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Raumgestaltung als pädagogische Aufgabe im Elementarbereich

Legitimationskritik und Prinzipienanalyse

von Stephanie Gebert (Autor:in)
©2021 Dissertation 364 Seiten
Reihe: Grundfragen der Pädagogik, Band 22

Zusammenfassung

Der Ausbau von Kindertageseinrichtungen ist eine bildungspolitische Aufgabe, welche nicht nur den Faktor Personal, sondern auch das Raumangebot und dessen pädagogische Gestaltung betrifft. Aus einer prinzipienwissenschaftlichen Perspektive heraus analysiert die Autorin sowohl grundlegende als auch praktische Gestaltungsorientierungen für den Elementarbereich, die zeigen, wie eine pädagogische Raumgestaltung im Elementarbereich umgesetzt werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 2 Historische Aspekte der Raumgestaltung im Elementarbereich
  • 2.1 Zur Geschichte des Kinderzimmers
  • 2.1.1 Kritische Würdigung
  • 2.2 Zur Geschichte des Kindergartenbaus
  • 2.2.1 Kritische Würdigung
  • 2.3 Zur Geschichte des Krippenbaus
  • 2.3.1 Kritische Würdigung
  • 2.4 Zusammenfassung
  • 3 Zur Theorie der pädagogischen Raumgestaltung
  • 3.1 Pädagogisches Handeln im Elementarbereich
  • 3.2 Die Trias Mensch – Raum – Bildung: Theoretische Grundlagen
  • 3.2.1 Mensch und Raum
  • 3.2.2 Theorien des Raumes
  • 3.2.3 Raum und Pädagogik: Bedeutung und Diskurs
  • 3.3 Zusammenfassung und Zwischenfazit
  • 3.4 Theorien der pädagogischen Raumgestaltung in ausgewählten elementarpädagogischen Ansätzen
  • 3.4.1 Der Raum als dritter Erzieher – Raumgestaltung in der Reggio-Pädagogik
  • 3.4.2 Die Vorbereitete Umgebung – Raumgestaltung in der Montessori-Pädagogik
  • 3.4.3 Die organologische Sphäre – Raumgestaltung bei Rudolf Steiner
  • 3.4.4 Der Raum als Lernwerkstatt – Raumgestaltung bei Célestin Freinet
  • 3.4.5 Die entwicklungsfördernde Umgebung – Raumgestaltung bei Emmi Pikler
  • 3.4.6 Räume als Material – Raumgestaltung im Situationsansatz
  • 3.4.7 Funktions- statt Gruppenräume – Raumgestaltung in der Offenen Arbeit
  • 3.4.8 Der bewegungsfördernde Raum – Raumgestaltung im Bewegungskindergarten
  • 3.4.9 Der Wald als Lern- und Erfahrungsraum – Raumgestaltung im Waldkindergarten
  • 3.4.10 Zusammenfassung und Zwischenfazit
  • 4 Aktuelle Gestaltungsorientierungen im Elementarbereich
  • 4.1 Disziplinäre Analyse aktueller Gestaltungsorientierungen
  • 4.2 Psychologisch motivierte Gestaltungsorientierungen
  • 4.2.1 Zwischenfazit
  • 4.2.2 Fazit
  • 4.3 Soziologisch motivierte Gestaltungsorientierungen
  • 4.3.1 Fazit
  • 4.4 Ästhetisch motivierte Gestaltungsorientierungen
  • 4.4.1 Fazit
  • 4.5 Interdisziplinär motivierte Gestaltungsorientierungen
  • 4.5.1 Fazit
  • 4.6 Pädagogisch motivierte Gestaltungsorientierungen
  • 4.6.1 Zugrundeliegende Bildungsbegriffe
  • 4.6.2 Fazit
  • 5 Prinzipienanalyse aktueller Gestaltungsorientierungen für den Elementarbereich
  • 5.1 Anschaulichkeit als pädagogisches Gestaltungsprinzip elementarpädagogischer Einrichtungen
  • 5.1.1 Architektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.1.2 Innenarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.1.3 Landschaftsarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.1.4 Raumausstattung als Veranschaulichungshilfe
  • 5.2 Selbsttätigkeit als pädagogisches Prinzip elementarpädagogischer Einrichtungen
  • 5.2.1 Architektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.2.2 Innenarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.2.3 Landschaftsarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.2.4 Raumausstattung als Veranschaulichungshilfe
  • 5.3 Pädagogische Konzentration als pädagogisches Prinzip elementarpädagogischer Einrichtungen
  • 5.3.1 Architektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.3.2 Innenarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.3.3 Landschaftsarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.3.4 Raumausstattung als Veranschaulichungshilfe
  • 5.4 Synthese als pädagogisches Prinzip elementarpädagogischer Einrichtungen
  • 5.4.1 Architektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.4.2 Innenarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.4.3 Landschaftsarchitektonische Veranschaulichungshilfen
  • 5.4.4 Raumausstattung als Veranschaulichungshilfe
  • 5.5 Zusammenfassung und Fazit
  • 6 Schlusskapitel
  • 6.1 Zusammenfassung und kritische Würdigung
  • 6.2 Ausblick und Desiderata
  • Abbildungsverzeichnis
  • Bibliographie

