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Die Dorfgeschichte

Unterhaltungen mit der Zeit

von Hans-Joachim Hahn (Autor:in)
©2021 Monographie XII, 214 Seiten

Zusammenfassung

Die Dorfgeschichte im Vormärz kennzeichnet eine Ablehnung der neoklassizistischen « Kunstperiode » zugunsten der von Robert Prutz definierten « Unterhaltungsliteratur ». Das bedeutet die Hinwendung des auktorialen Erzählers zur Erzählgegenwart, eine oft autobiographisch ausgerichtete Ortsgebundenheit, « Oralität » mit gelegentlicher Verwendung von Dialekt und dem durchgängigen Gebrauch « einfacher Formen ». Die Darstellung sentimentalischer Gefühlsregungen der Dorfbewohner entspricht den demokratischen Bestrebungen der Aufklärung, sie sind Teil ihrer emanzipatorischen Selbstbestimmung. Während in Frühformen der Dorfgeschichte der Schweiz (Zschokke, Gotthelf) didaktische Aspekte im Vordergrund stehen, sind es im Vormärz, der Kernzeit der Dorfgeschichten, gesellschaftspolitische Anliegen. Nach 1848 degenerierte die Dorfgeschichte durch zunehmend reaktionären Nationalismus zur « Heimatliteratur ». Ein erneutes Interesse an Dorfgeschichten begann in der DDR in den 1960iger Jahren und erfuhr in der BRD um 1980 eine zunächst nostalgisch geprägte Renaissance, die im Kontext ökologischer Debatten und einer Skepsis gegenüber Formen der Akzeleration an Popularität gewann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Abbildungen
  • Abkürzungen
  • Vorrede
  • TEIL I ÜBERLEGUNGEN ZUR DORFGESCHICHTE
  • KAPITEL 1 Forschungsüberblick
  • KAPITEL 2 Zur Struktur der Dorfgeschichte
  • TEIL II AUTOREN IM UMKREIS DER DORFGESCHICHTE
  • KAPITEL 3 Vorgeschichte
  • KAPITEL 4 Frühe Formen der Dorfgeschichte aus der Schweiz
  • KAPITEL 5 Dorfgeschichten im Umkreis des Vormärz
  • KAPITEL 6 Grenzfälle: Erzählungen im Umkreis der Dorfgeschichte
  • KAPITEL 7 Verfasserinnen von Dorfgeschichten
  • TEIL III VOM DORF ZUR HEIMAT
  • KAPITEL 8 Peter Rosegger und der Übergang von der Dorfgeschichte zur Heimatliteratur
  • KAPITEL 9 Von der Dorfgeschichte zur Heimatliteratur
  • KAPITEL 10 ‚Dorf-Geschichten‘ in jüngster Zeit
  • Dorfgeschichten: Nachrede
  • Literaturverzeichnis (Auswahl)
  • Register
  • Reihenübersicht

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Abkürzungen

AD +

Bandnummer: Ludwig Anzengruber: Dorfgänge 1. In: Sämtliche Werke, kritisch durchgesehene Gesamtausgabe in 15 Bänden. Latzke, Rudolf und Rommel, Otto (Hrsg.). Wien: Kunstverlag Anton Schroll 1920.

B:

Berthold Auerbach: Befehlerles. In: Dorfgeschichten. Mannheim: Bassermann 1843, Bd. 1.

Br:

Jeremias Gotthelf: Wie fünf Mädchen im Branntwein jämmerlich umkommen. In: Sämtliche Werke in 24 Bänden, Bd. 16.

D:

Hermann Kurz: Ein Donnerwetter im Hornung. In: Kurz: Sämtliche Werke in zwölf Bänden. Bd. 10.

DH:

Dörte Hansen: Altes Land. Roman. München: Penguin. 12. Aufl. 2018. [Erstveröffentlichung 2015].

E +

Bandnummer: Marie von Ebner-Eschenbach: Das Gemeindekind. Roman. In: Gesammelte Werke, Bd. 6. München: Nymphenburger 1961.

El:

Jeremias Gotthelf: Elsi, die seltsame Magd. In: Sämtliche Werke in 24 Bänden, Bd. 17.

EM:

Eugenie John-Marlitt: Thüringer Erzählungen. In: Marlitt. Ihr Leben und ihre Werke. 2. Aufl. Bd. 10. Leipzig, Keil [1890].

F:

Hermann Kurz: Der Feudalbauer. In: Kurz: Sämtliche Werke in zwölf Bänden. Bd. 10.

G:

Hermann Zschokke: Das Goldmacherdorf. Eine anmutige und wahrhafte Geschichte vom aufrichtigen und wohlerfahrenen Schweizerboten. Düsseldorf: Henn 1973.

