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Les mots de la vidéo

Construction discursive d'un art contemporain

de Melissa Rérat (Auteur)
©2022 Thèses 296 Pages
Open Access

Résumé

La position particulière de l’art vidéo – inscrit dans l’art, partageant une même
technique avec d’autres domaines, tout en reposant sur des spécificités fortes,
contemporain mais déjà dépassé – en fait un terrain idéal pour ausculter la narration
de l’art, et plus largement sa construction sociale. Ce livre propose de considérer
les catalogues et les affiches d’exposition, les articles, les dépliants, les documents
de travail ou encore la correspondance comme moteurs de la formation d’un art.
Usant d’un appareil conceptuel alliant sociologie de la connaissance, sociologie
de l’art et histoire de l’art, il s’arrête sur les deux premières expositions muséales
d’art vidéo en France et en Suisse afin d’en fournir la première étude approfondie.
Les discours que ces manifestations ont produits font l’objet d’une lecture rapprochée
afin de faire ressortir les termes employés, les champs lexicaux formés, les
stratégies discursives élaborées pour expliquer et justifier la tenue d’une exposition
de vidéos dans un musée municipal. Dans un second temps, le propos aborde
les contextes de production de ces discours et le rôle joué par les institutions et
les auteur-e-s impliqué-e-s dans chaque exposition. La mise en commun d’une
analyse de texte et d’une étude de contexte permet de dégager les modalités de
construction discursive de l’art vidéo en tant que catégorie de l’art contemporain.
La (re)découverte de textes sources des années 1970 permet en outre de préciser
et compléter l’histoire de l’art contemporain.

Table des matières

  • Couverture
  • Titre
  • Copyright
  • À propos de l’auteur
  • À propos du livre
  • Pour référencer cet eBook
  • Sommaire
  • Die Wörter des Videos – Zusammenfassung
  • Liste des illustrations
  • Table des abréviations
  • Vorwort von Andrea Glauser
  • Introduction
  • I. La construction sociale de l’art
  • II. Les récits de l’exposition : cadre de travail
  • III. La narration scientifique : état de la recherche
  • Chapitre 1 Quand la sociologie rencontre l’histoire de l’art
  • 1. La construction sociale selon Berger & Luckmann
  • 1.1 Légitimité et légitimation : instituer par le verbe
  • 1.2 Langage, discours et pratiques : les mots sont pris en main
  • 1.3 Sous-univers de signification : se comprendre
  • 1.4 L’art en tant que système de symboles ou autre réalité
  • 2. Et la sociologie de l’art ?
  • 2.1 Lutter et consacrer : les règles du jeu artistique selon Bourdieu
  • 2.2 Coopérer : tout un monde pour Becker
  • 3. La construction discursive de l’art vidéo
  • Chapitre 2 Deux cas parlants
  • 1. Art/Vidéo Confrontation 74, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, A.R.C. II, 1974
  • 1.1 Une confrontation parisienne
  • 1.2 Le catalogue
  • 1.3 Positionner l’exposition
  • 1.4 Expliquer et justifier l’art vidéo
  • 1.5 Comparer et contextualiser la vidéo
  • 1.5.1 Comparants
  • 1.5.2 Contextes
  • 1.6 L’étude-bilan
  • 1.7 Constater pour dénoncer
  • 1.8 La brochure
  • 1.9 Discuter l’art vidéo, la vidéo et la télévision
  • 2. VIDEO, Musée d’art et d’histoire Genève, AMAM, 1977
  • 2.1 De la vidéo genevoise
  • 2.2 L’affiche
  • 2.3 Exhiber les atouts
  • 2.4 Le catalogue
  • 2.5 Positionner l’exposition
  • 2.6 Expliquer et justifier l’art vidéo
  • 2.7 Comparer et contextualiser la vidéo
  • Chapitre 3 Dire, faire et construire l’art vidéo
  • 1. Les mots
  • 1.1 Le baptême des expositions
  • 1.2 Le bal des œuvres
  • 1.3 Le mythe de la vidéo
  • 1.4 L’art, la manière et la technique
  • 1.5 Figurer, narrer, abstraire
  • 1.6 Ecrire l’histoire
  • 1.7 La vidéo et les autres
  • 1.7.1 Art contemporain
  • 1.7.2 Beaux-Arts
  • 1.7.3 Médias de masse
  • 1.7.4 Animation
  • 2. Les actrices, les acteurs et les contextes
  • 2.1 Individualités collectives
  • 2.2 Des hommes, des femmes et des institutions
  • 2.3 Jouer son rôle à l’international
  • 2.4 Que vive le discours !
  • Bilan – L’art vidéo dans l’histoire de l’art contemporain
  • Postface par Régine Bonnefoit
  • Sources et bibliographie
  • Index
  • Titres de la collection

