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Lesedidaktik Deutsch als Fremdsprache

Aktuelle Entwicklungen und Ansätze

von Martina Kienberger (Band-Herausgeber:in) Karen Schramm (Band-Herausgeber:in)
©2023 Sammelband 220 Seiten

Zusammenfassung

Dem Lesen kommt als einer der Grundfertigkeiten im fremdsprachlichen Deutschunterricht weltweit eine zentrale Rolle zu. In diesem Band wurden Beiträge von internationalen DaF-Forscher:innen zusammengestellt, die sich mit drei für die Lesedidaktik besonders relevanten Themenbereichen auseinandersetzen: Arbeiten aus dem Bereich der Text- und Korpuslinguistik geben Orientierung über die sprachlichen Anforderungen von Texten, Studien zu den (meta)kognitiven Prozessen des Leseverstehens tragen zu einem besseren Verständnis der Komplexität der mentalen Vorgänge beim Lesen bei und aktuelle Ansätze handlungsorientierter Lesedidaktik zeigen, wie die Arbeit mit Texten in konkreten Unterrichtskontexten motivierend gestaltet werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einführung
  • Lesen im und mit dem GER. Eine kritische Auseinandersetzung – und ein Plädoyer für erweiterte (rezeptive) Referenzniveaubeschreibungen des Deutschen
  • Bezugspunkte einer Lesedidaktik für Deutsch als Zweitsprache – bildungssprachliche Anforderungshorizonte in den Naturwissenschaften für den mittleren Schulabschuss am Beispiel der Biologie
  • Strategisches Lesen wissenschaftlicher Texte. Förderung wissenschaftlichen Lesens als Herausforderung für den DaF-Unterricht auf dem B2/C1-Niveau
  • Erschließungsstrategien für unbekannten Wortschatz beim Lesen
  • Förderung von DaF-Lesekompetenz in der ukrainischen Grundschule unter besonderer Berücksichtigung sehbehinderter Lernender
  • Extensives Lesen im DaF-Unterricht der Sekundarstufe. Eine Interventionsstudie an neun europäischen Schulen
  • Lernen, Lesen und Lehrwerke – Betrachtungen zu Deutsch als Fremdsprache aus finnischer Perspektive
  • Deutsch als fremde Sprache fließend lesen lernen – wie denn?
  • Multimodale Leseprozesse im mexikanischen DaF-Anfängerunterricht

Martina Kienberger (Universität Granada) / Karen Schramm (Universität Wien)

Einführung

Das Lesen spielt im fremdsprachlichen Deutschunterricht weltweit eine zentrale Rolle, denn es stellt zugleich Lernziel und Lernweg dar. Lesen schafft Zugang zu einer Fülle von deutschsprachigen Informationen und erweitert die Möglichkeiten an Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Insbesondere für all diejenigen, die sich auf das Arbeiten oder Studieren in einem deutschsprachigen Land vorbereiten, ist die Entwicklung fremdsprachlicher Lesekompetenz von besonderer Relevanz. Um Empfehlungen dahingehend auszusprechen, wie Lehrende das Lesen anregen, didaktisch-methodisch begleiten und nachhaltig fördern können, sind vor allem DaF-spezifische Forschungsarbeiten zu den Themenfeldern Text- und Korpuslinguistik, (meta-)kognitive Leseprozesse und handlungsorientierte Lesedidaktik von Interesse. Entsprechende kontextspezifische Studien dienen in der Regel als Ausgangspunkte für anspruchsvolle Transferleistungen und kreative Gestaltungsprozesse, um Leseunterricht in den Zielgruppen verschiedener Altersstufen, Bildungsgrade und fachlicher Ausrichtungen zu konzipieren.

Text- und korpuslinguistische DaF-Forschung kann insbesondere Orientierung über die sprachlichen Anforderungen von Texten in Bezug auf die Kohärenzbildung von Leser:innen auf Mikro- und Makroebene und den Aufbau von entsprechenden mentalen Modellen bieten (z.B. Niederhaus 2011; Weiss/Meurers 2018). Hier sind Themenfelder wie Textverständlichkeit, Lesbarkeit und (GER-)Niveaustufenadäquatheit von zentralem Interesse, die es u.a. im Hinblick auf lexikalische, morphologische und syntaktische Anforderungen, Informationsstrukturen, Multimodalität, Textsorten, kontrastive Aspekte und vieles mehr zu konkretisieren gilt.