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1 Einleitung

Der Ausbau der Kindertagesbetreuung in Deutschland ist aus unterschiedlichen Gründen ein seit vielen Jahren hoch aktuelles Thema. Einerseits soll im Sinne einer Entlastung und Unterstützung der Familien sowie aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden. Andererseits soll aber auch das Bildungsniveau angehoben werden und aus der Idee der Chancengleichheit heraus ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot für Kinder aller sozialer Schichten bereitstehen. Gesetzliche Grundlage für den Ausbau ist das am 16. Dezember 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiFöG), welches über verschiedene Phasen hinweg einen quantitativen und qualitativ hochwertigen Ausbau des Betreuungsangebotes vorantreiben sollte. Vor allem durch den seit dem 1. August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder der Tagespflege ab dem vollendeten ersten Lebensjahr besteht allerdings gerade für diese Altersgruppe ein großer Bedarf an neuen Plätzen bzw. komplett neuen Einrichtungen, welcher aber bislang nicht gedeckt ist.1 Neben der Notwendigkeit des Ausbaus von Betreuungseinrichtungen durch gesetzliche Neubestimmungen wird die Thematik auch durch weitere rechtliche und gesellschaftliche Debatten zum Thema Kindheit im Allgemeinen angereichert. Kinder wurden in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Diskussion insgesamt immer wichtiger, wahrscheinlich auch in Folge des bisherigen Geburtenrückgangs und dem sich ändernden Bild vom Kind. Auch auf rechtlicher Seite gab es viel Bewegung in der Debatte, v.a. im Zuge von Diskussionen um Menschen- und Kinderrechte.2 Dies wird laut BILSTEIN im Angesicht des nach wie vor aktuellen Fluchtelends gerade in Bezug auf die darunter leidenden Kinder deutlich, da räumliche Basisbedingungen ganz zentral sind für ein menschenwürdiges Leben und der Raum diesen in der Realität oftmals entgegentritt.3

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Darüber hinaus hat sich aber auch das (Selbst-)Verständnis elementarpädagogischer Tageseinrichtungen in den vergangenen Jahren stark verändert. Während der Fokus in früheren Zeiten auf dem Aspekt der Betreuung lag, werden diese inzwischen als Bildungseinrichtungen und somit als die erste Stufe des Bildungssystems gesehen, in welchen die Kinder v.a. durch Sinneserfahrungen lernen sollen, um damit auf die Schule und ihren weiteren Lebensweg vorbereitet zu sein.4 Wurden früher also vor allem noch die Aufgaben des Kindergartens diskutiert, so sind es heute eher die Bedingungen, unter welchen die Kinder dort lernen.5 Diese verschiedenen gesetzlichen, gesellschaftlichen, bildungspolitischen, institutionellen und pädagogischen Facetten des Themas werfen unterschiedliche Diskussionspunkte auf. Einer davon betrifft die räumlichen Bedingungen und deren Gestaltung. Dies schlägt sich auch in den Bildungsplänen für den Elementarbereich der einzelnen Bundesländer6 nieder, in welchen neben dem Personal auch die Räume als wichtige pädagogische Voraussetzungen beschrieben und deren Gestaltung diskutiert werden, jedoch – bemessen an der zur Verfügung stehenden Seitenanzahl – mit jeweils sehr unterschiedlichen Gewichtungen.7 Und auch in den kompetenzorientierten Rahmen- und Lehrplänen für die Erzieherausbildung wird die Thematik berücksichtigt. Doch auch wenn dieses Thema an vielen Stellen aufgegriffen wird und eine Rolle in der Fachdiskussion spielt, so ist dennoch zu vermerken, dass das Thema „Bauen für Kinder“ insgesamt und verglichen mit anderen Aspekten relativ wenig thematisiert wird.8 Betrachtet man die aktuelle Fachdiskussion im Bereich der ←14 | 15→Frühpädagogik einschließlich der entstandenen Bildungspläne und der neuen Einrichtungen u.a. als eine Folge der Ergebnisse der ersten PISA-Studie und des darauffolgenden sog. „PISA-Schocks“, so steht das Thema Raumgestaltung im Vergleich zu anderen diskutierten Aspekten noch im Schatten dieser.