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Die Wörter des Videos – Zusammenfassung

Die gesellschaftliche Konstruktion der Kunst

Der Begriff «Videokunst» wird heute – ob aus historischer oder zeitgenössischer Perspektive – mit einer gewissen Selbstverständlichkeit verwendet. Betrachtet man jedoch die Fachtexte und die Presseartikel aus den 1970er-Jahren – den Anfängen der Videokunst –, so lässt sich eine ausgeprägte Zurückhaltung bei der Verbindung der Wörter «Kunst» und «Video» feststellen. Der Terminus «art vidéo» (Videokunst) als solcher war nicht sehr gebräuchlich, andere Begriffe wurden bevorzugt: Auf Französisch u. a. «vidéo d’art», «vidéo-art», «vidéo artistique» oder auf Deutsch «Video», «Kunstvideo», «künstlerisches Video», «Video Art». Mit diesen Begriffen wurde versucht, eine Vielzahl von Materialien und Techniken, verschiedene Werktypen, Arbeiten von unterschiedlicher Größe sowie zahlreiche Kunst- und Rezeptionspraktiken zu erfassen. Bestimmt fehlte ein gemeinsamer Rahmen für die Erstellung und das Verständnis der Videokunst. Dennoch ignoriert die Kunstgeschichte diese Heterogenität und verdrängt sie hinter einer Erzählung, die sich auf wenige Kunstschaffende und Schlüsseldaten stützt. Ein Blick in die selten verwendeten und manchmal sogar unbekannten oder vergessenen Archive zur Videokunst der 1970er-Jahre offenbart eine eklatante Diskrepanz zwischen den Quellen und der Kunstgeschichte. Diese Diskrepanz erinnert daran, dass Letztere eine Konstruktion ist; wie alle Erzählungen sagt auch sie nicht alles, berichtet nur über bestimmte Fakten und verschweigt oder ignoriert andere.

Die Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre ging durch einen ständigen neudefinitorischen Prozess: Ich denke dabei insbesondere an Strömungen wie die Land Art, die Konzeptkunst oder die Body Art. Auch die Videokunst war von diesem Prozess betroffen. Ferner spielen aber auch videospezifische Faktoren eine Rolle. Einerseits zeigten die ersten Videoprodukte, dass derselbe Träger sowohl als Kunstmedium als auch als Kommunikationsmedium (Journalismus, Fernsehen, Aktivismus, usw.) verstanden wurde. Andererseits hat das Video die Eigenschaften des Kunstwerkes tiefgreifend verändert. Das Werk wird nicht mehr bloß als ein physisches und festes Objekt verstanden, sondern erhält nun auch eine immaterielle, bewegliche und klangvolle Komponente. Dieser doppelte Umbruch, der die Paradigmen der bildenden Kunst und die üblichen Kategorien der zeitgenössischen Kunst betrifft, erklärt die diskursive Dynamik – d. h. die vielen und vielfältigen Erklärungen –, die das Aufblühen der Praktiken und die Produktion der Werke begleitet hat, die heute gemeinhin ←11 | 12→als «art vidéo» (Videokunst) bezeichnet werden. Und gerade wegen dieses Umbruchs glättet die Kunstgeschichte das Narrativ der Videokunst.

