahrgang. Nr. 57. Dienstag, 12 May 1801. Leipzig: Voß und Compagnie 1801, Sp. 460–464.
  • 38. Eunomia. Eine Zeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts. Von einer Gesellschaft von Gelehrten. Herausgegeben von Feßler und Rhode. Mai 1801. Berlin: Friedrich Maurer 1801, S. 466–475.
  • 39. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Sechszehnter Band. Jahrgang 1801. Juny. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1801, S. 313–315.
  • 40. Carl Ludwig Costenoble’s Tagebücher von seiner Jugend bis zur Übersiedlung nach Wien (1818). Berlin: Verlag der Gesellschaft für Theatergeschichte 1912. Bd. 1, S. 140–143.
  • 41. Hamburgische Carricaturen. I. [Stück]. Mittwoch 6 Mai 1801. [o. O.] [o. V.], S. 1–8.
  • 42. [Anonym:] Die unglücklichen Komödianten. Lustspiel in einem Aufzug. Seitenstück zu den Unglücklichen des Herrn von Kotzebue. Berlin, [o. V.] 1801, S. 2–48.
  • 43. Dramaturgisches Journal für Deutschland. Nr. 15–17. 19.–21. April, 16.–30. April, 14.–28. Mai 1802. Fürth in Franken: im Bureau für Litteratur 1802, S. 224–234, S. 246–248, S. 256–260, S. 288–296, S. 305–316, S. 328–331.
  • 44. Ferdinand Beneke: Die Tagebücher. Bd. I/3. 1799 bis 1801. Göttingen 2012, S. 400.
  • 45. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Anno 1801. Nr. 68. Mittewochen, den 29 April 1801 [Beylage]. Hamburg 1801 [o. S.].
  • 1.3. Nach dem Skandal
  • 46. Annalen des Theaters. Sechszehntes Stück. Freytag den 1. May 1801, S. 280, S. 283.
  • 47. Annalen des Theaters. Siebzehntes Stück. Freytag den 8. May 1801, S. 297–299.
  • 48. Annalen des Theaters. Funfzehntes Stück. Freytag den 24. April 1801, S. 259–262.
  • 49. [Anonym:] An Friedrich Ludwig Schröder den Schlafenden, Eigenthümer des deutschen Schauspiels in Hamburg, ehemahligen Direktor desselben. Im Jahr 1801 [o. O.] [o. V.], S. 3–22.
  • 50. Annalen des Theaters. Sechszehntes Stück. Freytag den 1. May 1801, S. 273–277.
  • 51. Annalen des Theaters. Siebzehntes Stück. Freytag den 8. May 1801, S. 289–296.
  • 52. Annalen des Theaters. Achtzehntes Stück. Freytag den 15. May 1801, S. 305–306.
  • 53. Annalen des Theaters. Neunzehntes Stück. Freytag den 22. May 1801, S. 333–335.
  • 54. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Sechszehnter Band. Jahrgang 1801. July. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1801, S. 372–374.
  • 55. Annalen des Theaters. Zwanzigstes Stück. Freytag den 29. May 1801, S. 341–344, S. 351–352.
  • 56. Eunomia. Eine Zeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts. Von einer Gesellschaft von Gelehrten. Herausgegeben von Feßler und Rhode. Junius 1801. Berlin: Friedrich Maurer, S. 573.
  • 57. Annalen des Theaters. Zwey und zwanzigstes Stück. Freytag den 12. Juny 1801, S. 384.
