Das fachbezogene Professionswissen angehender Deutschlehrkräfte im Kompetenzbereich «Schreiben»
Entwicklung und Pilotierung eines Messinstrumentes
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Danksagung
- Zusammenfassung
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Desiderata
- 1.2 Ziele der Arbeit
- 1.3 Vorgehen
- 2 Der Professionsbegriff
- 2.1 Die Perspektive der Arbeitssoziologie – Beruf vs. Profession
- 2.2 Der Professionsbegriff aus kognitionspsychologischer Perspektive
- 2.3 Zusammenfassung
- 3 Zum Wissensbegriff in den Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken
- 3.1 Wissen als (didaktisch-pädagogische) Handlungsgrundlage
- 3.2 Professionelles Handeln
- 3.3 Zusammenfassung
- 4 Das Professionswissen von Lehrkräften allgemein
- 4.1 Forschungstraditionen
- 4.1.1 Persönlichkeitsparadigma
- 4.1.2 Prozess-Produkt-Paradigma
- 4.1.3 Expertenparadigma
- 4.2 Stand der Forschung zum Lehrberuf
- 4.2.1 Messinstrumente zur Erfassung des Professionswissens von Lehrerinnen und Lehrern
- 4.3 Das Verhältnis von fachlichem und fachdidaktischem Professionswissen
- 4.4 Der Einfluss subjektiver Theorien auf das Professionswissen der (angehenden) Lehrkräfte
- 4.5 Modellierungen zum Professionswissen in den Naturwissenschaften
- 4.6 Modellierungsvorschlag zum Professionswissen in den Geisteswissenschaften
- 4.7 Zusammenfassung
- 5 Das Professionswissen von angehenden Deutschlehrkräften
- 5.1 Bildungspolitische Vorgaben
- 5.1.1 Standards für die Kompetenzentwicklung bei Schülerinnen und Schülern
- 5.1.2 Standards für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung
- 5.2 Studien zum Professionswissen im Fach Deutsch
- 5.3 Zusammenfassung
- 6 Zwischenfazit und Einbettung der Fragestellung
- 6.1 Hypothesen zur Struktur
- 6.2 Hypothesen zum Inhalt
- 7 Inhaltlicher Gegenstand des Messinstrumentes: Der Kompetenzbereich Schreiben
- 7.1 Was ist Schreibkompetenz?
- 7.2 Annäherung an das fachbezogene Professionswissen im Kompetenzbereich Schreiben
- 7.2.1 Facetten des fachlichen Professionswissens
- 7.2.2 Inhaltsbereiche als gemeinsamer Bezugspunkt des Fachwissens und des fachdidaktischen Wissens
- 7.2.2.1 Orthographie
- 7.2.2.2 Grammatik
- 7.2.2.3 Texttheorie
- 7.2.2.4 Interpunktion
- 7.2.3 Facetten des fachdidaktischen Professionswissens
- 7.2.3.1 Wissen über Schülerkognitionen
- 7.2.3.2 Wissen über fachspezifische Vermittlungsstrategien
- 7.2.3.3 Wissen über das Potential von fachspezifischen Aufgaben und Texten
- 7.2.3.4 Symbiose fachbezogener Facetten unter dem Dach der Diagnosefähigkeit
- 7.3 Die Zuordenbarkeit der Items zu den Facetten des Professionswissens (Expertenbefragung)
- 7.3.1 Itemstichprobe für die Expertenbefragung
- 7.3.2 Personenstichprobe für die Expertenbefragung
- 7.3.3 Format und Aufbau der Expertenbefragung
- 7.4 Zusammenfassung
- 8 Messinstrument zur Erfassung des fachbezogenen Professionswissens im Kompetenzbereich Schreiben
