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Die Vita des Josef Busnāyā

Eine historische Quelle des Nordiraks des 10. Jahrhunderts

von Ralph Barczok (Autor:in)
©2021 Dissertation 282 Seiten

Zusammenfassung

Der Band ist die erste größere Studie zur Vita von Josef Busnāyā. Diese Quelle beschreibt in großem Detailreichtum das alltägliche Leben im 10. Jahrhundert in einem ostsyrischen Kloster und seinem ruralen Umfeld in einer ansonsten schlecht dokumentierten Zeit und Region. Der Autor veranschaulicht das alltägliche Leben im Kloster, seine ökonomische Grundlage und das Verhältnis der Mönche zu ihrem christlichen und nicht-christlichen Umfeld und analysiert es im Kontext seiner historischen Situation. Das Ergebnis ist eine Momentaufnahme mit erstaunlichen Einsichten in das alltägliche, multireligiös geprägte Leben im Nordirak des 10. Jahrhunderts. Allerdings sind diesen durch die Natur der Quelle als hagiographischer Text Grenzen gesetzt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Die Vita des Josef Busnāyā
  • 2.1. Die Überlieferungsgeschichte
  • 2.1.1. Übersetzungen und Handschriften
  • 2.1.1.1. Handschrift V
  • 2.1.1.2. Handschrift C
  • 2.1.1.3. Handschriften der Alqūš-Familie (Al)
  • 2.1.1.4. Die Vorlagen der arabischen Übersetzung
  • 2.1.2. Die Fragmente der indischen Überlieferung
  • 2.1.3. Zeugen
  • 2.1.4. Die textuelle Integrität
  • 2.2. Der Autor
  • 2.3. Aufbau und Struktur der Vita
  • 2.3.1. Die tašʿīṯā des Josef Busnāyā
  • 2.3.2. Historia monachorum
  • 2.3.3. Lehrrede und Lehrtraktat
  • 2.3.4. Struktur der Vita als Ganze
  • 2.4. Die Vita als hagiographisches Werk
  • 2.4.1. Quellenkritik und Hagiographie
  • 2.4.2. Verortung der Vita des Josef Busnāyā
  • 2.4.3. Konsequenzen für die Arbeit mit dem Text
  • 2.5. Das historische Umfeld der Vita
  • 2.5.1. Der zeitliche und räumliche Rahmen
  • 2.5.1.1. Die zeitlichen und räumlichen Daten der Vita des Josef Busnāyā
  • 2.5.1.2. Der Konflikt zwischen Būyiden und Ḥamdāniden
  • 2.5.2. Religiöser und kultureller Rahmen – Ostsyrische Mystik und abrahamitische Klosterreform als Verstehenshorizont der Vita
  • 2.5.2.1. Die antimonastische Zeit der Kirche des Ostens
  • 2.5.2.2. Die Reformbewegung des Abraham von Kaškar
  • 2.5.2.3. Der sogenannte ostsyrische Messalianismus
  • 2.5.2.4. Die ostsyrische Mystik
  • 2.5.2.5. Der Konflikt zwischen ostsyrischer Mystik und der Kirche
  • 3. Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā
  • 3.1. Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā
  • 3.1.1. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē
  • 3.1.2. Das Kloster des Rabbān Hormizd
  • 3.1.3. Das Kloster von Īnēšk
  • 3.2. Der Aufbau des Klosters
  • 3.2.1. ʿumrā und dayrā: Zwei monastische Formen?
  • 3.2.2. Der Aufbau der ʿumrē in der Vita des Josef Busnāyā
  • 4. Das monastische Leben
  • 4.1. Die ersten Jahre als Mönch
  • 4.2. Das Leben in der Abgeschiedenheit
  • 4.2.1. Die Struktur des Tages
  • 4.2.2. Die Zelle
  • 4.2.3. Das Fasten
  • 4.2.3.1. Fasten als asketische Übung der Eremiten
  • 4.2.3.2. Das Nasiräertum (nazīrūṯā)
  • 4.2.3.3. Das Fasten während der Fastenzeit
  • 4.2.3.4. Abweichungen
  • 4.2.4. Die tugendhaften Alten und der Abt
  • 4.3. Frauen im Kloster
  • 4.4. Die Mobilität der Mönche
  • 5. Bildung und Wissen im Kloster
  • 5.1. Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung
  • 5.2. Monastische Bildung
  • 5.2.1. Syrischkenntnisse
  • 5.2.2. Inhalt der Lektüre
  • 5.3. Theologische Bildung
  • 5.4. Johannes bar Kalduns Synthese im Kontext der Tradition der Kirche des Ostens
  • 6. Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters
  • 6.1. Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters
  • 6.2. Die Lehrer des Josef Busnāyā
  • 6.2.1. Das Kloster des Rabbān Hormizd
  • 6.2.1.1. Māranzḵā
  • 6.2.1.2. Der Kreis um Johannes von Ḥelap̄tā
  • 6.2.2. Das Obere Kloster des Mār Gabriel in Mosul
  • 6.2.3. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē
  • 6.3. Das Klosternetzwerk
  • 7. Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb
  • 7.1. Arbeitsteilung und Subsistenzwirtschaft
  • 7.2. Einnahmequellen des Klosters
  • 7.3. Besitz und Armut der Mönche
  • 7.4. Ausgaben des Klosters
  • 8. Die Außenbeziehungen des Klosters
  • 8.1. Die mhaymnē und die ḥanpē
  • 8.2. Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē
  • 8.2.1. Die Kartwāyē/Kurden
  • 8.2.1.1. Begriffsgeschichte
  • 8.2.1.2. Die Kurden: Ein Ethnonym oder ein Stereotyp?
  • 8.2.2. Taʿēlwāyē
  • 8.2.3. Die Ṭayyāyē und Harzdāyē
  • 8.3. Das Kloster als Ort multi-religiöser Begegnung
  • 9. Resümee
  • Transkription
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Handschriftenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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1. Einleitung

