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Multimodale Vermittlung von Wissen über Physik in Sach- und Schulbuch

von Lukas Daum (Autor:in)
©2024 Dissertation 290 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch stellt Mittel der multimodalen Kommunikation über Wissen der Physik für Kinder überblicksartig vor. Dabei steht die Texteigenschaft der Verständlichkeit im Zentrum. Der Überblick wird inhaltsanalytisch durch den Vergleich der Textsorten Schul- und Sachbuch erlangt. Die Analyseergebnisse erhalten ihre Schärfe durch Erkenntnisse der Semiotik, der Textlinguistik, der Didaktik und der Psychologie. Die Ergebnisse zu konkreten multimodalen Textgestaltungsmitteln aus Sprache, Bild und Typografie werden katalogartig systematisiert und die Ergebnisse zu den Textsorten durch exemplarische Teiltextanalysen gewonnen. Der Band zeichnet sich durch ein Fundament der pragmatischen Varietätenlinguistik aus, welches den Blick über die Textsorten des Korpus hinaus nahelegt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Hinführung
  • 1.2 Forschungsfelder: Textverständlichkeit und Multimodalität
  • 1.3 Forschungsfragen und Forschungskonzept
  • 1.4 Methodik und Gliederung
  • 2 Kommunikationskontext: Wissensvermittelnde Texte für Kinder
  • 2.1 Didaktisierte Textsorten der Naturwissenschaften und deren typische Merkmale
  • 2.1.1 Textsortenbegriffe
  • 2.1.2 Textsortenrelevante Merkmale von Sach- und Schulbüchern
  • 2.1.3 Sachbücher: Werke für Kinder zum freizeitlichen Lernen
  • 2.1.4 Schulbücher: Werke für Kinder zum schulischen Lernen
  • 2.2 Wissensvermittelnde Texte für Kinder im Varietätenraum
  • 2.2.1 Fachsprachen als Varietätenklasse
  • 2.2.2 Wissenschaftssprache als distinguierte Fachsprache
  • 2.2.3 Bildungssprache und Schulsprache
  • 2.2.4 Vermittlungssprache und Fazit
  • 3 Multimodal integrativer Textbegriff
  • 3.1 Multimodalität als Begriff für komplexe Kommunikation
  • 3.1.1 Klassische Begriffsbildungen der Linguistik und der Psychologie
  • 3.1.2 Mehrebenenmodell für Modalitäten der Diskurssemantik
  • 3.1.3 Mehrdimensionenmodell von Stöckl
  • 3.1.4 Multimodale Inhalte in Buchers Rezeptionstheorie und Fazit
  • 3.2 Funktionen und Sprachhandlungen multimodaler Texte
  • 3.3 Semiotische Eigenschaften von Bildern im Vergleich zur Sprache
  • 3.4 Bildtypen in physikalischen didaktisierten Texten (für Kinder)
  • 3.5 Sprache-Bild-Beziehungen
  • 3.6 Typografie als parasprachliche Form der visuellen Textgestalt
  • 3.7 Multimodal sensibler Textsortenbegriff
  • 4 Konzepte zur textlinguistischen Beschreibung von vermittelnden Texten: Dimensionen der Textverständlichkeit
  • 4.1 Deskription oder Normativität? Beschreibung sprachlicher Strukturen im Vermittlungskontext mit dem Ziel der Verständlichkeit als zentraler Texteigenschaft
  • 4.2 Lesbarkeitsforschung
  • 4.3 Das Zürcher Textanalyseraster (Nussbaumer/ Sieber)
  • 4.4 Karlsruher Verständlichkeitskonzept (Göpferich)
  • 4.5 Das Groninger Sechs-Felder-Modell der Textverständlichkeit (Sauer)
  • 4.6 Verstehen multimodaler Texte als Problem der Interaktion (Bucher)
  • 4.7 Weitere Beschreibungen der textuellen Verständlichkeit
  • 4.8 Instrumente zur Analyse von Lehrwerken
  • 4.9 Überblick und Synthese – Entwicklung von Kategorien zur Analyse der Verständlichkeit multimodaler Texte
  • 4.10 Form und Inhalt des Textes in der linguistischen Perspektive auf Verständlichkeit
  • 5 Textanalytisches Vorgehen
  • 5.1 Ebenen der Pragmatik zwischen Varietät und Einzeltext
  • 5.2 Qualitative Inhaltsanalyse
  • 6 Das Korpus: Energie als vielschichtiges Konzept, repräsentiert in zwei Textsorten
  • 6.1 Sachbücher
  • 6.1.1 Memo
  • 6.1.2 Watt ihr Volt
  • 6.1.3 Was ist Was
  • 6.1.4 GeolinoEXTRA Energie
  • 6.2 Schulbücher
  • 6.2.1 Impulse
  • 6.2.2 Dorn
  • 6.2.3 Spektrum
  • 6.2.4 Duden
  • 7 Analyseergebnisse: Gebote der Verständlichkeit und ihre Gestalt im Text
  • 7.1 Identifizierung
  • 7.1.1 Modularisieren
  • 7.1.2 Vorstellen
  • 7.1.3 Signalisieren
  • 7.2 Rahmung
  • 7.2.1 Abgrenzen
  • 7.2.2 Auszeichnen
  • 7.3 Orientierung
  • 7.3.1 Appellieren/Fragen
  • 7.3.2 Zusammenfassen
  • 7.3.3 Zeigen
  • 7.4 Navigation
  • 7.4.1 Arrangieren
  • 7.4.2 Zeigen
  • 7.4.3 Beschriften
  • 7.5 Hierarchisierung
  • 7.5.1 Erläutern
  • 7.5.2 Synchronisieren
  • 7.6 Sequenzierung
  • 7.6.1 Strukturieren
  • 7.6.2 Vergleichen
  • 7.6.3 überblicken
  • 7.7 Motivierung
  • 7.7.1 Unterhalten
  • 7.7.2 Adressieren
  • 8 Synthetisierender Textvergleich: Wissensvermittlung in Sach- und Schulbuch
  • 8.1 Beispielanalysen von Teiltextsorten
  • 8.1.1 Inhaltsverzeichnis
  • 8.1.2 Doppelseite
  • 8.1.3 Erklärtext
  • 8.2 Allgemeiner und zweckbezogener Vergleich: Schulbuch – Sachbuch
  • 9 Fazit und Ausblick
  • 10 Literatur
  • 11 Tabellen zum Katalog: Häufigkeiten und Übersicht
  • Abbildungsverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Reihenübersicht