- 8.1 Konzeption des Messinstrumentes
- 8.1.1 Intendierte Verwendung des entwickelten Instrumentes
- 8.1.2 Informationen zum gewählten Testverfahren
- 8.1.3 Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes
- 8.1.4 Theoretische Grundlagen der Testkonstruktion und Überprüfung der curricularen Validität
- 8.1.5 Ermitteln relevanter Inhalte und Überführen in realitätsnahe wie repräsentative Items
- 8.1.6 Itemkonzeption
- 8.1.7 Inhalt und Verteilung der Items
- 8.2 Psychometrische Gütekriterien
- 8.2.1 Objektivität
- 8.2.2 Reliabilität
- 8.2.3 Validität
- 8.2.4 Nebengütekriterien
- 8.3 Kriterien der Itemselektion
- 8.3.1 Itemschwierigkeit
- 8.3.2 Trennschärfekoeffizient
- 8.4 Analyse und Beschreibung der Items nach Testbereichen
- 8.4.1 Items im Bereich Orthographie
- 8.4.2 Items im Bereich Interpunktion
- 8.4.3 Items im Bereich Grammatik
- 8.4.4 Items im Bereich Texttheorie
- 8.5 Kodiermanual
- 8.6 Zusammenfassung
- 9 Untersuchungsdesign
- 9.1 Beschreibung der Stichproben
- 9.2 Durchführung
- 9.3 Zusammenfassung
- 10 Ergebnisse
- 10.1 Messinstrument für den Kompetenzbereich Schreiben
- 10.2 Güte des Instrumentes
- 10.3 Struktur des Professionswissens im Kompetenzbereich Schreiben
- 10.4 Empirische Überprüfung der Items
- 10.4.1 Trennschärfe
- 10.4.2 Itemschwierigkeit
- 10.5 Erste Erträge für das Fach Deutsch
- 10.5.1 Wissenszuwachs der Studierenden
- 10.5.2 Stärken und Schwächen der angehenden Deutschlehrkräfte im Kompetenzbereich Schreiben
- 10.6 Zusammenfassung
- 11 Diskussion
- 11.1 Teilfrage (1) – Inhaltliche Kernelemente des Professionswissens
- 11.2 Teilfrage (2) – Die Konzeption repräsentativer, realitätsnaher und anwendungsbezogener Items
- 11.2.1 Herausforderungen bei der Itemkonzeption
- 11.3 Teilfrage (3) – Struktur des Professionswissens
- 11.4 Beschränkungen der Studie
- 11.5 Konsequenzen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Fach Deutsch
- 11.6 Fazit und Ausblick
- Anhang
- A.1 Trennschärfen
- A.2 Ergebnisse der curricularen Analyse
- A.3 Personenfähigkeit und Itemschwierigkeit
- A.4 Bearbeitung fachlicher und fachdidaktischer Items im Vergleich
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
- Reihenübersicht
Abstract:
This chapter introduces the research question and outlines the research gap that this work intends to narrow. It identifies goals of this study and describes its approach.
Spätestens seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse im Jahr 2000 wird in Deutschland verstärkt über den Zustand und die Entwicklungsperspektiven des deutschen Bildungssystems debattiert. Unterdurchschnittliches Abschneiden1 deutscher Schülerinnen und Schüler2 bei der oben genannten Vergleichsstudie veranlass(t)en Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen der Bildungsforschung und der Fachdidaktiken, den Ursprung der vermeintlichen Defizite zu erforschen.
