Kommunikative Routinen
Formen, Formeln, Forschungsbereiche- Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Irma Hyvärinen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort der Herausgeber
- Tabula gratulatoria
- Schriftenverzeichnis (2009-2014) von Irma Hyvärinen
- Theoretische und historische Aspekte kommunikativer Routinen
- Zur Theorie des sprachlichen Stereotyps
- Das Wichtigste als Nachtrag: Der alltagsrhetorische Anknüpfungsoperator „und ja“
- Formeln angesichts des Todes. Die Ödenburger Testamente aus dem Spätmittelalter
- Kommunikative Routinen in medialen und akademischen Texten
- Kommunikative Routineformeln in Zeitungskommentaren
- Die Ärmel hochkrempeln und sein Bestes geben. Zu Struktur und Wortschatz in thematisch abgegrenzten Tageshoroskoptexten
- Muster statt Phraseologismen – Perspektiven für Deutsch als (fremde) Wissenschaftssprache
- Kommunikative Routinen in literarischen Texten
- Semper eadem. Melancholie als Wiederholungszwang
- Was man braucht, kann nicht fehlen. Grammatik, Textstil und Interaktionsmodalität
- „Für die menschliche Seele gibt es keine Kleinigkeiten.“ Kommunikative Routinen und Image-Arbeit
- Routinierte Rede und Formeln im Gespräch
- Textroutinen und politische Rede
- Danksagungen im Polizeinotruf: Der Nutznießer bedankt sich, dem Wohltäter wird gedankt
- Höflichkeits- und Routineformeln in finnischen, französischen und deutschen Kaufgesprächen
- Deutsch und Finnisch im Vergleich: translatologische und Vermittlungsaspekte
- Lexikalische Wiederholungen im literarischen Text – eine exemplarische Analyse eines deutschen Ausgangstextes und seiner finnischen Übersetzung
- Anreden in alten deutschen Kirchenliedern und ihren ältesten finnischen Übersetzungen
- Kommunikative Formeln in mündlichen Testleistungen finnischer DaF-Lernender
- Kontrastive Analyse und „Interferenz“ im germanistischen Unterricht
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Herzlichen Glückwunsch! – Vielen Dank! – Alles erdenklich Gute!
Unseren herzlichen Glückwunsch zum 65. Geburtstag möchten wir der Jubilarin mit diesem Band überbringen. Vielen Dank sagen wir ihr anlässlich ihrer Pensionierung für die Verdienste um die finnische Germanistik, für ihre zahlreichen Forschungsbeiträge im Bereich der deutschen Sprache, der Didaktik des Deutschunterrichts und der kontrastiven Linguistik, und nicht zuletzt für die gewaltige Bürde an Verwaltungsaufgaben, die Irma Hyvärinen als Leiterin des Germanistischen Instituts (bis 2009) bzw. der Fachrichtung Germanistik im Institut für moderne Sprachen der Universität Helsinki (ab 2010) im Interesse der Kolleginnen und Kollegen auf sich genommen hat. Und nun, von manchen mitunter auch lästigen Pflichten des Arbeitslebens entbunden, wünschen wir ihr für die Zukunft alles erdenklich Gute!
Der Beginn dieses Textes mag in einer Festschrift so unauffällig wirken, dass viele – gerade muttersprachliche Leserinnen und Leser oder solche mit einer hochentwickelten Kompetenz im Deutschen als Fremdsprache – an den kursiv gesetzten Ausdrücken nichts Besonderes zu entdecken vermögen und die Schriftauszeichnung lediglich als Signal für eine funktionelle Gewichtung der Gratulation, der Danksagung und der Zukunftswünsche deuten. Letztere haben einen vielleicht ja geradezu rituellen Charakter bei einem solchen Anlass.
Warum aber stehen die Formeln in der ersten Zeile der Überschrift auch bei isolierter Nennung im Akkusativ? Und wieso empfinden wir es nicht als fehlerhaft, dass beim Adjektiv in der zweiten Zeile des Titels die Deklinationsendung -e fehlt? Als Linguisten können wir dies leicht als elliptische Reduktion einer vollständigen Satzstruktur (die am Beginn des Haupttextes ja auch realisiert wird) bzw. als archaische Form aus der Zeit vor der Etablierung der grammatischen Norm des Neuhochdeutschen in der Zeit der Weimarer Klassik erklären.