In einer seiner Lehrreden erklärte Josef Busnāyā seinen Schülern, dass es drei Wege gebe, die einen Mönch in das Himmelreich führen: „Entweder in der Zelle in der Abgeschiedenheit zu sitzen; oder die Sorge für die Lehre und die Ordnung im Tempel; oder in den Weinbergen und auf den Feldern zu arbeiten.“2 Wer sich eingehend mit der monastischen Tradition der Kirche des Ostens beschäftigt, wird sich über diese Aussage wundern. In der monastischen Literatur wird immer nur der erste Weg als derjenige, der den Menschen perfekt macht und ihn über alle Dinge erhebt, behandelt. Auch Josef Busnāyā betont im weiteren Verlauf seiner Lehrrede, dass der erste der genannten Wege, das Leben in der Abgeschiedenheit der Zelle, der beste sei. Doch die Tatsache, dass die anderen beiden Wege – d. h. die kirchliche Laufbahn und die körperliche Arbeit – ihre Berechtigung und Würdigung erfahren, ist einzigartig. Josef Busnāyā akzeptiert hier eine Realität, mit der sich die monastische Tradition immer schwergetan hat: Ein Kloster ist nicht nur ein Ort des stillen Rückzugs im Gebet, sondern eine Institution, die wirtschaftet, mit der Außenwelt interagiert, Handel treibt und zahlreiche Besucher hat.