Gerade im Vergleich zu dem oben bereits angesprochenen Faktor Personal wird dies deutlich. Hat doch die Diskussion um den „Erziehermangel“, die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und Vorschläge zur Steigerung der Qualität dieser Ausbildung bereits einen sehr großen öffentlichen Raum in Anspruch genommen und bereits starke Auswirkungen gehabt, bspw. unter dem Aspekt der Akademisierung und der Einrichtung verschiedener Studiengänge im Bereich der Frühpädagogik. Der Faktor Raum hingegen wurde bislang weit weniger öffentlich diskutiert und lässt auch weniger konkrete Veränderungen in der Umsetzung erkennen. BECKER-TEXTOR wirft diesbezüglich die Frage auf, ob man bei diesem Punkt eventuell die daraus resultierenden „Folgekosten“ scheue.9

Es kann also zunächst festgehalten werden, dass bei einem angestrebten Ausbau der Kindertagesbetreuung auf der einen Seite die quantitative sowie die qualitative Steigerung des Fachkräfteangebots zu diskutieren ist und auf der anderen Seite der quantitative und qualitative Ausbau des Raumangebots, zusammenfassend gesagt also die Anzahl der Einrichtungen und der darin arbeitenden Fachkräfte sowie die Strukturqualität dieser Einrichtungen. Jedoch wurde hierbei bislang in erster Linie der Aspekt „Personal“ beleuchtet und umgesetzt, wohingegen der Faktor „Raum“ eher vernachlässigt wurde. Zusammenfassend werden diese verfolgten bzw. vernachlässigten Diskussionsstränge zum KiTa-Ausbau in Abb. 1 illustriert:

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Abbildung 1: Diskussion im Zusammenhang des Ausbaus von Kindertagesbetreuungseinrichtungen in Deutschland gem. KiFöG: verfolgte und vernachlässigte Diskussionsstränge (eigene Darstellung).

Dennoch lassen sich neben dem Eingang des Themas in die Bildungspläne der Länder weitere Anzeichen für dessen Bedeutung finden. So hat, wie bereits erwähnt, das Kompetenzorientierte Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern10 und damit das Thema Raumgestaltung auch Eingang in die jeweiligen Lehrpläne der Fachschulen für Sozialpädagogik gefunden. Auch viele Instrumente zur Qualitätsmessung und -entwicklung in Kindertageseinrichtungen nehmen sich ebenfalls dem Faktor Raum an, bspw. die Kindergarteneinschätzskala (KES/KES-R) oder QuaSi zur Messung der Qualität im Situationsansatz. Nicht zuletzt ist in den vergangenen Jahren auch eine Steigerung der veröffentlichten Fachliteratur zu dieser Thematik zu verzeichnen.

Unter philosophischer und allgemeinpädagogischer Betrachtungsweise wurde bereits viel über das Verhältnis von Mensch und Raum und die Bedeutung des Raumes in der Pädagogik geforscht. Dennoch bleiben viele Fragen, gerade grundlegender Art, offen. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Viele Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wie die Räumlichkeiten in Kindertageseinrichtungen gestaltet werden sollten. In den vergangenen Jahren ist hierzu v.a. eine Vielzahl praxisorientierter Literatur, wie z.B. Handreichungen zur konkreten Raumgestaltung erschienen. Allerdings wurden die theoretischen sowie die praxisorientierten Aspekte der Thematik bislang kaum miteinander verknüpft. Im Folgenden soll daher nun an einem früheren Punkt ←16 | 17→angesetzt werden, nämlich bei der Frage, ob Raumgestaltung in elementarpädagogischen Einrichtungen überhaupt eine pädagogische Aufgabe ist. Denn nur dann ergibt es einen Sinn, sich im Weiteren über eine konkrete pädagogische Raumgestaltung Gedanken zu machen. Darüber hinaus ist eine starke Verengung der Thematik auf schulpädagogische Fragen festzustellen. Hierzu existiert eine umfangreiche Literatur, der Elementarbereich hingegen wurde, da er bisher generell weniger Beachtung fand als der schulische, weitgehend vernachlässigt. Diese Lücken möchte die vorliegende Arbeit zu schließen versuchen. Die Herangehensweise hierfür wird sein, zunächst zu klären, was pädagogisches Handeln überhaupt ist und was dies für den Elementarbereich bedeutet. Daraus ergibt sich die Frage, ob dem Raum und seiner Gestaltung infolgedessen eine pädagogische Bedeutung zukommt. und wenn ja, inwiefern diese Raumgestaltung dann auch eine pädagogische Aufgabe im Elementarbereich ist.