Dass diese Merkwürdigkeiten der Gratulations-, Dankes- und Wunschformeln im allgemeinen Sprachgebrauch kaum jemandem auffallen, hängt unzweifelhaft mit der Häufigkeit ihrer Verwendung zusammen. Ihr Einsatz gehört zu den – wohl fast im ursprünglichen Wortsinne – alltäglichen Routinen unseres Kommunizierens. Die hohe Gebrauchsfrequenz hat zum einen dazu geführt, dass wir sie in genau dieser Form als das „Normale“ (eben das Normgerechte) empfinden und als ganzheitliche Konstruktionen in unserem Wortschatz speichern. Zum anderen erwarten wir genau diese Ausdrücke in den entsprechenden Situationen. ← 9 | 10 →
Eine solche „pragmatische Festigkeit“ ist natürlich nicht auf das Deutsche beschränkt. Onneksi olkoon syntymäpäivänäsi (wörtlich: ‚[dir] zum Glücke sei es, an deinem Geburtstag‘), eine Konstruktion aus dem (ersten) Substantiv im Translativ, dem Verb im Jussiv bzw. Imperativ der 3. Person Singular Aktiv und dem (zweiten) Substantiv im Essiv mit Possessivsuffix, prägen sich Lernende des Finnischen in der Regel ein, bevor sie die syntaktische Struktur der Konstruktion zu durchschauen in der Lage sind.
Solche Formeln müssen also im Spracherwerb als Ganzheiten, als Lexikoneinheiten gelernt werden. Da sie häufig, wie alle vorgenannten Beispiele, aus mehreren Wörtern bestehen, wurden sie, wenngleich am Rande, oft als Gegenstand der Phraseologie betrachtet.
Sowohl im Deutschen als auch im Finnischen (und in auch in weiteren Sprachen) gibt es jedoch funktional weitgehend gleichwertige Ausdrücke, die entweder aus einem oder aber aus zwei oder mehr Wörtern bestehen können. Die Abschiedsformeln sind dafür ein gutes Beispiel: Mach’s gut!, Leb wohl! und Auf Wiedersehen! konkurrieren u.a. mit Wiedersehn!, Tschüß!, Tschö!, Ciao!, in Oberbayern und Österreich unter Vertrauten: Servus!. Im Finnischen stehen in dieser Funktion1 Näkemiin! (förmlich), Hei!, Hei hei! (neutral), Heippa! und Moi! oder Moi moi! (umgangssprachlich) oder Moikka! (salopp-vertraulich) zur Auswahl. – Es macht wenig Sinn, wie die Jubilarin in ihren Arbeiten mehrfach hervorgehoben hat, nur einen Teil solcher funktional weitgehend identischen Ausdrücke einem Forschungszweig zuzuordnen und den Rest seinem Schicksal oder einer anderen Disziplin zu überlassen. Kommunikative Formeln, Routineformeln oder pragmatische Phraseologismen sollten also einen einheitlichen Forschungsgegenstand bilden, ob dies nun am Rande oder in der Nachbarschaft der Phraseologie geschieht.
Wie die oben genannten Beispiele zeigen, unterscheiden sich die betreffenden Ausdrücke aber nicht nur in ihrer Konstruktionsweise (u.a. als mono- oder polylexematische Einheiten), sondern auch im Hinblick auf ihren Stilwert, ihre Registerzugehörigkeit und damit auf ihre Eignung in bestimmten situativen Konstellationen. Der interlinguale Vergleich fördert schnell weitere Gebrauchskonventionen zutage, die zwischen verschiedenen Kommunikationsgemeinschaften erheblich abweichen können und damit zu einem interkulturellen Lernproblem führen. Die Nichterfüllung situativer Erwartungen im Hinblick auf den Gebrauch kommunikativer (Routine-)Formeln führt schnell zu Stereotypen wie ← 10 | 11 → dem schweigsamen Finnen oder dem (im Vergleich zum Franzosen) unhöflichen Deutschen.