Die vorliegende Arbeit fragt nach dieser Institution und versucht sie in ihren verschiedenen Aspekten zu fassen. Sie konzentriert sich dabei auf nur eine Quelle, nämlich auf die Vita des Josef Busnāyā. Der Autor dieser Vita war Johannes bar Kaldun, der selbst Schüler und Sekretär dieses Eremiten war und sein Leben etwa zehn Jahre lang begleitete. Johannes beschreibt das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē aus seinem persönlichen Erleben, zeichnet so das Bild eines Klosters im Nordirak des 10. Jahrhunderts und verewigt dadurch einen kurzen Moment der Geschichte. Andere Quellen für diese Zeit und Region gibt es nicht. Mit der Vita des Josef Busnāyā zu arbeiten bedeutet daher unweigerlich, sich zum „Gefangenen einer einzigen Quelle“3 zu machen – und noch dazu einer hagiographischen. Es lohnt sich allerdings, sich mit ihr zu beschäftigen, auch wenn es schwierig ist, aus hagiographischen Quellen geschichtswissenschaftliche Aussagen zu destillieren. Zu eigentümlich ist dieser Text, zu wenig weiß man über seinen Kontext. Aus Sicht der Islamwissenschaft ist das 10. Jahrhundert ←13 | 14→die Zeit der Desintegration des ʿAbbāsidenkalifats und der Beginn einer verstärkten tribalen Dominanz, die bis ans Ende des 11. Jahrhunderts andauerte und den Niedergang des urbanen Lebens in vielen Gegenden zur Folge hatte.4 Vorangegangen war ein kontinuierlicher Niedergang der Agrarproduktion im ʿabbāsidischen Kernland, verbunden mit einem entsprechenden Niedergang der Steuereinnahmen.5 Auch aus der Perspektive der Kunde vom Christlichen Orient ist das 10. Jahrhundert eine Zeit, aus der nur wenige Werke überliefert sind. Die wenigen Quellen, die bekannt sind, und auch spätere Texte sprechen von einer Krisenzeit.6 Es ist auch die Zeit, in der die syrische Sprache als Sprache der Theologie und Wissenschaft vom Arabischen verdrängt wird. Dies führte dazu, dass die anschließende Phase vermehrter syrisch-sprachiger Textproduktion des 12. und 13. Jahrhunderts als „Syrische Renaissance“ bezeichnet wird.7 Auch die Zeit vor dem 10. Jahrhundert wird als Blütezeit der Kirche des Ostens wahrgenommen. Das 10. und 11. Jahrhundert erscheinen so als eine Zeit des Übergangs, aus der wenig bekannt ist.

Diese Stellung des 10. Jahrhunderts innerhalb der Wissenschaft macht es lohnenswert, auf diesen Abschnitt der Geschichte zu blicken und dabei auch das Wagnis einzugehen, auf diese eine Quelle angewiesen zu sein und sie geschichtswissenschaftlich zu bearbeiten. Die Vita des Josef Busnāyā selbst wurde noch in kaum einer wissenschaftlichen Arbeit ausführlich behandelt. ←14 | 15→Die französische Übersetzung dieses Texts von Jean-Baptiste Chabot erschien von 1897 bis 1900 sukzessive in der Revue d’Orient Chrétien.8 Seitdem floss ihr Inhalt zwar in zahlreiche Studien ein, blieb aber stets nur Ergänzung zu anderen Quellen und Fragen.9 Am ausführlichsten wurde die Vita im Werk von Johannes van der Ploeg über das syrische Mönchsleben10 und in den topographischen Studien von Jean Maurice Fiey11 rezipiert. Die meisten anderen Werke greifen die Vita nur in einer oberflächlichen Weise auf.12 Eine Ausnahme bildet das Werk von Georg Günter Blum, der in seinen Schriften über die ostsyrische Mystik immer auch die Vita einbezieht13 und in dessen umfangreicher Monographie über die mystische Bewegung im Orient die Lehre des Josef Busnāyā ein eigenes Kapitel erhält.14 Doch selbst er bezieht sich ausschließlich auf das achte Kapitel der Vita und berücksichtigt andere Teile nur beiläufig. Die einzigen Arbeiten, die sich ausschließlich der Vita widmen, schrieben Vincent van Vossel, der sich mit der Einordnung der asketischen Praxis und der Mystik der Mönche in der Vita beschäftigte,15 und Hugo Zanetti, der über den historischen Wert hagiographischer Werke anhand des Beispiels der Vita des Josef Busnāyā schrieb.16 Hintergrund dieser Situation ist auch, dass der Text nie in seiner syrischen Sprachgestalt ediert wurde und somit für die Forschung in gedruckter Form lediglich als Übersetzung zugänglich ist. Die Vita des Josef Busnāyā bietet daher einen Text, der bisher nur am Rande in die Erforschung dieser Zeit und Region sowie der Kirche des Ostens im Allgemeinen einfloss. So wird in dieser Arbeit eine neue Quelle für die Geschichte des orientalischen Christentums erschlossen.