Um das Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, ist vor allem die Qualität des Unterrichts in den Blick zu nehmen. Als Einflussfaktoren auf ebendiesen wurden in den vergangenen Jahren viele verschiedene Aspekte (Methoden, Sozialformen, Klassengröße, finanzielle Ausstattung, Voraussetzungen der Lerngruppe etc.) diskutiert. Den Ergebnissen der im Jahr 2008 von Hattie veröffentlichten Studie Visible Learning, die bisher umfangreichste Darstellung der weltweiten Unterrichtsforschung, ist zu entnehmen, dass von sämtlichen Faktoren, die Einfluss auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler nehmen, die Lehrkraft nicht unerheblich ist (Hattie 2017, S. 32f.). Immerhin sind 30% der Leistungsunterschiede von Schülerinnen und Schülern mit dem Wissen und Handeln der Lehrkräfte zu erklären (König 2013, S. 42). Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der an die PISA-Studie gekoppelten COACTIV-Studie, die außerdem ←15 | 16→betonen, dass nicht der Charakter der Lehrkraft den Lerneffekt ausmache, wie es Vertreterinnen und Vertreter des sogenannten Persönlichkeitsparadigmas konstatieren (4.1.1), sondern vielmehr das Wissen der Lehrkraft, welches es ermöglichen soll, die Schülerinnen und Schüler kognitiv zu aktivieren und somit den Lernzuwachs der Kinder und Jugendlichen zu erhöhen (Kunter et al. 2011). Der angenommene Zusammenhang von Wissen und Handeln der Lehrkräfte ist zwar empirisch kaum sichtbar zu machen, dennoch wird von einem Zusammenhang des berufsbezogenen Wissens der Lehrkraft und der Qualität ihres Unterrichts ausgegangen (König 2013, S. 43). Bewiesen ist, dass das Lernangebot im Unterricht neben anderen Aspekten, wie beispielsweise Einstellungen und Überzeugungen der unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer (vgl. Kapitel 4.4), besonders durch das Wissen der Lehrkraft beeinflusst wird. Ein auf die Klasse zugeschnittenes Lernangebot wirkt sich wiederum auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler aus, welcher als Indikator für die Unterrichtsqualität aufgefasst werden kann.
Im Jahr 2012 lagen die Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler in allen getesteten Bereichen über dem Durchschnitt (Bloem 2013). Diesen Aufwärtstrend, der von anderen Studien bestätigt wird (Bos et al. 2012a; Bos et al. 2012b; Gailberger und Willenberg 2008), würde die Bildungspolitik gerne halten und weiter ausbauen. Aktuelle Befunde im Primarbereich zeigen jedoch, dass allein ein Verbleib im oberen Mittelfeld schwierig ist. Die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) aus dem Jahr 2016 zeigen, dass sich der absolute Wert deutscher Schülerinnen und Schüler zwar nicht signifikant verschlechtert hat, vielmehr fällt der Befund aufgrund der Leistungsverbesserung anderer Staaten ins Gewicht, was die „relative Position Deutschlands erheblich verschlechtert“ (ebd.). Ziel der Bildungspolitik ist es daher, die Qualität des Unterrichts bzw. den Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler nicht nur temporär, sondern auf lange Sicht zu erhöhen. Da in der Kompetenzforschung professionelle Fähigkeiten als grundsätzlich lernbar gelten, kommt der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, mit dem langfristigen Ziel der Qualitätssteigerung des schulischen Unterrichts, eine bedeutende Rolle zu (Klieme et al. 2008; Krauss und Bruckmaier 2011).
Die vorliegende Arbeit nimmt vor allem das berufsrelevante Wissen der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, das Professionswissen, in den Blick, welches die Grundlage für eine umfassende Expertise bildet, die sich in den unterschiedlichen Phasen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung – folglich über viele Jahre hinweg – entwickelt (Baumert und Kunter 2006, S. 506; Bromme 2014, S. 1). Das Professionswissen ist als wesentlicher Teil der professionellen Kompetenz von Lehrkräften anzusehen, die neben Wissen auch motivationale Orientierungen, ←16 | 17→Überzeugungen und selbstregulative Fähigkeiten umfasst (Baumert und Kunter 2006, S. 482).