  • 58. Annalen des Theaters. Drey und zwanzigstes Stück. Freytag den 19. Juny 1801, S. 385–394.
  • 59. Annalen des Theaters. Fünf und zwanzigstes Stück. Freytag den 3. July 1801, S. 397–400.
  • 60. Zeitung für die elegante Welt. Erster Jahrgang. Nr. 80. Sonnabend, 4 July 1801. Leipzig: Voß und Compagnie 1801, Sp. 646–647.
  • 61. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Sechszehnter Band. Jahrgang 1801. Oktober. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1801, S. 561–564.
  • 62. Zeitung für die elegante Welt. Erster Jahrgang. Nr. 147. Dienstag, 8 Dezember 1801. Leipzig: Voß und Compagnie 1801, Sp. 1186–1187.
  • 63. Journal des Luxus und der Moden. Herausgegeben von F. J. Bertuch und G. M. Kraus. Siebzehnter Band. Jahrgang 1802. Februar. Weimar: Verlag des Industrie-Comptoirs 1802, S. 79–83.
  • 64. Dramaturgisches Journal für Deutschland. Nr. 3. 22. Januar 1802. Fürth in Franken: im Bureau für Litteratur 1802, S. 38.
  • 65. Eunomia. Eine Zeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts. Von einer Gesellschaft von Gelehrten. Herausgegeben von Feßler und Fischer. April 1802. Berlin: Friedrich Maurer, S. 374–376.
  • 66. Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde. Hrsg. v. Carl Lebrün. Erster Jahrgang. Hamburg: Perthes, Besser & Mauke 1841, S. 234–235.
  • 67. [Anonym:] An Herrn und Madame Langerhans. Ein Epilog. Hamburg [o. V.] 1802, S. 1–4.
  • 68. [Anonym:] Reden gesprochen von Herrn und Madame Langerhans am Abschieds=Abend den 31sten März 1802. Hamburg [o.V.] 1802, S. 3–8.
  • 69. [Anonym:] Der Polter=Abend im deutschen Schauspielhause den 31sten März 1802. [o. O.] [o. V.], S. 1–8.
  • 70. Eunomia. Eine Zeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts. Von einer Gesellschaft von Gelehrten. Herausgegeben von Feßler und Fischer. May 1802. Berlin: Friedrich Maurer, S. 474–478.
  • 71. Carl Ludwig Costenoble’s Tagebücher von seiner Jugend bis zur Übersiedlung nach Wien (1818). Berlin: Verlag der Gesellschaft für Theatergeschichte 1912. Bd. 1, S. 207–208.
  • 2. Politische Öffentlichkeit und ästhetischer Diskurs im Theater um 1800: Der Hamburger Direktionsskandal
  • 2.1. Der Hamburger Theaterskandal von 1801 im Kontext
  • 2.2. Das Theater um 1800 als öffentlicher Raum
  • 2.3. Der Theaterskandal als Medienskandal: Die Rolle der Presse
  • 2.4. Normen I: Politik
  • 2.5. Normen II: Ökonomie
  • 2.6. Normen III: Ästhetik
  • 2.7. „Spektakel im Spektakel“: Zur Theatralität des Skandals
  • 3. Anhang
  • 3.1. Ausführliches Inhaltsverzeichnis der Quellendokumentation
  • Vor dem Skandal
  • Der Skandal
  • Nach dem Skandal
  • 3.2. Quellenverzeichnis
  • 3.3. Zur Textgestalt
  • 3.4. Verzeichnis der Personennamen
  • 3.5. Abbildungsverzeichnis
  • Danksagung