Die besondere Stellung der Videokunst macht sie zu einem idealen Feld, um die Narration der Kunst und im weiteren Sinne ihre gesellschaftliche Konstruktion zu untersuchen und zu verstehen; das heißt wie Ausstellungskataloge und -plakate, Artikel, Broschüren, Arbeitsdokumente oder Korrespondenz zwischen Kunstschaffenden Kunst zur Kunst machen. Wie kommt es, dass die Praktiken und die Werke, die heute als «Videokunst» bezeichnet werden, zur Zeit ihrer Entstehung oft nicht als solche bezeichnet wurden? Wie kann man die Mehrdeutigkeit erklären, die diese Tätigkeiten und Objekte betrifft? Wie verlief der Prozess, der von verschiedenen Termini zum umfassenden Begriff «Videokunst» führte? Was bedeutete «Videokunst» in den 1970er-Jahren? Was ist die Geschichte dieses Ausdrucks? Welche Beziehung besteht zwischen diesem Begriff und der Position der Videopraxis im Kunstbereich? Diese Fragen spiegeln einen Ansatz wider, der sich von der Kunstgeschichte weg und zur Soziologie hinbewegt. Im Zentrum stehen dabei nicht mehr Kunstwerke oder Kunstschaffende, sondern Texte.

Wenn die Wissenssoziologie auf die Kunstgeschichte trifft

Kunst ist eine Wirklichkeit, die sich nicht auf starre Strukturen stützt, sondern gesellschaftlich konstruiert und historisch situiert ist, und deren Bedeutung sich im Laufe der Zeit verändert. Kunst ist nicht manifest, sie wird nicht ein für alle Mal konstituiert und definiert, sondern hängt von sozialen Prozessen und Akteur:innen ab, die institutionell (z. B. das Museum), menschlich oder materiell (z. B. eine Broschüre) sein können.1 Diese Akteur:innen – Kunsthistoriker:innen, Kurator:innen, Kritiker:innen, Kunstschaffende, Museen – sind an der Konstruktion der Kunst beteiligt, insbesondere durch ihre Diskurse (bspw. Vorträge, Artikel, Publikationen, Korrespondenz). Die Hypothese von der gesellschaftlichen Konstruktion der Kunst stützt sich auf The Social Construction of Reality: A Treatise in the Sociology of Knowledge (TSCR)2, einer These ←12 | 13→von Peter L. Berger & Thomas Luckmann, deren Theorie im französischen Forschungskontext nie, im deutschsprachigen Raum selten angewandt wurde.3

Nach Berger & Luckmann besteht die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit aus drei Phasen: Internalisierung, Externalisierung und Objektivation. Die dritte Phase umfasst die Institutionalisierung und die Legitimierung, die auf der Sprache beruht. Begriffe und Theorien erklären und rechtfertigen institutionalisiertes Handeln auf vier Komplexitätsebenen: beginnende oder vortheoretische Legitimation (Wortschatz), rudimentär-theoretische Legitimation (Sprichwörter, Redewendungen, Legenden, Volksmärchen), explizit-theoretische Legitimation (entwickelte und spezialisierte Theorien) und die symbolische Sinnwelt (autonomer Raum von Repräsentationen). Das Wissen als Resultat der Konstruktion lässt sich in Subsinnwelten organisieren. Diese Teilbereiche machen die Wirklichkeit des Alltags aus.