DaF-Forschung zu den kognitiven und metakognitiven Prozessen des Leseverstehens sensibilisiert Lehrende für die Komplexität des interaktiven Zusammenspiels von daten- und wissensgeleiteten Prozessen und deren metakognitive Kontrolle und Steuerung durch die Lesenden (z.B. Ehlers 1998, Meireles 2006, Lutjeharms/Schmidt 2010). Datengeleitete Prozesse wie die Buchstaben- und Worterkennung, die semantisch-syntaktische Verarbeitung oder die makrostrukturelle Reduktion interagieren beim Aufbau eines mentalen Modells mit wissensgeleiteten Prozessen wie intendierten Inferenzen und Elaborationen. Diese teils automatisierten und teils metakognitiv kontrollier- und steuerbaren Prozesse sind nicht nur als Grundlage für das Training von Leseflüssigkeit von didaktischem Interesse, sondern insbesondere auch als Grundlage für Überlegungen zur bewusstmachenden Vermittlung von Lesestrategien. Dabei spielen neben der spezifischen DaF-Sprachkompetenz auch die allgemeinen Lesekompetenzen in der Erstsprache und in weiteren Fremdsprachen (wie z.B. Englisch) eine wichtige Rolle (zu DaFnE siehe z.B. Kursisa 2012), ebenso wie die Lesemotivation und die Lesegewohnheiten.

Eine handlungsorientierte Lesedidaktik fragt ausgehend vom jeweiligen Kontext nach den Zielen, die Lernende mittels der Lektüre bestimmter Texte erreichen wollen und die die Textauswahl deshalb maßgeblich bestimmen sollten (vgl. Stiefenhöfer 1986, Schramm 2001). Diese Ziele beeinflussen ebenfalls die Verwendung unterschiedlicher Lesestile in den verschiedenen Phasen des Lesehandelns sowie auch die Überwachung des Leseverständnisses anhand unterschiedlicher Verstehensstandards, die verständnissicherndes Handeln nur dann notwendig erscheinen lassen, wenn das Leseziel gefährdet ist. In methodischer Hinsicht wird ein handlungsorientierter DaF-Unterricht deshalb die klassische Phasierung der didaktischen Begleitung des gemeinsamen intensiven Lesens vergleichsweise kurzer Texte (vor, während und nach dem Lesen) ebenso wie die individuelle Beratung beim extensiven Lesen längerer Texte konsequent auf die jeweiligen Leseziele ausrichten. In curricularer Hinsicht ist hingegen zu fragen, wie eine Komplexitätssteigerung in Bezug auf Handlungsziele in Form einer Textsorten-Progression bei gleichzeitiger Berücksichtigung der oben genannten textbezogenen Aspekte und unter Berücksichtigung einer parallelen systematischen Lesestrategie-Progression zu modellieren ist (vgl. Stahl 2006).

Somit stellen sich der DaF-Lesedidaktik zahlreiche herausfordernde Forschungsdesiderate, die angesichts der verschiedenen Altersgruppen, Bildungsstufen, Fachkontexte und Mehrsprachigkeitskonstellationen für eine Vielzahl von DaF-Handlungsfeldern zu bearbeiten sind. Im Vergleich zum fremdsprachlichen Schreiben wird das fremdsprachliche Lesen jedoch in viel geringerem Ausmaß erforscht – ähnlich wie auch das fremdsprachliche Hören viel weniger Erforschung als das Sprechen erfährt. Die wenigen vorhandenen Studien konzentrieren sich – wie DaF-Forschung im Allgemeinen – in der Regel auf Studierende (z.B. Introna 2021). Angesichts der Tatsache, dass die deutliche Mehrheit der DaF-Lernenden weltweit aber Schüler:innen sind (Auswärtiges Amt 2020), ist jedoch die Relevanz schulbezogener DaF-Leseforschung aus unserer Sicht ebenfalls hoch. Wir haben deshalb in diesem Sammelband eine Auswahl aktueller Studien zusammengestellt, die das große Spektrum der fremdsprachlichen DaF-Lesedidaktik von der (ukrainischen) Grundschule bis zur (mexikanischen) Hochschule und von Studien zu Lesetexten (Niveaustufen, Textlinguistik, kontrastive Aspekte) über solche zu Verarbeitungsprozessen (Lesestrategien, multimodales Lesen) bis hin zur Gestaltung didaktischer Arrangements (wie Aufgabenstellungen in Lehrwerken, Unterstützungsmaßnahmen zum Verstehen komplexer literarischer oder kulturbezogener Texte, interessegeleitete Navigationsaufgaben im Hyperraum oder extensive Leseprogramme) aufzeigen und in all diesen Bereichen zu weiterer DaF-Lesedidaktikforschung inspirieren sollen.

Die ersten beiden Beiträge geben Einblick in die Erkenntnisse text- und korpuslinguistischer DaF-Forschung. Katrin Wisniewski (Universität Bamberg) beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit Fragen der Lesekompetenz und deren Förderung in Bezug zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) und des kürzlich erschienenen Begleitbandes (Europarat, 2001, 2020). Die Autorin stellt dabei die Konzeption von Lesen und die Definition lesebezogener Kompetenzen im GER vor, wobei sie sich eingehend mit den Skalen zur Niveaueinstufung (vor A1-C2) und deren Deskriptoren im Bereich Lesen auseinandersetzt. Ihre Analyse des GER ist als Orientierungshilfe für die DaF-Praxis und als Anregung zur Entwicklung ergänzender DaF-spezifischer Referenzniveaubeschreibungen und weiterer unterstützender Materialien zu verstehen. In ihrem Beitrag bietet Wisniewski außerdem eine Zusammenfassung von Ergebnissen aus Schulleistungsstudien zum L2-Lesen in Deutsch und Englisch und stellt abschließend einige computergestützte Werkzeuge vor, die Lehrende bei der Einschätzung von Texten nach den GER-Niveaus unterstützen können.