J:

Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche. In: Droste-Hülshoff: Historisch-kritische Ausgabe, Bd. V,1. Woesler, Winfried (Hrsg.). Tübingen: Niemeyer 1978.

K:

Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe. Bd. 4. Morgenthaler, Walter (Hrsg.) im Auftrag der Stiftung Historisch-Kritische Gottfried Keller Ausgabe. Frankfurt/M.: Neue Züricher Zeitung 1996.←ix | x→

KS:

Hermann Kurz: Schillers Heimatjahre, Nachwort. In: Hartmut Steinecke: Romantheorie und Romankritik in Deutschland: Die Entwicklung des Gattungsverständnisses von der Scott-Rezeption bis zum programmatischen Realismus. Bd. 2. Stuttgart: Metzler 1976.

M +

Bandnummer: Melchior Meyr: Erzählungen aus dem Ries. Gesamtausgabe in vier Bänden. Weltzien, Otto (Hrsg.). Leipzig: M. Hesse [1904].

Mi:

Eduard Mörike: Idylle vom Bodensee. In: Mörike: Sämtliche Werke. Wiese, Benno von, Unger, Helga (Hrsg.). Bd. 1. München: Winckler (1967).

O +

Bandnummer: Karl Leberecht Immermann: Oberhof. In: Immermanns Werke. Kritisch durchgesehene und erläuterte Ausgabe. Maync, Harry (Hrsg.). Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut [1906].

P:

Berthold Auerbach: Die Professorin. In: Sämmtliche Schwarzwälder Dorfgeschichten. Bd. 3.

RW:

Peter Rosegger: Gesammelte Werke Bd. 12.

S:

Berthold Auerbach: Sträflinge. In: Auerbach: Schwarzwälder Dorfgeschichten. Neue Folge. Bd. 3. Mannheim: Bassermann 1849.

St:

Erwin Strittmatter: Der Laden. Roman. Berlin: Aufbau 1983.

T:

Berthold Auerbach: Der Tolpatsch. In: Dorfgeschichten. Mannheim: Bassermann 1843, Bd. 1.

Tw:

Berthold Auerbach: Schriften zur Literatur. Twellmann, Marcus (Hrsg.) Göttingen: Wallstein 2014.

U:

Jeremias Gotthelf: Uli der Knecht. In: Sämtliche Werke in 24 Bänden. Bd. 4.

VU:

Jeremias Gotthelf: Uli der Knecht. Ein Volksbuch. Bearbeitung des Verfassers für das deutsche Volk. 2. Aufl., Berlin: Julius Springer 1850.

W:

Ottilie Wildermuth: Bilder und Geschichten aus Schwaben. 5. Aufl. Stuttgart: Krabbe 1865.

Z:

Juli Zeh: Unterleuten. Roman. München: Luchterhand 2016.

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Vorrede

Diese Studie versteht sich als eine Weiterführung von Arbeiten, die vornehmlich seit etwa einer Generation entstanden sind. Sie nimmt deren Leistungen anerkennend zur Kenntnis, möchte sie aber heutigen Debatten zu diesem Thema einordnen. Im Gegensatz zu den Arbeiten von Friedrich Altvater, Uwe Baur und Jürgen Hein geht es hier weniger um eine möglichst vollständige Erfassung der Autoren von Dorfgeschichten, sondern darum, an Hand einzelner Fallstudien deren Eigenschaften genauer herauszuarbeiten und sie mit Nachfahren des Genres bis in die Gegenwart zu vergleichen. Wegen der inhaltlichen Breite dieser Arbeit konnte die Literatur zu einzelnen Autoren nur teilweise berücksichtigt werden, andererseits hielt ich es für notwendig, etwas ausführlicher auf den Inhalt und die Struktur der hier genannten Geschichten einzugehen, da diese heute meist nur schwer zugänglich sind. Mein eigentliches Anliegen aber war es, zwei Grundkomponenten dieses Themas ins Licht zu stellen: Zum einen soll an Hand eines zeitlich beschränkten Genres eine Art ‚Geistesgeschichte‘ entstehen, die sich vor allem mit der Zeit des Vormärz und den Varianten des Liberalismus befasst, aber auch deren Nachwirkungen bis heute aufspüren möchte. Zum andern geht es um eine systematische Analyse der stilistischen und strukturellen Bauformen, die zumindest für die erste Phase der Dorfgeschichten maßgebend waren, sich aber bis heute in gewissen Variationen aufspüren lassen. Beiden Grundkomponenten gemeinsam ist eine fundamentale Neubewertung des höchst komplexen Begriffs ‚Unterhaltungsliteratur‘, wobei ich über gewisse Ansätze aus den 1970er-Jahren hinausgehen möchte: Germanisten vergangener Generationen neigten dazu, eine auf ‚Unterhaltung‘ ausgerichtete Literatur als ästhetisch minderwertig einzustufen, sie von den großen Werken der ‚Weltliteratur‘ zu trennen.1 Hier scheinen wir auf ein typisches Merkmal der deutschen Literaturgeschichte zu stoßen, das sich ←xi | xii→bis ins zwanzigste Jahrhundert, teilweise auch in anderen Disziplinen, erhalten konnte: Während in vielen Ländern Unterhaltung als Conversation einen hohen Rang innehat, weil hier Bildung, Fragen der Politik, der Gesellschaft und der Wunsch nach demokratischer Mitwirkung diskutiert und oft mit Witz und Ironie gewürzt werden, kam der Begriff im Deutschen selten über ‚intimes Gespräch‘ oder ‚gesellige Plauderei‘ hinaus. Heute läuft das gesamte Wortfeld Gefahr, von dem englischen Wort ‚entertainment‘ vereinnahmt zu werden, was für unser kulturelles Verständnis weitreichende Folgen hat.