Das methodische Vorgehen wird dabei ein prinzipienwissenschaftliches sein. Zur Analyse der aktuellen Situation wird zunächst eine historische Sichtweise eingeschlagen. Dabei soll die geschichtliche Entwicklung des Kinderzimmers sowie der beiden Institutionen Kindergarten und Kinderkrippe in Bezug auf den Faktor Raum näher untersucht werden. Das Thema wurde dabei um das Kinderzimmer erweitert, da pädagogisches Handeln im Elementarbereich die längste Zeit außerhalb pädagogischer Institutionen stattfand und dieser Aspekt einerseits daher nicht außer Acht gelassen werden kann und andererseits mögliche Auswirkungen auf den institutionellen Bereich bedacht werden müssen. An die jeweiligen Kapitel schließt sich eine kritische Würdigung an, zur Analyse der für die aktuelle Situation relevanten Ergebnisse.

Der Betrachtung der historischen Ausgangslage folgt die Frage, was pädagogisches Handeln überhaupt ist und was infolgedessen pädagogisches Handeln im Elementarbereich bedeutet. Das Theoriekapitel zur pädagogischen Raumgestaltung greift außerdem noch einmal das allgemeine Verhältnis zwischen Mensch und Raum auf, bevor einzelne Theorien des Raums ausgewählter Wissenschaftler vorgestellt werden. Auf Grund der Schnittmengen des Themas mit zahlreichen anderen Disziplinen wurden hierfür Theorien ausgewählt, welche in einem unmittelbaren Zusammenhang zur pädagogischen Fragestellung stehen, nämlich diejenigen von KANT, BOLLNOW, ROUSSEAU, FRÖBEL, KEY, PIAGET und FOUCAULT in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für die vorliegende Arbeit. Abgeschlossen wird der allgemeine Theorieteil mit einer Analyse des Themas Raum und seiner Bedeutung in der Pädagogik. Da zahlreiche Betreuungseinrichtungen im Elementarbereich sich konzeptionell und infolgedessen auch räumlich an verschiedenen pädagogischen Ansätzen orientieren, wurden für das darauffolgende Kapitel ←17 | 18→pädagogische Ansätze ausgewählt, welche zum einen eine bedeutsame Rolle in der Elementarpädagogik einnehmen und in denen zum anderen das Thema Raum und Raumgestaltung eine herausragende Rolle spielen. Für diese Ansätze wurden ihre jeweiligen Theorien zum Thema Raum analysiert. Auch deren Erkenntnisse werden in den sich jeweils anschließenden Kapiteln einer kritischen Würdigung unterzogen, um vergleichen zu können, inwiefern diese für aktuelle Gestaltungsorientierung potenziell maßgeblich sind.

Dieser Punkt leitet zum letzten Kapitel über, in welchem diese aktuellen Gestaltungsorientierungen für den Raum in der Elementarpädagogik näher untersucht werden. Da hierfür wie gesagt eine große Anzahl an Praxisratgebern zur konkreten Raumgestaltung, hingegen nur wenig systematische Literatur vorliegt, wurde zur Strukturierung dieser Analyse eine disziplinäre Herangehensweise gewählt. Die vorliegende Fachliteratur betont jeweils sehr unterschiedliche Aspekte, welche aus einer Sichtweise heraus erfolgen, die durch unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen geprägt sind. Ein großer Teil der Fachliteratur ist dabei durch psychologische Betrachtungsweisen bestimmt. Hierbei geht es in erster Linie um die individuelle Entwicklung der einzelnen Kinder im Kontext des Themas Raumgestaltung. Andere Autoren hingegen fokussieren sich eher auf die soziale Entwicklung der Kinder bzw. der Gruppe innerhalb der Einrichtung und sind somit eher einer soziologischen Betrachtungsweise unterworfen. Wiederum andere fokussieren sich auf den Aspekt der Ästhetik in Zusammenhang mit dem Thema Raumgestaltung. Nicht zuletzt gibt es Autoren, welche verschiedene dieser Themenaspekte miteinander bündeln und den Raum und seine Gestaltung unter einer interdisziplinären Betrachtungsweise analysieren. Diese durch unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen motivierten Betrachtungsweisen werden in der vorliegenden Arbeit präsentiert, um sie schließlich von einer pädagogischen Sichtweise abgrenzen zu können. Die Analyse der als pädagogisch zu klassifizierenden Betrachtungsweisen erfolgt schließlich hinsichtlich verschiedener pädagogischer Prinzipien und der Frage, inwiefern diese beim Thema Raumgestaltung im Elementarbereich Beachtung finden. Ziel der abschließenden Zusammenfassung ist schließlich herauszustellen, welche Errungenschaften die historisch gewachsenen Institutionen in Bezug auf das Thema Raum und Raumgestaltung im Elementarbereich mit sich gebracht haben bzw. welchen Veränderungen sie unterworfen waren, vor dem Hintergrund allgemeiner theoretischer Überlegungen zum Zusammenhang von Mensch, Raum und Pädagogik. Darüber hinaus soll dies in Zusammenhang gebracht werden mit den Erkenntnissen zum Thema Raum und seiner Gestaltung aus verschiedenen elementarpädagogischen Ansätzen, um diese ←18 | 19→historischen und theoretischen Grundlagen schließlich mit den aktuellen Gestaltungsorientierungen für den Elementarbereich vergleichen zu können. Dabei soll insbesondere herausgearbeitet werden, was das „Pädagogische“ an diesen Gestaltungsorientierungen ist und inwiefern sie pädagogischen Prinzipien gerecht werden, und was sie dabei von anderen Betrachtungsweisen abhebt.