Martin Schneider (Hrsg.)

Der Hamburger
Theaterskandal von 1801

Eine Quellendokumentation
zur politischen Ästhetik
des Theaters um 1800

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Herausgeberangaben

Martin Schneider ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Theatergeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Theorie und Ästhetik des Ereignisses sowie Verbindungen von Literatur und Musik.

Über das Buch

Der Herausgeber dokumentiert, kommentiert und analysiert erstmals den Hamburger Theaterskandal von 1801. Damals kam es zu einer offenen Rebellion des Publikums gegen die fünf Direktoren der Bühne. Lautstark forderten die Zuschauer ein Mitspracherecht bei künstlerischen Entscheidungen. Sie zeigten damit, dass das Theater um 1800 als öffentlicher Verhandlungsort politischer und ästhetischer Konflikte zu begreifen ist. Dieses Buch dokumentiert den Hamburger Theaterskandal anhand historischer Pressetexte. Dabei macht der Herausgeber deutlich, welche Rolle die Medien bei der Eskalation des Streits und seiner Bewältigung in der Öffentlichkeit spielten. Die hier zum ersten Mal edierten und kontextualisierten Quellen des Skandals erlauben neue Erkenntnisse über die Funktionsweise von Theaterskandalen überhaupt.

Zitierfähigkeit des eBooks

Diese Ausgabe des eBooks ist zitierfähig. Dazu wurden der Beginn und das Ende einer Seite gekennzeichnet. Sollte eine neue Seite genau in einem Wort beginnen, erfolgt diese Kennzeichnung auch exakt an dieser Stelle, so dass ein Wort durch diese Darstellung getrennt sein kann.

Vorwort des Herausgebers

In Hamburg kam es am 20. April des Jahres 1801 zu einem außergewöhnlichen Ereignis in der Geschichte des deutschen Theaters: Das Publikum hatte sich im Zuschauerraum versammelt, um offen gegen die Direktion des Hamburger Schauspielhauses zu rebellieren und eine Mitbestimmung bei künstlerischen und ökonomischen Entscheidungen zu fordern. So einzigartig dieser politische Protest auch in den Augen der Zeitgenossen war und selbst aus der zeitlichen Entfernung von über zwei Jahrhunderten betrachtet noch ist, zeigt er doch exemplarisch, dass das Theater um 1800 nicht nur als ästhetischer Raum, sondern auch als öffentlicher Verhandlungsort sozialer Konflikte zu begreifen ist. Während sich bisherige Forschungen zum Theaterskandal auf die Zeit um 1900 konzentrieren, soll dieses Buch zeigen, dass schon hundert Jahre zuvor das Theater ein gesellschaftliches Forum bot, in dem politische, ökonomische und ästhetische Kämpfe ausgetragen wurden. Es soll also nicht um einen Beitrag zur Lokal- und Kulturgeschichte Hamburgs gehen, sondern um die Tiefenstruktur des deutschen Theaters im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert.

Dass hier zum ersten Mal eine ausführliche Quellendokumentation eines einzigen Theaterskandals vorgelegt wird, verspricht neue Aufschlüsse über die Funktionsweise von Theaterskandalen überhaupt: ihre Bedeutung für den öffentlichen Diskurs, ihre Rolle bei der Überwindung alter und der Etablierung neuer Normen, ihre spezifische Eskalationsdynamik. Die Lektüre des umfangreichen Materials soll durch dessen chronologische Anordnung erleichtert werden. Die Diskussion um das Theater, die vor dem Skandal in der Öffentlichkeit geführt wurde, wird ebenso dokumentiert wie die zahlreichen Berichte über den Skandal selbst und dessen publizistische Verarbeitung in den Folgemonaten. Auslöser des Aufstands gegen die Hamburger Theaterleitung waren die nach Meinung des Publikums mangelhafte Qualität der Aufführungen und die schlechte ökonomische Verwaltung des Theaters. Am 20. April, zur Aufführung von August von Kotzebues Schauspiel Menschenhass und Reue, versammelten sich die Rebellen im Zuschauerraum und riefen die fünf Direktoren auf die Bühne. Als diese erschienen, wurde ihnen eine Anklageschrift vorgelesen, in der die Aufständischen im Namen des Publikums von der Theaterleitung Rechtfertigung für ihre Versäumnisse verlangten und sofortige Konsequenzen forderten. Auch wenn die Direktion diesen Skandal überstand, schlug er nicht nur in der Hamburger, sondern in der ganzen deutschen Presse hohe Wellen: zeigte er doch, dass sich das bürgerliche←7 | 8→ Publikum als Patron „seines“ Theaters verstand und die Bühne als elementarer Bestandteil der politischen Öffentlichkeit fungierte.