Für meine Forschung wählte ich zunächst einige Begriffe der beiden Soziologen (Legitimierung, Sprache und Subsinnwelt) aus. Mit diesen Erkenntniswerkzeugen wurden dann die Ergebnisse der zuvor durchgeführten Textanalysen ausgewertet. Der Stellenwert und die Rolle von Diskursen in der Konstruktion von Videokunst wurden umrissen und die internen Repräsentationen jedes Diskurses identifiziert. Diese empirische Herangehensweise ermöglicht eine eingehende Studie der Diskurse, insbesondere dank der Einfügung eines neuen Konzepts – der diskursiven Konstruktion – in das von Berger & Luckmann übernommene theoretische Modell. Die diskursive Konstruktion bezieht sich auf die Entstehung der Videokunst durch den Diskurs innerhalb der gesellschaftlichen Konstruktion. Sie ist also mit dem Legitimationsprozess verbunden, aber nicht darauf begrenzt. Meine Analyse geht jedoch weiter als das Modell von TSCR. Sie fokussiert sich nicht nur auf die Wörter und die Texte, sondern auch auf den Raum ihrer Produktion, weil die Erzählungen an einer sozialen Dynamik teilhaben und letztlich leichter zirkulieren als Individuen. Diese Kontextualisierung umfasst die Bedingungen, unter denen der Diskurs geäußert, verbreitet und dann rezipiert wird, die Intertextualität sowie das Umfeld seiner Herstellenden. Zu diesem Zweck habe ich auf die ←13 | 14→Kunstsoziologien von Pierre Bourdieu4 und von Howard S. Becker5 zurückgegriffen, insbesondere auf die Begriffe der Konsekrationsinstanz, der Position und Positionierung der Akteur:innen sowie der Teilnehmer:innen, der Konvention und der Interaktion. Aus dieser Perspektive wurden die Quellentexte als Positionierungen innerhalb eines durch das künstlerische Feld und die Dispositionen der Autor:innen bestimmten Raums des Möglichen betrachtet.

In methodenbezogener Hinsicht zeigt der gewählte Ansatz die mögliche Anwendung einer wissenssoziologischen These auf die Kunst, das heißt die Nichtnotwendigkeit, sich nur auf die Kunstsoziologie zu fokussieren, um Kunstpraktiken zu untersuchen. Die Ergebnisse der Recherche leisten also nicht nur einen Beitrag zur Videokunstgeschichte und ihrer Aufzeichnung, sondern stellen auch ein interdisziplinäres konzeptuelles Vorgehen dar.

Zwei aussagekräftige Ausstellungen: Art/Vidéo Confrontation 74 und VIDEO

Die Untersuchungsgegenstände stammen aus den ersten beiden Museumsausstellungen von «Videokunst» im französischsprachigen Raum: Art/Vidéo Confrontation 74 aus dem Jahr 1974 im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris und VIDEO aus dem Jahr 1977 im Genfer Musée d’art et d’histoire. Alle Dokumente waren Gegenstand eines Close Readings, das ermöglichte, die Reden der Veranstaltungen vergleichend gegenüberzustellen.

In der Geschichtsschreibung der Videokunst und im weiteren Sinne der zeitgenössischen Kunst, die sich stark auf die Vereinigten Staaten konzentriert, wird der französischsprachige Raum meist nur am Rande behandelt. Eine mikrohistorische Perspektive einzunehmen, sich für konkrete Fälle (Städte, Ausstellungen) zu interessieren, ermöglicht es, die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen einer globalen Kunstgeschichte und einer lokalen Kunstgeschichte herauszuarbeiten, um schließlich ein differenzierteres Bild der globalen Kunstgeschichte zu erhalten. Was die Ausstellung betrifft, so schlage ich vor, sie auf eine Art und Weise anzugehen, die der Kunstwissenschaft zuwiderläuft – da die Kunstwissenschaft dazu neigt, sich auf die Materialität, auf das Kunstobjekt und auf den Kunstschaffenden zu konzentrieren. Aus einem der Museumskunde und der Soziologie nahen Blickwinkel wurden die beiden ←14 | 15→Ausstellungen als Initiatorinnen von Diskursen und Zeichen institutioneller Anerkennung – und damit als Einstieg in die Kunstgeschichte6 – betrachtet. In Anlehnung an TSCR habe ich die gesellschaftliche Konstruktion der Videokunst in zwei Teile gegliedert: Institutionalisierung und Legitimierung, die ihrerseits wiederum aus mehreren Phasen bestehen. Die zweite Hälfte der 1970er-Jahre wurde in der Folge als erste Phase der Legitimierung angesehen; die untersuchten Veranstaltungen und Diskurse leiteten somit die Legitimierung der Videokunst ein.