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Messung eines Teilbereiches dieses Professionswissens auseinander. In den Blick genommen werden für die Entwicklung des Messinstrumentes ausschließlich die beiden fachbezogenen Bereiche des Professionswissens3 für den Kompetenzbereich Schreiben.4 Leitend bei der Wahl des zu untersuchenden Kompetenzbereiches war dessen besondere Bedeutung für den Deutschunterricht, aber auch die Diskrepanz zwischen Anforderungen und tatsächlichen Fähigkeiten der Schulabgängerinnen und Schulabgänger: Eine solide Schreibfähigkeit ist Voraussetzung für mittlerweile fast jeden Beruf. Alle Personen, die die Schule mit einem Abschluss verlassen, sollten über ein Mindestmaß an schriftlicher Kompetenz verfügen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können und in Ausbildung und Beruf zu bestehen (Bredel und Pieper 2015, S. 87). Dennoch beklagen Ausbildungsbetriebe einen gravierenden Mangel im Hinblick auf diese Kompetenz (Becker-Mrotzek und Böttcher 2011, S. 23). Hornung (2003), Hoppe (2012) und Steets (2003) belegen mit ihren Korpusanalysen Defizite der Heranwachsenden im Kompetenzbereich Schreiben empirisch und weisen „Schreibschwächen auf allen Systemebenen“ (Lexik, Syntax und Makrostruktur der Texte) nach (Becker-Mrotzek und Böttcher 2011, S. 23). Das Ergebnis einer im Jahr 2013 an drei Schulen durchgeführten Befragung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II zeigt, dass auch aus Sicht der Lernenden der Kompetenzbereich Schreiben oberste Priorität im Deutschunterricht haben sollte (vgl. Rödel 2014, S. 8). Ob Deutschlehrkräfte der Sekundarstufen über das Wissen verfügen, welches Voraussetzung ist, um Schülerinnen und Schüler im Kompetenzbereich Schreiben zielgerichtet zu fördern, ist bislang nicht erforscht; für den Primarbereich liegen hingegen bereits aufschlussreiche Arbeiten vor (beispielsweise Jagemann 2015; Corvacho del Toro 2013; Löffler 2004). Um das Wissen der Sekundarstufenlehrkräfte empirisch zu erfassen, fehlt es noch an geeigneten Messinstrumenten. König und Hofmann gehen noch weiter und konstatieren, es fehle nicht nur an entsprechenden Instrumenten, sondern auch an dem einer Messung vorausgehenden Schritt, der ←17 | 18→Bestimmung der schulrelevanten Wissensinhalte und somit einer Bestimmung des Professionswissens:
Eine präzise Bestimmung des Wissens und Könnens von Deutschlehrkräften, welches beim Lese- und Schreibunterricht einen herausgehobenen Stellenwert erfährt, liegt bislang nicht vor (König und Hofmann 2013).
Um sich der Messung dieses Wissens zuwenden zu können, gilt es deshalb, im Vorfeld der Testentwicklung zu klären, aus welchen Inhalten sich das Professionswissen angehender Deutschlehrkräfte im Kompetenzbereich Schreiben zusammensetzt (Kapitel 5.1 und 7.2).
Dass sich ein umfangreiches Fachwissen positiv auf das fachdidaktische Wissen von Lehrkräften auswirkt und somit entscheidend die Unterrichtsqualität beeinflusst, ist mittlerweile empirisch belegt (Baumert und Kunter 2006, S. 469–520; Klieme et al. 2008, S. 319–344). Im Rahmen der COACTIV-R-Studie konnte für die Bereiche Mathematik und Naturwissenschaften bereits nachgewiesen werden, dass sich das Fachwissen der Lehrkraft merklich auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern auswirkt (Blum et al. 2008). Es ist daher weitgehend Konsens, dass die Entwicklung von Professionswissen ein zentrales Ziel der Lehrerinnen- und Lehrerbildung darstellt. Bei der Beschäftigung mit dem professionellen Wissen von (Deutsch-) Lehrkräften sollten die Ergebnisse der kognitionspsychologischen Forschung berücksichtigt werden, die zeigen, dass sich dieses Wissen über einen langen Zeitraum hinweg aufbauen muss (vgl.2.2). Davon ausgehend ist es utopisch zu glauben, die erste Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Universität bringe „fertige“ Expertinnen und Experten des unterrichtlichen Handelns und der Wissensvermittlung hervor. Bei dem Erwerb von Expertise sollte die Phase des Referendariats, aber auch die dritte Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, die ständige Fortbildungen in fachlicher und fachdidaktischer Hinsicht vorsieht, nicht unterschätzt werden.