1 Einleitung

1.1 Hinführung

Wäre doch nur mein Physikunterricht früher so gewesen! ist ein Ausspruch, den Erwachsene häufig äußern, die während ihrer Kindheit keinen Spaß am Physiklernen hatten und später mit populärwissenschaftlicher Wissensvermittlung in Kontakt kommen. Plötzlich wird zum Beispiel durch Wissensmagazine im Fernsehen oder durch Sachzeitschriften ihr Interesse an dieser Naturwissenschaft – oder zumindest an einzelnen Themen – geweckt.1 Warum ist das so? Inwiefern sind Sachbücher anders gestaltet als Schulbücher? Welche Unterschiede gibt es jeweils zwischen verschiedenen Schul- und Sachbüchern? Deshalb sollen Sach- und Schulbücher für Kinder linguistisch untersucht werden, um herauszuarbeiten, wo es Chancen für einen einerseits systematischen und andererseits Interesse weckenden Wissenserwerb in der Gestaltung von wissensvermittelnden Texten gibt.

Bereits in den 1960er Jahren diagnostizierte der Physiker und Pädagoge Wagenschein Folgendes:

Ich glaube, daß das Verstehen der Physik für unsere Welt, und noch mehr für die künftige Welt unserer Kinder, lebensnotwendig ist. Nicht nur deshalb, weil ohne […physikalische Forschung] das technische Gerüst nicht da wäre, in welches sich die Menschheit in so kurzer Zeit eingebaut hat, eingelebt, eingewöhnt, eingefangen; und an dem sie festhalten muß, um weiter zu existieren. Nicht weniger wohl dadurch, daß das wissenschaftliche Denken und Sprechen und auch das Sprechen für „weitere Kreise“ [große Teile der Gesellschaft] sich zunehmend physikalisiert. [… Physikalisch-mathematisches Denken] verleitet uns zu einem noch nicht genügend kritischen Glauben an die Macht der Zahl außerhalb der Physik. Es ist für Jeden lebensnotwendig geworden, […] die Art ihres Verstehens zu verstehen. […] Ich spreche also von der physikalischen Laienbildung. (Wagenschein 1968: 125)