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1 Vgl. RÜHM, Bettina: Kindergärten, Krippen, Horte. Neue Architektur – Aktuelle Konzepte, München 2011, S. 9; https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/ausbau-der-kindertagesbetreuung-schreitet-weiter-voran/129858 (Stand: 10.04.2019).

2 Vgl. ARBEITSGEMEINSCHAFT BADEN –WÜRTTEMBERGISCHER BAUSPARKASSEN (Hsg.): „Wohnen mit Kindern“. Öffentliche Räume, Wohnräume, Spielräume, Karlsruhe 2002, S. 8.

3 Vgl. BILSTEIN, Johannes: Vom Inneren der Seele bis ans Ende der Welt. Raum als pädagogische Kategorie, In: GLASER, Edith et al. (Hsg.): Räume für Bildung – Räume der Bildung. Beiträge zum 25. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehung, Schriften der DGfE, Opladen/Berlin/Toronto 2018, S. 36–37.

4 Vgl. RÜHM: Kindergärten, S. 9.

5 Vgl. URBAN, Matthias: Räume für Kinder. Pädagogik und architektonische Konzepte zur kooperativen Planung und Gestaltung von Kindertagesstätten, Dissertationen, Diplomarbeiten, Dokumentationen 39, Frankfurt a.M. 1997, S. 15.

6 Im Folgenden bezieht sich der Terminus „Bildungsplan“ immer auf die Bildungspläne der deutschen. Bundesländer für den Elementarbereich.

7 V.a. in den Bildungsplänen von: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt; vgl. URBAN: Räume für Kinder, S. 15; BENDT, Ute/ERLER, Claudia: Spielbudenideen. Praxislösungen zur Raumgestaltung in Kita und Kindertagespflege, Mülheim a.d. Ruhr 2013, S. 5; WILK, Matthias/JASMUND, Christina: Kita-Räume pädagogisch gestalten. Den Raum als Erzieher nutzen, Weinheim/Basel 2015, S. 54–55.

8 Vgl. KRÄMER, Stefan: Bauen für Kinder im Überblick, In: WÜSTENROTSTIFTUNG (Hsg.): Bauen für Kinder, Stuttgart/Zürich 2006, S. 60.

9 BECKER-TEXTOR, Ingeborg: Raumgestaltung und pädagogische Wirkung, In: Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch – hsg. v. TEXTOR, Martin R. (http://www.kindergartenpaedagogik.de/1674.html aufgerufen am: 15.05.2013), S. 5.

10 Vgl. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_12_01-ErzieherInnen-QualiProfil.pdf (aufgerufen am: 10.04.2019).

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2 Historische Aspekte der Raumgestaltung im Elementarbereich

Bevor theoretische Überlegungen zur pädagogischen Raumgestaltung sowie aktuelle Gestaltungsorientierungen für den Elementarbereich analysiert werden, soll im Folgenden ein Blick auf die historische Entwicklung der Raumgestaltung im Elementarbereich als epochal gebundene Antwort auf die pädagogische Aufgabenstellung geworfen werden. Denn Orte und damit auch Räume unterliegen grundsätzlich immer auch einem historischen Wandel. Während in der antiken Auffassung Räume in das Weltgefüge des Kosmos eingebettet waren, dominieren heute hingegen „Zerstreuung, Ausdehnung, Verschiebung“, das „Auseinanderfallen(s) und Überlagern(s)“ verschiedener Räume.11 Während im Mittelalter alles auf heilige Räume ausgerichtet war, sind diese heute durch unser weltliches Dasein und Weltbild bestimmt. Und während für frühere Raumauffassungen ein Standpunkt mit seiner Gesamtübersicht prägend war, sind es heute räumliche Relationen und Heterogenität.12 Doch nicht nur allgemein betrachtet spielt der historische Aspekt für das Thema Raum eine bedeutsame Rolle. Gerade die institutionalisierte Kleinkinderziehung in Deutschland sowie ihre heutigen Ausprägungen können nur unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung analysiert werden, da diese bis in die Gegenwart hinein starke Auswirkungen auf die Einrichtungen haben. Darüber hinaus lässt sich die These aufstellen, dass sich die jeweilige Stellung des Kindes in der entsprechenden Gesellschaft auch in der Raumgestaltung ihrer Betreuungsinstitutionen ausdrückt.13 Ebenso materialisieren sich gesellschaftlich-historische Erfahrungen in den die Menschen umgebenden Gegenständen.14