Worin genau das Professionswissen der Lehramtsstudierenden im Fach Germanistik derzeit besteht und zukünftig bestehen sollte, ist, wie oben angesprochen, nicht eindeutig. Die ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen der Kultusministerkonferenz (2017) liefern auf diese Fragestellung keine hinlängliche Antwort. Zwar wird durch diese im Jahr 2008 (aktualisiert 2017) festgelegten Themen der Kultusministerkonferenz eine grobe Richtung vorgegeben, doch wird weder eine Gewichtung noch ein Zusammenhang der verschiedenen Subdimensionen deutlich (vgl. Kapitel 5.1.2). Dass die von der Kultusministerkonferenz ←18 | 19→festgelegten Inhalte des Lehramtsstudiengangs Deutsch nicht auf einem breiten Konsens beruhen, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass sie im Jahr 2014 (noch) nicht von allen Universitäten aufgenommen, in den Curricula implementiert und in der Lehre umgesetzt wurden, wie die im Rahmen dieser Arbeit erfolgte curriculare Analyse zeigt (vgl. Kapitel 8.1.4 sowie die zum Download bereitgestellten Ergebnisdiagramme).
Der Ist-Zustand des Professionswissens von angehenden Deutschlehrkräften stellt „nach wie vor einen großen weißen Fleck auf der Ergebnis-Landkarte der empirischen Bildungswissenschaften dar“ (Häcker und Rihm 2005, S. 359). Zwar liefern die beiden großen interdisziplinären Studien, TEDS-LT (Bremerich-Vos et al. 2011; Bremerich-Vos und Dämmer 2013) und FALKO (Pissarek und Schilcher 2017), für den angesprochenen Ist-Zustand des Studierendenwissens im Fach Deutsch erste Ergebnisse. Als problematisch ist jedoch anzusehen, dass beide Studien darum bemüht sind, das gesamte Fach in einem Leistungstest abzubilden – mitunter repräsentiert ein Item (d.h. eine Testaufgabe) einen kompletten Kompetenzbereich – ein Aspekt, der bei allen Aussagen, die aus den Ergebnissen dieser Studien abgeleitet werden, berücksichtigt werden muss.
Die Anzahl theoretischer Modelle zum Professionswissen von Lehrkräften wächst erheblich; auch wenn viele dieser Modelle für die Naturwissenschaften und Mathematik entwickelt wurden (Tepner et al. 2012; Kleickmann et al. 2014; Gramzow et al. 2013), lassen sie sich in der Regel in ihren Ansätzen auf geisteswissenschaftliche Fächer übertragen. Jedoch mangelt es an Studien, die Wissen proximal erfassen. „Insbesondere in den sprachlichen Fächern besteht ein großes Defizit in der empirischen Fundierung der Unterrichtseffektivität“ (Corvacho del Toro 2013, S. 12). Ein Grund für die hier aufgeführten Forschungsdesiderata ist ein Mangel an geeigneten Testverfahren zur Erfassung des Professionswissens. Messinstrumente für den Lehramtsstudiengang Deutsch der Sekundarstufen, die den Gütekriterien der empirischen Bildungsforschung ebenso gerecht werden wie den Besonderheiten geisteswissenschaftlichen Wissens und Könnens sowie dessen Vermittlung, sind für die von der Kultusministerkonferenz ausgewiesenen drei prozessbezogenen Kompetenzbereiche (Sprechen und Zuhören; Schreiben; Lesen) bislang nicht entwickelt worden.