Die Vita des Josef Busnāyā spricht eine Fülle an Themen und Fragen an, die Gegenstand dieser Arbeit sind. Im Zentrum stehen das Kloster, seine Bewohner ←15 | 16→und sein Umfeld. Für das Verständnis der Quelle und ihrer Zeit müssen dabei auch andere Zeiten und Räume berücksichtigt werden, da gerade aus dem direkten zeitlichen und räumlichen Umfeld nur wenige Informationen erhalten sind. Der Zweck dieser Arbeit ist es jedoch nicht, der Entwicklung des Monastizismus nachzuforschen und die Vita darin zu verorten. Vielmehr sollen das Kloster, seine Bewohner und sein Umfeld in der Form, wie sie in der Vita beschrieben werden, durch Vergleiche mit anderen Texten derselben monastischen Tradition besser greifbar werden. Das Vorgehen der vorliegenden Arbeit ist daher, den Text quellenkritisch zu beleuchten und ihn zunächst aus sich selbst sprechen zu lassen. Dadurch soll verhindert werden, dass Rückschlüsse aus anderen Regionen und Zeiten auf die Vita des Josef Busnāyā deren Aussagen verdunkeln. In diesem Zusammenhang gibt es zunächst das Problem, dass das Vokabular oft nicht evident ist. Hinzu kommt, dass bisher kaum wissenschaftliche Arbeiten zur Entwicklung des Sprachgebrauchs der syrischen Sprache im Mittelalter existieren. Der Rückgriff auf andere Quellen und Texte dient vor allem dazu, dieses Vokabular zu erhellen. Gleichzeitig finden sich in der Vita Dynamiken in narrativen und lehrenden Episoden, die ebenso allein aus dem Kontext der Vita schwierig zu erfassen sind und die Erläuterung durch wissenschaftliche Literatur und Quellen anderer Zeiten und Räume benötigen. Auf diese Weise können Inhalte besser verstanden werden, die nicht im Zentrum des Interesses Johannes bar Kalduns stehen. Jene bereits zu kennen setzte er als selbstverständlich voraus und erwähnte sie beiläufig ohne Erklärung. Die vorliegende Arbeit trägt diese Inhalte zusammen und ergänzt sie um Informationen aus anderen Quellen. Dabei bleiben viele Fragen letzten Endes offen, damit dem Diskurs nicht allzu spekulative Überlegungen angelastet werden können.

Da sich die Arbeit auf eine einzige Quelle stützt, beginnt sie ihre Gliederung mit einer quellenkritischen Untersuchung der Vita des Josef Busnāyā (Kapitel 2). Weil bisher keine kritische Edition des Texts vorhanden ist, muss die vorliegende Arbeit auf die syrischen Handschriften zurückgreifen. Diese werden zusammen mit bekannten Fragmenten und Testimonien beschrieben und deren Überlieferungsgeschichte beleuchtet. Dabei muss auch diskutiert werden, inwieweit der Text als integer gelten kann. Im Anschluss wird auch Johannes bar Kaldun, der Autor der Vita, vorgestellt. Auch der Inhalt der Vita und ihre Struktur werden dargestellt und in die syrische Literaturgeschichte eingeordnet. Die geschichtswissenschaftliche Arbeit mit hagiographischen Texten wie der Vita erfordert ein besonderes methodisches Vorgehen. Daher werden Erkenntnisse des methodischen Umgangs mit hagiographischen Quellen aus der Geschichtswissenschaft zusammengefasst und auf den speziellen Fall der Vita übertragen. Für das Verständnis des Textes ist es ebenfalls wichtig, ←16 | 17→ihn zu kontextualisieren, d. h. ihn in seine Zeit und Region einzuordnen. Dies geschieht durch eine Vorstellung der dominierenden politischen Ereignisse, die besonders die Geschichte der nahen Stadt Mosul im 10. Jahrhundert prägten. Viele Aspekte des monastischen Lebens der Vita blieben unverständlich, wenn die monastische und ekklesiastische Tradition, aus der es hervorging, nicht berücksichtigt würde. Auch sie wird daher kurz vorgestellt.