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Auch dieses Wechselverhältnis soll nicht unbeachtet bleiben, denn damit stellt sich die Frage, wie unser heutiges Menschenbild sowie das moderne Bild vom Kind aktuelle Gestaltungsorientierungen beeinflussen. Bevor in den folgenden Kapiteln jedoch näher auf die historische Entwicklung elementarpädagogischer Räumlichkeiten eingegangen wird, zunächst noch einige prinzipielle Anmerkungen zu den Entstehungsgründen sowie zur geschichtlichen Entwicklung der Frühpädagogik und ihrer Institutionen im Allgemeinen und zum Bild vom Kind im Wandel der Zeit im Besonderen. Denn diese Aspekte beeinflussen Kindertageseinrichtungen und das Verständnis dieser teilweise bis heute. Während es bis ins Mittelalter nämlich noch keine Vorstellung von Kindheit an sich gab, sondern Kinder als kleine Erwachsene betrachtet wurden, welche v.a. auf die Gesellschaft vorbereitet werden mussten, so liegen die Wurzeln der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Kind im Humanismus des 16. und 17. Jahrhunderts, als das Spezifische der Kindheit und der Mensch als Maß aller Dinge Beachtung fanden.15 Eine zentrale Rolle als Vorreiter der Elementarpädagogik spielte dabei v.a. COMENIUS, bspw. durch sein Orbis sensualium pictus, dem ersten illustrierten Kinderbilderbuch. Für das sich im Folgenden entwickelnde Verständnis von Kindheit als eigener Lebensphase sowie von Erziehung als einer gemeinschaftlichen und öffentlichen Aufgabe ist darüber hinaus ROUSSEAU und sein Erziehungsroman Emile hervorzuheben.16 Neben diesen geisteswissenschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf die Sichtweise auf Kinder und Kindheit an sich und die damit verbundenen Anforderungen an das pädagogische Handeln im Elementarbereich, sind es auch gesellschaftliche Veränderungen wie der Pauperismus, welche im 19. Jahrhundert schließlich zur Entstehung einer öffentlichen Kleinkinderziehung führten. Parallel zueinander entwickelten sich in Deutschland und in Europa dabei Institutionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, von den Kleinkinderbewahranstalten über die Kleinkinderschulen bis hin schließlich zum Kindergarten. Diese Institutionen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts schließlich ansatzweise zu einem System der öffentlichen Erziehung mit den Schwerpunkten der Beaufsichtigung und Verwahrung aber auch unter der Berücksichtigung von Aspekten der Erziehung und Bildung.17

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Im Vergleich zu den folgenden Ausführungen zur historischen Entwicklung der elementarpädagogischen Räumlichkeiten sollen an dieser Stelle nun noch zentrale Tendenzen, Kriterien und „Trends“ aufgeführt werden, welche Tassilo KNAUF für die heutigen bundesdeutschen Kindertageseinrichtungen im Hinblick auf ihre räumliche Gestaltung zusammengefasst hat. Diese seien heutzutage verglichen mit anderen Ländern nämlich „besonders aufwendig gestaltet“ und im europäischen Vergleich besser in Bezug auf „Pflegezustand, Ästhetik und Kindorientierung“. Dabei steht in Bezug auf die Gebäude Individualität im Vordergrund, standardisierte Kindergartenbauten hingegen seien fast gar nicht mehr zu finden. Die Innenräume der Einrichtungen allerdings seien in erster Linie durch die Ausstattungselemente großer Hersteller von Kindergartenmöbeln dominiert sowie durch eine Raumgestaltung durch das jeweilige Personal. Gerade die Raumgestaltungselemente großer Herstellerfirmen wiesen dabei „vereinheitlichende Tendenzen“ und einen daraus resultierenden „Schematismus“ auf. Davon abweichen würden fast nur Einrichtungen, welche ein spezifisches pädagogisches Konzept, wie z.B. die Waldorf-Pädagogik o.a. verfolgten.18

Um zu verstehen, wie es zu diesem heutigen Stand der Ausstattung elementarpädagogischer Institutionen gekommen ist und diese mit ihren historischen Vorläufern vergleichen zu können, werden in den folgenden Kapiteln die geschichtliche Entwicklung des Kindergarten- und Krippenbaus näher beleuchtet werden, und zwar schwerpunktmäßig unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der Räumlichkeiten und ihrer Ausstattung. Vorab soll aber auch die Entwicklung des Kinderzimmers betrachtet werden. Dieser Aspekt wurde ebenfalls berücksichtigt, da die Kleinkindbetreuung und -erziehung die längste Zeit ihrer Geschichte eben gerade nicht öffentlich war, und wichtige Entwicklungslinien somit stark verkürzt worden wären, wenn eine ausschließliche Thematisierung institutionalisierter Kleinkindbetreuung erfolgt wäre. Darüber hinaus sind Räumlichkeiten der institutionalisierten Kleinkinderziehung natürlich auch durch private Vorläufer wie dem Kinderzimmer inspiriert worden. Zum anderen schließt das Thema Raumgestaltung im Elementarbereich auch heute noch den privaten, nicht institutionalisierten Bereich mit ein, da nicht alle Kinder eine öffentliche Einrichtung besuchen und die Verweilzeiten der Kinder, welche Institutionen besuchen, ja auch durch den Aufenthalt in Privaträumen ergänzt wird.