Nach diesem Plädoyer für physikalische Bildung der gesamten Gesellschaft, deren Begründung in unkritisch hingenommenem technischem Fortschritt seit 1968 weiter an argumentativer Kraft gewonnen hat, kommt Wagenschein schnell zur Sprache der Wissensvermittlung, die er in seiner Zeit als wenig verstehensförderlich bewertet. Die Probleme sieht er vor allem in einer ungeeigneten sprachlichen Varietät in der Kommunikation mit Lernenden und auch darin, dass motivationale Strategien zu kurz kommen. Wagenschein greift physikalisches Verstehen also weitgehend als Sprach(en)problem auf. Bereits die damaligen Schulbücher und auch Sachbücher waren schon immer multimodal2, was bedeutet, dass Sprache Bilder und Textgestalt eng miteinander verzahnt sind. Dieses Zusammenspiel wird seither immer komplexer, und die Rezeptionsgewohnheiten der Leser*innen verändern sich auch durch die Nutzung anderer Medien – allen voran elektronischer interaktiver Angebote. So hat die Reihe Was ist Was seit 2013 mit dem Verweis auf eben diese neuen Lesegewohnheiten ihre Konzepte vollständig überarbeitet (vgl. Tessloff Verlag). Schulbücher haben in den letzten Jahrzenten durch die Kerncurricula und die damit einhergehende Kompetenzorientierung eine neue Ausrichtung auf die Darstellung von Inhalten mit Sensibilität für Sprachenkompetenz und fachspezifische Visualisierungen erhalten (Hessisches Kultusministerium; vgl. Kircher & Girwidz 2020b: 100–101). Es besteht also ein Angebot an Printmedien mit einer neuen Vermittlungspraxis, so dass es lohnenswert erscheint, dessen Darstellungsformen in Bezug auf Verständlichkeit zu analysieren und zu reflektieren.

Ziel meiner Dissertation ist es, vergleichend herauszufinden, wie Wissen über Physik für Kinder populär(wissenschaftlich) im Sachbuch und institutionell veranlasst im Schulbuch vermittelt wird. Untersucht werden konkret Schulbücher der Sekundarstufe 1 und Sachbücher für Kinder. Die Perspektive ist eine linguistische, denn Verständlichkeit wird als zentrale Texteigenschaft betrachtet – inhaltliche Angemessenheit steht als Gegenstand fachdidaktischer Forschung dagegen nicht im Zentrum der folgenden Analyse. Hilfreich kann meine Forschung über die gebotenen textlinguistischen und semiotischen Einsichten in die Ausgestaltung zweier verbreiteten Textsorten hinaus für Menschen sein, die selbst wissensvermittelnde Medien erstellen oder anpassen.

Eingangs wurde die gesellschaftliche Relevanz physikalischer Grund- und Allgemeinbildung hervorgehoben. Das Programm ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ von der UNESCO ist ein aktuelles Beispiel des 21. Jahrhunderts für politische Bemühungen im Bildungsbereich (vgl. Michelsen & Fischer 2015: 10), welches die eminente Wichtigkeit physikalischer Bildung hervorhebt. Dieses aktuelle Bildungsbemühen aufgreifend, wähle ich Texte inhaltlich gebunden zum Basiskonzept Energie aus, welchem die physikalische Perspektive auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit ganz besonders innewohnt.

1.2 Forschungsfelder: Textverständlichkeit und Multimodalität

Verständlichkeit ist eine Texteigenschaft, die ein optimales und zielgruppenorientiertes Verstehen ermöglichen soll, weshalb sie in der vorliegenden Untersuchung zur Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt steht. Für die Analyse der Textverständlichkeit kommen zahlreiche Konzepte der linguistischen Verständlichkeitsforschung in Betracht. Einige sind auf Fachkommunikation anwendbar, wie das Zürcher Textanalyseraster (Nussbaumer & Sieber 1994), das instruktionspsychologische Hamburger Verständlichkeitsmodell, das (unter anderem) daraus entwickelte Karlsruher Verständlichkeitsmodell (Göpferich 2019) oder das Sechs-Felder-Modell zur Verständlichkeit, welches eine „Integration von Textinhalt und Textbild verwirklicht“ (Sauer 1997: 92). Die Konzepte enthalten jeweils unterschiedliche, sich aber überschneidende allgemeine und spezifische Kriterien, die Verstehen bzw. Verständlichkeit positiv beeinflussen und durch eine Textanalyse textsortenspezifisch erfasst werden können.