Die Quellentexte zeugen nicht zuletzt von der medialen Vielfalt des damaligen Theaterwesens: Theater- und Kulturjournale finden sich ebenso wie Wochenzeitungen, Schmähschriften, Karikaturen, Persiflagen, einaktige Dramenparodien, Theaterreden, Reiseberichte und Tagebücher. Der Leser erhält so nicht nur Einblick in die Interaktionsmuster von Theaterskandalen um 1800 und die politischen, ökonomischen und ästhetischen Erwartungen, die an die Bühne dieser Zeit gerichtet wurden, sondern auch in die besonderen Argumentations- und Darstellungsverfahren der einzelnen Medien. Zum besseren Verständnis der Quellen sind diesen Kommentare beigegeben, deren Anordnung sich nach den in den Texten angeführten Seitenzahlen der Vorlagen richtet. Die genaue Chronologie der Quellen findet der Leser in einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis im Anhang. Dort ist auch eine alphabetische und mit kurzen biographischen Informationen versehene Liste der in den Texten erwähnten Personen angeführt.

Im Anschluss an die Quellendokumentation folgt ein Aufsatz des Herausgebers, der versucht, den Hamburger Theaterskandal von 1801 in seiner politischen und ästhetischen Dimension zu begreifen. Ziel dieses Textes ist es, an das in diesem Buch versammelte historische Material heranzuführen, in der Hoffnung, dass der Leser zur eigenständigen Erkundung eines bisher unerforschten Gebietes der deutschen Theatergeschichte ermuntert wird.←8 | 9→

1. Quellendokumentation

1.1. Vor dem Skandal

1. Garlieb Merkel: Briefe über Hamburg und Lübek. Leipzig: Johann Friedrich Hartknoch 1801, S. 344–348.

Im Winter 1798–1799 reist der Schriftsteller Garlieb Merkel nach Hamburg und besucht auch das dortige Theater. Er schildert den schlechten Zustand der Bühne, den auch die Protestierenden des 20. April 1801 kritisieren werden und der als Auslöser des Theaterskandals gelten kann.

Hamburg hat zwey Theater, ein Deutsches und ein Französisches. Das Deutsche hatte einst das Glück Lessing zum Dramaturgen, und späterhin Schröder zum Vorsteher zu ha[345]ben. Damals freilich war es das erste Theater Deutschlands, aber itzt – Man ahnet bei seinem Anblicke nichts mehr von seinem ehemaligen Glanze. Ich habe mir vorgenommen, so wenig als möglich Anekdoten von Lebenden zu erzählen: keine Sylbe also über die Vorgänge, die es sinken machten, seine Direktion dem größten mimischen Künstler Deutschlands verleideten, und sie fünf Kunstjüngern übergaben, deren Namen weder Apoll noch die Nation kennt. –

Das deutsche Schauspielhaus liegt an einem Ende der Stadt, ist schlecht gebaut und schmutzig. Es hat zwei so enge Zugänge, daß man in äußerster Gefahr ist, in denselben gerädert zu werden, und daß sicher kein Tag ohne einen solchen Unglücksfall vergehen würde, wenn man nicht wenigstens darüber hielte, daß alle Kutschen zu dem einen Thore hinein, und zu dem andern hinausfahren müßten. – Der Saal ist im Verhältniß der Stadt sehr klein, [346] und fast ganz ohne Verzierung, wie denn überhaupt in Hamburg bei allen öffentlichen Anstalten wenig auf diese gesehen wird. Die Dekorationen sind schlecht, die Garderobe ist abgetragen, kurz, nichts läßt errathen, daß dies Theater noch vor kurzem der Lieblingstempel Thaliens war, da Schröder in demselben opferte.