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Und im Sinne einer heutzutage angestrebten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft sollen sich nicht nur das pädagogische Fachpersonal und die Eltern zum Wohle des Kindes in ihrem pädagogischen Handeln ergänzen, sondern eben auch die räumlich-materielle Lebensumwelt des Kindes.

2.1 Zur Geschichte des Kinderzimmers

Aufgrund unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe und teilweise dünner Quellenlage sind die Auffassungen darüber, wann spezielle Kinderzimmer – früher bspw. Kinderstuben oder Kinderkammern genannt – überhaupt entstanden sind, sehr unterschiedlich.19 Da im Mittelalter wie gesagt noch keine Unterscheidung zwischen Kindern und Erwachsenen vorgenommen wurde und Kinder wie kleine Erwachsene behandelt wurden, gab es während dieser und vorheriger Epochen folglich auch noch keine Trennung der räumlichen Bereiche der Familienmitglieder und somit auch keine Kinderzimmer.20 Darüber hinaus spielte sich das gesellschaftliche Leben früher sowieso weniger in den Häusern, sondern vielmehr auf den Straßen und Plätzen davor ab, der gesamte öffentliche und private Raum war also für die Kinder offen, sodass es weder eine Sonderstellung der Kinder noch Schonräume für sie gab.21 Zuerst muss also festgehalten werden, dass die „Entdeckung“ der Kindheit als eigener Lebensphase sowie der Bedeutung dieser für das weitere Leben und der damit verbundene Stellenwert einer pädagogischen Gestaltung dieses Lebensalters überhaupt erst Ausgangspunkt sowie Grundlage für die Entstehung und Entwicklung von Kinderzimmern waren. Dennoch kann ihre Entstehung nicht als eine erzieherische Absicht gewertet werden, sondern in erster Linie als Resultat einer veränderter Arbeits- und Wohnweise im Zuge der Industrialisierung.22

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Es gibt zwar Belege, dass es vereinzelt Kinderkammern in Familien aus höheren gesellschaftlichen Schichten schon im 16. Jahrhundert gab, doch auch wenn die Idee des Kinderzimmers bereits bekannt und in bürgerlichen Schichten vereinzelt auch schon vorhanden war, so finden sich diese Räume doch vor allem erst seit dem 18. Jahrhundert in Akademikerhaushalten wieder und viele Autoren gehen davon aus, dass sich gesonderte Wohnbereiche für Kinder in einem weiteren Maße erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt haben.23 Hierbei wird deutlich, dass die Existenz von Kinderzimmern zunächst einmal eben nicht in einem pädagogischen Kontext gesehen werden kann, sondern dabei in erster Linie die finanziellen Möglichkeiten der Familien eine Rolle spielten.

Aufgrund dessen ist anzunehmen, dass Kinderzimmer zunächst auch eher repräsentative Zwecke erfüllten, da es sich eben nur sehr wenige Leute leisten konnten, spezielle Räumlichkeiten für die Kinder einzurichten. Praktische Gründe dürften darüber hinaus auch in Erwägung gezogen worden sein, da es gerade in den gut situierten Familien sicher „angenehmer“ war, die Kinder von den repräsentativen bzw. für die Erwachsenen gedachten Räumlichkeiten zu trennen. Es muss aber auch bedacht werden, dass Überlegungen zur Kindheit sowie das damit verbundene Wissen sich zunächst in den akademischen und bürgerlichen Schichten verbreitete und die Einrichtung von Kinderzimmern aus pädagogischen Gründen eben auch dort schließlich begonnen haben wird. Gesamtgesellschaftlich betrachtet führte schließlich die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen wie die aushäusige Arbeit von Frauen dann auch zu Veränderungen für die Familien und ihre Wohnverhältnisse. Insbesondere der Wandel vom sog. ,Ganzen Haus‘, in welchem die eigentliche Kernfamilie zusammen mit Mägden und Knechten wohnte, hin zu einer privat wirtschaftenden Familie, sowie die Trennung von Wohnen und Arbeiten und die damit veränderten Familien- und Haushaltsformen einschließlich der dadurch gewonnenen neuen Bedeutung von Privatheit und Häuslichkeit in den bürgerlichen Gesellschaftsschichten sind hierbei anzuführen.24 Zunehmend wurde die Wohnung „als ein Raum privater Intimität von der Außenwelt abgeschottet“, was auch für die Kinder eine Absonderung von der realen Welt hinein in eine „pädagogisierte“ Welt bedeutete, geprägt nicht nur durch die Privatheit des Familienlebens und die Ausstattung ←25 | 26→der eigenen Räumlichkeiten mit Büchern und Spielzeug, sondern teilweise auch schon durch erste pädagogische Institutionen.25