In Paris und Genf wurden die ersten musealen Videoausstellungen nicht vom Museum selbst organisiert. Beide Ausstellungen stammten aus der Zusammenarbeit zwischen einem städtischen Museum und einer kleinen Organisation, an der Galerien, Kulturzentren und Kulturschaffenden auf verschiedenen Ebenen beteiligt waren. Es wurden unterschiedliche Arten von Diskursen angeregt. Die Pariser Ausstellung wurde von einem Ausstellungskatalog, einer Bilanzstudie und einer Broschüre, die das Debattenprogramm einrahmte, begleitet. Die Genfer Veranstaltung wurde mit einem Plakat beworben, während die Überlegungen, die sie auslöste, in einem Katalog zusammengefasst wurden.

Zur Einführung in die Ausstellung erklären und rechtfertigen diese Texte das Video oder sogar die Videokunst. Dafür trägt der Vergleich mit anderen Kunstbewegungen und Techniken wie die Hervorhebung des Museums und bestimmter großer Namen bei. Der Ton ist nicht einhellig positiv; so ist beispielsweise die Kritik in der Confrontation-Bilanz und in der Presse zu spüren. Der Vergleich der Ausstellungskataloge zeigt einige Unterschiede, u. a. in der Wahl des Trägers. Die Organisatoren von Confrontation bieten eine Publikation im A5-Format an, die aus losen Blättern besteht und auf hochwertigem Farbpapier gedruckt ist. VIDEO – ein vierzigseitiges, schwarzweißes, etwas größeres und mit drei Klammern gebundenes Büchlein – ist eher ein Sammelband, der verschiedene Studien über Video und Videokunst zusammenfasst. Er wurde von Spezialist:innen für zeitgenössische Kunst und Video verfasst, die alle nicht zu den veranstaltenden Institutionen gehören und in unterschiedlichen Teilen der Welt tätig sind. Im Falle von Confrontation hingegen beziehen sich die Kommentare hauptsächlich auf die Ausstellung und ihre Sektionen, die ←15 | 16→von Mitarbeitenden und Auftragnehmer:innen der Organisatoren geschrieben wurden.

Videokunst sagen, tun und konstruieren

Wörter

Die Untersuchungen der Diskurse, die aus zwei Ausstellungen stammen – die drei Jahre auseinanderliegend und mehrere Hundert Kilometer voneinander entfernt stattfanden –, zeigen Differenzen und Parallelen auf. Die Erfassung der wiederkehrenden Inhalte und Argumente sowie der lexikalischen Felder ermöglicht es, die Topoi zu identifizieren, die den im Rahmen von Confrontation und VIDEO vermittelten Darstellungen zugrunde liegen und an der diskursiven Konstruktion von Videokunst beteiligt sind. Diese Konstruktion beginnt mit dem Titel der Ausstellung. Durch diesen Namen wird der erste Kontakt zwischen der Öffentlichkeit und der Veranstaltung aufgenommen. Der Ausstellungstitel weckt also eine Erwartung bei potenziellen Besucher:innen im Hinblick auf den Inhalt der Ausstellung. Darüber hinaus spiegelt und verdichtet er die Positionen der Organisatoren der Veranstaltung. Art/Video Confrontation 74 und VIDEO sind nicht die Titel, die in der Anfangsphase der Projekte gewählt wurden, sondern das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses. VIDEO unterscheidet sich von Confrontation durch seine Einfachheit und Kürze. Während die Katalogbeiträge das Verhältnis von Video und Kunst thematisieren und die überwiegende Mehrheit der präsentierten Videos von Kunstschaffenden stammen, kündigt dieser Titel diese Begegnung nicht an. Die Pariser Organisatoren wagten es, den Begriff «Kunst» in den Titel aufzunehmen, wohingegen die Genfer es vorzogen, sich mit dem Begriff «Video» zu begnügen und die Namen der Institutionen auf dem Umschlag wirken zu lassen. Zwischen den anfänglichen Ideen und der Durchführung der Ausstellungen änderte sich auch die Bezeichnung der Veranstaltung: So schwankte man zwischen einer Tagung, einem Festival, einem Happening oder sogar einer kulturellen Vermittlung hin und her, landete letztlich aber bei der Bezeichnung «Ausstellung».