Winfried Thielmann (TU Chemnitz) untersucht in seinem Beitrag die sprachlichen Anforderungen eines Sachtextes, der als Beispieltext der deutschen Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss geführt wird. Dabei analysiert er diejenigen Charakteristika, die das Textverständnis insbesondere für Lernende mit anderer Erstsprache als Deutsch (aber durchaus auch für Erstsprachler:innen) stören können: fachsprachliche Elemente, wissenschaftssprachliche Sedimentierungen und die thematische Progression des Textes. Textmerkmale wie spezifische nominale Wortbildungen, wissenschaftssprachliche Sedimentierungen oder anaphorisch und anadeiktisch realisierte Rückbezüge sollten bei der Arbeit mit Sachtexten im DaZ- und DaF-Unterricht Berücksichtigung finden.

Die Beiträge des zweiten Themenblocks befassen sich mit Fragen der kognitiven und metakognitiven Prozesse des Leseverstehens. Sebastian Chudak (Adam-Mickiewicz-Universität Poznań) untersucht die Strategien, die Germanistikstudent:innen in Polen auf Niveau B2-C1 bei der Auseinandersetzung mit deutschen Fachtexten anwenden. Präsentiert werden die Ergebnisse einer 2021/22 durchgeführten Befragung unter 97 Studierenden, die zu ihrem strategischen Verhalten und zu den von ihnen identifizierten Problembereichen beim Lesen Auskunft gegeben haben. Der Autor bietet zudem eine zusammenfassende Darstellung des deutschen Wissenschaftsstils sowie einen Überblick über empfehlenswerte Strategien für Studierende mit nicht-deutscher Erstsprache im Kontext wissenschaftlichen Lesens. Als Fazit werden Überlegungen zur Förderung von Lesestrategien angestellt, wobei metakognitive Komponenten besonders berücksichtigt werden.

Martina Kienberger (Universität Granada) gibt in ihrem Beitrag einen Einblick in Forschungsergebnisse zum Einsatz von Erschließungsstrategien für unbekannten Wortschatz durch DaF-Lernende beim Lesen. Dafür werden zunächst einige sprachen- und situationsübergreifende Erkenntnisse zur Wortschatzerschließung vorgestellt. Anschließend präsentiert die Autorin die Resultate von drei Untersuchungen, die zwischen 2017 und 2019 im universitären Kontext Spaniens unter DaF-Lernenden und -Lehrenden durchgeführt wurden. Analysiert wurden dabei u.a. Art und Frequenz der wahrgenommenen Strategiennutzung, Einflussfaktoren auf die Strategienwahl sowie der Strategieneinsatz in konkreten Lesesituationen.

Im Anschluss präsentieren fünf Beiträge aktuelle Ansätze handlungsorientierter Lesedidaktik. Bohdana Labinska und Tetiana Koropatnitska (Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz) zeigen, wie das fremdsprachliche Lesenlernen in der Grundschule gefördert werden kann, wobei sie vom Kontext des ukrainischen DaF-Unterrichts ausgehen. Sie unterscheiden dabei zwischen Lesetechnik und Leseverstehen und präsentieren verschiedene Aufgabenformate für unterschiedliche Lernziele. Von besonderem Interesse ist zudem ihre Berücksichtigung der Bedürfnisse von sehbeeinträchtigten Lernenden. Die Autorinnen zeigen auf, wie diese beim Lesen(lernen) unterstützt und optimal in den Unterricht integriert werden können.

Details

Seiten
220
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631908167
ISBN (ePUB)
9783631908174
ISBN (Hardcover)
9783631907863
DOI
10.3726/b21207
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (September)
Schlagworte
Lesestrategien Lesekompetenz DaF-Lesetexte schriftliche Rezeption handlungsorientierte Lesedidaktik fremdsprachliche Leseförderung Lesedidaktik Deutsch als Fremdsprache Martina Kienberger Karen Schramm
Erschienen
Peter Lang – Lausanne · Berlin · Bruxelles · Chennai · New York · Oxford. 2023. 220 S., 20 s/w Abb., 19 Tab.

Biographische Angaben

Martina Kienberger (Band-Herausgeber:in) Karen Schramm (Band-Herausgeber:in)

Martina Kienberger ist Assistenzprofessorin am Department of English and German Philology an der Universidad de Granada. Karen Schramm ist Professorin für Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik an der Universität Wien.

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Titel: Lesedidaktik Deutsch als Fremdsprache
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