An dieses Defizit knüpft die vorliegende Arbeit an, die konzeptuell an das Vorgehen des KiL-Projekts – Messung professioneller Kompetenzen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehramtsstudiengängen (Kleickmann et al. 2014), vgl. Kapitel 4.2.1 – angelehnt ist. Für den Kompetenzbereich Schreiben liefert die vorliegende Arbeit einen Beitrag, um die genannte Forschungslücke zu verkleinern.
←19 | 20→Langfristiges Ziel ist es, Aussagen über das Wissen der Deutschstudierenden zum Zeitpunkt des Übergangs von der ersten zur zweiten Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Kompetenzbereich Schreiben machen zu können. Um den Ist-Zustand dieses Wissens diagnostizieren zu können, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein Messinstrument in Form eines Wissenstests entwickelt. Dieser ist nicht standortgebunden, sondern bundesweit einsetzbar. Vor diesem Hintergrund werden unterschiedliche, aber dennoch miteinander verknüpfte Aspekte diskutiert:
(1) Es soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit geklärt werden, was angehende Lehrkräfte nach dem Absolvieren der ersten Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Hinblick auf die Vermittlung von Schreibkompetenz wissen und können (sollten).
In Anlehnung an die Standards der Kultusministerkonferenz für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung wird deshalb das linguistische und sprachdidaktische Wissen ermittelt, welches für Deutschlehrkräfte im täglichen Schreibunterricht relevant sein dürfte. Erkenntnisse in diesem Bereich bilden die Grundlage für das Überführen (Operationalisieren) der identifizierten Inhalte in Testaufgaben (Items) und somit die Basis für das Erstellen des Messinstrumentes, welches Aufschluss darüber geben soll, ob das Professionswissen der angehenden Deutschlehrkräfte im Kompetenzbereich Schreiben messbar ist.
(2) Eine weitere zu klärende Frage ist, auf welche Weise sich das Professionswissen des entsprechenden Kompetenzbereiches möglichst realitätsnah und präzise erfassen lässt.
Im Gegensatz zu dem Vorgehen anderer Studien im Fach Deutsch, die in Kapitel 5.2 vorgestellt werden, kommen in dem entwickelten Instrument gleichermaßen Items aus beiden fachbezogenen Bereichen zur Anwendung, die über denselben Unterrichtsgegenstand verknüpft sind. Während sich die Inhaltsbereiche der fachlichen und fachdidaktischen Items bei großen Studien wie TEDS (Blömeke et al. 2011a) oder FALKO (Krauss et al. 2017a) nicht überschneiden, wird im Rahmen der vorliegenden Studie die inhaltliche Verknüpfung bewusst eingesetzt. Ein Erfassen der beiden fachbezogenen Bereiche des Professionswissens anhand völlig unterschiedlicher Inhaltsbereiche ist zum einen nicht realitätsgetreu, da in der Unterrichtspraxis in der Regel beide Wissensbereiche zusammenspielen, und führt zum anderen zu einer Verwässerung der beiden Bereiche, da fachdidaktische Items bei einer separaten Konzeption zwangsläufig ←20 | 21→einen hohen Fachwissensanteil abdecken müssen. Bei Betrachtung der Ergebnisse kann bei solchen Items deshalb im Grunde keine Aussage darüber gemacht werden, ob das Item aufgrund des Fachwissens oder aufgrund des fachdidaktischen Wissens beantwortet oder nicht beantwortet werden konnte. Dieser Überschneidung soll mit der inhaltlichen Verknüpfung der Items entgegengewirkt werden und zu größerer Präzision der Messungen führen. Dadurch, dass zu einem Inhaltsbereich in einem Schritt Fachwissen und in einem nächsten Schritt darüber hinausgehendes fachdidaktisches Wissen erfasst wird, soll gewährleistet werden, das fachdidaktische Wissen – soweit möglich – vom Fachwissen zu isolieren, um zu differenzierteren Aussagen zu gelangen. Diese Konzeptionsweise sowie damit einhergehende Vor- und Nachteile werden in Kapitel 8 beschrieben.