Die drei Sektionen von Confrontation – «la vidéo et les artistes» (Video und Künstler:innen), «vidéo art» (Video-Kunst), «environnement» (Environment) – verkörpern die im Titel enthaltene Konfrontation: ein Vergleich der verschiedenen Formen, die die Begegnung von Kunst und Video annehmen kann. Diese drei Teile strukturieren die Ausstellung nicht nur räumlich, indem sie die Werke nach Material- und Dispositivarten gruppieren, sondern ←16 | 17→dienen auch als konzeptuelle Kategorien in den Texten. Die Bedeutung, die den Videobändern auf Monitor in Confrontation beigemessen wird, spiegelt sich in der Organisation von VIDEO wider: Das Plakat präsentiert acht Programme, die aus «vidéo-cassettes» (Video-Kassetten) bestehen. Die Dichte dieser Programmgestaltung und der detaillierte Zeitplan erklären sich aus dem Standort der Ausstellung. Die «Salle d’art contemporain» des Musée d’art et d’histoire soll als ein einziger Raum für Videos auf Monitor, Video-Installationen und Performances sowie für Parallelveranstaltungen genutzt werden. Hier wird die theoretische Strukturierung von praktischen Erfordernissen geleitet.

Schaut man sich alle Publikationen zu den beiden Ausstellungen an, so stellt man fest, dass sich einige der Texte durch eine fast wissenschaftliche Präzision auszeichnen und sich mit konkreten Werken beschäftigen, während andere Texte einen Mythos um das Video aufbauen.7 Der Mythos beruht häufig auf einer Individualisierung, die sich jeder Definition entzieht; die Leser:innen wissen nicht, ob es sich um eine Praxis, eine Technik oder einen Tätigkeitsbereich handelt. Es geht um DAS Video. Dieses ist nicht mehr ein technisches Objekt, sondern wird zum technischen Individuum, das auf seine Umgebung einwirken kann und von ihr beeinflusst wird – weniger abhängig vom Menschen als ein Gerät.8 Außerdem verleihen mehrere Diskurse diesem Individuum eine kommunikative und revolutionäre Kraft, da es das menschliche Bewusstsein mit einer rein visuellen Wahrnehmung erweitert. Diese Idee erinnert an die Theorien des erweiterten Kinos, die sich in den 1960er-Jahren in den USA entwickelten und von Gene Youngblood 1970 in seinem Buch Expanded Cinema dargestellt wurden.9

Résumé des informations

Pages
296
Année de publication
2022
ISBN (PDF)
9783034345149
ISBN (ePUB)
9783034345156
ISBN (MOBI)
9783034345163
ISBN (Broché)
9783034344678
DOI
10.3726/b19624
Open Access
CC-BY
Langue
français
Date de parution
2022 (Juillet)
Published
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2022. 296 p., 5 ill. en couleurs, 8 ill. n/b.

Notes biographiques

Melissa Rérat (Auteur)

Melissa Rérat est historienne de l’art. Titulaire d’un doctorat en sciences humaines et sociales, elle a enseigné durant plusieurs années l’histoire des nouveaux médias et de l’art vidéo à l’Université de Neuchâtel. Ses recherches portent sur l’art vidéo, les croisements entre sociologie et histoire de l’art, les interactions entre art contemporain et histoire de l’art, le rôle des archives dans la construction des savoirs et les questions de genres en art contemporain.

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