Häufig werden vor allem Kohäsion und Kohärenz als zentrale Kriterien für Verständlichkeit und insbesondere für Texte der Wissensvermittlung betrachtet (Drumm 2013, 2015; Schmitz 2016). Kohärenz gilt zweifelsohne als wichtige Dimension des Verständlichkeitsbegriffs. Die Bildungsforscherin A. Schmitz stellt sogar fest: „Die Ergebnisse der empirischen Studie belegen, dass die globale Textkohäsion eine Form der kognitiven Unterstützung darstellt, die Schülerinnen und Schülern den Zugang zum Sachtextverstehen erleichtern kann. Dieser Befund zeigte sich unabhängig von den Lernvoraussetzungen“ (Schmitz 2016: 203). Kohärenz und Kohäsion sind zudem gerade in Bezug auf multimodale, gemischte Zeichenkomplexe und deren Zusammenstimmen von Sprache und Bild besonders relevant (vgl. Drumm 2015: 49). Die Frage nach einer kohärenten Textgestaltung muss bei einer zeitgemäßen, qualitativen Textanalyse- Studie demnach als Frage nach einer gemeinsamen Bedeutungs- und Textherstellung durch mehrere Modalitäten verstanden werden.

Ein weiteres Forschungsfeld, zu dem ich beitragen will, ist daher das der Multimodalität. „Alles scheint möglich zu sein, zumal mit modernen Graphikprogrammen. Aber ist dies auch sinnvoll? Und welche Auswirkungen haben Visualisierungen auf die Textverständlichkeit?“ (Sauer 1997: 104) Sauer stellt mit diesen Fragen bereits zum Ende des letzten Jahrtausends heraus, weshalb bei der Erforschung medial schriftlicher Wissensvermittlung multimodale Kommunikation berücksichtigt werden muss. Sowohl Sach- als auch Schulbuchtexte sind sehr stark typografisch und grafisch gestaltet und greifen auf unterschiedlichste Visualisierungsformen zurück.

Multimodalität bezeichnet Kommunikation, die mit Hilfe verschiedener Sinneskanäle, Zeichensysteme und technischer sowie archaischer Medien gestaltet wird. Zwar enthält mein Korpus lediglich visuell wahrnehmbare Kommunikation, doch ist die gemeinsame Textherstellung aus Sprache, Bild und Typografie sehr vielfältig. Gloning (2010) betont insbesondere die Untersuchung multimodaler Gestaltung von Informationsmedien für Kinder als Forschungsdesiderat – seither sind gerade im Bereich der Sachliteratur nur wenige Erkenntnisse hinzugekommen. Im Bereich des kindlichen, nicht-schulischen Lernens liegen nur vereinzelte Arbeiten zur Gestaltung von Sachbüchern vor, die selbst linguistisch oder gut anschlussfähig für linguistische Forschung sind (Grunt 1999; Janich 2016b; Janich & Korbach 2019; Kirchner 1999; Ossowski & Ossowski 2021). Janich konstatiert, dass Medien der Wissensvermittlung für Kinder „bislang nur von der literatur-, kultur- und medienwissenschaftlichen sowie der pädagogischen und psychologischen Forschung wahrgenommen und unter Perspektiven wie literaturhistorischer Genreforschung, Gattungs- und Erzähltheorie oder Medienpädagogik/-didaktik in den Blick genommen“ (2016b: 51) würden. Die linguistische Erforschung insbesondere „in Abhängigkeit von Themen und Textsorten/Medienformaten fehlt und nicht einmal auf nennenswerte Vorarbeiten zur Sprache im Kinder- und Jugendbuch generell [kann] zurückgegriffen werden“ (Janich 2016b: 52).