Gerade die situativen Gebrauchskonventionen und Verwendungsweisen solcher Routineformeln bildeten einen zentralen Forschungsgegenstand von Irma Hyvärinen in den vergangenen Jahren, auf den sich viele Beiträge in diesem Band beziehen. Kommunikative Routinen sind aber nicht auf solche Formeln beschränkt. Wer beispielsweise einmal vor der Aufgabe stand, eine Festveranstaltung in Anwesenheit von Minister(inne)n, des Rektors oder der Präsidentin einer Universität, von Botschafter(inne)n verschiedener Länder und anderen Honoratior(inn)en zu eröffnen, der wird sich Gedanken gemacht haben über die Reihenfolge, in der die Damen und Herren in der Begrüßungsrede zu erwähnen sind. Und wie spricht man die Universitätspräsidentin an? Ist Magnifizenz! noch üblich? Darf man mehrere anwesende Botschafter(innen) mit Exzellenzen! (im Plural) anreden? – Ausgebildete Diplomaten haben diese Gepflogenheiten vermittelt bekommen. Sie sind Routiniers, die auf solche Routinen mehr oder weniger mühelos zurückgreifen können.
In Parlamenten gibt es teilweise explizite Verabredungen zum Anredeprozedere am Beginn einer Rede vor dem Hohen Haus. Und es etablieren sich Strategien in der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, die als Textroutinen beschreibbar sind, als geradezu formelhafte Strukturen sprachlich-kommunikativen Handelns (und Streitens bzw. Ignorierens) auf der Text- und Diskursebene.
Routinen des Kommunizierens können sich aber auch auf weiteren Ebenen zeigen, bis hin zu Wiederholungen, die in der künstlerischen Literatur als Mittel zur Charakterisierung der Denk- und Redeweise bestimmter Figuren verwendet werden. Solche Erscheinungen stellen dann nicht zuletzt eine besondere Herausforderung in deren Übersetzung dar.
Ein solcher weiter Begriff von kommunikativen Routinen liegt der Konzeption dieses Bandes zu Grunde. Die Beiträge stammen von Kolleg(inn)en und Schüler(inn)en der Jubilarin.
Als Herausgeber(innen) danken wir allen Autor(inn)en, die sich mit einem Beitrag an dieser Festgabe für Irma Hyvärinen anlässlich ihres 65. Geburtstages am 6. August 2014 beteiligt haben, herzlich.
Leena Kolehmainen | Hartmut E. H. Lenk | Liisa Tiittula |
1 Die finnischen Formeln Hei!, Hei hei!, Heippa!, Moi!, Moi moi! und Moikka! werden, ähnlich wie das oberbairische Servus, sowohl zur Begrüßung als auch zum Abschied verwendet.
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Alexander-von-Humboldt-Club Finnland, Jyväskylä
Deutsche Bibliothek Helsinki
Deutsche Sprache, Universität Turku
Deutsches Seminar, Universität Zürich
Goethe-Institut Finnland
Institut für Fennistik, Finnougristik und Skandinavistik, Universität Helsinki
Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universität Vaasa
Österreichische Botschaft Helsinki
Studienprogramm Deutsch Sprache, Kultur und Translation der Universität Tampere
Tyska språket och litteraturen vid Åbo Akademi
Umlaut ry – Fachschaft für Germanistikstudenten der Universität Helsinki
Nea Auhtola, Universität Helsinki
Andrea Bachmann-Stein und Stephan Stein, Bayreuth / Trier
Per Bærentzen, Brabrand, Dänemark
Irmhild Barz, Leipzig
Margit Breckle, Universität Vaasa
Margot und Ulrich Breuer, Mainz
Gisela Brünner, Dortmund
Andrew Chesterman, Helsinki
Peter Colliander, Wirtschaftsuniversität Kopenhagen
Cora Dietl, Universität Gießen
Uwe Dirksen, Kouvola / Helsinki
Karin Donhauser, Humboldt-Universität zu Berlin
Ludwig M. Eichinger, Institut für Deutsche Sprache Mannheim
