Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Inhalt
- Einführung
- Blicke auf die BAR
- 50 Jahre BAR – eine Arbeitsgemeinschaft als Schicksalskorrektorat und als ausführendes Organ des Artikels 1 Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar
- Zur Jubiläumsveranstaltung der BAR am 19. Juni 2019 in Frankfurt am Main
- Denken, planen und handeln im gegliederten Sozialleistungssystem – Aufgaben und Selbstverständnis der BAR
- Gesellschaftliche Entwicklungen
- Rehabilitation ist eine Investition in die Zukunft
- Bundesteilhabegesetz (BTHG) 2.0 – wie Digitalisierung das Leben sozialer machen kann
- Vom Objekt der Fürsorge zum selbstbestimmten Individuum: Gesellschaftlicher Wandel im Spiegel der Sprache
- Folgen gesellschaftlicher Entwicklungen für die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Bereich der beruflichen Teilhabe
- Demokratie braucht Inklusion
- Kinder- und Jugendrehabilitation – die BAR als Wegbereiterin einer Qualitätsentwicklung und Vermittlerin unterschiedlicher Interessen
- Demografischer Wandel und Reha vor Pflege – geriatriespezifische Versorgungsbedarfe und -strukturen in Deutschland
- Inklusionsbetriebe – gelebte soziale Marktwirtschaft auf dem ersten Arbeitsmarkt
- Inklusion und Teilhabe – die Perspektive der Arbeitgeber
- Teilhabe am Beispiel des Inklusionsprojekts !nkA (2013 bis 2019)
- Der Zauberberg wäre nie geschrieben worden – drei Lehrsätze
- Menschen mit Behinderungen in der heutigen Gesellschaft
- Rehabilitation im Medizinstudium – Kompetenzsicherung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte für eine teilhabeorientierte medizinische Versorgung
- Zugang zur Rehabilitation aus der ambulanten Versorgung:
- Veränderungen in der Sozialgesetzgebung
- 50 Jahre Reha-bezogene Sozialgesetzgebung1
- Vom bürokratischen Sozialstaat zum sozialen Bürgerstaat – Versuch einer Bestandsaufnahme
- Auf dem Weg zum Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX)1
- Die BAR und die soziale Selbstverwaltung1
- Der Teilhabeplan als wichtiges Instrument effektiver Verwaltungskooperation
- Von der Sonderwelt zum selbstbestimmten Leben: Herausforderungen der Eingliederungshilfe von 1947 bis 2027
- Vom Wächteramt zur Prävention – die Rolle der Integrationsämter/Hauptfürsorgestellen von 1991 bis heute
- Rehabilitation als Säule des Sozialen Entschädigungsrechts –
- Rehabilitation und Teilhabe
- Aufgaben der Rehabilitationsträger und der BAR
- Trägerübergreifende Zusammenarbeit nach dem Bundesteilhabegesetz – ein Zwischenstand aus Sicht des BMAS
- Verbesserung der Reha-Prozesse im gegliederten Sozialleistungssystem
- Durch Wände gehen? Bewegungsmuster im Teilhabesystem
- Neue Herausforderungen für die BAR und die Lebensverlaufsperspektive im Rehabilitationsprozess
- Die BAR und die Sozialverbände – eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit
- Fünf Jahrzehnte Zusammenarbeit: BAR als „Denkfabrik“ für gemeinsame Lösungen
- Selektive Schlaglichter der Standortbestimmung – ein kurzer Einwurf von der Seitenlinie
- Gemeinsame Anfänge – gemeinsame Etappen – gemeinsame Herausforderungen
- Die Rolle und Bedeutung der Deutschen Rentenversicherung als Rehabilitationsträger
- Der Sachverständigenrat der Ärzteschaft der BAR – Wirkung nach innen und außen
- „Nichts über uns ohne uns“ – Partizipation bei der BAR und mit der BAR
- Der leistende Reha-Träger als Agent
- Weiterentwicklung des gegliederten Sozialleistungssystems aus trägerübergreifendem Blickwinkel
- Die inklusive Gesellschaft erfordert Anpassungsleistung an die Bedürfnisse behinderter Menschen!
- Partizipation: Über uns nur mit uns!