Zudem verwundert, dass über die Aspekte von (multimodaler) Kohärenz und Kohäsion hinaus Motivationsangebote aus dem Text heraus als Kriterium für Textverständlichkeit nur von wenigen Modellen berücksichtigt werden. In der hier vorliegenden Arbeit werde ich daher Motivation in Anlehnung an das Karlsruher Verständlichkeitskonzept (Göpferich 2019) als Dimension der Verständlichkeit einbeziehen. Ich halte diesen Aspekt nicht nur für Sachbücher für wichtig (damit sie überhaupt gelesen werden), sondern auch für Schulbücher, um Lernmotivation zu steigern. Strategien einer motivierenden, populären Wissensvermittlung wurden u.a. von Niederhauser (1999) erforscht, und zwar sowohl auf formaler wie auf inhaltlicher Ebene. Diese können in der vorliegenden Arbeit erfolgreich aus dem Bereich der populärwissenschaftlichen Wissensvermittlung gegenüber Erwachsenen auf Texte für Kinder übertragen werden.

Die hier skizzierten Desiderate – eine Analyse von Textverständlichkeit wissensvermittelnder Formate für Kinder und Jugendliche unter Einbeziehung von multimodaler Kohäsion und Kohärenz einerseits, inhaltlicher und formaler Motivationsstrategien andererseits – greift meine Arbeit auf. Konkret frage ich nach den im Untersuchungsmaterial (Sach- und Schulbücher) sich eröffnenden Gestaltungsspielräumen, die typografische, bildliche und schriftsprachlich aufgebaute Texte bei der Vermittlung physikalischen Wissens nutzen können.

1.3 Forschungsfragen und Forschungskonzept

Sach- und Schulbücher werden in dieser Arbeit durch ein Korpus aus jeweils vier Werken vertreten. Diese Werke beziehungsweise Abschnitte daraus sind so ausgewählt, dass sie das Thema ‚Energie‘ betreffen. Dieses Korpus wird mit dem Ziel der Beantwortung der nachfolgend formulierten Forschungsfragen qualitativ und inhaltsanalytisch bearbeitet. Methodisch werden pragmalinguistische Erkenntnisse zum hierarchischen Zusammenhang von Ausdrucksmittel, Textsorte und (kontextuellen) pragmatischen Bedingungen aus der Fachsprachenforschung operationalisiert. Ergebnisse der Verständlichkeits- und der Multimodalitätsforschung werden dann zur konkreten Kategorienbildung einbezogen.

Betreffend die Analyse multimodaler Texte stellt sich u.a. folgende grundlegende Frage: „Wie ist das funktionale Zusammenspiel der einzelnen Modi zu einer Gesamtbedeutung – die intersemiotischen Relationen – zu erklären?“ (Bucher 2012: 59) An dieser Grundfrage orientiert sich der Forschungsfragenkomplex meiner Arbeit:

  • Hauptfrage:
    • Wie wird Wissen über Physik in multimodalen Texten für Kinder vermittelt?
  • Teilfragen:
    1. 1. Welche Mittel werden zum Ziel der Wissensvermittlung wie eingesetzt?
    2. 2. Was zeichnet die Sachtexte multimodal hinsichtlich ihrer Verständlichkeit aus?
    3. 3. Wie unterscheiden sich die wissensvermittelnden Texte für Kinder freizeitlicher und schulischer Angebote bzw. die Textsorten Schulbuch und Sachbuch?

Teilfrage 1 zielt auf das Herausarbeiten von Mitteln der Textgestaltung, die sich zur Vermittlung von Wissen eignen. Solche sprachlichen, bildlichen oder typografischen Gestaltungsmittel können unterschiedlichen kommunikativen Handlungszielen (siehe Teilfrage 2) dienen. Pfurtscheller (2017, S. 97) spricht diesbezüglich von Handlungsspielräumen in der multimodalen Kommunikation und versteht darunter Szenarien der Textgestaltung „zwischen dem was notwendigerweise so ist […] und dem was möglich ist“. Damit bezieht er sich gleichermaßen auf die Konventionalität, die Textsorten mit sich bringen, und darauf, wie die Konventionen konkret und individuell umgesetzt sein können. Die theoretisch möglichen und auf Basis der Textanalyse bestätigten sowie ergänzten Mittel werden in einem pragmatisch mehrstufig gegliederten, systematischen Katalog dargestellt, mitsamt ihren aus dem Korpus ermittelten Gestaltungsspielräumen. Kataloge mit Gestaltungsmitteln gibt es bereits aus den 1980er/1990er Jahren, aber noch nicht mit Fokus auf der multimodalen Textverknüpfung. Insbesondere Ballstaedts Arbeiten (Ballstaedt 1997, 2011, 2019; Ballstaedt, Mandl, Schnotz & Tergan 1981) sind hier seit Jahrzehnten maßgeblich; sie bieten auch für die hiesige Analyse gute Hinweise und Grundlagen. Darüberhinausgehend werden die Mittel in dem hier erarbeiteten Katalog nicht nur gegliedert, sondern erhalten eine funktionale Zuordnung, was eng mit der Beantwortung der zweiten Teilfrage zusammenhängt.