Nach der Darstellung der textuellen und methodischen Grundlagen und nachdem der zeitliche, räumliche und thematische Rahmen der Arbeit abgesteckt wurde, gehen die einzelnen Kapitel auf die konkreten Themen der Arbeit ein. Zunächst wird in Kapitel 3 auf das Kloster als physischer Ort eingegangen. Die drei Klöster, über deren Aufbau die Vita Informationen preisgibt, werden in ihrem historischen und geographischen Raum vorgestellt und ihr Aufbau, wie ihn die Vita darstellt, wiedergegeben. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Bewohnern des Klosters, den Mönchen. Ausführlich behandelt Johannes bar Kaldun ihre Karrieren und ihren Tagesablauf sowohl in narrativen Teilen als auch in lehrenden Abschnitten. Zur Darstellung der Bewohner gehört auch die Frage der Ausbildung und Unterweisung der Mönche in der Vita des Josef Busnāyā, auf die in Kapitel 5 eingegangen wird. Hier stellt sich die Frage, welche Kenntnisse ein Mönch im Kloster haben musste, haben sollte und haben durfte – und welche er nicht haben sollte. Sie führt aber auch aus dem Kloster heraus, da die theologische Bildung immer auch die Perspektive für eine Karriere in der kirchlichen Hierarchie eröffnete. Kapitel 6 führt ebenso aus dem Kloster heraus. Hier wird gezeigt, wie der Autor das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē in die kirchliche, monastische und regionale Tradition einordnet. Dies spielt für das Selbstverständnis des Autors eine wichtige Rolle.

Auch danach steht das Umfeld des Klosters im Fokus. Zunächst werden in Kapitel 7 die ökonomischen Grundlagen des Klosters beschrieben. Obwohl gutes Wirtschaften für den Erfolg eines Klosters schon damals unerlässlich war, hat es für den Autor der Vita eine untergeordnete Bedeutung. Zu weit weg führte es den Eremiten von der Konzentration auf seine Askese und sein Gebet in der Zelle. Trotzdem wird aus der Vita deutlich, dass die Mönche durch ihre Arbeit auf doppelte Weise das wirtschaftliche Überleben des Klosters sicherten: durch ihre Arbeit im Kloster als Agrarbetrieb und als Pilgerzentrum. Die Frage nach dem nicht monastischen Umfeld des Klosters wird im letzten Kapitel 8 behandelt. Hier werden zunächst die verschiedenen Gruppen behandelt, mit denen das Kloster interagierte. Dabei handelte es sich nicht nur um Christen, sondern auch um andere Gruppen wie Muslime und Kurden. Die in der Vita verwendeten Bezeichnungen sind nicht immer leicht zuzuordnen und auch das hinter diesen Begriffen liegende Verständnis der Gruppen ist nicht ←17 | 18→evident. Daher werden zunächst die einzelnen Gruppenbezeichnungen untersucht und soweit möglich bestimmt. Im Anschluss wird untersucht, auf welche Weise die Mönche und das Kloster mit diesen Gruppen interagieren. Die Darstellung dieser Interaktion ist in der Vita vor allem durch das Kloster als Ort religiösen Handelns und religiöser Begegnung geprägt. Sie wird im Unterkapitel 8.3 untersucht.

In diesen Kapiteln soll so das Kloster nicht nur in einem kleinen Ausschnitt, sondern in seinen vielen verschiedenen Aspekten dargestellt und ausführlich untersucht werden. Aufgrund der Quellenform als hagiographischen Text und des speziellen Fokus von Johannes bar Kaldun sind die einzelnen Themen in der Vita jedoch unterschiedlich stark gewichtet. Entsprechend sind auch die Kapitel der vorliegenden Arbeit in ihrem Aufbau, und Detailliertheit unterschiedlich. Jedoch können sie sich gerade in der gemeinsamen Betrachtung gegenseitig erhellen und besser verständlich machen.