- Reha ist die Gesundheitspolitik des 21. Jahrhunderts
- Aufsuchende Rehabilitation – Erfahrungen und Perspektiven aus trägerübergreifender Sicht
- Umfassende Bedarfsermittlung und individuelle Leistungserbringung im Fallmanagementkonzept
- 50 Jahre BAR – 25 Jahre Phasenmodell der Neurologischen Rehabilitation1
- Wertvoll, aber komplex – Beratung für Arbeitgeber im Reha-Dschungel
- Rehabilitation durch mehr Selbstverwaltung stärken
- Regional – individuell – nachhaltig: Herausforderungen und zukunftsfähige Konzepte der Rehabilitation psychisch kranker Menschen
Eigentlich sind Jubiläen ein Spiel mit Zahlen. Runde Zahlen, 25, 50, 100, 500 lassen uns innehalten und fragen: Wie war es zuvor? Wie war es am Anfang? Wie ist es jetzt? Wie wird es weitergehen? Und auch: Was können wir (noch) besser machen?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) besteht seit 50 Jahren. Sie hat in der Entwicklung der Rehabilitation koordiniert und moderiert, sich aber von Anbeginn auch als Treiberin und Mitgestalterin gesehen und entsprechend gehandelt. Zum 50-jährigen Jubiläum fragt sie langjährige Weggefährten und Mitstreiter, aber auch einige Beobachter von der Seitenlinie, wie sie die Entwicklung der Rehabilitation und der BAR wahrnehmen und welche Schlüsse sie daraus ziehen.
Der Festakt im Juni 2019 in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main brachte viele zusammen, die sich für die permanente Verbesserung von Rehabilitation einsetzen. Redner und Autoren dieser Festschrift zum Nach- und Vordenken haben die Eingangsfragen auf sehr unterschiedliche Art und aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beantwortet. Sie beleuchten die gesellschaftliche Entwicklung, zeigen die Veränderungen in der Sozialgesetzgebung auf, umschreiben die Aufgaben der Rehabilitationsträger und der BAR und denken darüber nach (und somit voraus), wie sich das gegliederte Sozialleistungssystem und mit ihm die Gesellschaft weiterentwickeln können – zum Wohl von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen und mit ihnen gemeinsam.
Der Status quo 2019 zeigt auch, dass noch viel getan werden muss. Die Ideen hierzu, die sich in dieser Festschrift finden, tragen uns ins nächste Jahrzehnt der Rehabilitation.
Wir sind stolz darauf, dass so viele Expertinnen und Experten bereit waren, mit einem Beitrag zu dieser Publikation beizutragen. Ihnen allen danken wir ganz herzlich – auch für ihre damit zum Ausdruck gebrachte Verbundenheit mit der BAR und – ganz wichtig: dem gemeinsamen Ziel, die Teilhabe für Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln.
←11 | 12→←12 | 13→Festrede von Prof. Dr. Dr. h. c. Heribert Prantl, ehemaliger Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Festrede eine persönliche Geschichte erzählen, es ist eine, es ist meine Lieblingsgeschichte. Zu den merkwürdigsten Abschnitten meines Lebens gehört der, den ich als Angestellter in Alfred Wunsiedels Fabrik zubrachte. Ich hatte mich der Arbeitsvermittlung anvertraut und wurde mit sieben anderen Leidensgenossen in Wunsiedels Fabrik geschickt, wo wir einer Eignungsprüfung unterzogen werden sollten. Ich wurde als erster in den Prüfungsraum geschickt, wo auf Tischen die Fragebögen bereitlagen.
Erste Frage: „Halten Sie es für richtig, dass der Mensch nur zwei Arme, zwei Beine, Augen und Ohren hat?“. Hier erntete ich zum ersten Mal die Früchte meiner mir eigenen Nachdenklichkeit und schrieb ohne zu zögern hin: „Selbst vier Arme, Beine und Ohren würden meinem Tatendrang nicht genügen. Die Ausstattung des Menschen ist kümmerlich.“ Zweite Frage: „Wie viele Telefone können Sie gleichzeitig bedienen?“ Auch hier war die Antwort so leicht wie die Lösung einer Gleichung ersten Grades: „Wenn es nur sieben Telefone sind“, schrieb ich, „werde ich ungeduldig, erst bei neun fühle ich mich völlig ausgelastet.“ Dritte Frage: „Was machen Sie nach Feierabend?“ Meine Antwort: „Ich kenne das Wort Feierabend nicht mehr – in meinem fünfzehnten Lebensjahr strich ich es aus meinem Vokabular, denn am Anfang war die Tat!“ Ich bekam die Stelle.
Nun habe ich Sie, liebe Festgäste, ein wenig angeschwindelt. Es handelt sich nicht wirklich um eine Episode aus meinem Lebenslauf, sondern um eine Geschichte, die mich immer wieder erheitert, vor allem aber bewegt, weil sie so zeitlos ist. Heinrich Böll hat sie schon vor Jahrzehnten geschrieben. Es könnte sich aber auch, ganz im Trend des Zeitgeistes, um die Beschreibung einer Prüfung bei einer Arbeitsagentur im Jahr 2030 handeln. Verlangt wird der grenzenlos flexible, unbeschränkt belastbare Arbeitnehmer, unglaublich gesund, unglaublich mobil, unglaublich robust und leistungsfähig.