Teilfrage 2 spezifiziert den Fokus der Analyse: Es soll um Verständlichkeit gehen, die durch die Textfunktion der Wissensvermittlung nötig wird und durch den multimodalen Text ermöglicht wird. Die verschiedenen Dimensionen von Textverständlichkeit dienen dabei sowohl der pragmatisch- funktionalen Sortierung der Gestaltungsmittel (Frage 1), die ein Verstehen des Textes sichern sollen, als auch der deduktiven Analyse der ausgewählten Bücher. Die dort gefundenen Mittel werden nicht bewertet oder gegeneinander abgewogen – der Fokus liegt auf den Variations- und Kombinationsmöglichkeiten der Mittel, um eine möglichst neutrale, pragmatische Reflexion der Verständlichkeitsdimensionen zu ermöglichen.

Teilfrage 3 impliziert, dass unterschiedlich kontextualisierte Texte – Texte der Textsorten Sachbuch und Schulbuch – in das Korpus der Analyse eingehen. Der erarbeitete Katalog stellt Gestaltungsmittel beider Textsorten gemeinsam vor und zeigt so vielfältig und textsortenübergreifend Gestaltungsoptionen auf. Um aber nicht nur das funktionale Spektrum jedes einzelnen Kommunikationsmittels aufzuzeigen, sondern auch zu vergleichen, wie die Texte die Dimensionen der Verständlichkeit unterschiedlich realisieren, werden die Mittel zusätzlich induktiv zusammengefasst. Daraus entsteht ein hierarchisches Kategoriensystem. Mit Hilfe dieses Systems lässt sich feststellen, welche Verständlichkeitsdimensionen von welcher Textsorte mehr oder weniger und auf welche Art und Weise bedient werden. Um Textsortenspezifika deutlicher machen zu können, werden zudem Teiltexte aus den beiden Textsorten auf ihre jeweilige kombinatorische Mittelrealisierung verglichen. Damit kann gezeigt werden, dass die analytische Verteilung einzelner Mittel auf einzelne Gebote der Verständlichkeit zwar nützlich ist, um unterschiedliche Handlungsziele zu reflektieren, doch in den Texten immer mehrere Dimensionen der Verständlichkeit zugleich durch das kohärente Arrangement mehrerer Mittel angesprochen werden. Letztendlich werden die Befunde, wie etwa die Analyseergebnisse zu den einzelnen Gestaltungsmitteln, weitreichender anwendbar sein als lediglich in Bezug auf Sach- und Schulbücher: Sie verweisen auch auf andere Textsorten, die den Anspruch erheben, Wissen verständlich zu vermitteln.

Details

Seiten
290
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631906767
ISBN (ePUB)
9783631906774
ISBN (Hardcover)
9783631906750
DOI
10.3726/b21177
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Dezember)
Schlagworte
Verständlichkeit Bildtypen Kohärenz Textsorten Vermittlungssprache Bildungssprache
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2024. 290 S., 38 farb. Abb., 12 S/W-Abb., 15 Tab.

Biographische Angaben

Lukas Daum (Autor:in)

Lukas Daum hat das erste Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Physik an der TU Darmstadt abgelegt. Dabei arbeitete er als Schreibberater und unterrichtete u.a. im Bereich Schreiben für Ingenieur*innen. In der Folge war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der TU Darmstadt tätig, wo er auch promovierte. Seine Forschungsschwerpunkte sind Textlinguistik, Fachsprachen und Multimodalität.

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