2 V fol. 172v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 182–183 (ROC 4, 389–390). Die deutschen Übersetzungen der Vita des Josef Busnāyā in dieser Arbeit stammen von mir auf Grundlage des syrischen Texts der Handschrift V.

3 Howell/Prevenier, Werkstatt, 122.

4 Vgl. die knappe Zusammenfassung von Heidemann, Renaissance der Städte, 29–33. Ausführlicher Bonner, Waning und Kennedy, Late ʿAbbāsid Pattern. Zur tribalen Dominanz in dieser Zeit, vgl. Franz, Beutezug.

5 Vgl. Campopiano, State; Waines, Internal Crisis, vgl. auch Adams, Land, 84–111, besonders 84–89 und 97–106.

6 So die Vita des Josef Busnāyā selbst, aber auch andere Autoren, die zu dieser Zeit und später lebten. In der Biographie des Johannes von Mardin (gest. 1165) wird berichtet, dass er viele Klöster in Nordmesopotamien wiederbelebte, die seit „200 oder 300 Jahren“ in Ruinen lagen (Vööbus, Synodicon, II [textus] 202 (syr.); II [versio] 214 (engl.)). Elias von Nisibis (975–1046) berichtet in seiner zweisprachigen Chronik, dass bereits 1012 Kirchen und Klöster der Kirche des Ostens dezimiert worden seien (nach dem syrischen Text) bzw. in Unordnung geraten waren (nach dem arabischen Text), s. Elias von Nisibis, Opus chronologicum, I [textus] 71 (syr.), 72 (arab.); I [versio] 36 (lat.)).

7 Das erste Mal spricht Baumstark von der syrischen Renaissance (Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur, 285). Mit der Übernahme des Begriffs durch Peter Kawerau in seinem Werk Die Jakobitische Kirche im Zeitalter der Syrischen Renaissance (= Kawerau, Jakobitische Kirche) hat sich dieser Begriff etabliert, vgl. Teule/Tauwinkl/Haar Romeny/van Ginkel, Syriac Renaissance.

8 ROC 2 (1897), 357–405; 3 (1898), 77–121, 168–190, 292–327, 458–480; 4 (1899) 380–415; 5 (1900) 118–143, 182–200.

9 Z. B. Tamcke, Saḇrīšōʻ, 108, Anm. 570; Desprez, Eucharistie, 221; Walker, Ascetic Literacy, 337–338.

10 van der Ploeg, Monniksleven.

11 Besonders Fiey, Assyrie chrétienne; Fiey, Sanctuaires.

12 Ein Beispiel einer nur oberflächlichen Kenntnis des Textes bietet die Zusammenfassung der Vita in Wilmshurst, Martyred Church, 226–227, die fast keine Ähnlichkeit mehr mit dem Ursprungstext hat.

13 Blum, Nestorianismus, 291–292; Blum, Mysticism, 36–37.

14 Blum, Geschichte der Begegnung, 451–465.

15 van Vossel, Spiritualité monastique.

16 Zanetti, Saints Moines.

Details

Seiten
282
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631838280
ISBN (ePUB)
9783631838297
ISBN (MOBI)
9783631838303
ISBN (Hardcover)
9783631838273
DOI
10.3726/b17714
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
Kirche des Osten Hagiographie Kloster Monastizismus Mystik Klosternetzwerke Alltagsgeschichte Wirtschaftsgeschichte Interreligiösität Pilgertum
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 282 S., 2 Tab.

Biographische Angaben

Ralph Barczok (Autor:in)

Ralph Barczok ist Postdoc an der Professur Mittelalter II der Goethe Universität Frankfurt und assoziierter Wissenschaftler der Forschungsstelle für Aramäische Studien.

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