Diese Arbeit litt in ihrer Endphase an der wegen der Corona Krise erfolgten Schließung der meisten Universitätsbibliotheken, so dass vor allem bei Nachschlagewerken nicht immer der neueste Stand eingesehen werden konnte. Aus Platzgründen wurden in den ‚Fußnoten‘ wiederkehrende Literaturangaben in jedem Kapitel nur einmal voll angeführt, sie können im Literaturverzeichnis nach Bedarf erneut in Erinnerung gerufen werden. Der ‚Index‘ am Ende der Arbeit unterscheidet nicht zwischen Personen und Begriffen, da mir dies bei einer so ausgedehnten Arbeit als unvorteilhaft erschien.

Mein Dank gilt vor allem Frau Emma Huber, der Fachbibliothekarin für deutsche Literatur an der Bodleian Library und den Professoren Henrike Lähnemann und Nigel Palmer, Dr. Helen Kaufmann, aber auch zahlreichen Kollegen in Deutschland und der Schweiz. Ganz besonderen Dank schulde ich Dr Laurel Plapp, Senior Commissioning Editor bei Peter Lang, für ihre Geduld und die geschickte Art, wie sie meine diversen editorischen Wünsche hat Wirklichkeit werden lassen. Anerkennung verdient auch Daniel McGarry für die Gestaltung des Umschlags

Hans-Joachim Hahn

1Vgl. Peter Nusser: „Unterhaltungsliteratur“. In: Ricklefs, Ulfert (Hrsg.): Fischer Lexikon Literatur, Bd. 3. Frankfurt/M.: Fischer 1996, S. 1906–30, hier S. 1906.

Details

Seiten
XII, 214
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9781800792197
ISBN (ePUB)
9781800792203
ISBN (MOBI)
9781800792210
ISBN (Hardcover)
9781789979367
DOI
10.3726/b18028
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Juni)
Schlagworte
Erzählstruktur Vormärz Unterhaltungsliteratur Heimatliteratur TV-Heimat Auerbach Meyr Anzengruber Keller Immermann Ludwig Mörike Droste Hülshoff Ebner-Eschenbach Marlitt Rosegger Strittmatter Hansen Zeh Peters Hans-Joachim Hahn Die Dorfgeschichte
Erschienen
Oxford, Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Wien, 2021. XII, 214 S., 2 s/w Abb.

Biographische Angaben

Hans-Joachim Hahn (Autor:in)

Hans-Joachim Hahn wurde in einem kleinen Dorf geboren. An den Universitäten Tübingen und Wien studierte er Germanistik und Anglistik, er schloss sein Studium mit einer Dissertation über die Krise des Lyrischen bei W. B. Yeats und W. H. Auden ab. Von 1971 bis 2002 war er Dozent für Germanistik an der Universität Oxford Brookes mit Lehraufträgen an der Universität Oxford. Nach der Emeritierung und bis 2018 hielt er Vorlesungen und Seminare an den Universitäten Oxford und Oxford Brookes, sowie zahlreiche Vorträge auf Konferenzen im In- und Ausland. Er ist Mitglied der Association of German Studies und des Forums Vormärz Forschung (Bielefeld). Relevante Publikationen: German Thought and Culture (1995) und The 1848 Revolutions in German-Speaking Europe (2001) und Artikel über Grass’ Hundejahre in German Life and Letters (2019) und PEGIDA in Monatshefte (2020).

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Titel: Die Dorfgeschichte
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