←15 | 16→Die Frage lautet: Wollen wir eine solche Gesellschaft, eine Gesellschaft, in der es überall zugeht wie in Wunsiedels Fabrik – in der die unbegrenzte Leistungsfähigkeit zählt und nichts sonst, in der nur der Marktwert zählt, in der der Wert des Menschen ausschließlich am Lineal der Ökonomie gemessen wird?
Die Realität kennt da ohnehin gewisse Grenzen: Im Gegensatz zu den Schnecken trägt der Mensch seine Behausung nicht mit sich herum. Und er hat, auch deshalb, weil er im Gegensatz zu den Schalenweichtieren kein Zwitter ist, andere soziale Bedürfnisse, die sich unter anderem darin äußern, dass er einen Lebenspartner sucht, eine Familie gründet, im Sport- oder Gesangsverein aktiv ist, dass seine Kinder zur Schule gehen und Freunde haben. Das setzt der ganz großen unentwegten Mobilität, der unbegrenzten Einsetzbarkeit und Verfügbarkeit, ganz generell gewisse Schranken. Der „Wunsiedel-Mensch“, nennen wir ihn meinetwegen auch den Agenda-2010-Menschen, ist offenbar anders: Er ist ein Mensch ohne Kinder, ohne Familie, ohne soziale Beziehungen und natürlich ohne jegliche Behinderung.
Ein solches Menschenbild passt aber nicht zu einer sozialstaatlichen Demokratie. Die sozialstaatliche Demokratie träumt nicht vom perfekten Menschen. Sie nimmt den Menschen an, so wie er ist: mit seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Handicaps, mit seinen Talenten und Defiziten und versucht, ihn zu unterstützen, ihm ein eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen, so gut es nur geht. Eine Demokratie, die nur für den perfekten Menschen da wäre, sie wäre eine schlechte, ja eine furchtbare Demokratie und ein Sozialstaat wäre sie schon gar nicht.
„Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“ – so steht es in der Präambel der schweizerischen Verfassung von 1999. Das ist ein mutiger Satz, weil die Stärke eines Volkes, die Stärke eines Staates gern an ganz anderen Faktoren bemessen wird. Die einen messen sie am Bruttosozialprodukt und am Exportüberschuss, die anderen reden dann vom starken Staat, wenn sie mehr Polizei, mehr Strafrecht und mehr Gefängnis fordern. Kaum jemand fordert den starken Staat, wenn es darum geht, soziale Ungleichheit zu beheben und etwas gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu tun. Kaum jemand sagt „starker Staat“, wenn er die Verknüpfung von Sozial- und Bildungspolitik meint. Kaum jemand redet von der „Stärke eines Volkes“, wenn es darum geht, eine angemessene Förderung von Menschen mit Handicaps durchzusetzen.
Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen – das ist ein starker Satz, auch wenn es wohl so ist, dass schon die Bezeichnung „Schwache“ infiziert von den Ausschließlichkeitskriterien der Leistungsgesellschaft ist. Ich bin der Meinung: Der starke Staat ist ein Staat, der für Gleichheit kämpft, der sich um das Wohl gerade der Schwachen kümmert – und dabei allmählich lernt, ←16 | 17→dass die Schwachen gar nicht so schwach sind, wie man oft meint, und dann ihre Stärken, die Perfektion des Imperfekten, zu schätzen lernt. Die sogenannten Schwachen sind nicht schwach. Sie brauchen gute Assistenz, dann können Sie stark sein, dann werden sie stark, dann sind sie stark. Sie, die BAR, gehören zu diesen Stärkungseinrichtungen: weil Sie sich vor 50 Jahren zusammengefunden und mit gebündelter Kraft dafür stark gemacht haben, aus vermeintlich Schwachen Starke zu machen.
Details
- Seiten
- 232
- Erscheinungsjahr
- 2019
- ISBN (PDF)
- 9783631804018
- ISBN (ePUB)
- 9783631804025
- ISBN (MOBI)
- 9783631804032
- ISBN (Hardcover)
- 9783631803936
- DOI
- 10.3726/b16245
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2019 (November)
- Schlagworte
- Teilhabe Bundesteilhabegesetz Behinderung Sozialleistungssystem Rehabilitation Inklusion
- Erschienen
- Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 232 S., 11 farb. Abb., 7 s/w Abb., 1 Tab., 2 Graf.