Unter den Schauspielern sind wenige, die für etwas mehr als mittelmäßig gelten könnten. Der beliebteste unter ihnen ist Herzfeld, ein getaufter Jude, der in←9 | 10→ Schröders Rollen auftritt, aber freilich, ungeachtet seiner Talente, mehr Bedauren über den Verlust jenes großen Künstlers, als Bewunderung einflößt. Aber ist es ein Wunder, daß wir so wenig ausgezeichnete Schauspieler haben? In London und Paris hatten, wenigstens ehemals, die großen Schauspieler während ihrer ganzen Lebenszeit etwa vierzig bis funfzig Rollen einzustudiren; bei uns hat mancher Schauspieler in einem Jahre eben so viele zu lernen. Jene konn[347]ten oft länger über die Art nachdenken, wie sie eine einzelne Phrase sagen müßten, als diese über den ganzen Charakter einer Rolle. Sehr vorzügliche Talente, wie die eines Schröder, eines Ifland, eines Christ, besiegen freilich diese Schwierigkeit, – doch die weniger ausgezeichneten Köpfe gehen zu Grunde. –

Das Haus ist selten angefüllt, ungeachtet seiner Kleinheit, weil die Eintritts=Preise sehr hoch sind, und wer nur ein wenig Französisch versteht, lieber in das andre Schauspiel geht. Was mir hier gefallen hat, ist, daß man – und so sollte es an jedem öffentlichen Belustigungsorte seyn, – keinen Unterschied der Stände sieht. Selbst die Gesandten, selbst der Magistrat haben, wie ich Ihnen schon einmal sagte, keine eigenen Logen, wenn sie sie nicht etwa miethen. Da dies aber wegen der hohen Preise fast nie geschieht, so sitzt der kleine Krämer unbefangen neben dem hochgebrüsteten Ordensmanne oder dem Senator, und die Zofe, [348] die ihr Liebhaber heute frei hält, neben der Frau Bürgermeisterin. Es ist wahr, es gehört eine eigne Stimmung dazu, diese Freiheit schön zu finden, denn nicht jedermann erkennt das Sprichwort für weise, daß vor Gott, vor dem Gesetze und für ihr Geld, alle Menschen gleich sind.

[344] ein Französisches] Seit Dezember 1794 gab es ein von einer Schauspieltruppe aus Brüssel betriebenes französisches Theater, das zunächst im Konzertsaal auf dem Valentinskamp und dann ab Herbst 1795 in der Drehbahn in der Nähe des Gänsemarktes eine Spielstätte gefunden hatte.

[345] fünf Kunstjüngern] gemeint sind die fünf Direktoren des Hamburger Stadttheaters, die Friedrich Ludwig Schröder 1798 nachfolgten.

[345] Das deutsche Schauspielhaus […] Stadt] Das Theater befand sich am Hamburger Gänsemarkt.

[346] Thaliens] Thalia: Muse der Komödie, hier iSv. Schutzpatronin des Theaters.

[347] Gesandten] Diplomaten.←10 | 11→

2. Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde. Hrsg. v. Carl Lebrün. Erster Jahrgang. Hamburg: Perthes, Besser & Mauke 1841, S. 214–217, S. 221–222.

Carl Lebrun war von 1827 bis 1836 Direktor des Hamburger Theaters. 1841 veröffentlicht er in seinem „Jahrbuch für Theater und Theaterfreunde“ einen Aufsatz über die Geschichte dieser Bühne und widmet sich darin auch den Jahren vor dem Theaterskandal von 1801. Lebrun nennt zwei Gründe für dessen Ausbruch: Die schlechte Öffentlichkeitsarbeit der Direktion und deren mangelnde Bereitschaft, ihre Gewinne in das Theater zu investieren.

Siebente Epoche.

Direction der Herren Eule, Löhrs, Langerhans, Stegmann und Herzfeld,
von 1798 bis 1802.