Im Rahmen dieser Arbeit wird neben dem Identifizieren schulrelevanten Wissens, dem Modellieren desselben sowie dem Überführen der ermittelten Inhalte in Testaufgaben eine mehrschrittige Pilotierung des Messinstrumentes angestrebt.
(3) Auf der Basis der Datensätze, die durch die Pilotierungserhebungen gewonnen werden, sollen erste Aussagen über die Struktur des Professionswissens der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer im Kompetenzbereich Schreiben formulierbar sein.
Von besonderem Interesse ist in dieser Hinsicht der Zusammenhang von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen und die Annahme, dass dieser Zusammenhang mit der Konzeption der Items (inhaltliche Separierung vs. Inhaltliche Verknüpfung der beiden fachbezogenen Bereiche des Professionswissens) variiert.
Im theoretischen Teil der Arbeit erfolgt zunächst ein Überblick zum Professionsbegriff, der sich aus einer Symbiose des soziologischen und kognitionswissenschaftlichen Verständnisses heraus ergibt, um zu verdeutlichen, was gemeint ist, wenn von dem geradezu inflationär gebrauchten Terminus des Professionswissens die Rede ist (Kapitel 2). Darauf folgt eine Einführung in den der Arbeit zugrunde liegenden Wissensbegriff (Kapitel 3). Anschließend wird der Forschungsstand im Zusammenhang mit der Professionalisierung von Lehrkräften vorgestellt (Kapitel 4), bevor im darauf folgenden Kapitel 5 der Fokus auf das Professionswissen der Deutschlehrkräfte gerichtet wird. Wollen Lehrpersonen in der Schule professionell handeln und nicht nur intuitiv (re-)agieren, benötigen sie eine solide Wissensbasis, welche ihnen Sicherheit und somit ihrem Handeln ←21 | 22→Flexibilität verleiht. Welches Wissen das Potenzial birgt, eine solche Grundlage im Fach Deutsch für den prozessbezogenen Kompetenzbereich Schreiben zu bilden, zeigt ein Blick auf die bildungspolitischen Vorgaben (Kapitel 5.1). Das Kapitel zeigt darüber hinaus bisherige Ansätze, sprachliches Wissen von (angehenden) Deutschlehrkräften empirisch zu erfassen (5.2). Den Übergang vom theoretischen zum empirischen Teil bilden die aus der theoretischen Darstellung abgeleiteten Hypothesen (Kapitel 6.1.1 und 6.1.2), die im darauffolgenden Teil der Arbeit bestätigt bzw. Widerlegt werden sollen.
Das 7. Kapitel widmet sich ausführlich dem inhaltlichen Gegenstand des Messinstrumentes; es wird der Untersuchungsgegenstand definiert und dessen wichtigste Inhaltsbereiche aufgezeigt. In Kapitel 8 wird die Konzeption des Messinstrumentes und des Kodiermanuals thematisiert. Es erfolgt außerdem eine detaillierte Beschreibung der Testitems. Kapitel 9 richtet den Fokus auf die beiden Pilotierungsdurchläufe, deren Ergebnisse in Kapitel 10 dargestellt und abschließend in Kapitel 11 diskutiert werden.
Details
- Seiten
- 398
- Erscheinungsjahr
- 2020
- ISBN (PDF)
- 9783631817377
- ISBN (ePUB)
- 9783631817384
- ISBN (MOBI)
- 9783631817391
- ISBN (Hardcover)
- 9783631795378
- DOI
- 10.3726/b16768
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2020 (Juni)
- Schlagworte
- Lehrerbildung Itementwicklung Sprach-didaktik KMK Standardisierter Test Empirische Bildungs-forschung Deutschunterricht Fachwissen Fachdidaktisches Wissen Expertise
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 398 S., 3 farb. Abb., 27 s/w Abb., 40 Tab.