Imme und Hans-Werner Eroms, Passau
Pernilla Fagerström, Vaasa ← 13 | 14 →
Ulla Fix, Leipzig
Tuomo Fonsén, Universität Turku
Ulla-Maija Forsberg, Universität Helsinki
Klaus Geyer, Odense
Thomas Götz, Helsinki
Albrecht Greule, Regensburg
Marion Hahn, Augsburg
Christopher Hall, Hamilton, Neuseeland
Brigitte Handwerker, Humboldt-Universität zu Berlin
Juhani Härmä, Universität Helsinki
Eva Havu, Universität Helsinki
Heiko Hausendorf, Universität Zürich
Jouni Heikkinen, Universität Helsinki
Antje Heine, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Irmeli Helin, Universität Turku
Ahti Jäntti und Ursula Lehmus-Jäntti, Helsinki
Marja Järventausta, Universität zu Köln
Eija Jokinen, Universität Tampere
Jyrki Kalliokoski, Universität Helsinki
Werner Kallmeyer, Weinheim
Kari Keinästö und Annmari Sahlstein, Turku
Mikko Kervinen, Universität Helsinki
Tuija Kinnunen, Universität Helsinki
Hannele Kohvakka, Helsinki
Leena Kolehmainen, Universität Ostfinnland
Jarmo Korhonen, Universität Helsinki
Birgit Kretschmann, Turku
Pekka Kujamäki, Universität Ostfinnland
Anta Kursiša, Universität Helsinki ← 14 | 15 →
Laura Lahti, Universität Helsinki
Meri Larjavaara, Åbo Akademi
Liisa Laukkanen, Universität Vaasa
Hanna Lehti-Eklund, Universität Helsinki
Kerstin und Hartmut Lenk, Berlin / Helsinki
Luise Liefländer-Leskinen, Savonlinna
Annikki Liimatainen, Universität Tampere
Krister Lindén, Universität Helsinki
Jouko Lindstedt, Universität Helsinki
Jan Lindström, Universität Helsinki
Heinz-Helmut Lüger, Bad Bergzabern
Minna Maijala, Universität Turku
Anne Männikkö, Universität Turku
Outi Merisalo, Universität Jyväskylä
Wolfgang Mieder, University of Vermont
Matti Miestamo, Universität Helsinki
Max Möller, Berlin
Eva Neuland, Universität Wuppertal
Terttu Nevalainen, Universität Helsinki
Rogier Nieuweboer, Helsinki
Henrik Nikula, Universität Turku
Kirsi Pakkanen-Kilpiä, Universität Jyväskylä
Minna Palander-Collin, Universität Helsinki
Christoph und Sirkka Parry, Vaasa / Helsinki
Marja-Leena Piitulainen, Tampere
Michael Prinz, Universität Zürich
Sandra Reimann, Universität Regensburg
Brigitte und Ewald Reuter, Universität Tampere
Ulrike Richter-Vapaatalo, Helsinki ← 15 | 16 →
H. K. Riikonen, Universität Helsinki
Ursula Ringler-Stahl, Randersacker
Christian Rink, Universität Vaasa
Eeva und Matti Rissanen, Universität Helsinki
Jouni Rostila, Universität Helsinki
Anna Ruusila, Universität Helsinki
Maria Salenius, Universität Helsinki
Tiina Savolainen, Georg-August-Universität Göttingen
Petra Schirrmann, Universität Helsinki
Christopher M. Schmidt, Åbo
Gerhard Schmitt, Universität Oulu
Jürgen F. Schopp, Tampere
Johannes Schwitalla, Universität Würzburg
Mariann Skog-Södersved, Universität Vaasa
Peter Stahl, Universität Würzburg
Dessislava Stoeva-Holm, Universität Uppsala
Elina Suomela-Härmä, Universität Helsinki
Michael Szurawitzki, Shanghai
Liisa Tiittula, Universität Helsinki
Marja Ursin, Universität Helsinki
Marjo Vesalainen, Universität Helsinki
Doris Wagner, Turku
Details
- Seiten
- 308
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783653041248
- ISBN (MOBI)
- 9783653985269
- ISBN (ePUB)
- 9783653985276
- ISBN (Hardcover)
- 9783631649831
- DOI
- 10.3726/978-3-653-04124-8
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2014 (August)
- Schlagworte
- Translationswissenschaft Deutsch als Fremdsprache Phraseologie Pragmatische Phraseme
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 308 S., 1 s/w Abb., 8 Tab., 13 Graf.