Das neue Regiment der fünf Herren Directoren, gewissermaßen auf einer revolutionairen Bewegung er[215]richtet, schien nicht mit den günstigsten Auspicien zu beginnen, consolidirte sich jedoch in dieser Hinsicht bald. Das Vertrauen Schröder’s, dem sich das des Publikums anschloß, ehrte die Fünf: sie waren als Künstler geschätzt und hatten Gelegenheit gehabt von Bühnenkenntniß Zeugniß zu geben. Man baute darauf, daß sie ihr wahres Interesse wohl zu beachten wissen würden, und erwartete das Beste von ihnen. Das Befürchten der ihnen mißgestimmten Mitglieder, sie würden bei Besetzung der Rollen nur sich und die Ihrigen bedenken, hatte sich dem Publikum noch nicht mitgetheilt. Bei diesem Anlasse muß bemerkt werden, daß sich von nun an das erste Zeugniß einer Bevormundung der Schauspieler über das Publikum durch geheime Einverständnisse mit Journalisten kund gab. Bisher nahmen die Schauspieler niemals öffentlich Partei gegen die Direction, und selbst die Boudet hat nie belastet werden können, daß sie zu Anreizungen Anlaß gegeben habe. – Beschort’s Abgang, zu dem der damalige Ausschuß beigetragen haben sollte, und der Reinhard’sche Prozeß brachen zu solchen Uebelständen die Bahn. Man braucht die Zeitschriften, die sich von nun an mit dem Theater besonders beschäftigten, nur flüchtig durchzusehen, um von solchen Einmischungen überzeugt zu werden, Einmischungen, die nun von Jahr zu Jahr zunahmen. Sie verschwanden zwar zu gewissen Perioden, aber nur um wieder hervorzubrechen, bis sie darin jene Höhe erreichten, auf der sie jetzt leider stehen, und der wir es zu danken haben, daß die achtbare Kritik fast gänzlich verstummt, oder der Bühne nur im Vorübergehen gedenkt. Und wem, Ihr so leicht verletzbare Künstler, habt Ihr es denn zu danken, wenn Euch die Zeit diesen Beweis von Nichtachtung giebt, als Euch selber? Wer rief diese Liebedienerei,←11 | 12→ diese Bestechungen (gleichviel womit) hervor? Wer erschuf diesen jetzt förmlich in ein System [216] gebrachten Zoll, dem sich Gastrollanten und Debütanten unterwerfen müssen, wollen Sie nicht schon vor ihrem Auftreten den Stab über sich gebrochen sehen? Die wenigen Reingebliebenen unter Euch werden für trotzig, hochmüthig ausgeschrieen, und bedauern es, aus Furcht verkannt zu werden, sich von Männern aus dem richtenden Publikum zurückziehen zu müssen, von denen sie Meinung und Lehre gern entgegennähmen. Ihr klagt über die Kritik – wer zog sie herab? Ihr brecht bei dem leisesten Tadel gegen Euch in ein Feuergeschrei aus – wer verweichlichte Euch so? Ihr klagt über das Publikum – wer trug und trägt dazu bei, es selber in seinem Urtheil zu verwirren? Wer bricht den Stab über neue Dichtungen und Künstler, oder erhebt sie vor ihrem Erscheinen in den Himmel? Wer bringt ins Publikum, was ewig hinter den Coulissen bleiben sollte? Wer schildert im Kreise der Zuhörer den Mitkünstler als Menschen mit seinen Schwächen – ich frage – Wer? „Und alle Zeit, wo die Kunst verfiel, ist sie durch den Künstler gefallen“ – und seit wann gehörte die Kritik etwa nicht zur Kunst? Es ist kaum glaublich, wie diese übertriebene Ruhmsucht, die Mutter jener Verirrungen, den Schauspielkünstler blind gegen die Vorzüge macht, deren er sich zu erfreuen hat. Während Maler und Bildner sich ein Publikum für ihr Atelier suchen müssen, steht es ihm zu, Talent und Studium vor einer großen Versammlung zu entfalten und sich einer augenblicklichen Anerkennung zu versichern. Um wie viel höher sein Ruhm, wenn er solchen Ruhm einen reinen, durch sich selbst erworbnen nennen darf. Er kann sich öffentlich ehren durch den Beweis, wie er besonnene Kritik zu würdigen, zu benutzen versteht, vermag es aber auch durch Consequenz zu belegen, wenn er nicht mit ihr einverstanden ist. Deshalb muß sein Verhältniß zu Kritik und Publikum stets ein reines sein, darum lüfte er den [217] Vorhang nicht selber und weihe die neugierigen Zuschauer nicht in Mysterien ein, die ihn selbst herabsetzen und seiner Direction nachtheilig werden. Schröder sagt schon in §§ 8 und 9 seiner Gesetze:

„Verbreitungen zu vortheilhaften Gerüchten von Schauspielern, Bekanntmachung der Austheilungen und anderer Vorfälle, die nicht zu des Publikums Wissen kommen müssen, werden im erwiesenen Falle durch zwei Schillinge vom Thaler der Monatsgage bestraft;“ und „Verbreitungen nachtheiliger Gerüchte von Schauspielen, Opern und deren Vertheilung in Gesellschaften oder öffentlichen Häusern kann der Eintracht und dem Nutzen schaden und wird im bewiesenen Falle mit dem Verluste des vierten Theils der Monatsgage bestraft.“

Welche Additamente bedingen diese Paragraphen in einer Zeit, die in dieser Hinsicht alles Maaß überschreiten, in der es nicht zu den seltensten Fällen gehört,←12 | 13→ daß manche Schauspieler an der Tafel eines reichen Gönners das Repertoir früher von ihm erfahren, als es ihnen amtlich angezeigt worden? Deshalb gehört es vor Allem dazu, daß die Direction sich von gleichen Vorwürfen freihalte und so besonnen wie möglich ihr Vertrauen verschenke; höchst zweckmäßig ist es dagegen, wenn sie sich ein bestimmtes Blatt erwählt, worin sie jede Notiz, die sie als der öffentlichen Kunde werth erachtet, für officiell erklärt. Vor Allem aber befestige und erhalte sie den Glauben, daß auch sie jeder Theilnahme an der Kritik fremd bleibe. Das leiseste Gerücht, der entfernteste Glaube am Gegentheil erzeugt Parteien gegen sie selbst und giebt den Beweis, wie wenig Vertrauen sie ihrem eigenen Institute schenkt.

[…] [221]

Erwägt man nun, daß die Darstellungen dieser Schauspiele und Opern wenig Ausgaben verursachten, daß in den Directoren und deren Familien dreizehn Mitglieder beschäftigt waren, so läßt sich auf die Prosperität des Unternehmens schließen. Von Ostern 1798 bis 99 wurden 179,222 Mark, von 99 bis 1800 201,000 Mark eingenommen, während Schröder’s größte Einnahme sich nur auf 167,904 Mark (im letzten Jahre seiner Direction) belaufen hatte. Schauspieler und Publikum wußten zu rechnen, und so wurden denn schon einige Stimmen laut über zu große Sparsamkeit in Costümen, Decorationen u.s.w., doch blieben sie noch in ihren Gränzen, da Zulauf und Beifall noch gleichen Schritt mit einander hielten. Jedenfalls hätte dies Präludium der Direction ein Fingerzeig sein sollen, daß der böse Wille nur darauf wartete, mindestens an den Schein von gerechten Beschwerden streifen zu können. Als sich die Nachricht verbreitete, es hätten die fünf Herren aufs [222] Neue contrahirt, wunderte man sich eben nicht darüber, doch wurde auch von vorurtheilsfreien Stimmen die Hoffnung ausgesprochen, daß sich die Direction nicht verleiten lassen werde, durch den Erfolg etwa verblendet, die Kunstanstalt zu einer Finanzspeculation herabzuwürdigen.

Details

Seiten
333
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783631703915
ISBN (PDF)
9783653059076
ISBN (MOBI)
9783631703922
ISBN (Hardcover)
9783631665572
DOI
10.3726/b10960
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (März)
Schlagworte
Friedrich Ludwig Schröder Medien Öffentlichkeit Iffland Publikum
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 333 S., 4 s/w Abb., 4 farb. Abb.

Biographische Angaben

Martin Schneider (Band-Herausgeber:in)

Martin Schneider ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Theatergeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Theorie und Ästhetik des Ereignisses sowie Verbindungen von Literatur und Musik.

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Titel: Der Hamburger Theaterskandal von 1801
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