Aus der Entdeckung der Kindheit und deren Bedeutung resultierte nach und nach schließlich vermehrt die Schaffung eigener Räumlichkeiten für die Kinder und damit verbunden auch die Frage, wie diese gestaltet sein sollten, um sie für die pädagogischen Zwecke, insbesondere das Lernen, bestmöglich zu nutzen. Schon ROUSSEAU hatte sich in seinem Emile mit dieser Frage beschäftigt, in welchem neben dem Erzieher-Zögling-Verhältnis auch der räumlich-materielle Rahmen des Erziehungsprozesses diskutiert und die Gestaltung dieses Arrangements als Aufgabe des Erziehers dargestellt wird.26

ROUSSEAUs Gedanken zur pädagogischen Raumgestaltung fanden Eingang in spätere Theorien und pädagogische Schriften, u.a. von FRÖBEL, PIAGET oder MONTESSORI und wurden von Christian Heinrich WOLKE zum sog. ,Denklernzimmer‘ erweitert, einem Vorbild für das Kinderzimmer und dessen Einrichtung, das insbesondere durch seine materielle Ausstattung die Stelle eines Lehrers einnehmen sollte.27 Dies führt zu einem weiteren relevanten Aspekt, der sich aus der historischen Entwicklung pädagogischer Räume ergibt. Durch die allmähliche Etablierung öffentlicher Einrichtungen der Kleinkinderziehung sowie der Ausweitung des Schulwesens verschwand auch nach und nach das Hauslehrermodell. Da die Bedeutung des Lernens aber immer weiter zunahm, sollte dieses auch in den privaten Räumlichkeiten weiterhin stattfinden bzw. fortgesetzt werden können. So entstand die Idee, dass die Funktion des Lehrers durch den Raum und seine Ausstattung zumindest teilweise übernommen werden könne. Der Erwachsene in diesem Raum tritt also in den Hintergrund und macht Platz für die sich darin befindlichen Spiel- und Lernmaterialien.28 Die Kinderzimmer hatten also nur selten eine reine „Schlafraumfunktion“, sondern waren in erster Linie „Unterrichts- und Studierstuben“, teilweise auch „Spielstuben“.29 Laut GEHRKE-RIEDLIN waren zu dieser Zeit in erster Linie die Themen „physische Sicherheit“ sowie „Lernen durch direkte Anschauung und Nachahmung“ zentral, das Thema „Wohnen“ spielte aus Sicht der Erwachsenen in der Kindererziehung keine bedeutende Rolle.30 Dieses ←26 | 27→Raumkonzept wurde „meist mit einem festen Erziehungsplan bzw. -programm“ kombiniert.31

Für den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert konstatiert GEHRKE-RIEDLIN schließlich „einen Wandel“ der Kinderstube „von der schlichten, sachlichen Lernstube zum kombinierten Schlaf- und Spielzimmer“ mit Spielsachen in Miniaturformat, das auch immer mehr die Aufgabe eines kindlichen „Rückzugsortes“ einnahm.32 Für das 19. Jahrhundert kann schließlich „die Etablierung der Kinderstube in der bürgerlichen Familie“ festgestellt werden, sogar eine regelrechte „Blütezeit“, obwohl diese weiterhin ein Privileg für Kinder aus der städtischen Oberschicht war.33 Dennoch war die Idee der „Kinderstube“ eine sehr populäre und der Begriff selbst wurde schließlich „zum Synonym für gute Erziehung überhaupt“.34

Details

Seiten
364
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631856642
ISBN (ePUB)
9783631856659
ISBN (MOBI)
9783631856666
ISBN (Hardcover)
9783631852743
DOI
10.3726/b18503
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
Raumausstattung Architektur Frühpädagogik Kleinkindpädagogik Vorschulpädagogik Pädagogik Erziehung Philosophie Gestaltungsprinzipien Kindertagesstätten

Biographische Angaben

Stephanie Gebert (Autor:in)

Stephanie Gebert studierte Europäische Kultur und Ideengeschichte an der Universität Karlsruhe (TH), Interdisziplinäre Frankreich-Studien an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und Pädagogik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie arbeitet als Lehrkraft an einer Fachschule für Sozialpädagogik.

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Titel: Raumgestaltung als pädagogische Aufgabe im Elementarbereich
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365 Seiten